JudikaturVwGH

Ra 2025/02/0103 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
26. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie die Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober und die Hofrätin Mag. Schindler als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Hahn, LL.M., über die Revision des S, vertreten durch die Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 1. April 2025, E 003/07/2024.006/005, betreffend Übertretungen des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Oberwart),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Aufhebung der Spruchpunkte 2. und 3. des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 30. November 2023, GZ: BH OW/03/235000004074/23, und die Einstellung des Strafverfahrens in diesem Umfang richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abgeändert, dass infolge der vom Revisionswerber gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 30. November 2023, GZ: BHOW/03/235000004074/23, erhobenen Beschwerde das Strafverfahren hinsichtlich der Spruchpunkte 1., 4. und 5. dieses Straferkenntnisses gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG eingestellt wird.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Straferkenntnis vom 30. November 2023, GZ: BH OW/03/235000004074/23, erkannte die belangte Behörde den Revisionswerber als verantwortlichen Beauftragten eines näher bezeichneten Betriebs, der Zulassungbesitzer eines näher angeführten Kraftfahrzeuges sei, in fünf Spruchpunkten wegen verschiedener Übertretungen des KFG schuldig und verhängte jeweils Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen.

2 Dagegen erhob der Revisionswerber per E Mail mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2023 Beschwerde, die am selben Tag um 08:48 Uhr bei der belangten Behörde einlangte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Burgenland (Verwaltungsgericht) hinsichtlich der Spruchpunkte 1., 4., und 5. des behördlichen Straferkenntnisses die Beschwerde als unbegründet ab; hinsichtlich der Spruchpunkte 2. und 3. des angefochtenen Straferkenntnisses gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge, hob die jeweiligen Spruchpunkte auf und stellte das Strafverfahren diesbezüglich ein. Weiters verpflichtete das Verwaltungsgericht den Revisionswerber zu einem Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

4 Das gegenständliche Erkenntnis des Verwaltungsgerichts wurde dem Revisionswerber am 2. April 2025 elektronisch zugestellt.

5 In der dagegen vorliegenden außerordentlichen Revision bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die 15 MonatsFrist des § 43 Abs. 1 VwGVG bereits abgelaufen und das Straferkenntnis außer Kraft getreten gewesen sei; das Beschwerdeverfahren hätte daher eingestellt werden müssen.

6 Die belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, in der sie auf die Begründung ihres Straferkenntnisses verwies.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Revision ist zulässig, soweit sie sich gegen die dem Grunde nach erfolgte Bestätigung der Bestrafung des Revisionswerbers im Umfang der Spruchpunkte 1., 4. und 5. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses richtet. Sie ist diesbezüglich auch berechtigt.

8§ 43 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet (auszugsweise):

„Verjährung

§ 43. (1) Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 15 Monate vergangen, tritt es von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen.

(2) ...“

9Sind demnach seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 15 Monate vergangen, tritt es gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen. Entscheidet das Verwaltungsgericht über ein nach Ablauf der 15-monatigen Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG von Gesetzes wegen außer Kraft getretenes verwaltungsbehördliches Straferkenntnis, so belastet es dadurch sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. etwa VwGH 7.5.2021, Ra 2020/10/0174; VwGH 18.5.2018, Ro 2018/02/0007, 0008, jeweils mwN).

10 Im vorliegenden Fall ist die (zulässige und rechtzeitige) Beschwerde des Revisionswerbers gegen das angeführte Straferkenntnis der belangten Behörde bei dieser am selben Tag, somit am 22. Dezember 2023 (per E Mail) eingelangt.

11Die 15-Monate-Frist gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG endete daher am 22. März 2025.

12Das gegenständliche Erkenntnis des Verwaltungsgerichts wurde erst nach diesem Zeitpunkt, nämlich durch Zustellung an den Revisionswerber am 2. April 2025, erlassen. Das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 30. November 2023 war daher im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (am 2. April 2025) bereits gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG außer Kraft getreten; das Strafverfahren wäre daher vollumfänglich einzustellen gewesen.

13Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies trifft im vorliegenden Fall zu (vgl. auch dazu VwGH 18.5.2018, Ro 2018/02/0007, 0008).

14Das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts war daher dahingehend abzuändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber (auch) im Umfang der in Beschwerde gezogenen Spruchpunkte 1., 4. und 5. des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses vom 30. November 2023 gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG einzustellen war, weil dieses Straferkenntnis im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts bereits außer Kraft getreten war.

15 Soweit sich die Revision in der Zulässigkeitsbegründung gegen dentrennbaren Abspruch (vgl. dazu etwa VwGH 7.5.2021, Ra 2020/10/0174, mwN)des Verwaltungsgerichts betreffend die Spruchpunkte 2. und 3. des behördlichen Straferkenntnisses vom 30. November 2023 wendet, mit dem das Verwaltungsgericht das Straferkenntnis hinsichtlich dessen Spruchpunkte 2. und 3. aufgehoben und das gegen den Revisionswerber geführte Strafverfahren im Umfang dieser Spruchpunkte eingestellt hat, war sie diesbezüglich mangels rechtlichen Interesses des Revisionswerbers an einer meritorischen Erledigung gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG in diesem Umfang zurückzuweisen (vgl. dazu mit ausführlicher Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, VwGH 22.2.2002, 2001/02/0140).

16Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil den Erfordernissen des Art. 6 Abs. 1 EMRK und des Art. 47 GRC schon durch Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Genüge getan wurde, sowie im Übrigen gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG schon hinsichtlich der Zurückweisung der Revision im angeführten Umfang.

17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. August 2025