JudikaturVwGH

Ra 2025/18/0248 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
01. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Hahn, LL.M., über die Revision des P S, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2025, W602 2303057 1/11E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 30. August 2024 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, aufgrund seiner politischen Aktivitäten als Mitglied der Studentenorganisation der Awami League und wegen seiner Teilnahme an Demonstrationen Verfolgung zu fürchten.

2 Mit Bescheid vom 22. Oktober 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG soweit für das Revisionsvorbringen relevantzusammengefasst aus, der Revisionswerber habe seine Zugehörigkeit zur vormaligen Regierungspartei Awami League und deren Studentenorganisation nicht glaubhaft gemacht. Sein Fluchtvorbringen sei vage, teilweise widersprüchlich und nicht nachvollziehbar gewesen. Die Kernfamilie des Revisionswerbers lebe unverändert im Herkunftsort in guten wirtschaftlichen Verhältnissen. Ein reales Risiko einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung im Falle einer Rückkehr könne nicht erkannt werden. In Österreich habe der Revisionswerber keine familiären oder privaten Bindungen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorbringt, das BVwG habe eine unvertretbare Beweiswürdigung vorgenommen, da es die nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben des Revisionswerbers und auch die vorgelegten Dokumente nicht ordnungsgemäß gewürdigt habe. Bei der Prüfung des subsidiären Schutzes habe das BVwG übersehen, dass der Revisionswerber keinen nennenswerten Kontakt zu seiner Familie habe. Auch die Rückkehrentscheidung sei zu Unrecht erlassen worden.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist somit nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. z.B. VwGH 22.10.2024, Ra 2024/18/0359, mwN).

11 Im gegenständlichen Fall gelangte das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, zu dem Ergebnis, dass dieser keine individuell gegen ihn gerichteten asylrelevanten Verfolgungshandlungen habe glaubhaft machen können. Entgegen den pauschalen Behauptungen in der Revision setzte sich das BVwG umfassend mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinander und nahm insbesondere auf seine vagen und teilweise widersprüchlichen Antworten Bedacht. Auch mit den in Kopie vorgelegten Urkunden, die seine Verfolgung belegen sollen, beschäftigte sich das BVwG im angefochtenen Erkenntnis ausführlich und sprach diesen nachvollziehbar jeglichen Beweiswert ab (Seiten 30 ff des Erkenntnisses). Mit dem wiederholten, jedoch nicht näher begründeten Hinweis auf „glaubhafte“ und „nachvollziehbare“ Angaben des Revisionswerbers setzt die Revision der Beweiswürdigung des BVwG nichts Stichhaltiges entgegen.

12 Soweit sich die Revision gegen die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz wendet und in diesem Zusammenhang bloß vorbringt, das BVwG habe übersehen, dass der Revisionswerber keinen nennenswerten Kontakt mehr zu seiner Familie habe, ist ihr zu entgegnen, dass die Feststellungen, wonach der Revisionswerber regelmäßig telefonischen Kontakt mit seiner Kernfamilie hat, auf seinen eigenen entsprechenden Angaben in der mündlichen Verhandlung beruhen.

13Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung überdies gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK bzw. § 9 BFA VG und hebt dazu lediglich hervor, dass der Revisionswerber unbescholten sei.

14Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurdenicht revisibel (vgl. z.B. VwGH 18.9.2024, Ra 2024/18/0233, mwN).

15Das BVwG hat in der angefochtenen Entscheidung eine Gesamtabwägung der für und gegen einen Verbleib des Revisionswerbers in Österreich sprechenden Umstände im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK bzw. § 9 BFA VG vorgenommen. Es hat dabei unter anderem die strafrechtliche Unbescholtenheit des Revisionswerbers in die Beurteilung miteinbezogen, dem jedoch die Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet von weniger als einem Jahr, das Nichtvorliegen familiärer oder enger privater Bindungen zu Österreich und die starken Verbindungen zu seinem Herkunftsland gegenübergestellt. Dass sich das BVwG bei dieser Abwägung insgesamt von den Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entfernt hätte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 1. September 2025