JudikaturVwGH

Ra 2022/02/0188 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. Juni 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des G in S, vertreten durch die Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in 1230 Wien, Dr. Neumann Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 25. Mai 2022, VGW 031/088/11404/2021 15, betreffend Übertretungen der StVO und des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 2. Juni 2021 wurde dem Revisionswerber angelastet, er habe am 23. Oktober 2020 um 13:16 Uhr an einem näher bezeichneten Ort als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten PKW 1. die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 53 km/h überschritten und 2. mit dem Fahrzeug mehr Lärm verursacht, als bei ordnungsgemäßem Zustand und sachgemäßem Betrieb des Fahrzeuges unvermeidbar gewesen wäre, weil er den Motor habe aufheulen lassen. Er habe dadurch zu 1. § 20 Abs. 2 StVO und zu 2. § 102 Abs. 4 KFG verletzt, weshalb über ihn zu 1. gemäß § 99 Abs. 2e StVO und zu 2. gemäß § 134 Abs. 1 KFG jeweils Geld sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden und er gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet wurde.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und bestätigte das bekämpfte Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass die Tatzeit auf „ca. 13:10 Uhr“ abgeändert, im Spruchpunkt 2. eine hier nicht weiter relevante sprachliche Korrektur vorgenommen und die im Spruch genannten Normen um deren Fundstellen ergänzt werden. Darüber hinaus sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu zahlen habe und dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.

3 Nach Darlegung des Verfahrensganges stellte das Verwaltungsgericht u.a. die Tatzeit mit „ca. 13:10 Uhr“ fest. Beweiswürdigend stützte es sich dazu vor allem auf die Aufnahmedaten der nach den Übertretungen anlässlich der Amtshandlung angefertigten Fotos, die um 13:15 Uhr aufgenommen wurden. Davon ausgehend rechnete das Verwaltungsgericht aufgrund der Aussagen des Revisionswerbers sowie eines Zeugen auf den Tatzeitpunkt zurück.

4 Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht die aus seiner Sicht geringfügige Anpassung der Tatzeit damit, dass diese Präzisierung trotz zwischenzeitig eingetretener Verfolgungsverjährung zulässig gewesen sei, weil es damit weder die Verteidigungsrechte des Revisionswerbers beeinträchtige noch ihn der Gefahr einer Doppelbestrafung aussetze. So sei dem Revisionswerber in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht völlig klar gewesen, um welchen Vorfall es gehe, und er habe selbst nie angegeben, zeitnah zu den hier in Rede stehenden Vorfällen neuerlich am angelasteten Tatort gewesen zu sein.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Der Revisionswerber erachtet seine Revision deshalb als zulässig, weil das Verwaltungsgericht mit der Änderung der angelasteten Tatzeit von 13:16 Uhr auf ca. 13:10 Uhr in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen unzulässigen Austausch der Tat sowie eine Erweiterung des Tatzeitraumes vorgenommen habe. Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte und Gefahr einer Doppelbestrafung begründete der Revisionswerber damit, dass zwischen dem vorgeworfenen Tatort und dem Anhalteort eine Strecke von 1,4 km liege, auf der sich zwei in der von ihm eingehaltenen Fahrtrichtung positionierte stationäre Radargeräte befänden. Es sei darüber hinaus nicht auszuschließen, dass neben dem einschreitenden Beamten auch weitere Beamte Geschwindigkeitsmessungen vorgenommen hätten, mobile Radarboxen aufgestellt gewesen seien und er von Privatpersonen wegen der beiden Vorwürfe ebenfalls um ca. 13:10 Uhr angezeigt worden sei. Damit stehe einer Bestrafung des Revisionswerbers die gemäß § 31 VStG eingetretene Verfolgungsverjährung entgegen.

10 Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten; dazu ist zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dieser Bestimmung genügt oder nicht genügt, wobei eine Ungenauigkeit bei der Konkretisierung der Tat in Ansehung von Tatzeit und Tatort dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides hat, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl. etwa VwGH 13.8.2019, Ra 2019/03/0068 bis 0069).

11 Es besteht nicht nur das Recht, sondern die Pflicht des Verwaltungsgerichts, einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der belangten Behörde diesbezüglich richtig zu stellen oder zu ergänzen (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0033).

12 Einer bloßen Spezifizierung der Tatumstände so auch eine relativ geringfügige Berichtigung der Tatzeit nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist steht § 31 Abs. 1 VStG nicht entgegen (vgl. VwGH 31.3.2000, 99/02/0101, mwN).

13 Auf der Grundlage der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der hier vorliegenden Spezifizierung der Tatzeit um eine geringfügige Berichtigung, die nicht erkennen lässt auch der Revisionswerber zeigt nichts anderes auf , dass er in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden sei, folgte doch das Verwaltungsgericht dem vom Revisionswerber vorgebrachten früheren Tatzeitpunkt.

14 Die vom Revisionswerber behauptete Gefahr einer Doppelbestrafung wegen der auf der Wegstrecke vom Tatort zum Anhalteort befindlichen stationären Radarmessgeräte ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil das Verwaltungsgericht den im Straferkenntnis genannten Tatort ohne Abänderung übernahm und nicht dadurch die Möglichkeit eröffnete, den Revisionswerber wegen andernorts begangener Übertretungen zu belangen.

15 Soweit sich der Revisionswerber einer denkbaren Doppelbestrafung dadurch ausgesetzt sieht, dass er möglicherweise von anderen Personen wegen derselben Übertretungen im nunmehr abgeänderten Tatzeitpunkt angezeigt worden sei, steht dem schon die im angefochtenen Erkenntnis enthaltene Begründung entgegen, dass der Revisionswerber selbst nie angab, zeitnah noch einmal am angelasteten Tatort gewesen zu sein.

16 Insoweit ist die Tatortangabe im Zusammenhang mit der Tatzeitangabe durchaus ausreichend, um den Revisionswerber vor einer Doppelbestrafung zu schützen (vgl. VwGH 15.4.2019, Ra 2018/02/0086, mwN).

17 Nach dem Gesagten kann von einem „anderen Sachverhalt“ als im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses keine Rede sein (vgl. VwGH 18.3.2005, 2002/02/0303, mwN) und stand auch § 31 Abs. 1 VStG der bloßen Spezifizierung der Tatzeit nicht entgegen.

18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Juni 2024

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