JudikaturVwGH

Ra 2025/02/0120 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
26. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des A in W, vertreten durch Mag. Michael Luszczak, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 28. April 2024, VGW 031/103/3667/2025 15, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung schuldig erkannt, er habe zu einem konkret angegebenen Zeitpunkt an einem näher bestimmten Ort als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 49 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits abgezogen worden sei. Der Revisionswerber habe dadurch § 20 Abs. 2 StVO verletzt, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 2e StVO eine Geldstrafe sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurden. Gleichzeitig verhielt das Verwaltungsgericht den Revisionswerber zur Zahlung eines Kostenbeitrags zum Beschwerdeverfahren und sprach aus, dass die Revision unzulässig sei.

2 Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, stellte das Verwaltungsgericht den genauen Tatort und den Ort der Anhaltung fest sowie, dass die vom Revisionswerber gefahrene Geschwindigkeit mittels Nachfahrt (geeichter Tachometer ohne Videoaufzeichnung) über eine Strecke von 220 m erfolgt sei (abgelesene Geschwindigkeit 110 km/h); die Geschwindigkeit sei mit einem geeichten Lasermessgerät Bauart Robot Visual Systems/ProofSpeedII gemessen worden, wobei dieses am Dienstkraftrad des Meldungslegers angebracht gewesen sei. Das Messgerät sei geeicht gewesen. Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht zu diesen Feststellungen aus, dass der Meldungsleger die Ordnungsnummer der L Straße zwar nicht einwandfrei habe zuordnen, die Örtlichkeit jedoch nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit „google maps“ habe schildern können, sodass in Zusammenschau mit der Anzeige eine genaue Feststellung der Nachfahrt, der Amtshandlung sowie der Messtrecke möglich gewesen seien. Die Geschwindigkeitsmessung mit dem verwendeten System werde durch Nachfahren im gleichbleibenden Abstand gemessen und die Geschwindigkeit ständig digital angezeigt. Die Tatsache, dass die verwendeten Reifen nicht der bei der Eichung verwendeten entsprächen, komme keine Relevanz zu, weil die Geschwindigkeit auch mittels ungeeichtem Tacho festgestellt werden könne; es sei lediglich nach den Verwendungsbestimmungen eine höhere Messtoleranz abzuziehen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine Nachfahrt über 100m ausreichend.

3 Das Verwaltungsgericht erläuterte im Übrigen seine rechtlichen Überlegungen sowie die Strafbemessung.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die Einhaltung der Herstellerangaben bei Geschwindigkeitsmessungen sei von erheblicher Bedeutung, wenn es um die Richtigkeit der Messung gehe; der Verwaltungsgerichtshof habe dies zu den Verwendungsbestimmungen mehrmals festgehalten. Es sei daher entgegen der Wertung des Verwaltungsgerichtes die Einhaltung der Verwendungsbestimmungen und deren Kenntnis seitens des einschreitenden Organs notwendig. Es könne bei einer ins Auge fallenden Geschwindigkeitsüberschreitung nicht einfach der höchst anzuwendende Strafsatz zur Anwendung kommen. Es mache einen erheblichen Unterschied, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung über 40 km/h lag oder darunter. Dieser Umstand könne nicht „einfach ignoriert“ werden mit der Begründung, die Geschwindigkeitsüberschreitung sei „erheblich“ gewesen. Bei Nichtnachweisbarkeit der konkreten Geschwindigkeitsüberschreitung hätte nicht einfach eine 10%ige Messtoleranz releviert werden dürfen, es sei nicht am Beschuldigten gelegen, sich frei zu beweisen, sondern sei die Übertretung von der Strafverfolgungsbehörde zu beweisen.

9 Es liege daher eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, ob nämlich „eine vom verkehrstechnisch geschulten Organ als erheblich eingestufte Geschwindigkeitsüberschreitung automatisch die Anwendung des höchsten Strafsatzes“ rechtfertige. Bei korrekter Anwendung hätte das Verwaltungsgericht den niedrigsten Strafsatz anwenden oder das Verfahren einstellen müssen.

10 Hiezu ist auszuführen, dass das Verwaltungsgericht nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens festgestellt hat, mit welcher Geschwindigkeit der Revisionswerber sein Fahrzeug gelenkt hat und wie diese Geschwindigkeit gemessen worden ist. Die Feststellungen haben eine sie tragende Beweiswürdigung. Es kann daher nicht nachvollzogen werden, inwieweit das Verwaltungsgericht „automatisch“ vom höchsten Strafsatz ausgegangen sein soll; der höchste Strafsatz bei Geschwindigkeitsübertretungen der StVO ist im Übrigen § 99 Abs. 2f leg. cit. (u.a. Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 60 km/h) und nicht der hier herangezogene § 99 Abs. 2d StVO.

11 Soweit sich der Revisionswerber mit seinem Vorbringen der Sache nach gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach er als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG liegt als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 15.2.2023, Ra 2023/02/0018, mwN). Derartiges wird im Zulässigkeitsvorbringen aber nicht aufgezeigt.

12Die Revision macht weiters geltend, die Fähigkeit des Polizisten, den Tatort genau zu kennen, stelle im Kontext des „§ 34 VwGG“ eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar; gemäß § 44a Z 1 VStG sei eine möglichst präzise Angabe des Tatortes erforderlich, um die Rechtsmäßigkeit eines Straferkenntnisses zu gewährleisten. Es reiche nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, den Tatort „irgendwie“ anzugeben und nachträglich mittels „google maps“ darzustellen. Dazu sei auf die Aussagen des Meldungslegers zu verweisen, der sich mehrmals bezüglich Anhalte bzw. Tatort korrigierte; die verwendeten Konjunktive zeigten, dass sich der Meldungsleger nicht sicher gewesen sei. Der Revisionswerber sei der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt, weil die Geschwindigkeitsübertretung auch bei einer anderen ONr. hätte verwirklicht sein können und ihm drei Delikte vorgeworfen werden könnten.

13Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten; dazu ist zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dieser Bestimmung genügt oder nicht genügt, wobei eine Ungenauigkeit bei der Konkretisierung der Tat in Ansehung von Tatzeit und Tatort dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides hat, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl. etwa VwGH 13.8.2019, Ra 2019/03/0068 bis 0069).

14 Das an die Tatortumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. VwGH 31.3.2005, 2001/03/0053, mwN).

15Der Umstand allein, dass im Spruch des Straferkenntnisses ein unrichtiger Tatort genannt wurde, rechtfertigt noch nicht die Einstellung des Verfahrens. Das Verwaltungsgericht ist nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen (vgl. VwGH 21.6.2024, Ra 2022/02/0188, mwN; 15.10.2021, Ra 2021/02/0158, mwN).

16 Da im Straferkenntnis der belangten Behörde nicht nur die nachgefahrene Strecke mit genauen ONr. bezeichnet, sondern zusätzlich auch der Anhalteort genannt waren, ist nicht ersichtlich, inwiefern das Verwaltungsgericht durch die Konkretisierung des Tatortes auf die nachgefahrene Strecke und durch Entfernung des Anhalteortes von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sein soll. Die Gefahr einer Doppelbestrafung ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. August 2025