Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision 1. der F J, und 2. des mj. S J, beide vertreten durch Mag. a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2024, 1. W284 2281042 1/10E und 2. W284 2281043 1/9E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Erstrevisionswerberin ist die Schwester des minderjährigen Zweitrevisionswerbers. Beide sind Staatsangehörige des Iran und stellten jeweils am 30. November 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Erstrevisionswerberin begründete ihren Antrag im Wesentlichen damit, dass sie als Studentin an einer Demonstration gegen das iranische Regime teilgenommen habe. Als sie während einer Urlaubsreise in Deutschland gewesen sei, habe sie ihr Vater darüber informiert, dass der Geheimdienst sie deswegen verhaften wolle. Der Zweitrevisionswerber gab an, er sei mit seiner Schwester mitgekommen, damit diese nicht alleine habe flüchten müssen.
2 Mit Bescheiden vom 6. Oktober 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge der revisionswerbenden Parteien jeweils zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihnen jeweils keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III.), erließ jeweils eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte jeweils die Zulässigkeit der Abschiebung fest (Spruchpunkt V.) und sprach jeweils aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.).
3 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
4 Das BVwG stellte fest, die Erstrevisionswerberin sei nie Studentin gewesen und habe nie an regimekritischen Demonstrationen im Iran teilgenommen. Der vorgelegten Vorladung zum islamischen Revolutionsgericht könne aus näher dargestellten Gründen kein Verfolgungsgrund entnommen werden. Bei einer Rückkehr in den Iran bestehe für die Erstrevisionswerberin keine maßgebliche Gefahr, als Oppositionelle wahrgenommen zu werden und ins Blickfeld des iranischen Regimes zu geraten. Den revisionswerbenden Parteien drohe bei einer Rückkehr in den Iran auch keine Verfolgung durch das iranische Regime aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen in Wien oder aufgrund von Postings der Erstrevisionswerberin in sozialen Medien.
5 Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 17. September 2024, E 2937 2938/2024 7, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 15. Oktober 2024, E 2937 2938/2024 9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 In der Folge brachten die revisionswerbenden Parteien die vorliegende außerordentliche Revision ein.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Das Vorbringen der Revision bezieht sich im Wesentlichen auf die Erstrevisionswerberin; in der Zulässigkeitsbegründung (und auch in den Revisionsgründen) findet sich keine Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die den Zweitrevisionswerber betreffenden Aussprüche des angefochtenen Erkenntnisses.
11 Doch auch im Hinblick auf die Erstrevisionswerberin wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt.
12Soweit die Revision einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot sowie eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör moniert, weil es das BVwG unterlassen habe, die Erstrevisionswerberin mit der Annahme zu konfrontieren, dass sie nie studiert habe, gelingt es der Revision nicht, ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen. Denn das Recht auf Parteiengehör bezieht sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur auf den festzustellenden maßgeblichen Sachverhalt; dass die Frage, ob die Revisionswerberin im Iran ein Universitätsstudium betrieben hat oder nicht, nicht (unmittelbar) rechtserheblich für die Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz ist, für die es auf das Vorliegen begründeter Furcht vor Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ankommt, räumt die Revision selbst ein. Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG zählt nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens. Es besteht keine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, dem Asylwerber im Weg eines Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. VwGH 8.9.2024, Ra 2023/18/0299, mwN).
13 Dem Vorbringen der Revision, das BVwG habe eine fehlerhafte Beweiswürdigung vorgenommen und gegen die Begründungspflicht verstoßen, ist zu erwidern, dass sich das BVwG ausführlich mit der Behauptung der Teilnahme an Demonstrationen im Iran auseinandergesetzt hat. Dabei berücksichtigte es die zeitlichen Komponenten der Fluchtgeschichte (etwa den Umstand, dass die Erstrevisionswerberin am 23. September 2022 ein Studium in Ahwaz begonnen und an Demonstrationen an der dortigen Universität teilgenommen haben wolle, jedoch bereits zwei Tage später in Teheran ein SchengenTouristenvisum für Italien beantragt habe), widersprüchliche Angaben der Erstrevisionswerberin etwa zu den behaupteten Demonstrationsteilnahmen und insbesondere das von der Erstrevisionswerberin vorgelegte Dokument betreffend die Vorladung zum islamischen Revolutionsgericht (dazu noch unten) und kam zum Ergebnis, dass die Erstrevisionswerberin eine Fluchtgeschichte konstruiert habe, die sie mit den Studentenprotesten im Iran im September und Oktober 2022 in Verbindung bringen solle. Die Revision legt nicht dar, dass diese Gesamteinschätzung durch das BVwG unvertretbar (vgl. zu diesem Prüfmaßstab für die Beweiswürdigung im Revisionsverfahren etwa VwGH 6.10.2024, Ra 2024/18/0474, mwN) gewesen wäre. Dies trifft auch für die behaupteten Begründungs- bzw. Beweiswürdigungsmängel im Zusammenhang mit den politischen Äußerungen der Erstrevisionswerberin in den sozialen Medien und der Teilnahme an Demonstrationen in Wien zu.
14 Der Vorwurf der Revision, das BVwG hätte das vorgelegte Dokument betreffend die Vorladung zum islamischen Revolutionsgericht ins Deutsche übersetzen lassen müssen, übergeht den Umstand, dass bereits das BFA das angesprochene Dokument übersetzen ließ; das BVwG setzte sich mit dem Inhalt des Dokuments wie erwähnt beweiswürdigend auseinander.
15 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 23. Dezember 2024