Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger und Dr. in Sabetzer als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des A A, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr und Mag. Ralf Niederhammer, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Mai 2024, W163 2278835 1/7E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der unbegleitete und minderjährige Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der paschtunischen Volksgruppe, stellte am 15. September 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Verlauf des Verfahrens im Wesentlichen damit begründete, dass ihm aufgrund der Tätigkeit seines Vaters für die Dorfpolizei (Arbaki) Verfolgung durch die Taliban drohe.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 28. August 2023 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das BVwG soweit hier maßgeblich aus, der Revisionswerber habe aufgrund vager und unplausibler Angaben nicht glaubhaft machen können, im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt zu sein. Dazu berücksichtigte das BVwG im Verfahren vorgelegte Aktenvermerke über Telefonate der gesetzlichen Vertretung des Revisionswerbers mit dessen Vater in Afghanistan. Es nahm im Rahmen der Beweiswürdigung weiters darauf Bedacht, dass der Revisionswerber sein Heimatland im Alter von zwölf Jahren verlassen habe, weshalb es nachvollziehbar sei, dass ihm die Gründe für seine Ausreise nicht konkret bekannt seien. Doch selbst unter der Annahme, dass der Vater des Revisionswerbers einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sei, könne eine Reflexverfolgung des Revisionswerbers nicht als maßgeblich wahrscheinlich angesehen werden. So sei es nicht plausibel, dass angesichts der Tatsache, dass die Taliban nach den aktuellen Länderinformationen „bestens vernetzt“ seien und über neue technische Möglichkeiten verfügten, um politische Gegner ausfindig zu machendie achtköpfige Familie des Revisionswerbers seit mehr als einem Jahr unbemerkt dort leben könne, wenn sich der Verfolgungsdruck seitens der Taliban nicht nur gegen den Vater des Revisionswerbers, sondern auch gegen dessen gesamte Familie samt den minderjährigen Kindern richten würde. Dem Beweisantrag zur telefonischen Einvernahme des Vaters des Revisionswerbers sei mangels Erfüllung der Anforderungen des § 25a Abs. 1 VwGVG nicht Folge zu geben gewesen. Auch der beantragten Einvernahme im Wege der Videotelefonie unter Verwendung der Applikation „WhatsApp“ sei nicht zu folgen gewesen, zumal neben Bedenken hinsichtlich Vertraulichkeit und Datenschutz bei Nutzung dieser Plattform gerade im Asylverfahren dem persönlichen Eindruck bei der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen besondere Bedeutung zukomme. Zudem könne die Identität des Zeugen, der sich in Afghanistan befinde, nicht zweifelsfrei festgestellt werden.
5Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, es fehle - im Hinblick auf die unterbliebene Befragung des Vaters des Revisionswerbers im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anwendung des § 25a Abs. 1 VwGVG. So bedürfe es einer Klarstellung, dass es Sache des Verwaltungsgerichts sei, die technische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, um Parteien, Zeugen und anderen Beteiligten die Teilnahme an einer Verhandlung zu ermöglichen. Das BVwG weiche darüber hinaus von (näher angeführter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, nach der die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht in einem Fall, wo der Vernehmung des Zeugen tatsächliche Hindernisse nicht entgegenstünden, die Beweisaufnahme durchzuführen habe. Des Weiteren sei die Auseinandersetzung des BVwG mit dem Vorbringen zur Tätigkeit des Vaters grob mangelhaft erfolgt, weshalb ein Verstoß gegen die Begründungspflicht von Erkenntnissen vorliege.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision beruft sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst auf das Unterbleiben der beantragten Befragung des (in Afghanistan aufhältigen) Vaters des Revisionswerbers im Rahmen einer mündlichen Verhandlung.
10Damit zeigt sie allerdings schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eigenen hoheitlichen Ermittlungen der Asylbehörden im Herkunftsstaat des Asylwerbers allgemeine Prinzipien des Völkerrechts entgegenstehen. Danach sind Staaten grundsätzlich verpflichtet, in fremden Hoheitsräumen keine Amtshandlungen ohne Genehmigung des Territorialstaates vorzunehmen. Dieser Grundsatz wird meist streng gehandhabt und gestattet nicht einmal eine hoheitliche Tätigkeit, die keine unmittelbare Auswirkung im Territorialstaat hat, wie etwa polizeiliche Erhebungen oder amtliche Vorladungen. Ermittlungen, die diesen Prinzipien widersprechen, sind von den Ermittlungspflichten des § 18 AsylG 2005 daher nicht umfasst und den Asylbehörden auch nicht erlaubt (vgl. dazu grundlegend VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, und aus jüngster Zeit etwa VwGH 6.10.2023, Ra 2023/18/0338, mwN). Auf die in den Zulässigkeitsausführungen getroffenen Erwägungen zu den Modalitäten der beantragten Einvernahme sowie auf die Frage, welche technische Infrastruktur (Sprach- oder Videotelefonie) hierbei zu nutzen wäre, kommt es somit nicht an.
11Soweit die Revision des Weiteren Begründungsmängel geltend macht und sich dabei erkennbar gegen die vom BVwG vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist somit nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. z.B. VwGH 27.3.2023, Ra 2023/18/0082, mwN).
12 Im gegenständlichen Fall gelangte das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich auch einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, zu dem Ergebnis, dass dieser keine individuell gegen ihn gerichteten asylrelevanten Verfolgungshandlungen habe glaubhaft machen können. Es nahm bei seinen Erwägungen sowohl auf die Minderjährigkeit des Revisionswerbers Bedacht, wie auch (unter Hinweis auf die getroffenen Länderfeststellungen) darauf, dass die Eltern und Geschwister des Revisionswerbers trotz des geltend gemachten Verfolgungsdrucks der Taliban gegen die gesamte Familie weiterhin unbemerkt in Afghanistan leben könnten. Dass diese beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG auf unvertretbare Weise vorgenommen worden wären, legt die Revision nicht dar.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 22. Oktober 2024