JudikaturVwGH

Ra 2024/18/0199 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
06. Juni 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger und Dr. in Sabetzer als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des A A, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 2024, W286 2270977 1/10E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Syriens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe, beantragte am 6. Dezember 2021 internationalen Schutz und brachte im Laufe des Verfahrens zusammengefasst vor, Syrien wegen des Krieges verlassen zu haben. Im Fall einer Rückkehr bestehe die Gefahr, dass er als Reservist eingezogen werde. Zudem würde ihm aufgrund der illegalen Ausreise eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. Februar 2023 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe seinen Wehrdienst bereits im Jahr 1992 begonnen und vollständig abgeleistet; er sei einfacher Soldat gewesen. Er sei später nicht als Reservist einberufen worden und habe nicht die Möglichkeit in Anspruch genommen, sich vom Reservedienst freizukaufen. Dem Revisionswerber drohe im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Bedrohung oder Verfolgung durch das syrische Regime, und es sei nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass der im Entscheidungszeitpunkt 50 Jährige zur Ableistung des Reservedienstes bei der syrischen Armee eingezogen werde. Eine Verfolgung wegen einer unterstellten oppositionellen Haltung aufgrund der Ausreise des Revisionswerbers, seiner Asylantragstellung in Österreich oder seiner Abstammung sei nicht maßgeblich wahrscheinlich.

5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, aus den einschlägigen Länderberichten ergebe sich entgegen der Annahme des BVwG, dass Rückkehrer, insbesondere aus ehemaligen Oppositionsgebieten, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt würden.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Das BVwG hat in der angefochtenen Entscheidung näher begründet, dass der Revisionswerber aufgrund seines Alters und mangels einschlägiger für das Militär nutzbarer Kenntnisse nicht Gefahr laufe, zur Ableistung des Reservedienstes bei der syrischen Armee eingezogen zu werden. Es hat außerdem dargelegt, der Revisionswerber habe sich in keiner vom syrischen Regime wahrgenommenen Weise politisch betätigt oder geäußert. Eine oppositionelle Haltung oder als oppositionell anzusehenden Handlungen, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ins Blickfeld des syrischen Regimes oder von mit diesem verbündeten Gruppierungen gerückt hätten, habe er nicht glaubhaft gemacht.

11 Dem hält die Revision einzelne Passagen des im Verfahren herangezogenen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation für Syrien, Version 9, vom 17. Juli 2023 entgegen. Diese von der Revision angesprochenen Passagen aus den Länderberichten lassen den von ihr gezogenen Schluss, dass jeder Rückkehrer nach Syrien asylrelevant gefährdet wäre, jedoch nicht zu. Wenn die Revision zur Stützung ihrer Argumentation insbesondere auf die Länderrichtlinien der EUAA zu Syrien Bezug nimmt (EUAA Country Guidance: Syria Februar 2023, S. 67), ist ihr zu erwidern, dass die einschlägigen Länderrichtlinien, die gemäß Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2021/2303 bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz von den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind (vgl. etwa VwGH 29.8.2023, Ra 2022/18/0193), die Herkunft aus einem ehemaligen Oppositionsgebiet (im Falle des Revisionswerbers: Gouvernement Homs) als einen von mehreren möglichen Risikofaktoren für eine asylrelevante Gefährdung anführen, gleichzeitig aber keine Rückkehrgefährdung für jeden aus solchen Gebieten stammenden Asylwerber aussprechen, sondern vielmehr eine individuelle Prüfung des Einzelfalls unter Bedachtnahme auf sämtliche mögliche Risikofaktoren empfehlen („The individual assessment of whether there is a reasonable degree of likelihood for the applicant to face persecution should take into account risk impacting circumstances, such as: regional aspects [who is in control in the area, whether it was considered an opposition stronghold, etc.], and level of perceived support or collaboration with anti government forces, familial ties or other connection to suspected members of anti government armed groups and/or political opposition members, perceived support for the government, ethno religious background“; gleichlautend die mittlerweile aktualisierten Länderrichtlinien EUAA Country Guidance: Syria, April 2024, S. 36), die fallbezogen vertretbar stattgefunden hat.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. Juni 2024

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