Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des F M, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum und Mag. a Andrea Blum, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2023, W602 2276175 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Somalia, stellte am 26. August 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er mit der Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan sowie einer Blutfehde begründete.
2 Mit Bescheid vom 1. Juni 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 25. Jänner 2024, E 122/2024 5, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Der Revisionswerber brachte daraufhin die vorliegende außerordentliche Revision ein.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe in Hinblick auf die aktuelle Situation des Minderheitenclans des Revisionswerbers jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen. Es wäre auch notwendig gewesen, die aktuelle Situation in Somaliland durch geeignete Recherchen zu untermauern sowie Länderberichte und gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten einzuholen.
10 Damit macht die Revision einen Verfahrensmangel geltend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Relevanz eines solchen Verfahrensmangels in konkreter Weise darzulegen, weshalb also bei dessen Vermeidung in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Dies setzt voraus, dass zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 10.1.2024, Ra 2023/19/0463, mwN).
11 Diesen Erfordernissen wird die vorliegende Revision mit ihrer pauschalen Zulässigkeitsbegründung nicht gerecht. So wird in keiner Weise dargelegt, welcher Sachverhalt bei Vermeidung des behaupteten Fehlers hätte festgestellt werden können und inwiefern in rechtlicher Hinsicht für den Revisionswerber ein günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können.
12 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung zudem gegen die Beweiswürdigung, indem sie vorbringt, das BVwG habe sich nicht ausreichend mit den im Erkenntnis enthaltenen Länderberichten insbesondere zur Lage von Minderheiten und zu den Auswirkungen von Naturkatstrophen in Somalia auseinandergesetzt. Den Rückkehrbefürchtungen des Revisionswerbers sei kein Glauben geschenkt worden.
13 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 19.12.2023, Ra 2023/19/0194, mwN).
14 Im vorliegenden Fall setzt die Revision den konkreten Erwägungen des BVwG, welches eine mündliche Verhandlung durchführte und sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte, nichts Stichhaltiges entgegen. Vielmehr beschränkt sie sich auf die bloße Wiedergabe von einzelnen Teilen der Länderinformationen zu Somalia. Soweit sich die Revision gegen die Beurteilung des BVwG, wonach die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz nicht vorlägen, wendet, gelingt es ihr nicht darzutun, dass die auf die persönliche Situation des Revisionswerbers sowie die Situation im Herkunftsstaat ausreichend Bedacht nehmenden Ausführungen des BVwG mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler behaftet wären.
15 Nach den in der Revision unbestritten gebliebenen Erwägungen des BVwG verfüge der Revisionswerber in Somalia über ein familiäres und soziales Netz, weil jedenfalls seine Mutter und Geschwister in der Herkunftsregion leben würden. Der Revisionswerber sei als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann in der Lage, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, zumal er über Arbeitserfahrung in einem für seine Minderheit typischen Beruf verfüge. Mit Blick auf die kritische Versorgungssituation in Somalia führt das BVwG unter Berufung auf einschlägige Länderinformationen, insbesondere den aktuellen IPC Report „Integrated Phase Classification for Food Security“, aus, dass die Herkunftsregion des Revisionswerbers zwar als IPC Stufe 2 „stressed“ einzustufen sei. Besonders betroffen von der Dürre und der Hungersnot in diesem Gebiet seien jedoch Nomaden und Binnenvertriebene, zu denen der Revisionswerber nicht zähle.
Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung mit Blick auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative vorbringt, das BVwG habe den UNHCR Leitfaden „International Protection Considerations with Regard to People Fleeing Somalia“ vom September 2022 unberücksichtigt gelassen, geht dieses Vorbringen ins Leere, weil das BVwG davon ausging, dass eine Rückkehr des Revisionswerbers an seinen Herkunftsort möglich sei.
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 18. April 2024