Spruch
L512 2291528-1/21E
Schriftliche Ausfertigung des am XXXX mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Marlene JUNGWIRT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein syrischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 11.09.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.09.2023 brachte der BF befragt zu seinen Ausreisegründen zusammengefasst vor, er habe seine Heimat verlassen, weil in Syrien Krieg sei. Bei einer Rückkehr würde der Tod auf ihn warten, weil er in einem Gebiet wohnte, das angefeindet werde [Aktenseite (AS) 11].
Am 26.03.2024 wurde der BF durch einen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen und brachte der BF zu den Ausreisegründen im Wesentlichen vor, er habe seine Heimat wegen dem Krieg verlassen. Er herrsche dort keine Sicherheit. Er habe dort an friedlichen Demonstrationen teilgenommen. In seinem Heimatdorf sei die Miliz Ahrar Al Sham gewesen, die gegen das syrische Regime kämpfte. Als der BF nach einem fünfmonatigen Aufenthalt in sein Heimatdorf zurückkehrte, habe die Miliz verlangt, dass der BF mitkämpfe. Das habe er nicht gewollt, sodass er im XXXX in die Türkei ausreiste (AS34 ff.)
2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
3. Der BF erhob gegen den Bescheid durch seine Rechtsvertretung fristgerecht wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhafter Beweiswürdigung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, Beschwerde in vollem Umfang und brachte im Wesentlichen vor, sechs Cousins des BF seien in Österreich aufhältig und gründet deren Aufenthaltsrecht auf einer asylrelevanten Verfolgung. Dem BF drohe als Cousin somit Reflexverfolgung. Aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen werde dem BF eine politisch oppositionelle Gesinnung unterstellt werden und drohen ihm aus diesem Grund unverhältnismäßige Sanktionen bis hin zur Hinrichtung. Aufgrund des Herkunftsortes des BF (ein ehemals von der Opposition kontrolliertes Gebiet) werde dem BF eine oppositionelle Haltung gegenüber dem Regime unterstellt werden. Es drohe dem BF Verfolgung aufgrund der Asylantragstellung in Europa.
4. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den XXXX eine öffentliche mündliche Verhandlung an und übermittelte dem BF aktuelle Länderinformationen.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine ergänzende mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. Die aktuellen Berichte zu Syrien wurden zum Parteiengehör gebracht.
Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung mündlich verkündet. Innerhalb offener Frist beantragte der BF durch seine rechtsfreundliche Vertretung die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des BF steht fest. Er ist Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien sowie Angehörige der Volksgruppe der Araber und der moslemisch-sunnitischen Glaubensrichtung. Die Muttersprache des BF ist Arabisch.
Der BF wurde in XXXX (auch XXXX ), im Gouvernement Aleppo geboren, ist dort aufgewachsen, besuchte sechs Jahre die Schule in seinem Heimatort und arbeitete anschließend als XXXX und XXXX . Der BF lebte bis zu seiner Ausreise im Jahr XXXX , abgesehen von einem fünfmonatigen Aufenthalt in der Ortschaft XXXX , in seinem Heimatdorf in der Provinz Aleppo.
Der BF ist verheiratet und hat mit seiner Ehefrau fünf gemeinsame Kinder.
Der BF reiste XXXX aus Syrien Richtung Türkei aus. Der BF lebte bis ca. XXXX in der Türkei. Anschließend reiste der BF unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 11.09.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF hat seinen Militärdienst in Syrien, welcher zwei Jahre dauerte, abgeleistet. Der BF hat den Militärdienst am XXXX aufgrund des Endes der Pflichtdienstzeit verlassen.
Fünf Schwester des BF leben in Syrien. Drei Brüder des BF sowie die Ehefrau und die fünf Kinder des BF leben in der Türkei.
Der BF leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung und ist der BF arbeitsfähig.
Sechs Cousin des BF leben in Österreich und halten sich aufgrund eines Asyltitels in Österreich auf.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Die Herkunftsregion des BF, XXXX (auch XXXX ), im Gouvernement Aleppo steht in Folge des Sturzes von Präsident Bashar al-Assad im Dezember 2024 unter der Kontrolle der neuen syrischen Regierung.
Übergangspräsident der neuen syrischen Regierung ist Ahmed Al-Scharaa, der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnahmen Al-Jolani (al-Dscholani) bekannt war. Der Übergangspräsident der neuen syrischen Regierung hat die Wehrdienstpflicht abgeschafft und setzt auf freiwillige Rekrutierung.
Auch die Rückkehrwege vom Flughafen Damaskus aus in die Heimatregion des BF sind der Kontrolle der ehemaligen Assad-Regierung entzogen.
Der BF hat seinen Pflichtwehrdienst in Syrien abgeleistet. Der BF beteiligte sich in Syrien während des Bürgerkrieges nicht an bewaffneten Kampfhandlung. Er war weder für das ehemalige Assad-Regime tätig, noch hat er in den Streitkräften des Assad-Regimes gedient.
Der BF hat Syrien aufgrund des Krieges verlassen und weil er einen Einsatz im Rahmen seines Reservedienstes fürchtete, wobei er nie konkreten Einziehungsversuchen ausgesetzt war.
Dem BF droht in seiner Heimatregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die reale Gefahr, von der neuen syrische Übergangsregierung, der HTS, der SNA oder anderen Gruppierungen zum Militärdienst rekrutiert zu werden, sich an völkerrechtswidrigen Kampfhandlungen zu beteiligen oder wegen einer (unterstellten) oppositionellen Gesinnung verfolgt zu werden. Eine solche Gefahr droht ihm auch weder bei seiner Einreise nach Syrien noch auf dem Weg in seine Heimatregion.
Der BF wird in Syrien nicht als Unterstützer des Assad Regimes wahrgenommen.
Der BF war bzw. ist nicht (exilpolitisch) gegen die neue Regierung in Syrien bzw. die HTS tätig. Der BF hat keine oppositionelle gegnerische Haltung der neuen syrischen Regierung gegenüber verinnerlicht. Er hat in Syrien keine Straftaten begangen, hat sich in Österreich nicht exilpolitisch betätigt, opponierte nicht gegen die lokalen Machthaber und ist auch sonst nicht in das Blickfeld der neuen oder alten syrischen Regierung, der HTS oder anderer Gruppierungen gerückt. Er wird weder von der syrischen Regierung noch von anderen Gruppierungen in Syrien als (politischer) Gegner wahrgenommen.
Es ist nicht glaubhaft, dass der BF in Syrien vor seiner Ausreise politisch aktiv war.
Ihm droht im Falle einer Rückkehr in seine Heimatregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung des sunnitischen Islams oder weil er Araber ist. Eine solche Gefahr droht ihm auch nicht wegen seiner illegalen Ausreise, seiner Asylantragstellung in Österreich oder seiner Rückkehr nach Syrien. Er wird auch nicht wegen des Umstandes, dass Cousins des BF in Österreich einen Asyltitel erhalten habe oder aufgrund seiner Herkunftsregion bei seiner Rückkehr nach Syrien verfolgt.
Der BF wird von der neuen syrischen Regierung nicht als Gegner wahrgenommen und von dieser auch nicht verfolgt.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:
Im Folgenden wurden die entscheidungsrelevanten Informationen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Syrien vom 27.03.2024, Version 11 (Lage in Syrien bis November/Dezember 2024) vom 08.05.2005 Version 12; Accord Anfragebeantwortung zur Syrien: Informationen zu Möglichkeiten der Erlangung eines syrischen Reisedokuments vom 19.03.2025; Accord Anfragebeantwortung zur Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch anderer bewaffnete Gruppen, Zwangsrekrutierungen vom 21.03.2025; EUAA Syria: Country Focus, Country of Origin Information Report vom März 2025 sowie zur Entscheidungsfindung herangezogen.
Zur aktuelle Lage in Syrien wird anhand des Berichts der EUAA, Syria: Country Focus, Country of Origin Information Report vom März 2025 folgendes festgestellt (Nummerierung der Überschriften des englischen Original-Berichts beibehalten):
1.2.2. Regierungsführung unter der Übergangsverwaltung (S. 20-23)
(a) Politischer Übergang (S. 20-21)
Nach dem Sturz der Regierung von Bashar Al-Assad am 8. Dezember 2024 wurde eine Übergangsverwaltung geschaffen. Der ehemalige Premierminister Mohammed Al-Jalali übertrug die Macht formell an Mohammed al-Bashir, den neu ernannten Übergangspremierminister, um die Fortführung der staatlichen Aufgaben einschließlich der Zahlung der Gehälter im öffentlichen Dienst zu gewährleisten, wie Al-Jalali erklärte.
Al-Sharaa erklärte, dass die Organisation nationaler Wahlen bis zu fünf Jahre dauern könnte, da die Wahlinfrastruktur erst wieder aufgebaut werden müsse. Er versicherte ferner, dass Syrien als „Republik mit einem Parlament und einer Exekutivregierung“ strukturiert sein werde.
Am 29. Dezember skizzierte Ahmad al-Sharaa einen mehrjährigen Fahrplan, der die Ausarbeitung einer neuen Verfassung innerhalb von drei Jahren und anschließende Wahlen vorsieht, sowie Pläne für eine Konferenz des nationalen Dialogs zur Förderung von Versöhnung und Inklusion. Als Teil des Übergangsprozesses betonte Al-Sharaa die Bedeutung der Bewahrung der nationalen Einheit und lehnte den Föderalismus ab. Erste Verhandlungen wurden mit den SDF und dem Kurdischen Nationalrat (KNC) geführt, um die kurdischen Gruppierungen in den politischen Prozess einzubeziehen. Die ursprünglich für Anfang Januar geplante Konferenz für den nationalen Dialog wurde jedoch verschoben, um ein breiteres Vorbereitungskomitee einzusetzen, in dem alle Teile der syrischen Gesellschaft vertreten sind. Die Konferenz fand schließlich am 25. Februar 2025 statt, der vorbereitende Workshops auf lokaler Ebene vorausgegangen waren. Sie trat in Damaskus mit rund 600 Teilnehmern zusammen und betonte in ihrer Abschlusserklärung die territoriale Integrität Syriens, verurteilte die israelischen Angriffe und forderte einen Rückzug. Ferner wurde die Annahme einer vorläufigen Verfassungserklärung, die Bildung eines vorläufigen Legislativrats und die Ausarbeitung eines Entwurfs für eine ständige Verfassung mit Schwerpunkt auf Menschenrechten und Freiheit festgelegt. In der Abschlusserklärung wurde ferner die Bedeutung der Beteiligung von Frauen, der friedlichen Koexistenz und der Einrichtung von Mechanismen für den laufenden nationalen Dialog hervorgehoben. Die Konferenz wurde jedoch als übereilt organisiert und unzureichend repräsentativ kritisiert.
Ende Januar erklärte die Übergangsregierung die Verfassung Syriens aus dem Jahr 2012 für ungültig und löste das Parlament, das Militär und die Sicherheitsorgane der früheren Regierung auf. Al-Sharaa erklärte, er werde einen legislativen Interimsrat einrichten, der die Regierung bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung unterstützen soll.
(b) Regierungsbildung (S.21-22)
Nach der Machtübernahme in Damaskus setzte die HTS eine geschäftsführende Regierung ein, die sich hauptsächlich aus Beamten der ehemaligen Syrischen Heilsregierung (SSG) in Idlib zusammensetzte, was Al-Sharaa als eine vorübergehende Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Stabilität und Wiederherstellung der wichtigsten Dienste bezeichnete. Zunächst übernahmen Minister der SSG nationale Ministerposten, wobei einige Beamte und Staatsbedienstete der früheren Regierung in ihren Positionen blieben, um die Kontinuität zu gewährleisten.
Am 10. Dezember 2024 wurde Mohammed Al-Bashir, ein Ingenieur aus dem Gouvernement Idlib und ehemaliger Leiter der SSG im Nordwesten Syriens, die zusammen mit der HTS gegründet wurde, zum Interimspremierminister ernannt. Seine Amtszeit und die der Übergangsregierung sollte am 1. März 2025 enden, aber Ende Januar 2025 gab es noch keinen Termin für Wahlen in Syrien. In der Zwischenzeit wurde Ahmad Al-Sharaa, der Anführer der HTS, zum De-facto-Führer Syriens ernannt. Am 29. Januar 2025 wurde Al-Sharaa zum Präsidenten für die Übergangszeit ernannt.
Am 21. Dezember ernannte die Übergangsregierung Asaad Hassan Al-Shibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister, die beide als Verbündete von Al-Sharaa bekannt waren. Weitere Ernennungen betrafen Mohamed Abdel Rahman als Innenminister, Mohammed Yaqoub Al-Omar als Informationsminister, Mohamed Taha Al-Ahmad als Minister für Landwirtschaft und Bewässerung, Nazir Mohammed Al-Qadri als Bildungsminister und Shadi Mohammed Al-Waisi als Justizminister, die alle zuvor in der Heilsregierung tätig waren. Darüber hinaus übernahmen Fadi Al-Qassem, Mohamed Abdel Rahman Muslim, Hossam Hussein und Basil Abdul Aziz das Amt des Ministers für Entwicklung, des Ministers für lokale Verwaltung und Dienstleistungen, des Ministers für Stiftungen und des Wirtschaftsministers. Anas Khattab (auch bekannt unter seinem Pseudonym Abu Ahmad Hudood), ein früherer Führer der Nusra-Front, wurde zum Leiter des Allgemeinen Nachrichtendienstes ernannt.
(c) Militärische Reformen (S.22-23)
Vor ihrem Einzug in Damaskus am 8. Dezember verpflichtete sich die HTS, den institutionellen Rahmen Syriens beizubehalten, und erklärte später eine Generalamnestie für die Soldaten der syrischen Armee. Die Übergangsregierung leitete daraufhin einen Beilegungsprozess ein, der die Wiedereingliederung zahlreicher ehemaliger Regierungs- und Militärangehöriger erleichterte, darunter auch hochrangige Beamte, von denen einige, wie z. B. Fadi Saqr, in schwerwiegende Übergriffe während des Krieges verwickelt waren. Neben den Verfahren zur freiwilligen Wiedereingliederung verfolgte die Military Operations Administration (MOA), die übergeordnete Kommandozentrale der neuen HTS-geführten Übergangsverwaltung, Personen, die sich der Wiedereingliederung entzogen. Im Rahmen dieser Kampagnen wurden frühere Offiziere verhaftet, während andere wieder freigelassen wurden, nachdem festgestellt worden war, dass sie nicht an Übergriffen beteiligt gewesen waren. Nach Angaben von Etana gab es Bedenken wegen fehlender Verfahren, da Berichten zufolge Hinrichtungen von Milizionären auf niedriger Ebene stattfanden, die von den Behörden als vereinzelte Racheakte der Gemeinschaft dargestellt werden. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR), eine im Vereinigten Königreich ansässige Überwachungsorganisation, berichtete Mitte Januar, dass innerhalb weniger Tage 8.000 Personen in den MOA-Zentren in Sallamiyah, Hama, Versöhnungsabkommen geschlossen haben. Die Zahl der Offiziere und Angehörigen der Streitkräfte der früheren Regierung in Gefängnissen wie Adra, Hama und Harim stieg auf über 9.000, darunter 2.000, die aus dem Irak zurückgekehrt waren. Die meisten wurden verhaftet, nachdem sie bei Razzien oder an Checkpoints erwischt worden waren.
Die Übergangsregierung schaffte außerdem die Wehrpflicht ab, außer in Situationen wie dem nationalen Notstand. Laut Samir Saleh, Mitglied des Militärkommandos im Umland von Damaskus, wird die syrische Armee eine Freiwilligenarmee sein, an der sich die Bevölkerung beteiligen soll, um die Grenzen des Landes zu sichern. Frühere Überläufer, wie z. B. Offiziere der Freien Syrischen Armee (FSA), werden in der Struktur des Verteidigungsministeriums einen besonderen Status erhalten, je nach ihrer Expertise. Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 neuen militärischen Befehlshabern veröffentlicht, darunter Mitglieder der HTS, übergelaufene Offiziere der syrischen Armee und mindestens sechs Nicht-Syrer, wobei die sieben höchsten Positionen Berichten zufolge mit HTS-Mitgliedern besetzt sind.
Schließlich verpflichtete sich die Übergangsregierung, alle Rebellengruppen in das Verteidigungsministerium zu integrieren. Zwischen Januar und Februar 2025 bemühten sich die Interimsministerien für Verteidigung und Inneres, alle bewaffneten Gruppen in einer einzigen Militär- und Polizeitruppe zu vereinen. Das Verteidigungsministerium berichtete, dass über 70 Gruppierungen aus sechs Regionen der Integration zugestimmt hätten, und es wurde ein Oberster Ausschuss eingerichtet, der den Einsatz militärischer Mittel, einschließlich Personal, Stützpunkte und Waffen, steuern sollte.
[…]
1.3. Behandlung bestimmter „Profile“ und Gruppen der Bevölkerung (S.26-42) 1.3.1. Personen, die der Regierung von Bashar Al-Assad nahestanden (S.26-29)
Nach der Machtübernahme verfolgte die Übergangsregierung keinen umfassenden Entbaathifizierungsprozess nach dem Vorbild der Nachkriegspolitik des Irak, und die Büros der Baath-Partei wurden nicht systematisch ins Visier genommen. Im Dezember stellte die Führung der Baath-Partei ihre Aktivitäten ein.
Ende Januar wurde bekannt gegeben, dass die Partei aufgelöst wurde. Von Anfang an verkündeten die neuen Behörden, dass die Soldaten, die im Rahmen der Wehrpflicht rekrutiert worden waren, sicher seien und dass es verboten sei, sie anzugreifen. Am 9. Dezember erließ das MOA eine Generalamnestie für alle zwangsrekrutierten Militärangehörigen. Die neue Regierung richtete daraufhin so genannte „Versöhnungszentren“ ein, in denen ehemalige Angehörige der Polizei, des Militärs, der Nachrichtendienste und der Pro-Assad-Milizen, die ihre Waffen abgegeben haben, vorübergehend zivile Ausweise erhalten. Diese Versöhnungszentren überwachen den Prozess, bei dem ehemalige Regimeangehörige ihre Waffen abgeben und ihre persönlichen Daten im Austausch gegen vorläufige Personalausweise registrieren. Diese Karten gewähren einen begrenzten Rechtsschutz und sicheres Reisen, aber das Verfahren ist nicht transparent, folgt uneinheitlichen Kriterien und wird von den Sicherheitsbehörden beeinflusst, so dass viele Antragsteller vor komplexen bürokratischen Hürden stehen. Ende Dezember berichtete die BBC von einer großen Beteiligung, bei der Hunderte von Personen vor einem Versöhnungszentrum in Damaskus Schlange standen.
Im Januar und Februar berichteten lokale Medien und Organisationen, die die Ereignisse in Syrien verfolgten, dass die neue Regierung einigen hochrangigen Persönlichkeiten, die mit der Assad-Regierung in Verbindung stehen, Amnestie gewährte, wie z. B. Fadi Saqr, dem früheren Führer der Nationalen Verteidigungskräfte. Außerdem soll die MOA Kollaborateuren von Maher Al-Assad, wie Geschäftsleuten, die seine Aktivitäten unterstützten, sowie Generalmajor Talal Makhlouf, Anführer der Republikanischen Garde der Assad-Regierung, Versöhnung gewährt haben. Gleichzeitig veranlasste der Zusammenbruch der Regierung von Bashar Al-Assad zahlreiche hochrangige Beamte und Angehörige der Herrscherfamilie zur Flucht in den Libanon. Die libanesischen Behörden wiesen jedoch syrische Offiziere und Soldaten, die illegal eingereist waren, aus und schickten sie nach Syrien zurück, wo sie von der neuen Regierung inhaftiert wurden.
Ende Dezember intensivierte die Übergangsverwaltung ihre Bemühungen, Personen festzunehmen, die mit der gestürzten Regierung in Verbindung stehen. Die Behörden behaupteten, ihre Verhaftungsaktionen zielten nur auf Personen ab, die im Namen des Assad-Regimes Verbrechen begangen hatten. Die Kampagnen in Deir Ez-Zor, Aleppo und Tartous konzentrierten sich auf die Beschlagnahmung illegaler Waffen und die Festnahme von Verdächtigen, die an illegalen Aktivitäten beteiligt waren. Allein in einer Woche wurden in Damaskus, Latakia, Tartus, Homs, Hama und Deir Ez-Zor fast 300 Personen festgenommen, darunter ehemalige Regimeinformanten, pro-iranische Kämpfer und rangniedrige Militäroffiziere. Nach Angaben des SOHR wurden einige Gefangene, die beschuldigt wurden, der Assad-Regierung Informationen geliefert zu haben, Berichten zufolge unmittelbar nach ihrer Verhaftung hingerichtet. Am 10. Januar berichtete das SOHR, dass Kämpfer, die mit der Übergangsregierung verbunden sind, Mazen Kneneh, einen lokalen Beamten, der beschuldigt wird, als Informant für den gestürzten Präsidenten Assad zu arbeiten, öffentlich hinrichteten. Im Februar wurden weitere außergerichtliche Tötungen ehemaliger Mitglieder von Milizen, die Bashar Al-Assad unterstützten, gemeldet, wie die Ermordung von vier Mitgliedern der Familie Meido, die einer lokalen Miliz angehörten, die an der Seite der früheren Regierung gekämpft hatte. Nach Angaben des SOHR wurden zwischen Anfang 2025 und Mitte Februar 2025 287 Personen durch außergerichtliche Tötungen und Racheakte getötet.
Die Operationen wurden den ganzen Januar über fortgesetzt, wobei Mitglieder der allgemeinen Sicherheitsverwaltung Häuser inspizierten und nach Waffen und Personen suchten, die sich nicht mit der Übergangsverwaltung ausgesöhnt hatten. Bei umfangreichen Militär- und Sicherheitsoperationen in Schlüsselregionen wie den Küstenstädten, Homs, Hama, Aleppo und Damaskus kam es zu Razzien, Waffendurchsuchungen und der Festnahme weiterer Hunderter von Personen. Die Operationen konzentrierten sich auf ehemalige militärische Kämpfer und Ex-Regierungsangehörige und führten zur Beschlagnahmung erheblicher Mengen an Waffen und Munition. Die festgenommenen Personen wurden in die Zentralgefängnisse von Homs, Hama und Adra im ländlichen Damaskus gebracht. Darüber hinaus wurden Videos ins Internet gestellt, auf denen zu sehen ist, wie Häftlinge, die bei diesen Operationen festgenommen wurden, körperlich und verbal misshandelt werden, einschließlich Angriffen und erniedrigender Behandlung. Nach Angaben des Syria Justice and Accountability Center kam es bei diesen Sicherheitsoperationen zu verschiedenen Menschenrechtsverletzungen, darunter dem Tod von Inhaftierten und der Verhaftung von Angehörigen gesuchter Personen, von denen sowohl ehemalige Angehörige der Assad-Regierung als auch nicht verwandte Zivilisten betroffen waren. Mitte Januar meldete das SOHR, dass über 9 000 Kämpfer und Offiziere weiterhin inhaftiert seien, wobei Foltervorwürfe erhoben und der Kontakt zu den Familien eingeschränkt wurde. Informationen des Syrischen Netzwerks für Menschenrechte (SNHR) stimmten mit den Foltervorwürfen überein, die von Familien berichtet wurden, denen die Leichen ihrer Familienmitglieder nach ihrer Inhaftierung durch das Generaldirektorat für Sicherheit zurückgegeben wurden. Gleichzeitig berichtete das SOHR, dass 275 Häftlinge aus dem Zentralgefängnis von Homs freigelassen wurden, nachdem ihre Unschuld an Kriegsverbrechen gegen die syrische Bevölkerung festgestellt worden war. Im Januar 2025 ließ die Übergangsverwaltung rund 641 Personen, hauptsächlich aus den Gouvernements Homs, Hama und Latakia, frei, die zwischen einigen Tagen und einem Monat inhaftiert waren, wobei die meisten in kleinen Gruppen aus dem Zentralgefängnis von Homs entlassen wurden.
Anfang Februar verhängte das Informationsministerium ein Verbot, Interviews mit Personen zu führen oder Aussagen zu verbreiten, die mit der früheren Regierung in Verbindung gebracht werden.
Seit der Machtübernahme durch die Übergangsregierung haben die verbliebenen Pro-Assad-Gruppen in ganz Syrien kleinere, gezielte Anschläge auf die Sicherheitskräfte der Regierung verübt. Diese Angriffe haben die Behörden dazu veranlasst, Operationen zur Ergreifung der Täter einzuleiten, die manchmal zu Opfern unter der Zivilbevölkerung führten. Anfang März führten koordinierte Angriffe von Pro-Assad-Gruppen auf Sicherheitskräfte, insbesondere in den Küstengebieten, zu einer erheblichen Eskalation, die eine große Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung, vor allem unter den Alawiten, zur Folge hatte.
Neben den Operationen der Übergangsverwaltung wurden Vorfälle von mutmaßlichen Racheakten, einschließlich Tötungen, Entführungen und Brandstiftungen, durch nicht identifizierte Gruppen dokumentiert, deren Ausmaß jedoch unklar bleibt. Ende Dezember wurden drei alawitische Richter in Masyaf, die für Eigentumsstreitigkeiten zuständig waren, getötet, eine Tat, die von der Übergangsverwaltung verurteilt wurde. Im Januar meldete das SOHR die Hinrichtung von 15 Personen, darunter Beamte der ehemaligen Regierung, durch nicht identifizierte Bewaffnete im Gouvernement Homs. Außerdem wurden 53 Personen verhaftet und an unbekannte Orte gebracht.
1.3.2. Alawiten (S.29-31)
Nach ihrer Machtübernahme betonte die HTS ihr Engagement für die Integration der Alawiten in die syrische Staatsführung und nahm Gespräche mit lokalen Vertretern der Alawiten auf. HTS-Vertreter bekräftigten, dass die Rechenschaftspflicht für Verbrechen, die unter der Assad-Regierung begangen wurden, über das formelle Rechtssystem verfolgt werden würde. Trotz dieser Zusicherungen bleiben die Alawiten von den neuen politischen und militärischen Strukturen weitgehend ausgeschlossen, und es gibt keinen Plan für die Eingliederung entlassener Soldaten in die neue Armee, da die Differenzen aus der Kriegszeit fortbestehen. Das Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber ehemaligen Offizieren und Beamten des Regimes behindert ihre Wiedereingliederung zusätzlich. Die wirtschaftliche Unsicherheit stellt eine große Herausforderung dar, wobei die Massenentlassungen im öffentlichen Sektor vor allem Alawiten betreffen, darunter ehemalige Sicherheitsbeamte und ihre Familien, von denen viele auch staatlich bereitgestellte Wohnungen verloren haben.
Die Behandlung der alawitischen Gemeinschaften, insbesondere in Regionen wie Homs, Hama und den Küstengouvernements, gibt weiterhin Anlass zu großer Sorge. In der Stadt Homs errichteten Männer in Militäruniformen Kontrollpunkte an den Eingängen der mehrheitlich von Alawiten bewohnten Stadtteile, was die Ängste der Bewohner schürt. Berichten zufolge wurden junge Männer, darunter ehemalige Soldaten und Wehrpflichtige, die ihre Waffen abgegeben hatten, festgenommen. Die Männer an einem Kontrollpunkt haben angeblich ein Sektenprofil erstellt, bevor der Kontrollpunkt nach Beschwerden aufgelöst wurde. Shihadi Mayhoub, ein ehemaliger Gesetzgeber, sagte, er habe bis Januar 2025 über 600 Verhaftungen im Bezirk Zahra (Gouvernement Homs) und mehr als 1.380 in der Stadt Homs dokumentiert, wobei es sich bei den meisten Verhafteten um Zivilisten und Wehrpflichtige sowie um pensionierte Offiziere gehandelt haben soll. Das SOHR schätzt, dass in der Stadt Homs und ihrem Gouvernement mindestens 1.800 Personen, überwiegend Alawiten, inhaftiert wurden. Darüber hinaus nahm die gegen Alawiten gerichtete Gewalt landesweit zu, und es wurden 150 Morde gemeldet, insbesondere in Homs und Hama.
In der Zwischenzeit verschärften nicht identifizierte extremistische Gruppierungen die Ängste, indem sie Aufrufe zur Gewalt gegen Alawiten verbreiteten, darunter auch Videos, die wahllose Angriffe befürworteten. Gezielte Tötungen von Alawiten, die mit der früheren Regierung in Verbindung standen, wurden aus den Küstenregionen gemeldet, während bewaffnete Gruppen, die Militäruniformen trugen, die denen der HTS oder anderer Oppositionsgruppen ähnelten, überfielen über 20 alawitische Dörfer im ländlichen Hama, was zu Vertreibung, Diebstahl und Todesfällen führte.
Berichte über Schikanen, Entführungen und Tötungen von Alawiten nahmen nach dem Sturz Assads zu, wobei in den sozialen Medien - wenn auch unbestätigte - HTS-Kämpfer für die Gewalt verantwortlich gemacht wurden. Ein ehemaliger syrischer Soldat berichtete, er sei an einem HTS-Kontrollpunkt in der Nähe von Khirbet al-Ma'zah im Gouvernement Tartus festgenommen und geschlagen worden, als er unterwegs war, um Amnestie zu beantragen. Er gab an, er sei gezielt wegen seiner alawitischen Herkunft angegriffen und fünf Stunden lang körperlich misshandelt worden, bevor er freigelassen wurde. Die Vereinten Nationen bemühten sich, diese Behauptungen zu überprüfen, um eine weitere sektiererische Eskalation zu verhindern, während das SOHR schätzungsweise 150 alawitische Tötungen innerhalb eines Monats durch ungenannte Täter verzeichnete.
In Zahra, einem Viertel in Homs mit einem hohen Anteil an alawitischer Bevölkerung, nahm die Unsicherheit zu, und die Bewohner hielten sich aufgrund der Präsenz von HTS-Kräften an eine informelle Ausgangssperre. Die HTS ergriff Sicherheitsmaßnahmen in dem Gebiet, darunter Kontrollpunkte und Hausdurchsuchungen bei Personen, die sie als Überbleibsel der früheren Regierung identifizierte. In Berichten von Anwohnern wurde von Zwangsräumungen, der Erstellung von Profilen anhand von Ausweisdokumenten sowie von Gewalt, Verhaftungen, körperlichen Angriffen und Schüssen berichtet.
Ende Januar meldete das SOHR mehrere Fälle, in denen bewaffnete Gruppen, von denen einige behaupteten, mit der MOA in Verbindung zu stehen, Zivilisten aus politischen und konfessionellen Gründen angriffen und töteten. Insbesondere in Gemeinden im Umland von Homs, in denen die alawitische und schiitische Bevölkerung überwiegt, kam es zu einer drastischen Eskalation von Übergriffen, Straftaten und außergerichtlichen Tötungen von Zivilisten. In einem Dorf im Nordwesten des Gouvernements Hama, das hauptsächlich von Alawiten bewohnt wird, haben Bewaffnete Zivilisten erschossen und getötet. Nach Angaben der Behörden befanden sich unter den Getöteten ehemalige Offiziere und Soldaten.
Anfang Februar wurden weitere Angriffe auf Alawiten gemeldet. Die neuen Behörden leiteten Ermittlungen wegen unrechtmäßiger Tötungen ein und kündigten gleichzeitig Sicherheitsoperationen gegen Loyalisten der früheren Regierung an. Interimspräsident Ahmad Al-Sharaa betonte die Notwendigkeit, den zivilen Frieden zu wahren, und warnte vor den Gefahren einer Vertiefung der konfessionellen Spaltung.
Gregory Waters, Experte für syrische Sicherheitsfragen, wies auf die sehr unterschiedlichen Bedingungen in ehemaligen Regierungshochburgen wie Tartous, Latakia, Homs und Hama hin. Während von Fällen konfessioneller Einschüchterung und Belästigung durch Sicherheitskräfte berichtet wurde, beschrieben einige Alawiten in diesen Regionen den Umgang mit den Behörden als höflich und respektvoll. Laut Waters scheinen die dokumentierten Verstöße eher auf unprofessionelles Verhalten bei Verhaftungen als auf explizite konfessionelle Ziele zurückzuführen zu sein, wobei viele der begangenen Straftaten Banden und Zivilisten zugeschrieben werden, die keine Verbindung zur Übergangsregierung haben. Er stellte ferner fest, dass Menschenrechtsverletzungen manchmal im Kontext einer instabilen Sicherheitslage oder eines Sicherheitsvakuums sowie als Reaktion auf bestimmte Vorfälle begangen wurden, wie beispielsweise, als ehemalige Regierungsmilizionäre Ende Dezember in den ländlichen Gebieten von Tartus einen Hinterhalt gegen Sicherheitskräfte legten. Die Streitkräfte leiteten daraufhin eine Operation ein, die Hausdurchsuchungen, die Errichtung von Kontrollpunkten und Schießereien gegen Dörfer umfasste, die im Verdacht standen, die Kämpfer zu beherbergen, wie z. B. Khirbet Maazah, wo zahlreiche ehemalige Kämpfer der Regierungsmiliz und ein hochrangiger Gefängnisbeamter lebten, der beschuldigt wurde, an der Ermordung von Hunderten von Gefangenen beteiligt gewesen zu sein. Waters ist der Ansicht, dass zahlreiche Verbrechen von Banden und Zivilisten verübt wurden, die nicht mit der neuen Regierung verbunden sind, während einige untergeordnete Soldaten und lokale Führer an sektiererisch motivierten Einschüchterungen und Entführungen von alawitischen Zivilisten beteiligt waren.
Anfang März wurden bei Zusammenstößen zwischen pro-Assad-Gruppen und Sicherheitskräften in Latakia, Tartus und Hama Hunderte von Zivilisten getötet, die meisten von ihnen Alawiten. Dabei kam es auch zu Hinrichtungen im Schnellverfahren durch Kräfte, die mit der Übergangsregierung verbunden sind.
1.3.3. Kurden (S.31)
In Bezug auf die kurdische Gemeinschaft hielt Al-Sharaa nach der Übernahme der Kontrolle ein erstes Treffen mit einer hochrangigen SDF-Delegation ab, um die Grundlage für künftige Gespräche zu schaffen. Seine Äußerungen deuteten darauf hin, dass die Übergangsverwaltung nicht mit dem Anti-SDF-Ansatz der von der Türkei unterstützten SNA übereinstimmte. Dennoch bezeichnete Mohammed A. Salih, ein auf kurdische und regionale Fragen spezialisierter Wissenschaftler, seine Äußerungen als unklar und nicht unterstützend für die kurdischen Ziele. Nach der raschen Einnahme von Aleppo durch die von der HTS geführte Offensive Ende November zwangen die SNA-Kräfte Tausende von kurdischen Zivilisten zur Flucht westlich des Euphrat. In Aleppo hatten die Kurden in erster Linie mit der HTS zu tun, die sich moderat und offen für einen Dialog gezeigt hat. Im Gegensatz dazu geriet die SNA in Manbij immer wieder in Konflikt mit den SDF. Die durchgehende Existenz der SDF wurde von den Organisatoren der Nationalen Dialogkonferenz als Grund für den Ausschluss der halbautonomen kurdischen Verwaltung und der ihr nahestehenden Einrichtungen von der Konferenz angegeben.
Während des gesamten Januars kam es zu weiteren Wohnraums- und Eigentumsverletzungen, als vertriebene kurdische Einwohner versuchten, nach Afrin, einer mehrheitlich kurdisch bewohnten Region im Umland von Aleppo, und in die umliegenden Gebiete zurückzukehren. Berichten zufolge wurden sie von den SNA-Kräften gezwungen, bis zu 10 000 USD für die Rückgabe ihrer Häuser zu zahlen. Gleichzeitig nahmen SNA-Gruppierungen im Januar mindestens 10 Kurden in Afrin fest, wobei die Lösegeldforderungen für die Freilassung auf über 1 000 USD pro Person anstiegen. Bis Mitte Februar hatte sich für die Kurden in Afrin trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften aus Damaskus in der Stadt am 7. Februar nur wenig geändert. Berichten zufolge hielten die Misshandlungen durch verschiedene Gruppierungen in Afrin an. Zurückkehrende Bewohner stellten fest, dass ihre Häuser von Kämpfern oder Zivilisten besetzt waren, die für ihre Abreise erhebliche Geldsummen verlangten, obwohl die früheren Bewohner von der Übergangsverwaltung förmliche Zusicherungen für ihre Rückkehr erhalten hatten. Gegen Ende Februar besuchte Al-Sharaa Afrin und traf sich mit lokalen kurdischen Vertretern, die ihre Beschwerden vortrugen; daraufhin sagte er zu, die Gruppierungen in der Stadt durch offizielle Sicherheitskräfte zu ersetzen und die gegen die kurdische Gemeinschaft gerichteten Übergriffe anzugehen.
1.3.4. Andere religiöse und ethnische Minderheiten (S.32-33)
Die neue syrische Führung hat zugesagt, die Rechte von Minderheiten zu wahren und die nationale Einheit zu fördern, in Anbetracht der Befürchtung, unter der islamistischen Herrschaft marginalisiert zu werden.
Im Rahmen seiner Bemühungen, die Minderheitengemeinschaften zu beruhigen, traf Ahmad Al-Sharaa am 22. Dezember mit dem libanesischen Drusenführer Walid Jumblatt zusammen. Später kam er nach einer Reihe von Angriffen auf religiöse Minderheiten mit christlichen Führern zusammen, darunter katholische, orthodoxe und anglikanische Geistliche. Dieses Treffen fand nach Protesten statt, die durch die Verbrennung eines Weihnachtsbaums durch mit der HTS verbundene ausländische Kämpfer am 23. Dezember in einer überwiegend christlichen Stadt in Hama ausgelöst worden waren, sowie nach weiteren Berichten über Schikanen. Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsbaum nahm die Übergangsregierung die ausländischen Kämpfer fest, die sie für diesen als Einzelfall bezeichneten Vorfall verantwortlich machte. Darüber hinaus blieben die Regierungsbüros an den Weihnachtsfeiertagen und am folgenden Tag, dem 23. Dezember, geschlossen. Unterdessen berichtete France24, dass in Damaskus zwar Weihnachtsfeiern stattfanden, die christlichen Einwohner sich jedoch zurückhielten und einige aus Angst und Unsicherheit keinen Alkohol kauften.
Berichten zufolge kam es vermehrt zu gezielten Übergriffen auf christliche Gemeinschaften, darunter ein Angriff unbekannter Bewaffneter auf eine griechisch-orthodoxe Kirche in Hama am 18. Dezember, sowie zu verstärkten Spannungen in christlichen Vierteln von Damaskus aufgrund von Drohungen wie öffentlich gesungenen dschihadistischen Liedern und einer Drohbotschaft auf einem gepanzerten Fahrzeug.
Menschenrechtsorganisationen haben verschiedene Einschränkungen der religiösen Freiheiten dokumentiert. Richard Ghazal, Geschäftsführer von In Defense of Christians, wies auf Maßnahmen wie Alkoholverbote und die Präsenz von Flaggen des Islamischen Staates in Gebieten nahe Damaskus hin. In ähnlicher Weise dokumentierte Nadine Maenza vom in Washington ansässigen Sekretariat für internationale Religionsfreiheit Ende Dezember mindestens ein Dutzend Augenzeugenberichte über Angriffe gegen religiöse und ethnische Minderheiten in der Region Shehba in der Nähe von Aleppo. Rafif Jouejati, Wissenschaftler am Middle East Institute, vertrat jedoch die Ansicht, dass diese Vorfälle als Einzelfälle und nicht als Beweis für ein breiteres Muster systematischer Intoleranz betrachtet werden sollten.
Im Stadtteil Al-Qassaa, Damaskus, verteilten bewaffnete Personen Flugblätter, in denen sie Beschränkungen für die Kleidung von Frauen, das Rauchen und soziale Interaktionen forderten. Die HTS entsandte daraufhin Patrouillen, schrieb die Vorfälle nicht identifizierten Personen zu und lehnte eine Befürwortung ab. Die Häufigkeit solcher Aktionen gibt jedoch weiterhin Anlass zur Sorge.
Die neue Regierung unterstrich ihr Bekenntnis zur Inklusivität durch das Versprechen der Nationalen Dialogkonferenz, die darauf abzielte, verschiedene Gemeinschaften, darunter Christen, Kurden, Künstler und Intellektuelle, in die Gestaltung der Zukunft Syriens einzubeziehen. Als die Nationale Dialogkonferenz stattfand, konnte sie die Bedenken hinsichtlich der Inklusivität nicht zerstreuen. Von den sieben Personen, die in das Vorbereitungskomitee berufen wurden, gehörte nur eine einer religiösen Minderheit an, die christliche syrische Aktivistin Hind Kabawat, während die anderen sunnitische Muslime waren, von denen einige enge Verbindungen zu Sharaa oder HTS hatten. Kurdisch geführte Behörden aus dem Nordosten waren von der Konferenz gänzlich ausgeschlossen. Einige Christen erklärten, sie hielten ihr Urteil zurück, bis eine neue Verfassung ausgearbeitet sei und allgemeine Wahlen stattfänden. In der Übergangsregierung sind die Christen nicht vertreten, und sie setzt sich hauptsächlich aus Ministern zusammen, die zuvor in der Regierung von Idlib tätig waren.
Vor allem nach der einseitigen Reform des nationalen Lehrplans hat sich die Skepsis fortgesetzt. Der neue Bildungsminister, Nazir Mohammad Al-Qadri, versicherte, dass sowohl der Islam als auch das Christentum als Unterrichtsfächer Teil des Lehrplans bleiben würden. Anfang Januar kündigte das Bildungsministerium der Übergangsregierung jedoch Lehrplanänderungen an, die eine stärker islamische Perspektive widerspiegeln und gleichzeitig Bezüge zur Assad-Ära beseitigen sollen. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehören die Streichung der Evolution und der Urknalltheorie aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht, die Streichung vorislamischer Gottheiten und ihrer Statuen aus dem Geschichtsunterricht und eine geringere Betonung der Königin Zenobia von Palmyra. Aktivisten der Zivilgesellschaft haben ihre Besorgnis darüber geäußert, dass diese Änderungen auf eine Missachtung unterschiedlicher Perspektiven hindeuten und das erklärte Engagement der Verwaltung für Inklusivität untergraben könnten. Das Ministerium wies jedoch diese Interpretationen der Änderungen zurück und betonte, dass die einzigen Änderungen „die Entfernung von Symbolen des früheren Regimes und dessen Verherrlichung sowie die Einführung von Bildern der neuen syrischen Flagge (der Flagge der Revolution) anstelle der früheren Flagge in allen Schulbüchern“ beträfen. Der Minister erläuterte, dass zu den Anpassungen auch die Korrektur „falscher“ Informationen gehörte, auf die sich die Vorgängerregierung bei der Erklärung einiger Koranverse gestützt hatte, und dass die in den Exegesebüchern für alle Bildungsstufen enthaltenen Informationen übernommen wurden.
1.3.5. Frauen (S.33-38)
a) Allgemeiner Überblick über Verstöße gegen Frauen
Laut eines SNHR Berichts wurden zwischen März 2011 und November 2024 mindestens 29.064 Frauen in Syrien getötet, und 11.268 Frauen wurden bei der Veröffentlichung des Berichts in Haft gehalten oder verschwanden gewaltsam. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 27. Dezember 2024 dokumentierte das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) konfliktbezogene Vorfälle, bei denen 92 Frauen in ganz Syrien getötet wurden. Berichte über die Tötung von Frauen durch bewaffnete Akteure wurden im Bezugszeitraum fortgesetzt, und Frauen wurden auch weiterhin Opfer anderer Verstöße, darunter Todesfälle durch nicht explodierte Kampfmittel und Tötungen durch unbekannte Täter. Im Februar 2025 berichtete SOHR über eine erhöhte Zahl von Entführungsfällen von Frauen und Mädchen.
Die Krise in Syrien hatte unverhältnismäßige Auswirkungen auf Frauen, was zu Gewaltrisiken, negativen Bewältigungsmechanismen, einem eingeschränkten Zugang zu Dienstleistungen, einer erhöhten Anfälligkeit für sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt („sexual and genderbased violence – SGBV“), Diskriminierung und einem eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung und Rechtsbehelfen führte. Frauen und Mädchen waren beim Zugang zu humanitärer Hilfe benachteiligt und unverhältnismäßig stark von Ernährungsunsicherheit betroffen.
b) Legislative Entwicklungen und Maßnahmen, die Frauen betreffen
Quellen deuten darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch keine Klarheit über die Lage der Frauen in Syrien unter den HTS-Behörden besteht. Der neue Außenminister Assaad al-Shibani behauptete, dass die Behörden die Rechte der Frauen „voll und ganz unterstützen“ würden, und Ahmed al-Sharaa versprach, die Bildung von Frauen fortzusetzen. Zum 1. Januar 2025 wurden drei Frauen in offizielle Positionen unter der neuen Regierung in Syrien berufen. Die erste Frau, die ernannt wurde, war Aisha al-Dibs als Leiterin des Büros für Frauenangelegenheiten. Am 30. Dezember 2024 ernannten die neuen Behörden die erste weibliche Gouverneurin der syrischen Zentralbank, Maysaa Sabrine, die zuvor als stellvertretende Gouverneurin der Bank tätig war. Am 31. Dezember 2024 wurde Muhsina al-Mahithawi aus der drusischen Minderheit zur ersten weiblichen Gouverneurin der Provinz Sweida ernannt.
Auf nationaler Ebene ist der Regierungsansatz der Übergangsverwaltung nach wie vor unklar, insbesondere in Bezug auf die Rechte und die Vertretung von Frauen. Obaida Arnout, eine Regierungssprecherin, schlug vor, dass Frauen aufgrund ihrer inhärenten Merkmale für bestimmte Rollen in der Regierungsführung ungeeignet seien, während Aisha al-Dibs, die neu ernannte Ministerin für Frauen, sich gegen die Zusammenarbeit mit Organisationen der Zivilgesellschaft aussprach, die mit ihren Ansichten nicht einverstanden seien. Al-Dibs führte weiter steigende Scheidungsraten auf ein früheres Regierungsprogramm zurück und versprach, ähnliche Initiativen zu vermeiden.
Maßnahmen, die auf das öffentliche Engagement von Frauen abzielen, wurden auf Pläne für die Geschlechtertrennung in öffentlichen und privaten Bussen in Damaskus ausgeweitet. Im Januar kündigte die General Company for Internal Transport, „Zajal Transport“, an, dass in der Hauptstadt innerhalb weniger Tage, nach früheren Versuchen in Idlib, Aleppo, Hama und Homs, geschlechtergetrennte Transporte durchgeführt würden.
In Bezug auf die Arbeit von Richterinnen erklärte Obaida Arnout, dass dies „von Sachverständigen“ untersucht werden müsse, was die Situation von Richterinnen unklar lasse. Im Januar 2025 wurde berichtet, dass Shadi al-Waisi, der Justizminister in der derzeitigen Regierung, in zwei Videos gesehen wurde, in denen die Hinrichtung von zwei Frauen überwacht wurde, die 2015 im Raum Idlib wegen „Korruption und Prostitution“ verurteilt wurden. In Homs erschienen Beschilderungen, die die Geschlechtertrennung bewerben, in Bussen. In Damaskus wurden Plakate mit den „Bedingungen des schariakonformen Hijab“ im öffentlichen Raum gesehen. Laut Al-Dibs wird die Regierung syrischen Frauen jedoch keine Kleiderordnung auferlegen. In einem Interview vom 25. Dezember 2024 erklärte Ahmed al-Sharaa, dass „christliche Frauen nicht gezwungen würden, den Schleier einzuhalten“, ohne jedoch muslimischen Frauen zu erwähnen.
c) Frauen ohne männliche Unterstützung (weiblich geführter Haushalt/einzeln/verwitwet)
Der Konflikt in Syrien hat zu einem demografischen Wandel geführt, der zu mehr weiblichen Haushaltsvorständen/Familienoberhäuptern und Frauen die in die Berufswelt einsteigen geführt hat. Die Zahl der von Frauen geführten Haushalte hat aufgrund der Vertreibung zusätzlich zugenommen. Laut einer Analyse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Oktober 2024 wird in ganz Syrien „fast jede dritte Familie von einer Frau geleitet.“ Haushalte mit weiblichem „Oberhaupt“ gehören schutzbedürftigen Gruppen an, die unverhältnismäßig stark von dem Konflikt betroffen waren und deren Grundbedürfnisse wie Gesundheitsversorgung, Ernährung und Bildung nicht erfüllt wurden. Frauen wurden am Arbeitsplatz schikaniert und diskriminiert, insbesondere Frauen ohne Ehemänner, einschließlich Witwen. Die Arbeitslosenquote von Frauen in Syrien erreichte 2024 62,2 %, so das syrische Zentralamt für Statistik. Kinder von weiblichen Haushaltsvorständen waren einem erhöhten Risiko der Staatenlosigkeit ausgesetzt, da sie ihre Geburten nicht registrieren konnten. Geschiedene Frauen und Witwen waren dem Risiko von Zwangsverheiratung ausgesetzt. Schwierigkeiten bei der Rückforderung von Eigentum wurden in Bezug auf Witwen, zurückkehrende Frauen aus dem Libanon (mehr als die Hälfte dieser Haushalte waren weiblich geführt) und vertriebene Frauen im Nordosten Syriens gemeldet. Geschiedene Frauen im Nordwesten Syriens waren mit gesellschaftlicher Stigmatisierung, sozialer Ausgrenzung und mangelnder Unterstützung konfrontiert.
Ab Januar 2025 wurden etwa 40 000 Menschen im Lager al-Hol im Nordosten Syriens festgehalten, Berichten zufolge hauptsächlich Frauen und Kinder, Familienangehörige von ISIL-Mitgliedern, darunter Tausende von Ausländern. Die Bedingungen in den Lagern wurden als „unmenschlich“ und „lebensbedrohlich“ bezeichnet. Am 27. Januar ordnete die US-Regierung an, die „ausländische Entwicklungshilfe“ auszusetzen, woraufhin am nächsten Tag eine vorübergehende Ausnahmeregelung für „lebensrettende humanitäre Hilfe“ erlassen wurde. Quellen berichteten, dass das Einfrieren der humanitären Hilfe die Lebensbedingungen im Lager al-Hol weiter verschlechtert hat.
d) Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt
Der im November 2024 veröffentlichte Jahresbericht der SNHR verzeichnete seit März 2011 11.553 Fälle sexueller Gewalt gegen Frauen. Die Haupttäter sexueller Gewalt, die von der SNHR dokumentiert wurden, wurden als ehemaliges syrisches Regime (8.024 Vorfälle) und ISIL (3.487 Vorfälle) identifiziert, während HTS für zwei Vorfälle verantwortlich gemacht wurde. Das OHCHR berichtete von einem Anstieg „aller Arten sexueller Gewalt und anderer geschlechtsspezifischer Gewalt“ in Syrien während des Konflikts. Misshandlungen gegen Frauen wurden unterschätzt, auch wegen gesellschaftlicher Stigmatisierung und Angst. Der Konflikt in Syrien hat zu vermehrten Fällen von Früh- und Zwangsheiraten geführt, auch als Bewältigungsmechanismus. Eine Studie der internationalen Organisation PAX ergab, dass die Verlagerung der Geschlechterrollen zu einem Anstieg häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt beigetragen hat.
Im Januar 2025 berichtete der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), dass Frauen und Mädchen in Syrien aufgrund institutionalisierter Ungleichheit der Geschlechter und des Patriarchats sowohl im öffentlichen als auch im privaten Leben mit „allgegenwärtigen Formen“ von SGBV konfrontiert waren. Die Situation war durch einen Mangel an Unterstützungsdiensten, sicheren Räumen und Rechtsschutz gekennzeichnet. Nach Angaben des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) sind 93 % der rund 8,5 Millionen Menschen, die in Syrien Hilfe bei geschlechtsspezifischen Gewalttaten benötigen, Frauen und Mädchen. Sie sahen sich einer Vielzahl von Missbräuchen ausgesetzt, darunter „Gewalt durch intime Partner, häusliche Gewalt, wirtschaftliche und emotionale Gewalt sowie sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung und sexueller Belästigung.“ Ab Januar 2025 waren im Nordwesten Syriens 67 sichere Räume für Frauen und Mädchen, die SGBV-Dienste anbieten, funktionsfähig. In Idlib wurden Ende 2024 Gesundheitseinrichtungen einschließlich einer Entbindungsklinik erheblich beschädigt. Frauen und Mädchen in Aleppo sahen sich beim Zugang zu Dienstleistungen für Opfer des SGBV mit „erheblichen Schwierigkeiten“ konfrontiert, einschließlich solcher, die den Transport und den Mangel an weiblichem Personal betrafen. Das Risiko von SGBV war Berichten zufolge für Frauen in Binnenvertriebenenlagern und in den Notunterkünften höher.
1.3.6. Kinder (S.38-41)
a) Auswirkungen von Gewalt auf Kinder
Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) wurden in den 13 Jahren des Konflikts rund 25.500 Verstöße gegen Kinder verzeichnet, darunter die Tötung und Verstümmelung von Kindern und die Rekrutierung von Kindern. SNHR gab an, dass in der Zeit vom März 2011 bis zum 10. November 2024 30.293 Kinder getötet wurden, und ab dem 20. November 2024 wurden 5.298 Kinder verhaftet, inhaftiert oder verschwanden gewaltsam. Im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 27. Dezember 2024 dokumentierte das OHCHR Vorfälle, bei denen 212 Kinder in ganz Syrien getötet wurden. Nach dem Regimewechsel gab es weiterhin Berichte über die Tötung von Kindern durch bewaffnete Akteure. Kinder wurden auch weiterhin durch nicht explodierte Kampfmittel verletzt, die mindestens 116 im Dezember und 136 im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 17. Februar töteten oder verletzten. Im Januar 2025 warnte das UNOCHA, dass schwerwiegende Verstöße gegen Kinder nach wie vor ein großes Problem darstellen, einschließlich der Gefahr, getötet, verletzt, rekrutiert und bei Feindseligkeiten eingesetzt zu werden.
Im Dezember 2024 waren schätzungsweise 7,5 Millionen Kinder in Syrien auf humanitäre Hilfe und rund 6,4 Millionen auf psychologische Hilfe angewiesen. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) berichtete, dass Ernährungsunsicherheit und Unterernährung bei Kindern die Gesundheitsrisiken erhöhen. Etwa 506.000 Kinder unter fünf Jahren in Idlib und Aleppo litten unter akuter Unterernährung und über 609.000 unter „Stunting“ (Wachstumsverzögerung durch z.B. schlechte Ernährung, wiederholte Infektionen, mangelnder Zugang zu sauberen Trinkwasser, magelnde Gesundheitsversorgung). Die WHO stellte fest, dass in einigen Gouvernements das Stunting ein „alarmierend hohes Niveau“ erreicht hat. UNOCHA berichtete, dass Krankenhäuser überfüllt seien und dass psychische Belastungen bei Kindern weit verbreitet seien.
b) Negative Bewältigungsmechanismen
Nach Angaben des UNOCHA sind Kinderarbeit und Kinderehen nach wie vor „weitgehend akzeptierte“ Bewältigungsmechanismen für syrische Familien und die Tragweite wird nach wie vor nicht ausreichend erfasst. Kinder in Straßensituationen waren Ausbeutung ausgesetzt und standen „in Kontakt mit dem Gesetz wegen geringfügiger und schwerer Straftaten“.
Ein im Januar 2025 veröffentlichter UNOCHA-Bericht wies darauf hin, dass die Wirtschaftskrise in Syrien das Risiko von geschlechtsspezifischer Gewalt bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen, auch bei jugendlichen Mädchen, sowie das Risiko von Kinderarbeit, Kinderheirat und sexueller Ausbeutung weiter erhöht hat.
Ein Bericht der internationalen NGO Welthungerhilfe über die Gouvernements Aleppo und Idlib zur Bewertung des Schutzbedarfs auf der Grundlage der im August 2024 erhobenen Daten ergab, dass Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder, insbesondere jugendliche Mädchen, in verschiedenen Umgebungen auftraten unter anderem auch zu Hause, in der Schule, am Arbeitsplatz und in Binnenvertriebenenlagern. In dem Bericht wurde festgestellt, dass Kinderehen sowohl in Binnenvertriebenenlagern als auch in Aufnahmegemeinschaften nach wie vor „vorherrschend“ sind, wobei die Hauptgründe in erster Linie die Armut in Aleppo und die Bräuche und Traditionen in Idlib sind.
Nach Angaben des USDOS gab es unter der Assad-Regierung Unterkünfte für Waisenkinder. In Syrien gab es schätzungsweise 1,2 Millionen Waisenkinder, und nach einem Regierungserlass wurden Kinder als „muslimisch angenommen, sofern nichts anderes nachgewiesen wurde“, und sie konnten nur angenommen werden, „wenn das Paar und das Kind dieselbe Religion teilen“. Ein Bericht des Global Protection Cluster (GPC), eines Netzwerks von NRO, internationalen Organisationen und UN-Agenturen, der im Dezember 2024 veröffentlicht wurde, stellte fest, dass Kinder besonders von einem Mangel an zivilen Dokumenten betroffen waren.
c) Zwangsrekrutierung durch bewaffnete Gruppen
In einem am 20. November 2024 veröffentlichten Bericht erklärte die SNHR, dass im Zeitraum von März 2011 bis 10. November 2024 2.395 Kinder in Syrien zwangsrekrutiert wurden. Im Juni 2024 unterzeichnete der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für Kinder in bewaffneten Konflikten einen Aktionsplan zur Beendigung und Verhinderung der Rekrutierung und des Einsatzes sowie der Tötung und Verstümmelung von Kindern mit der SNA und abgestimmten Fraktionen. Darüber hinaus wurde ein Fahrplan zur Umsetzung eines Aktionsplans von 2019 zwischen den Vereinten Nationen, den SDF und den Verwaltungen in Nord- und Ostsyrien angenommen, der die Rekrutierung und den Einsatz von Kindern in bewaffneten Konflikten verbietet. Dennoch wurden weiterhin Fälle von Rekrutierung von Kindern gemeldet, auch von SDF und einer kurdischen Jugendbewegung im Nordosten Syriens. Ende November 2024 dokumentierte die SNHR Operationen des ehemaligen Regimes zur Einberufung junger Männer und Jungen mit dem Ziel, sie nach Nordsyrien zu entsenden.
d) Zugang zu Bildung
Ab Januar 2025 gab es in Syrien etwa 2,4 Millionen Kinder, die die Schule verlassen hatten, und eine weitere Million, die vom Schulabbruch bedroht war. Seit Ende November 2024 wurde die Schulbildung für rund 230.000 Kinder im Nordosten Syriens aufgrund anhaltender Konflikte unterbrochen. Außerhalb der Schule waren Kinder einem erhöhten Risiko von Kinderarbeit und Kinderehen sowie Menschenhandel und Rekrutierung ausgesetzt. In einem Bericht des UNOCHA vom Januar 2025 heißt es, dass mehr als 5.200 Schulen beschädigt sind und keine Ausrüstung haben. Während die Bildung kostenlos ist, haben einige Familien negativen Bewältigungsmechanismen, die sich auf den Schulbesuch von Kindern auswirken, Priorität eingeräumt. Im Dezember 2024 berichteten die Vereinten Nationen, dass die Schulen zwar in ganz Syrien wiedereröffnet wurden, die „volatile Sicherheitslage“ jedoch den Schulbesuch in einigen Gebieten beeinträchtigte. Der Zugang zu den Schulen wurde durch nicht explodierte Kriegsreste erschwert. Einige Schulen sind nach der Offensive gegen Präsident Baschar al-Assad am 8. Dezember 2024 zu Unterkünften für neu Vertriebene geworden. Etwa 68.000 Kinder in Aleppo und anderen Gouvernements konnten keine Schule besuchen, da viele Schulen als Sammelunterkünfte für Vertriebene genutzt wurden.
Nach Angaben der International Crisis Group „setzten Interimsbeamte im Eiltempo Änderungen des Lehrplans für islamische Bildung durch.“ Im Januar 2025 wiesen Quellen darauf hin, dass die Behörden Änderungen des Lehrplans für Schulen einführten, ohne die Gesellschaft in den Prozess einzubeziehen, und in einigen Fällen Verweise auf das Assad-Regime durch religiöse Texte ersetzten.
4.5.5. Vertreibung und Rückkehr (S.89-91)
Die Zahl der Personen, die seit dem 27. November 2024 durch Konflikte neu vertrieben wurden, verzeichnete eine anfängliche große Welle, die am 12. Dezember mit 1,1 Millionen Menschen ihren Höhepunkt erreichte. Diese anfänglichen Vertreibungen, die von der Angst vor dem eskalierenden bewaffneten Konflikt getrieben wurden, wurden hauptsächlich in Hama und Aleppo, einschließlich der Stadt Aleppo, im Westen Aleppos und insbesondere in Tall Rifaat und Manbij, nach der Übernahme der beiden Städte durch von der Türkei unterstützte bewaffnete Fraktionen verzeichnet.
UN-Quellen schätzten anschließend die Zahl der seit Ende November 2024 neu vertriebenen Flüchtlinge, die am 18. Dezember 2024 auf 859.460, am 10. Januar 2025 auf rund 627.000 und am 5. Februar 2025 auf 650.000 zurückblieben. Anfang 2025 stellte das UNOCHA zusätzliche Wellen von konfliktbedingten Vertreibungen aus dem Gebiet von Manbij fest, mit bis zu 15.000 Vertreibungen Mitte Januar 2025, gefolgt von mehr als 25.000 Vertreibungen im selben Monat. Quellen schätzten die Zahl der Menschen, die Anfang Dezember 2024 vor der SNA-Offensive in Nordsyrien geflohen waren, auf 100.000 bis 120.000.
Nach dem Sturz Assads zogen zurückkehrende Binnenvertriebene in Gebiete, die zuvor von der ehemaligen Regierung kontrolliert wurden, darunter Aleppo, Hama, Homs und Damaskus. UN-Quellen schätzen, dass die Zahl der neu vertriebenen Menschen, die in ihre Heimatbasen zurückkehren, bis zum 10. Januar 2025 auf mehr als 522.000 gestiegen ist. Gleichzeitig blieben die Rückführungsbewegungen aus Binnenvertriebenenlagern „stabil, aber minimal“, wobei der Cluster „Camp Coordination and Camp Management“ (CCCM) Ende Januar 2025 angab, dass seit dem 3. Dezember 2024 rund 57 000 Menschen aus den Lagern abgereist seien. Diese Rückkehrer bestanden hauptsächlich aus einzelnen Familien oder Männern, die zurückkehrten, um sich mit ihren Familien zu vereinigen oder den Zustand ihrer Häuser zu beurteilen.
Schätzungen des UNHCR zufolge waren bis zum 26. Februar 2025 schätzungsweise 885.294 Binnenvertriebene zurückgekehrt, während etwa 7,4 Millionen Binnenvertriebene blieben. Die Gouvernements mit dem größten Anteil an Binnenvertriebenen waren Aleppo mit 425.705 Binnenvertriebenen, gefolgt von Hama mit 155.561 und Idlib mit 116.053 Binnenvertriebenen.
Wie das UNOCHA feststellte, betrafen die gemeldeten Bedenken, die die Rückkehrentscheidungen von Binnenvertriebenen beeinflussten, die Zerstörung von Eigentum, unzureichende Infrastruktur, Unsicherheit sowie den Zugang zu Zivildokumenten und Justizdiensten, einschließlich Dokumenten zu Wohn-, Grundstücks-und Eigentumsrechten (nicht alle Zivilregister und Gerichte waren Ende Januar 2025 in Betrieb). Ein weiteres kritisches Problem, das aufgeworfen wurde, war die Kontamination mit nicht explodierten Kriegsresten.
4.5.6. Rückkehr aus dem Ausland (S.91-92)
Nach Schätzungen des UNHCR kehrten zwischen dem 8. Dezember 2024 und Ende Februar 2025 etwa 297.292 Syrer aus dem Ausland nach Syrien zurück. Von diesen Flüchtlingen kehrten 53 % aus dem Libanon, 25 % aus der Türkei und 14 % aus Jordanien zurück. Bei der freiwilligen Rückkehr aus der Türkei, die sich nach Angaben der türkischen Regierung zum 30. Dezember 2024 auf 35.114 belief, handelte es sich hauptsächlich um Syrer, die allein zurückkehrten, einschließlich Personen, die vor der Wiedervereinigung mit ihren Familien die Lage in Syrien beurteilen wollten.
Nach Angaben des UNHCR waren von Anfang 2024 bis Ende Februar 2025 die Gouvernements, in welche Rückkehrer hauptsächlich heimkehrten Aleppo (mit schätzungsweise 143.680 Rückkehrern) und Raqqa (112.951 Rückkehrern), gefolgt von Dar’a (72.007), Homs (69.624), Rural Damascus (62.738) und Idlib (46.273).
Es ist nicht klar, ob jede Rückkehr dauerhaft ist. Laut einem Bericht von Refugees International kehren viele Syrer zurück, um ihre Grundstücke zu begutachten, die Sicherheit und die wirtschaftlichen Bedingungen nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes zu bewerten oder sich mit ihrer Familie wieder zu vereinigen. Für andere ist die Rückkehr eher eine Notwendigkeit als eine Wahl, da die sich verschlechternden Bedingungen in den Aufnahmeländern – gekennzeichnet durch wirtschaftliche Not, steigende Lebenshaltungskosten und begrenzte Möglichkeiten – das Leben zunehmend untragbar gemacht haben.
[…]
Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei (Leb24 13.2.2025). Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt (VB Amman 9.2.2025). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln (ÖB Amman 6.2.2025). Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren (AlHurra 6.2.2025a). Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen (VB Amman 9.2.2025). Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden (Standard 23.1.2025). Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt (Etana 22.2.2025). Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen (UN News 12.2.2025).
In den Gouvernements Syriens kam es weiterhin zu einer Zunahme von Entführungen. Die Civil Peace Group dokumentierte seit dem Sturz des Regimes 64 Entführungsfälle – 19 Opfer wurden später hingerichtet aufgefunden, nur drei führten zu Lösegeldforderungen. Auch Vorfälle sektiererischer Gewalt, die sich hauptsächlich gegen schiitische und alawitische Gemeinschaften richten, sind weit verbreitet (Etana 22.2.2025). Das Middle East Institute berichtet auch von eindeutig sektiererischen Verstößen, wie die Zerstörung eines Schreins im ländlichen Hama durch zwei sunnitische Zivilisten und Fälle von Schikanen an Kontrollpunkten, konstatiert aber, dass die meisten Verstöße, die von Sicherheitskräften in ganz Syrien begangen wurden, sich gegen bestimmte Anhänger des ehemaligen Regimes zu richten scheinen. Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) (MEI 21.1.2025). [Weiterführende Informationen zu Gewalt gegen religiöse Minderheiten finden sich in den Kapiteln Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 8.12.2024) und Ethnische und religiöse Minderheiten - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Die Kriminalität ist dramatisch gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Freilassung nicht nur politischer Gefangener aus den Gefängnissen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen weiterhin nach Sicherheits- und Autoritätslücken, die sie in dieser neuen Ära ausnutzen können. Die schwereren Verbrechen ereignen sich in der Regel auf dem Land, wo die Sicherheitspräsenz geringer ist und sich eine höhere Konzentration von Ex-Shabiha [Shabiha sind die irregulären, bewaffneten pro-Assad-Gruppierungen Anm.] befindet (MEI 21.1.2025).
Seit islamistische Rebellen im Dezember den langjährigen repressiven Machthaber Bashar al-Assad stürzten, kam es in mehreren Gebieten zu Zusammenstößen und Schießereien, wobei Sicherheitsbeamte bewaffnete Anhänger der vorherigen Regierung beschuldigten (FR24 1.3.2025). In mehreren Gebieten in Syrien kommt es weiterhin zu Zwischenfällen mit verirrten Kugeln. Im Februar sind bei solchen Vorfällen 18 Menschen, darunter drei Frauen und vier Kinder, getötet und vier weitere, darunter zwei Kinder, verwundet worden. Die Opfer verteilen sich auf die von der Regierung in Damaskus, der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Syrischen Nationalen Armee (SNA) kontrollierten Gebiete. Diese Zwischenfälle werden durch die Verbreitung von Waffen unter der Zivilbevölkerung verschärft (SOHR 24.2.2025b). Sicherheitskräfte sind immer noch dabei, Überbleibsel des Regimes im ganzen Land auszuheben, die häufig Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit und Checkpoints ins Visier genommen haben. ETANA verzeichnete Angriffe von Pro-Regime-Gruppen auf Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit in Rif Dimashq, Ost-Dara'a und West-Homs. Auch in Hama und Jableh, in der Nähe der Hmeimim-Basis, kam es zu Zusammenstößen. Sicherheitskräfte haben in ehemaligen Regimegebieten von Deir ez-Zour mehrere Operationen durchgeführt (Etana 22.2.2025). Während Zehntausende auf die Initiative der Versöhnungsprozesse eingingen, lehnten bewaffnete Gruppierungen von Regimeüberbleibseln sie ab, vor allem an der syrischen Küste, wo hohe Offiziere des Assad-Regimes stationiert waren. Im Laufe der Zeit flohen diese Gruppierungen in die Bergregionen und begannen, Spannungen zu schüren, die Lage zu destabilisieren und sporadische Angriffe auf die Regierungstruppen zu verüben (AJ 10.3.2025c). Bis Anfang März 2025 beschränkten sich solche Übergriffe auf kleine Ausbrüche von willkürlicher Selbstjustiz und waren nicht Teil von groß angelegter, organisierter Gewalt. Am 6.3.2025 jedoch überfielen Aufständische des Assad-Regimes die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung in der westlichen Küstenstadt Jableh im Gouvernement Latakia und töteten 30 von ihnen (viele wurden später verbrannt oder in flachen Massengräbern aufgefunden) (TWI 10.3.2025). Die Anhänger des gestürzten Assad-Regimes riefen zu einem Aufstand auf. Ungefähr zur Zeit der ersten Angriffe gab eine Gruppierung, die sich selbst als "Militärrat für die Befreiung Syriens" bezeichnet, eine Erklärung ab, in der sie schwor, die Regierung zu stürzen (FT 10.3.2025). Unmittelbar nach dem Hinterhalt riefen die syrischen Sicherheitskräfte zu einer allgemeinen Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus auf und zur Ausrottung ehemaliger Regimegegner (TWI 10.3.2025). Sicherheitskräfte, die durch Verstärkung unterstützt wurden, begannen, gegen die Loyalisten des Assad-Regimes zu kämpfen und sie aus den Dörfern an der Küste Syriens zurückzudrängen. Die Loyalisten zogen sich aufs Land zurück, wobei sie Staatseigentum niederbrannten und mordeten. Als syrische Regierungstruppen und bewaffnete Zivilisten begannen, in alawitische Dörfer im Nordwesten Syriens einzudringen, tauchten Videos von Misshandlungen auf. Zivilisten berichteten von Massenmorden durch Sicherheitskräfte, was von Menschenrechtsgruppen bestätigt wurde (Guardian 10.3.2025). Laut dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights - SOHR) war es ein Fehler, dass die Regierung in Damaskus in den Moschen zur Mobilisierung aufgerufen hatte. Dies habe zu einem Zustrom von Kämpfern von außerhalb der Region geführt, um Alawiten zu massakrieren (Sky News 9.3.2025a). Laut einem Freiwilligen der Nichtregierungsorganisation Weißhelme kamen Menschen aus allen Städten Syriens, um Rache zu üben (C4 9.3.2025). Die überwiegende Mehrheit der rechtswidrigen Tötungen von Zivilisten und Gefangenen durch syrische Sicherheitskräfte wurde laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR) von zwei bestimmten Fraktionen sowie von Personen begangen, die sich Militärkonvois angeschlossen hatten. Konkret waren die beiden Fraktionen, die für die meisten Tötungen von Zivilisten verantwortlich sind, die Suleiman Shah Division [auch: Abu Amsha-Division oder Amsha-Division] und die Hamza-Division. Beide Fraktionen und ihre Anführer stehen wegen mutmaßlicher schwerer Menschenrechtsverletzungen, darunter Vergewaltigung und Folter, unter US-Sanktionen (Guardian 10.3.2025). Laut Washington Institute for Near Eeast Policiy umfasste die Mobilisierung drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA: Jaysh ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah Division und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA gelisteten Gruppierung Ansar at-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten (TWI 10.3.2025). Die Gruppierungen stehen nominell unter der Schirmherrschaft des neuen Staates, wobei Abu Amsha zum Leiter der Militärbrigade der Provinz Hama ernannt wurde. In Wirklichkeit übt der Staat jedoch nur begrenzte Kontrolle über sie aus. [Weitere Informationen über Rebellengruppierungen finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) Anm.] Die Bewaffneten, die die Massaker verübten, seien keine Bewohner der syrischen Küste, sondern stammten aus anderen Gouvernements und seien teilweise ausländischer Herkunft wie Usbeken, Tschetschenen und zentralasiatische Kämpfer (Sky News 9.3.2025a). Am 9.3.2025 gab eine syrische Sicherheitsquelle an, dass sich die Kämpfe in der Umgebung der Städte Latakia, Jabla und Baniyas etwas beruhigt hätten, während die Streitkräfte die umliegenden Berggebiete durchsuchten, in denen sich schätzungsweise 5.000 pro-Assad-Aufständische versteckt hielten (Sky News 9.3.2025b). Der Sprecher des Verteidigungsministeriums gab am 10.3.2025 das Ende der Militäroperation gegen die Überreste des Regimes in den Küstengebieten bekannt. Er betonte, dass die öffentlichen Einrichtungen ihre Arbeit wieder aufnehmen können, um die Rückkehr zum normalen Leben vorzubereiten, und dass die Sicherheitskräfte weiter daran arbeiten werden, die Stabilität und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten (SANA 10.3.2025a). Der Gouverneur von Tartus betonte am 9.3.2025, dass die Provinz nach dem Sieg über die Überreste des untergegangenen Regimes eine allmähliche Rückkehr ins öffentliche Leben erlebt (SANA 9.3.2025a). In den meisten Vierteln der Stadt Latakia hat am 10.3.2025 das normale Leben wieder begonnen, nachdem die Angriffe der Überreste des ehemaligen Regimes vereitelt und die Sicherheit in der Stadt wiederhergestellt wurde (SANA 10.3.2025b). Nach der Ankündigung der Regierung in Damaskus über den Abschluss der Sicherheitskampagne an der syrischen Küste stürmten Gruppen von bewaffneten Männern, die dem Verteidigungsministerium angehören, die Stadt Harison in der Umgebung von Baniyas, wo sie Häuser und Eigentum von Zivilisten plünderten und in Brand setzten (SOHR 10.3.2025c). Die Lage in den Städten mag stabiler sein, aber in ländlicheren Gegenden finden abseits der Medien eklatante Rechtsverletzungen statt. Die Zwangsumsiedlungen gehen weiter (Sky News 9.3.2025a).
Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe variierte stark (Guardian 9.3.2025). Laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR), das umfassende Dokumentationsstandards anwendet und als unabhängig gilt, haben Anhänger des Assad-Regimes 383 Menschen getötet, darunter 211 Zivilisten und 172 syrische Sicherheitskräfte, während syrische Sicherheitskräfte 396 Menschen getötet haben, darunter Zivilisten und entwaffnete Kämpfer (Guardian 10.3.2025). Syrische Sicherheitsquellen gaben an, dass mehr als 300 ihrer Mitglieder bei Zusammenstößen mit Angehörigen der ehemaligen Syrischen Arabischen Armee, bei koordinierten Angriffen und Hinterhalten auf ihre Streitkräfte getötet wurden (Sky News 9.3.2025b). Es wurden Massengräber mit Dutzenden von toten Mitgliedern gefunden (AJ 9.3.2025). Die syrischen Sicherheitskräfte töteten 700 ehemalige Soldaten und bewaffnete Männer, die dem ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad treu ergeben waren, oder sogenannte Regimeüberreste (Arabiya 9.3.2025). Dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden 745 alawitische Zivilisten aus konfessionellen Gründen getötet, wobei er betonte, dass sie nicht an den Kämpfen beteiligt waren oder mit dem Regime in Verbindung standen (Sky News 9.3.2025a). Darüber hinaus wurden 125 Mitglieder der Sicherheitskräfte und 150 alawitische Kämpfer getötet (Sky News 9.3.2025a). Die meisten der von Regierungstruppen getöteten Zivilisten waren Alawiten, aber auch einige Christen wurden als tot bestätigt. Unter den getöteten Aufständischen des ehemaligen Regimes befanden sich Sunniten, Alawiten und Christen (TWI 10.3.2025). Laut der Vereinten Nationen kam es zu Tötungen ganzer Familien (UN News 9.3.2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zog am 11.3.2025 Bilanz und verzeichnete eine Gesamtzahl von 1.093 Todesopfern vom Eintreffen bewaffneter Männer zur Unterstützung der Sicherheitskräfte bis zum 11.3.2025. Insgesamt wurden 44 Massaker verübt (SOHR 11.3.2025). Eine nicht näher genannte Beobachtungsgruppe verzeichnete der BBC zufolge mehr als 1.500 Todesopfer, darunter 1.068 Zivilisten (BBC 10.3.2025). Laut Aussage des Leiters von SOHR wurden Zehntausende Häuser geplündert und niedergebrannt (Sky News 9.3.2025a). Ein Freiwilliger der syrischen NGO Weißhelme (White Helmets) berichtete, dass seine Organisation am 5.3.2025 auf mehr als 40 Brände im Küstengebiet reagieren musste, bevor in der darauffolgenden Nacht die Schießerei begonnen hatte. Es wurde auch einer der Krankenwagen der Weißhelme angegriffen, ebenso das Krankenhaus und Kontrollpunkte (C4 9.3.2025). [Weitere Informationen zu den Vorfällen finden sich im Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 8.12.2024). Informationen zu den Tätergruppierungen finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).]
Diese Eskalation war nicht auf Latakia im Westen Syriens beschränkt, denn auch in anderen Gebieten am Rande der Hauptstadt Damaskus und in Dara'a kam es zu bewaffneten Zusammenstößen (AlHurra 8.3.2025). Unbekannte bewaffnete Männer in einem Auto warfen am 10.3.2025 Granaten und eröffneten das Feuer mit Maschinengewehren auf das Hauptquartier der allgemeinen Sicherheitskräfte im Stadtteil al-Mezzeh in Damaskus. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Angreifern und den Sicherheitskräften (SOHR 10.3.2025d).
Übergangspräsident ash-Shara' richtete einen dreißigtägigen Untersuchungsausschuss, der die tatsächlichen Geschehnisse untersuchen soll, ein. Im Gegensatz zu den früheren Ernennungen der Übergangsregierung für Ausschüsse, Ministerien und Provinzämter sind die sieben Mitglieder dieses neuen Ausschusses nicht mit HTS oder ihrer Verbündeten in Verbindung gebracht worden (TWI 10.3.2025). Der Ausschuss soll seinen Bericht dem Chef der syrischen Übergangsregierung, Ahmad ash-Shara', spätestens 30 Tage nach der Entscheidung zur Bildung des Ausschusses vorlegen (BBC 9.3.2025a). Er hat zur Aufgabe, die Ursachen, Umstände und Bedingungen aufzudecken, die zu diesen Ereignissen geführt haben, die Verletzungen zu untersuchen, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt war, die Verantwortlichen zu identifizieren, die Angriffe auf öffentliche Einrichtungen und Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und der Armee zu untersuchen, die Verantwortlichen zu identifizieren und diejenigen, die nachweislich an den Verbrechen und Verletzungen beteiligt waren, an die Justiz zu verweisen (SANA 9.3.2025b). Am 9.3.2025 begannen die Behörden, gegen diejenigen vorzugehen, die Gewalttaten gegen Zivilisten begangen hatten. Die syrische Übergangsregierung verhaftete sogenannte undisziplinierte Gruppen, die in den letzten Tagen während der Säuberungsaktionen Sabotageakte begangen hatten. Sie sollen strafrechtlich verfolgt werden, weil sie die Anweisungen des Kommandos missachteten (Arabiya 9.3.2025).
Viele Beobachter sind sich einig, dass trotz der starken Präsenz interner Faktoren auch der externe regionale Faktor bei den Unruhen in der syrischen Küstenregion eine wichtige Rolle spielte. Syrische Sicherheitsquellen weisen darauf hin, dass Iran in die Ereignisse in der Region verwickelt war und dass er die Überreste des Regimes von Bashar al-Assad finanzierte und bewaffnete, die zwischen der Küste und der Provinz Homs unterwegs waren und aufgrund der instabilen Sicherheitslage in den Osten Syriens vordringen konnten (BBC 9.3.2025b). Israel drang nach dem Sturz des Assad-Regimes in Grenzdörfer in Syrien ein und bezeichnete dies als vorübergehende Maßnahme zum Schutz seiner eigenen Sicherheit. Während israelische Politiker seit Monaten deutlich machen, dass sie beabsichtigen, ihre Truppen in den Grenzregionen zu belassen, die eigentlich eine von internationalen Friedenstruppen überwachte Pufferzone sein sollte, stellen ihre Erklärungen über ein entmilitarisiertes Südsyrien eine Eskalation dar, die die Spannungen innerhalb Syriens verschärft hat (NYT 25.2.2025). Israel hatte die Pufferzone auf dem syrischen Golan umgangen und das Rückzugsabkommen von 1974 verletzt, indem es in Quneitra und Dara'a eindrang und weiteres syrisches Gebiet besetzte, bis es den Berg Hermon erreichte (BBC 9.3.2025b). Israelische Streitkräfte führen weiterhin Angriffe in und jenseits des entmilitarisierten Grenzstreifens von 1974 zwischen den von Israel besetzten Golanhöhen und Quneitra durch. Versuche Israels, die Herzen und Köpfe der Menschen in Quneitra zu gewinnen, wurden wiederholt abgewiesen und fanden gleichzeitig mit Razzien, Schießereien und anderen Verstößen statt (Etana 22.2.2025). Israel führte seit dem Sturz von al-Assad Hunderte von Luftangriffen in ganz Syrien durch, bei denen Luftwaffenstützpunkte, Munitionsdepots, militärische Ausrüstung und Stellungen von Kräften, die der neuen Regierung treu ergeben sind, angegriffen wurden (SCR 30.1.2025). Am 1.3.2025 drohte der israelische Ministerpräsident Netanyahu und der Verteidigungsminister Katz der syrischen Übergangsregierung, in Syrien einzugreifen, um die Drusen zu beschützen (Enab 1.3.2025; vgl. TIS 1.3.2025). Berichten aus Syrien zufolge kam es zuvor im Rahmen einer Sicherheitskampagne in Jaramana, einem Vorort von Damaskus, zu Zusammenstößen zwischen den Behörden der neuen syrischen Regierung und örtlichen drusischen Kämpfern (TIS 1.3.2025). [Weitere Informationen zur politischen Intervention Israels finden sich im Kapitel Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Außenpolitische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und zur militärischen Intervention im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Ausländische Unterstützung bzw. Einmischung - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Kräfte von außen, die gemeinsam mit Assad die Macht verloren haben – Iran und seine Vasallen wie die libanesische Hisbollah –, haben Interesse daran, dass das neue Syrien scheitert (Standard 9.3.2025).
Nach dem Sturz des Assad-Regimes hat Russland begonnen, seine Streitkräfte aus der strategisch wichtigen Marinebasis Tartus abzuziehen. Dieser Rückzug könnte das Machtgleichgewicht in der Region beeinflussen und Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Syrien haben (VB Amman 9.2.2025). [Weitere Informationen zu den politischen Beziehungen zwischen Syrien und Russland finden sich im Kapitel Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Außenpolitische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024). Informationen zur militärischen Präsenz Russlands sind dem Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Ausländische Unterstützung bzw. Einmischung - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) zu entnehmen.]
Ende Dezember wurde, einer syrischen Sicherheitsquelle von Al Jazeera zufolge, durch die Abteilung für militärische Operationen eine landesweite Sicherheitsoperation gestartet, um Überreste des untergegangenen Regimes zu jagen und militärische Kontrollpunkte an der Straße zum russischen Militärstützpunkt Hmeimim in Tartus einzurichten (AJ 28.12.2024b).[Weitere Informationen zu Sicherheitsoperationen finden sich in den Kapiteln Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024), Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 8.12.2024).]
Die Internationale Koalition hat zwölf Sicherheitsoperationen gegen Zellen des Islamischen Staates (IS) durchgeführt, einige mit Beteiligung der SDF in verschiedenen Gebieten Syriens, wo diese Operationen zur Tötung von 14 Mitgliedern des IS führten, darunter zwei Anführer, sowie die Verhaftung von neun Personen, die beschuldigt werden, dem IS anzugehören und mit ihm zu kooperieren, darunter ein Ölinvestor (SOHR 23.2.2025). Die von den USA geführten internationalen Koalitionstruppen haben in Zusammenarbeit mit den SDF ein intensives militärisches Training mit schweren Waffen auf der Basis des Ölfeldes al-'Omar im Osten der Provinz Deir ez-Zour im Osten Syriens durchgeführt. Die Übungen sind Teil einer Reihe von Militärmanövern, die die Koalitionstruppen auf ihren Militärstützpunkten in den Provinzen Deir ez-Zour und al-Hasaka im Nordosten des Landes durchführen, um die Kampfbereitschaft und die operative Koordination mit den lokalen Partnern zu verbessern (TNA 27.2.2025). [Weitere Informationen zur Intervention der Internationalen Koalition bzw. der USA sind den Kapiteln Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Außenpolitische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Ausländische Unterstützung bzw. Einmischung - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) zu entnehmen.]
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, sieht den Schlüssel, um die Voraussetzungen für ausreichende Lebensbedingungen und eine stabile Sicherheitslage zu schaffen, in der Elektrizität. Ohne diese gäbe es nicht nur extreme Unsicherheit. Die Lebensbedingungen, wie Kochen, Heizen, Transport usw. sind an Strom gekoppelt. Auch der Betrieb von Krankenhäusern und Schulen bedingt eine funktionierende Energieversorgung. Dauere der Zustand an, in dem nachts ganze Gegenden in völliger Dunkelheit lägen, sei ein "collapse of law and order" praktisch unvermeidlich. Die radikalen militanten Gruppierungen würden nur darauf warten, das Vakuum zu füllen (ÖB Amman 6.2.2025). [Weitere Informationen zur humanitären Lage, Stromversorgung etc. finde sich im Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft.]
Kampfmittelreste und Blindgänger
In mehr als 13 Jahren Krieg wurden im ganzen Land schätzungsweise mehr als zehn Millionen Sprengkörper eingesetzt. In der Regel explodieren bis zu 30 % der eingesetzten Munition nicht, was zu einer hohen Kontaminierung mit Blindgängern führt (FR 20.1.2025b). Nicht explodierte Kampfmittelrückstände stellen eine große Gefahr für das Leben in Syrien dar. Sie werden hauptsächlich in zwei Kategorien unterteilt. Die Erste sind Blindgänger wie Streubomben, Mörsergranaten und Granaten. Diese sind in der Regel über der Erde und daher sichtbar. Die größere Herausforderung liegt in der zweiten Kategorie von Munition: Landminen. Ehemalige Regierungstruppen haben Hunderttausende davon in verschiedenen Gebieten in Syrien vergraben – hauptsächlich auf Ackerland (BBC 23.1.2025). Die Bedrohung durch Blindgänger hat sich seit dem Sturz des Assad-Regimes am 8.12.2024 noch verschärft, weil in Homs, aber auch in Damaskus, viele Waffen, darunter auch Sprengwaffen, zurückgelassen wurden (UN News 14.1.2025). Es ist ein starker Anstieg von Vorfällen mit Blindgängern und explosiven Kampfmittelrückständen zu verzeichnen, wobei fast täglich über zivile Opfer berichtet wird (UNOCHA 12.2.2025). Die Beseitigung von Landminen und anderen militärischen Trümmern ist dringender denn je. Während sich Millionen von Flüchtlingen auf ihre Rückkehr vorbereiten, sind viele ihrer Häuser oder das, was von ihnen übrig ist, mit nicht explodierten Mörser- und Artilleriegranaten, Raketen, Minen und Sprengfallen übersät (Leb24 13.2.2025). Für die Vertriebenen und diejenigen, die versuchen, nach Hause zurückzukehren, ist die Gefahr durch Blindgänger ständig und unvermeidlich (UN News 14.1.2025). Syrien ist seit Jahren unter den drei Ländern mit der höchsten Blindgänger-Dichte (FR 20.1.2025b). In allen Gebieten, in denen in den letzten Jahren Militäroperationen stattgefunden haben, sind nicht explodierte Kampfmittel weit verbreitet, sodass es riskant ist, nach Hause zurückzukehren und ein normales Leben wieder aufzunehmen. Trotz der dringenden Notwendigkeit, sie zu beseitigen, sind die Bemühungen nach wie vor unzureichend, weil die lokalen Behörden und humanitären Organisationen es verabsäumen, ernsthafte Schritte zum Schutz der Zivilbevölkerung zu unternehmen. Am stärksten betroffen sind die Gebiete unter der Kontrolle der neuen syrischen Regierung, gefolgt von der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (Democratic Autonomous Administration of North and East Syria - DAANES) und den Gebieten der durch die Türkei unterstützten SNA (SOHR 13.2.2025). Die Vorfälle ereignen sich in verschiedenen Gebieten des Landes. Dabei kommt es zu Explosionen auf landwirtschaftlichen Flächen, wo Zivilisten arbeiten, um Ernten zu sammeln oder nach Trüffeln zu suchen, zu Explosionen in Häusern oder während der Fahrt auf den Straßen (SOHR 21.2.2025). Nach Angaben des Halo Trust, einer internationalen Organisation, die auf die Räumung von Landminen und anderen Sprengkörpern spezialisiert ist, wurden allein seit dem Sturz al-Assads durch Landminen und andere explosive Hinterlassenschaften mindestens 400 Zivilisten getötet und verletzt, wobei die tatsächliche Zahl vermutlich viel höher liegt (Halo 3.2.2025). In den letzten neun Jahren wurden mindestens 422.000 Vorfälle mit Blindgängern in 14 Gouvernements in ganz Syrien gemeldet, wobei schätzungsweise die Hälfte davon tragische Opfer unter Kindern forderte. Die Gefahr betrifft etwa fünf Millionen Kinder, die in Gebieten leben, die mit den tödlichen Sprengkörpern verseucht sind. Für Kinder sind die Auswirkungen solcher Vorfälle verheerend. Wenn sie die Explosion überleben, sind lebensverändernde Verletzungen und Behinderungen die Folge, welche oft bedeuten, dass sie nicht mehr zur Schule gehen können oder dass es für sie schwieriger ist, Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung zu erhalten (UN News 14.1.2025). [Weiterführende Informationen zu den Auswirkungen von Blindgängern auf Kinder finden sich im Kapitel Relevante Bevölkerungsgruppen / Kinder - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Laut Syrischer Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind von Anfang 2025 bis 13.2.2025 169 Menschen durch Kampfmittelüberreste getötet worden, darunter 31 Kinder und sechs Frauen. 205 Personen wurden verletzt. Darunter 88 Kinder und Frauen (SOHR 13.2.2025). UNOCHA zählte bei 198 Vorfällen von Dezember 2024 bis 12.2.2025 141 Getötete, darunter 24 Kinder und eine Frau, sowie 265 Verletzte, darunter 114 Kinder und 16 Frauen. Von den 136 Vorfällen im Jänner und Februar ereigneten sich 90 während Bauern ihr Land bestellten oder Tiere weideten, was zum Tod von 61 Bauern und Hirten und 93 weiteren Verletzten führte. Seit Dezember wurden in Idlib, Aleppo, Hama, Deir ez-Zour und Lattakia insgesamt 138 Minenfelder und Minenpräsenzpunkte identifiziert (UNOCHA 12.2.2025). Viele der Getöteten sind den syrischen "Weißhelmen" zufolge Bauern und Landbesitzer, die versuchten auf ihr Land zurückzukehren (BBC 23.1.2025). Großstädte wie Idlib, ar-Raqqa, Aleppo, Hama, Homs und Ost-Ghouta, ein Vorort von Damaskus, wurden durch Bombardierungen verwüstet und sind deswegen mit Blindgängern übersät. Genau das sind die am meisten bewohnten Gegenden. Dort lebten teils Hunderttausende. Die Minenfelder und nicht explodierte Sprengkörper wie Bombenreste sind übers ganze Land verteilt (FR 20.1.2025b). Al Jazeera zufolge sind Provinzen wie Aleppo, Idlib, Hama, Homs, ar-Raqqa, Deir ez-Zour und al-Hasaka und in geringerem Maße Damaskus, Dara'a und Suweida mit Streumunition und Minen verseucht (AJ 1.1.2025c).
Der Islamische Staat (IS)
Die Instabilität wirkt sich auf Lager, Haftanstalten und andere Einrichtungen im Nordosten des Landes aus. 42.500 Personen, von denen einige mutmaßliche Verbindungen zu IS haben, sind weiterhin in Haft. Darunter sind 17.700 irakische Staatsangehörige und 16.200 syrische Staatsangehörige sowie 8.600 Staatsangehörige aus anderen Ländern (UN News 10.2.2025). [Weitere Informationen zu Flüchtlingslager in Nord- und Ostsyrien finden sich im Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 8.12.2024) / Allgemeine Menschenrechtslage in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Region Nord- und Ostsyrien (DAANES) / IDP's und Flüchtlinge.] Der IS ist in Syrien in zwei getrennten Gebieten verbreitet. Zum Ersten in der syrischen Jazira (Nordostsyrien), die von den von der Internationalen Koalition unterstützten SDF kontrolliert wird. Dort bewegt sich der IS in der südlichen Wüste der Provinz al-Hasaka, die auch mit der nordöstlichen Seite der Grenzstadt al-Bu Kamal verbunden ist, genauer gesagt mit der Stadt al-Baghouz, der letzten städtischen Hochburg des IS. Dieses Gebiet ist geografisch mit der Hatra-Wüste in der irakischen Provinz Ninive verbunden, trotz der Betonblöcke, die die beiden Länder trennen, bewegt sich der IS immer noch über die Grenze, wie ein Bewohner der ländlichen Provinz al-Hasaka gegenüber Al Jazeera bestätigt. Das zweite Gebiet, bekannt als al-Badiya ash-Shamiya (zu Deutsch: Syrische Wüste), befindet sich in der Nähe der Stadt Palmyra, östlich der Provinz Homs. Es zeichnet sich durch seine Weite aus und endet am Rande der meisten syrischen Provinzen und ist auch mit der irakischen Wüste al-Anbar verbunden, die eine wichtige Hochburg für den IS ist. Der IS profitierte früher von der Aufteilung des Einflusses entlang des Grenzstreifens zwischen den US-amerikanischen Streitkräften, die in der Militärbasis at-Tanf stationiert waren, und den iranischen Milizen, die al-Bu Kamal kontrollierten. Zusätzlich zu seiner relativ langen Erfahrung im Kampf und in der Anpassung an die Wüste konnte der IS seine Bewegung in diesem Gebiet zwischen den beiden Ländern aufrechterhalten (AJ 2.3.2025). Eine Reportage des Spiegels, bei der ein Journalist in die al-Badiya reiste und mit verschiedenen Personen vor Ort sprach, deutet an, dass der IS dort nicht mehr so stark präsent ist, sondern viele Überfälle und Angriffe von der gestürzten syrischen Regierung dem Islamischen Staat zugeschoben wurden (Spiegel 9.2.2025). Die Vielzahl der gegen den IS kämpfenden Parteien und der Zustand der Feindseligkeit oder Rivalität zwischen ihnen schuf einen Zustand der Verwirrung, der in der jüngsten Zeit (zwischen 2024 und 2023) offensichtlich wurde. Dies trug dazu bei, dass die Informationen über die Zahlen und Bewegungen der Organisation ungenau und sehr variabel sind, da es bis heute keine genaue Zahl für die Anzahl der IS-Kämpfer in Syrien gibt. Einige Quellen vor Ort deuten darauf hin, dass die Zahl der aktiven IS-Kämpfer in Syrien zwischen 900 und 1100 liegt, wobei sich der größte Teil von ihnen in der levantinischen al-Badiya befindet, während der kleinere Teil auf der syrischen Jazira (Nordostsyrien) verteilt ist (AJ 2.3.2025). Der IS hat die Sicherheitslücke ausgenutzt, die durch den Zusammenbruch des Regimes des ehemaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad im vergangenen Dezember entstanden ist, so der SDF-Anführer 'Abdi. Seither wurde der IS sichtbarer und aktiver. Die Terrorgruppe nutzt Waffenlager, die sie beschlagnahmt hat, nachdem sie von Assad-treuen Kräften aufgegeben wurden. Der IS werde auch immer mutiger und schicke Terroristen aus ihren Verstecken in der Badiya in die umliegenden Städte (VOA 27.2.2025). Am 10.2.2025 stellte ein UN-Beamter fest, dass die unbeständige Lage in Syrien sehr besorgniserregend ist. Es besteht die Gefahr, dass Bestände moderner Waffen in die Hände von Terroristen fallen. Die syrische Badiya-Region wird weiterhin als Zentrum für die externe Operationsplanung des IS genutzt und ist ein wichtiges Gebiet für dessen Aktivitäten (UN News 10.2.2025). Der Abzug der USA würde eine Stärkung des IS bewirken, weil die Gruppierung die Schwäche der neuen syrischen Übergangsregierung ausnutzen wird, die nicht in der Lage ist, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren. Beamte warnen, dass der Abzug der US-Streitkräfte die SDF alleine lassen und die Sicherheit von mehr als 20 Gefängnissen und Flüchtlingslagern bedrohen wird, in denen mehr als 50.000 Menschen, darunter etwa 9.000 IS-Kämpfer, untergebracht sind. Ohne die US-amerikanischen Streitkräfte könnten die SDF die Gefängnisse und Lager aufgeben und Tausenden von IS-Kämpfern die Flucht ermöglichen. Der türkische Außenminister Fidan sagte Anfang Januar, dass die Türkei bereit sei, die Kontrolle über die Gefängnisse zu übernehmen, in denen IS-Gefangene untergebracht sind (AlHurra 6.2.2025a). In den letzten Jahren, nachdem der IS seine letzten städtischen Hochburgen verloren hatte, führten IS-Gruppierungen Hunderte von militärischen und sicherheitspolitischen Operationen in Syrien durch, meist in Form von Schnellangriffen auf Stellungen iranischer Milizen und Angehörige der ehemaligen syrischen Regime-Armee, zusätzlich zu aufeinanderfolgenden Angriffen auf Öltankwagen, die Öllieferungen von den syrischen Jazira-Feldern zu den Raffinerien in Homs und Baniyas transportierten. Seit der Ankündigung des Sturzes des Assad-Regimes sind die Angriffe des IS zurückgegangen, abgesehen von den üblichen Angriffen in der syrischen Region Jazira und zwei Angriffen in der levantinischen Badiya, von denen einer auf das Gasfeld von Sha'er abzielte und ein Todesopfer forderte. Dieses relative Verschwinden ist nicht unbedingt von Dauer, sondern wahrscheinlich eher vorübergehend und auf mehrere Gründe zurückzuführen, von denen die wichtigsten sind: 1. fehlende militärische Ziele durch den Abzug der Iranischen Milizen und das Auflösen der Syrischen Arabischen Armee (SAA), 2. der Einsatz militärischer Gruppierungen, die der Syrischen Freien Armee (SFA) angehörten und mittlerweile dem syrischen Verteidigungsministerium unterstellt sind, um das Machtvakuum in der Region zu schließen und wichtige strategische Positionen insbesondere an der einzigen Verbindungsstraße zwischen Deir ez-Zour und Damaskus zu übernehmen (AJ 2.3.2025).
Die Sicherheitslage in den verschiedenen Regionen Syriens variiert (VB Amman 9.2.2025). Im Folgenden wir die Sicherheitslage je nach Region dargestellt:
Zentralsyrien
Nach dem Sturz des Assad-Regimes und der Machtübernahme islamistischer Gruppen bleibt die Sicherheitslage auch in den Küsten- und Zentralregionen Syriens fragil und stark fragmentiert. Während einige Gebiete weitgehend unter der Kontrolle der neuen islamistischen Machthaber stehen, gibt es weiterhin Widerstand durch lokale Milizen, ehemalige Assad-treue Gruppen und ausländische Akteure (VB Amman 9.2.2025). Das syrische Innenministerium hat seine Sicherheitsoperationen in verschiedenen Provinzen intensiviert und dabei Elemente des gestürzten Assad-Regimes ins Visier genommen, die ihre Bewegungen in einigen Gebieten verstärkt haben. In mehreren Gebieten, insbesondere in den ländlichen Gebieten von Damaskus, Homs und Tartus, fanden groß angelegte Sicherheitsoperationen statt, bei denen eine Reihe von bewaffneten Kämpfern festgenommen und andere bei direkten Zusammenstößen neutralisiert wurden. Sicherheitsberichte bestätigen, dass diese Gruppierungen die syrische Armee und die Sicherheitskräfte ins Visier genommen hatten, um die Sicherheit zu schwächen und Chaos zu stiften. Dabei nutzen sie die schwierige geografische Lage einiger Gebiete, um sich zu verstecken und ihre Reihen neu zu formieren (AAA 1.3.2025). Damaskus ist unter der Kontrolle islamistischer Gruppierungen. Während in einigen Vierteln eine gewisse Stabilität herrscht, sind Anschläge, Attentate und gezielte Angriffe rivalisierender Gruppen weiterhin an der Tagesordnung. Israelische Luftangriffe auf mutmaßliche Waffenlager oder Stellungen von pro-iranischen Milizen haben zugenommen, während in den Außenbezirken einzelne Widerstandszellen gegen die neuen Machthaber operieren. IS-Zellen und lokale Widerstandsgruppen greifen regelmäßig Kontrollpunkte an, was zu einer angespannten Lage führt (VB Amman 9.2.2025). Bei Zusammenstößen zwischen den Streitkräften der neuen Machthaber Syriens und bewaffneten Männern der Minderheit der Drusen in der Nähe von Damaskus am 1.3.2025 wurde eine Person getötet und neun weitere verletzt, wie ein syrischer Menschenrechtsbeobachter berichtet (FR24 1.3.2025). Interne Sicherheitskräfte haben in Begleitung lokaler bewaffneter Gruppen eine Sicherheitskampagne gegen die Wohnhäuser von Offizieren in der Stadt Qatana im Hinterland von Damaskus durchgeführt, bei der Dutzende von Bewohnern der Gegend verhaftet und eine Ausgangssperre verhängt wurden. Es kam wiederholt zu Hausdurchsuchungen, begleitet von Vandalismus, Plünderungen und Verhaftungen einer Reihe von Bewohnern, darunter Männer und Frauen (SOHR 28.2.2025a). Im Umland von Damaskus kam es am 27.2.2025 zu Zusammenstößen zwischen syrischen Sicherheitskräften und bewaffneten Männern, bei denen es Verletzte gab (Shafaq 27.2.2025). Die Zunahme von Gewalt und Kriminalität in den Minderheitengebieten Syriens bleibt die größte Herausforderung für die neuen Behörden seit dem Sturz des alten Regimes im Dezember 2024. Das Land hat einen Anstieg der Angriffe erlebt, sowohl von Überbleibseln des Regimes, deren Interessen nach dem Sturz al-Assads leiden und die versuchen, das Land zu destabilisieren, als auch von allgemeinen Straftätern (AAA 1.3.2025). Die ehemals von der Assad-Regierung gehaltenen Küstenregionen Latakia und Tartus, die als Hochburgen der alawitischen Gemeinschaft galten, sind mittlerweile unter der Kontrolle islamistischer Gruppen gefallen. Der Übergang verlief jedoch nicht ohne Widerstand, da lokale alawitische Milizen, Überreste regierungstreuer Einheiten und vereinzelt russische Kräfte um ihre Einflusszonen kämpften. Während die Küste früher als sicher galt, könnten neue Konflikte zwischen islamistischen Gruppen, Assad-treuen Einheiten und möglicherweise verbleibenden russischen Kräften in den kommenden Monaten entstehen (VB Amman 9.2.2025). In der Küstenregion ist die Sicherheitslage instabil und durch wiederholte Angriffe an Kontrollpunkten und kriminelle Aktivitäten wie Plünderungen, Raubüberfälle und Entführungen, insbesondere in ländlichen Gebieten, gekennzeichnet (UNOCHA 12.2.2025). Die Region Latakia ist strategisch wichtig und beherbergt wichtige militärische Einrichtungen, die von der Assad-Regierung genutzt wurden. Russland hat hier noch Interessen, insbesondere im Hinblick auf den ehemaligen Militärflughafen Hmeimim. Vereinzelt wurden Kämpfe zwischen islamistischen Gruppen und zurückgebliebenen pro-Assad-Milizen gemeldet (VB Amman 9.2.2025). In den vergangenen zwei Monaten haben ehemalige Regimegruppierungen vier Operationen im Nordwesten des Landes durchgeführt, bei denen Angehörige der Abteilung für Militäreinsätze getötet und verletzt wurden (AAA 1.3.2025). In Tartus wurde die frühere russische Marinebasis Berichten zufolge von russischen Truppen teilweise geräumt, wobei unklar ist, ob sie vollständig aufgegeben wurde. Islamistische Gruppen haben die Kontrolle über die Stadt übernommen, aber die Präsenz von Untergrundzellen ehemaliger Assad-Anhänger könnte zu weiteren Spannungen führen (VB Amman 9.2.2025). Aufrufe zur Gewalt unter ehemaligen Assad-Anhängern haben viele Alawiten dazu veranlasst, in den syrischen Küstengouvernements Tartus und Latakia sowie in Homs zu den Waffen gegen die von HTS geführten Truppen zu greifen (LWJ 29.1.2025). Bewaffnete Männer auf zwei Motorrädern haben eine Polizeistation in der Stadt Savita in der Provinz Tartus angegriffen und Handgranaten geworfen, was zu einem bewaffneten Zusammenstoß zwischen den Angreifern und dem Personal der Station führte, bei dem einer der Mitarbeiter der Station verletzt wurde. Unterdessen wurde ein junger Zivilist aus dem Hinterland von Tartus durch verirrte Kugeln getötet, als er in einem Auto unterwegs war, berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR 28.2.2025b). In Homs, Hama und Nordwestsyrien herrscht unterdessen relative Stabilität, abgesehen von einigen Unruhen im ländlichen Homs (UNOCHA 12.2.2025). Die zentrale Region Syriens, bestehend aus Homs und Hama, bleibt nach dem Sturz des Regimes eine Zone mit unklaren Machtverhältnissen. Die Stadt Homs, die einst ein zentrales Schlachtfeld im syrischen Bürgerkrieg war, ist nun ein Gebiet mit sporadischen Kämpfen zwischen islamistischen Gruppen und Widerstandsbewegungen, darunter ehemalige regierungstreue Milizen und lokale Stämme. Während die islamistischen Machthaber Kontrolle über die Stadt beanspruchen, gibt es Berichte über vereinzelte Scharmützel und Anschläge (VB Amman 9.2.2025). Kämpfer der Gruppierung Islamischer Staat (IS) haben am 10.12.2024 in der syrischen Region Homs mindestens 54 Menschen getötet, die alle ehemalige Mitglieder der Regierung von Bashar al-Assad gewesen sein sollen und nach deren Zusammenbruch versucht haben sollen zu fliehen (MEE 10.12.2024). Ähnlich wie Homs ist auch Hama von sozialen Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt. Einige ländliche Gebiete außerhalb der Stadt stehen noch unter Einfluss lokaler Gruppierungen oder einzelner Widerstandszellen, die sich der neuen Ordnung widersetzen. Die humanitäre Lage in beiden Städten bleibt kritisch, da die Infrastruktur stark beschädigt ist und viele der ehemaligen staatlichen Versorgungsstrukturen nicht mehr funktionieren. Ar-Raqqa, die ehemalige Hauptstadt des IS, bleibt ein Brennpunkt der Unsicherheit. Teile der Region sind nach wie vor von lokalen kurdischen Einheiten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) kontrolliert, was die Spannungen zusätzlich erhöht. Nach der Übernahme islamistischer Gruppierungen in anderen Teilen des Landes ist die Lage in ar-Raqqa weiterhin angespannt, da sich verschiedene Gruppen um die Kontrolle streiten. IS-Schläferzellen sind weiterhin aktiv und haben in den letzten Monaten gezielte Anschläge auf islamistische Sicherheitskräfte und Verwaltungsstrukturen verübt. Letztlich bleibt auch die Sicherheitslage in Deir ez-Zour hochgradig instabil. Die Region war bereits zuvor ein zentrales Schlachtfeld gegen den IS, und obwohl sich die Machtdynamik geändert hat, sind Guerilla-Taktiken, Anschläge und bewaffnete Konflikte weiterhin an der Tagesordnung. Die Kontrolle über Deir ez-Zour ist stark fragmentiert, da verschiedene islamistische Gruppierungen, die SDF sowie lokale Stammesmilizen um Einfluss kämpfen. Die neuen islamistischen Machthaber Syriens haben keine einheitliche Kontrolle über die Region, da verschiedene Gruppen um Territorium ringen. HTS und andere Fraktionen versuchen, ihre Positionen zu stärken, was zu Zusammenstößen mit lokalen Stämmen und ehemaligen regierungstreuen Milizen führt. Die SDF hält weiterhin einige Gebiete, insbesondere im nördlichen und östlichen Teil der Provinz, was die Spannungen mit islamistischen Gruppen und türkisch unterstützten Milizen weiter verschärft. Der IS ist weiterhin aktiv und nutzt das Machtvakuum, um Schläferzellen zu reaktivieren. In ländlichen Gebieten verübt der IS regelmäßig Anschläge auf Sicherheitskräfte, Checkpoints und lokale Stammesführer, die mit den neuen Machthabern kooperieren. Die sich verschlechternde Sicherheitslage ermöglicht es dem IS, erneut Rekruten anzuwerben, insbesondere unter den wirtschaftlich benachteiligten Stämmen. Deir ez-Zour war schon vor dem Sturz al-Assads ein Zentrum für Schmuggel und illegalen Ölhandel, eine Situation, die sich nun weiter verschärft hat. Kriminelle Netzwerke, bewaffnete Stämme und ehemalige regierungstreue Gruppen kontrollieren Teile der Ölfelder und Routen für Schmuggelware, was zu bewaffneten Auseinandersetzungen um wirtschaftliche Ressourcen führt. Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal, da Versorgungslinien unterbrochen wurden und viele Menschen ohne Einkommen oder humanitäre Hilfe auskommen müssen (VB Amman 9.2.2025).
Südsyrien
Nach dem Sturz der Assad-Regierung und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt die Sicherheitslage im Süden Syriens fragil und unvorhersehbar. Die neuen Machthaber versuchen, die Kontrolle über das Land zu festigen, stehen aber vor internen Machtkämpfen, Widerstand lokaler Milizen und anhaltenden ausländischen Interventionen (VB Amman 9.2.2025). Israel griff Syrien bereits vor dem Sturz al-Assads an und gibt an, damit den Zustrom von Waffen und Geld aus Iran an die militante Hizbollah-Gruppe im Libanon eindämmen zu wollen. Seit 8.12.2024 hat Israel Gebiete nahe der gemeinsamen Grenze besetzt und militärische Einrichtungen angegriffen (NYT 25.2.2025). Seit dem 8.12.2024 hat Israel seine Militäroperationen in Syrien intensiviert, die Pufferzone besetzt und die Kontrolle über den Berg Hermon vervollständigt sowie seine Operationen in Quneitra und Rif Dimashq ausgeweitet (AJ 8.2.2025). Die israelische Armee gab bekannt, dass Bewaffnete am 31.1.2025 das Feuer auf ihre Streitkräfte in der Gegend von Quneitra auf der syrischen Seite des besetzten Golan eröffnet haben, zum ersten Mal seit ihrem Einmarsch in Syrien und ihrer Besetzung der Pufferzone nach dem Sturz des Regimes von Bashar al-Assad (AJ 1.2.2025). Seit 25.2.2025 fliegt Israel Luftangriffe im Süden Syriens, die Aussagen des israelischen Verteidigungsministers Katz zufolge Teil einer „neuen Politik“ seien, die darauf abziele, einen „entmilitarisierten Süden Syriens“ zu gewährleisten. Er fügte hinzu, dass jeder Versuch syrischer Streitkräfte oder militanter Gruppierungen, in dem von Israel als „Sicherheitszone“ bezeichneten Gebiet in der Region Fuß zu fassen, „mit Feuer beantwortet“ werde. Diese Politik wurde am 23.2.2025 vom israelischen Premierminister Netanjahu in einer Rede angekündigt, in der er die „vollständige Entmilitarisierung“ des südlichen Syrien forderte. Israel werde keine syrischen Streitkräfte in Quneitra, Dara'a und Suweida dulden (NYT 25.2.2025). [Weitere Informationen zum israelischen Vorgehen in Syrien finden sich in den Kapiteln Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Außenpolitische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Ausländische Unterstützung bzw. Einmischung - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Quneitra, das an den von Israel besetzten Golanhöhen grenzt, hat sich zu einem besonders sensiblen Sicherheitsgebiet entwickelt. Die islamistischen Machthaber versuchen, ihre Position entlang der Grenze zu Israel zu festigen, was wiederholt zu israelischen Luft- und Raketenangriffen auf ihre Stellungen geführt hat. Gleichzeitig sind pro-iranische Gruppen und schiitische Milizen aktiv, die gegen den neuen islamistischen Machtblock kämpfen. Die Präsenz internationaler Akteure macht Quneitra zu einem Brennpunkt mit anhaltenden Scharmützeln zwischen verschiedenen Fraktionen (VB Amman 9.2.2025). Am 2.2.2025 bestätigten die Behörden, dass sich die israelischen Verteidigungskräfte (Israel Defense Forces - IDF) aus den Gebäuden der Provinzverwaltung und des Gerichts in der Friedensstadt, Provinz Quneitra, zurückgezogen hatten und dabei massive Zerstörungen an der Infrastruktur und an zivilen Dokumenten hinterlassen hatten (UNOCHA 12.2.2025). Dara'a, die einstige Wiege des syrischen Aufstands, bleibt eine der instabilsten Regionen im Süden. Trotz der Machtübernahme islamistischer Gruppen gibt es anhaltenden Widerstand durch lokale Milizen und ehemalige regierungsnahe Kräfte, die mit der neuen Führung nicht kooperieren. Attentate, Entführungen und gezielte Angriffe auf Funktionäre der neuen Machthaber sind häufig. Zudem kommt es regelmäßig zu israelischen Luftangriffen auf mutmaßliche pro-iranische Milizen, die sich aus früheren Assad-treuen Gruppen rekrutieren (VB Amman 9.2.2025). Am 5.1.2025 kam es in der Stadt as-Sanamayn im ländlichen Dara'a zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen mehreren Parteien, die zu einem Ausnahmezustand führten. Es wurden die Streitkräfte der Übergangsregierung mobilisiert. Nach dem Eingreifen der Streitkräfte wurde vereinbart, die Zusammenstöße zwischen allen Parteien sofort zu beenden, alle Regierungsgebäude zu übernehmen und öffentliche Einrichtungen zu schützen sowie die schweren und mittleren Waffen der lokalen Gruppen abzuziehen (Sky News 5.1.2025). Die mehrheitlich von Drusen bewohnte Provinz Suweida nimmt weiterhin eine Sonderrolle ein. Während des Bürgerkriegs hatte die Region eine gewisse Autonomie bewahrt und sich weitgehend aus den Kämpfen herausgehalten. Nach der Machtübernahme islamistischer Gruppen bleibt die Region misstrauisch gegenüber der neuen Herrschaft und ist nur lose in die neue Ordnung integriert. In den letzten Monaten gab es Zusammenstöße zwischen drusischen Milizen und islamistischen Einheiten, die ihre Autorität durchsetzen wollen. Auch in Suweida sind Entführungen und lokale Machtkämpfe weiterhin ein Problem (VB Amman 9.2.2025). In den südsyrischen Provinzen Dara'a und Quneitra kam es am Anfang Februar zu israelischen Luftangriffen. Der israelische Armeesprecher gab bekannt, dass Kampfflugzeuge einen Angriff auf ein Waffendepot in der Gegend von Deir 'Ali im Süden Syriens durchgeführt haben und behauptete, das Depot gehöre der Islamischen Widerstandsbewegung (Hamas). Der Angriff erfolgt inmitten der eskalierenden Spannungen an der Grenze zwischen Syrien und Israel, da die israelischen Streitkräfte ihren Einmarsch in die Provinz Quneitra weiter ausweiten (AJ 8.2.2025).
Die Waffenruhe zwischen Israel und der libanesischen Hizbollah-Miliz wurde bis zum 18.2.2025 verlängert. Diese Entwicklung beeinflusst besonders die Sicherheitslage im Süden Syriens, insbesondere in Grenzgebieten zum Libanon (VB Amman 9.2.2025). Die Lage an der libanesisch-syrischen Grenze ist seit dem Sturz des ehemaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad am 8.12.2024 von sporadischen Zusammenstößen und bürokratischen Hürden geprägt. In den ersten Wochen nach al-Assads Sturz kämpften bewaffnete syrische Kämpfer an mehreren Stellen der durchlässigen Grenze zwischen den beiden Ländern mit der libanesischen Armee (MEE 10.2.2025). Am 21.2.2025 gab das israelische Militär bekannt, dass es Grenzübergänge zwischen Syrien und dem Libanon bombardiert hat, die angeblich von der Hizbollah genutzt werden. Der israelische Beschuss richtete sich gegen die illegalen Grenzübergänge zwischen Syrien und dem Libanon in Wadi Khaled und im westlichen Umland von Homs und führte zu einer Reihe von Verletzten. Zehn Tage zuvor hatte das israelische Militär nach eigenen Angaben einen Luftangriff auf einen Tunnel an der syrisch-libanesischen Grenze geflogen, der angeblich von der von Iran unterstützten Hizbollah für den Waffenschmuggel genutzt wurde (Sky News 21.2.2025). Ein libanesischer Militärexperte sagt, dass die Grenzgebiete praktisch in den Händen der Hizbollah sind. In der Vergangenheit gab es eine Art Synergie zwischen der Hizbollah und den Stämmen beim Aufbau einer Parallelwirtschaft, die auf dem Schmuggel von Captagon basierte. Diese Synergie besteht auch heute noch (AlHurra 7.2.2025). Die syrische Übergangsregierung startete Anfang Februar 2025 eine umfangreiche Kampagne an der syrisch-libanesischen Grenze, bei der sie nach eigenen Angaben gegen Waffen- und Drogenschmuggel vorgehen. Schiitische Clans lieferten sich dabei schwere Gefechte mit den syrischen Streitkräften und kündigten schließlich ihren Rückzug aus Syrien in den Libanon an (MEE 10.2.2025). Die libanesische Armee gab bekannt, dass der Einsatz von Militäreinheiten an der nördlichen und östlichen Grenze angeordnet wurde, um auf die von syrischem Gebiet ausgehenden Feuerquellen zu reagieren (MEE 10.2.2025). Erklärungen der neuen Regierung in Damaskus deuten darauf hin, dass sie die Sicherheitskampagnen entlang der Grenze fortsetzen wird, um gegen Schmugglerbanden vorzugehen (AlHurra 7.2.2025). [Weiterführende Informationen zum Grenzgebiet Libanon-Syrien sind dem Kapitel Bewegungsfreiheit - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) zu entnehmen.]
Nordsyrien
Die Sicherheitslage in Nordsyrien ist nach wie vor instabil, da verschiedene Fraktionen um Kontrolle und Einfluss konkurrieren (SCR 30.1.2025). Nach al-Assads Sturz und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt der Nordwesten Syriens eine der unruhigsten und komplexesten Regionen des Landes. Die neuen Machthaber bestehen aus einem Bündnis verschiedener islamistischer Fraktionen, wobei insbesondere Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) in Idlib und Teilen Aleppos eine führende Rolle einnehmen. Trotz der formellen Übernahme der Macht kommt es in der Region weiterhin zu Machtkämpfen zwischen rivalisierenden islamistischen Gruppen, Widerstandszellen Assad-treuer Kräfte und externen Bedrohungen durch Luftangriffe und Grenzkonflikte (VB Amman 9.2.2025). Teile des Nordostens Syriens, insbesondere Ost-Aleppo, ar-Raqqa und al-Hasaka, sind von Feindseligkeiten, Zusammenstößen und Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern (Improvised Explosive Devices - IED) betroffen (UNOCHA 12.2.2025). Idlib ist nun das Zentrum der islamistischen Verwaltung in Syrien, bleibt aber eine hochgradig instabile Region. Während HTS als dominierende Kraft die Kontrolle beansprucht, gibt es weiterhin Konflikte mit anderen Fraktionen sowie Widerstand durch kleinere Gruppierungen, die nicht vollständig in die neue Ordnung integriert wurden. Trotz des Sturzes al-Assads bleiben die syrischen Lufträume gefährdet durch israelische Angriffe auf iranische oder mit Iran verbundene Gruppierungen, während Russland gelegentlich gezielte Angriffe auf dschihadistische Gruppierungen in der Region durchführt. Spannungen zwischen HTS, anderen islamistischen Gruppierungen und lokalen Milizen sorgen für eine fragile Sicherheitslage mit regelmäßigen Attentaten und bewaffneten Auseinandersetzungen. Die anhaltende Instabilität, fehlende Grundversorgung und wirtschaftliche Notlage haben die humanitäre Situation in Idlib weiter verschärft. Aleppo bleibt eine der strategisch wichtigsten Städte Syriens, ist jedoch weiterhin zwischen verschiedenen Akteuren umkämpft. Während islamistische Gruppierungen Teile der Stadt kontrollieren, gibt es in anderen Bezirken noch Präsenz ehemaliger regierungstreuer Milizen oder autonomer kurdischer Einheiten. In nördlichen Teilen Aleppos gibt es weiterhin Spannungen zwischen türkisch unterstützten Milizen und kurdischen Einheiten der SDF. In Teilen Aleppos kommt es weiterhin zu gezielten Attentaten, Entführungen und Sprengstoffanschlägen gegen islamistische Führungspersonen, was auf eine aktive Widerstandsbewegung hindeutet. Die Stadt bleibt schwer beschädigt, und der Wiederaufbau schreitet nur schleppend voran, da sich die neuen islamistischen Machthaber auf militärische Kontrolle und weniger auf infrastrukturelle Erholung konzentrieren (VB Amman 9.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium gab bekannt, dass es einen Angriff der SDF an der Ashrafiya-Front Anfang März 2025 in Aleppo-Stadt zurückgeschlagen hat. Das syrische Verteidigungsministerium hat aus mehreren Gebieten militärische Verstärkung an die Kampffronten gegen die SDF in Aleppo geschickt (AJ 10.3.2025c). Die syrische Armee hat nach eigenen Angaben Mitglieder der kurdisch geführten SDF festgenommen, als diese aus dem Viertel al-Ashrafiya nach Aleppo eindrangen (BBC 9.3.2025a).
Quellen
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AJ - Al Jazeera (10.3.2025c): الجيش السوري يصد هجوما لـ"قسد" في حلب والأمن يلاحق الفلول بدير الزور [Syrische Armee schlägt Angriff der SDF in Aleppo zurück; Sicherheitskräfte verfolgen Überreste in Deir ez-Zour], https://www.aljazeera.net/news/2025/3/10/عاجل-سانا-عن-وزارة-الدفاع-السورية, Zugriff 11.3.2025
AJ - Al Jazeera (9.3.2025): هذه حقيقة ما جرى في الساحل السوري وهكذا بدأت الأحداث [Dies ist die Wahrheit über die Geschehnisse an der syrischen Küste und wie die Ereignisse begannen], https://www.aljazeera.net/news/2025/3/9/هذه-حقيقة-ما-جرى-في-الساحل-السوري-وهكذا, Zugriff 11.3.2025
AJ - Al Jazeera (2.3.2025): رايةٌ في الرمال.. مستقبل تنظيم الدولة في سوريا الجديدة [Eine Flagge im Sand Die Zukunft von ISIS im neuen Syrien], https://www.aljazeera.net/politics/2025/3/2/راية-في-الرمال-مستقبل-تنظيم-الدولة-في, Zugriff 3.3.2025
AJ - Al Jazeera (8.2.2025): انفجارات ضخمة في درعا والقنيطرة جنوبي سوريا [Massive Explosionen in Daraa und Quneitra, Südsyrien], https://www.aljazeera.net/news/2025/2/8/عاجل-مراسل-الجزيرة-دوي-انفجارات-ضخمة, Zugriff 10.2.2025
AJ - Al Jazeera (1.2.2025): أول هجوم على قوات الاحتلال منذ بدء توغلها في سوريا [Erster Angriff auf Besatzungstruppen seit Beginn ihres Einmarsches in Syrien], https://www.aljazeera.net/news/2025/2/1/قوات-الاحتلال-تتعرض-لإطلاق-نار-لأول, Zugriff 3.2.2025
AJ - Al Jazeera (1.1.2025c): ما المحافظات السورية الأكثر تلوثا بالألغام والقنابل العنقودية؟ [Welche syrischen Provinzen sind am stärksten mit Minen und Streubomben verseucht?], https://www.aljazeera.net/news/2025/1/1/ما-المحافظات-السورية-الأكثر-تلوثا, Zugriff 2.1.2025
AJ - Al Jazeera (28.12.2024b): عملية أمنية واسعة في سوريا لملاحقة الفلول وعزل قاعدة حميميم [Sicherheitsoperation in Syrien: Jagd auf Überreste, Isolierung des Stützpunkts Hmeimim], https://www.aljazeera.net/news/2024/12/28/عاجل-مصدر-أمني-سوري-للجزيرة-عملية, Zugriff 3.1.2025
AlHurra - Al-Hurra (8.3.2025): التصعيد في غرب سوريا.. بين حسابات الداخل وتدخلات الخارج [Eskalation im Westen Syriens. Zwischen internen Berechnungen und externen Interventionen], https://www.alhurra.com/syria/2025/03/10/حققت-أهدافها-وزارة-الدفاع-السورية-تعلن-انتهاء-العملية-العسكرية-في-الساحل, Zugriff 10.3.2025
AlHurra - Al-Hurra (7.2.2025): اشتباكات حاويك تكشف ملامح "مهمة صعبة" بين سوريا ولبنان [Zusammenstöße in Hawiq offenbaren die Konturen einer „schwierigen Mission“ zwischen Syrien und dem Libanon], https://www.alhurra.com/varieties/2025/02/09/نشرت-رسالة-مؤثرة-موتها-وفاة-الممثلة-السورية-أنجي-مراد, Zugriff 10.2.2025
AlHurra - Al-Hurra (6.2.2025a): إذا انسحبت أميركا من سوريا.. "قسد" أمام منعطف خطير [Wenn Amerika sich aus Syrien zurückzieht. „Die SDF sind an einem kritischen Punkt angelangt], https://www.alhurra.com/syria/2025/02/06/إذا-انسحبت-أميركا-سوريا-قسد-أمام-منعطف-خطير, Zugriff 6.2.2025
Arabiya - Al Arabiya News (9.3.2025): "قسد" تعلّق على تطورات الساحل: أتباع تركيا السبب [„SDF“ kommentiert die Entwicklungen in der Küstenregion: Die Anhänger der Türkei sind der Grund], https://www.alarabiya.net/arab-and-world/syria/2025/03/09/قسد-تعلّق-على-تطورات-الساحل-أتباع-تركيا-السبب-, Zugriff 11.3.2025
BBC - British Broadcasting Corporation (10.3.2025): Syria operation against Assad loyalists ends after deadly violence, https://www.bbc.com/news/articles/cewk4rv9v17o, Zugriff 11.3.2025
BBC - British Broadcasting Corporation (9.3.2025a): اشتباكات الساحل السوري: إحباط هجوم لـ"فلول النظام البائد" في دمشق، والجيش السوري يلقي القبض على عناصر من "قسد" في حلب [Überreste des untergegangenen Regimes“ greifen in Damaskus an, syrische Armee nimmt SDF-Elemente in Aleppo fest], https://www.bbc.com/arabic/articles/c2d4relnj35o, Zugriff 10.3.2025
BBC - British Broadcasting Corporation (9.3.2025b): سوريا: هل تعرقل أحداث الساحل الدموية مسيرة المرحلة الانتقالية؟ [Syrien: Werden die blutigen Ereignisse in der Sahelzone den Übergangsprozess zum Scheitern bringen?], https://www.bbc.com/arabic/articles/cdjyry4v7vro, Zugriff 11.3.2025
BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2025): Syrians returning home face deadly threat of landmines, https://www.bbc.com/news/articles/cn9311vwy0yo, Zugriff 3.2.2025
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LWJ - Long War Journal (29.1.2025): Analysis: Continued chaos in Syria: Iraqi militias and an Alawite insurgency, https://www.longwarjournal.org/archives/2025/01/analysis-continued-chaos-in-syria-iraqi-militias-and-an-alawite-insurgency.php, Zugriff 31.1.2025
MEE - Middle East Eye (10.2.2025): Border clashes prompt Shia clans to leave Syria for Lebanon, https://www.middleeasteye.net/news/border-clashes-shia-clans-leave-syria-lebanon, Zugriff 11.2.2025
MEE - Middle East Eye (10.12.2024): Islamic State group fighters killed 54 people in Homs region: Syrian rights group, https://www.middleeasteye.net/live-blog/live-blog-update/isis-fighters-killed-54-people-homs-region-syrian-rights-group, Zugriff 17.12.2024
MEI - Middle East Institute (21.1.2025): Security in Alawite regions in post-Assad Syria, https://www.mei.edu/publications/security-alawite-regions-post-assad-syria, Zugriff 30.1.2025
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SOHR - Syrian Observatory for Human Rights (28.2.2025a): برفقة مجموعات مسلحة محلية.. قوى الأمن الداخلي تنفذ حملة أمنية في مدينة قطنا تسفر عن اعتقال العشرات - المرصد السوري لحقوق الإنسان [Begleitet von lokalen bewaffneten Gruppen Interne Sicherheitskräfte führen eine Sicherheitskampagne in Qatana durch, die zur Verhaftung von Dutzenden von Menschen führt], https://www.syriahr.com/برفقة-مجموعات-مسلحة-محلية-قوى-الأمن-ال/751248, Zugriff 28.2.2025
SOHR - Syrian Observatory for Human Rights (28.2.2025b): هجوم بالقنابل على مخفر في ريف طرطوس يؤدي لاشتباك مسلح ومقتل مدني برصاص طائش - المرصد السوري لحقوق الإنسان [Bombenanschlag auf Polizeistation in Tartus führt zu bewaffneten Zusammenstößen, Zivilist durch verirrte Kugeln getötet], https://www.syriahr.com/هجوم-بالقنابل-على-مخفر-في-ريف-طرطوس-يؤد/751271, Zugriff 28.2.2025
SOHR - Syrian Observatory for Human Rights (24.2.2025b): منذ شباط الجاري.. حوادث الرصاص الطائش في سوريا تودي بحياة 18 شخصًا بينهم سيدات وأطفال - المرصد السوري لحقوق الإنسان [Seit Februar Streunende Kugeln in Syrien töten 18 Menschen, darunter Frauen und Kinder], https://www.syriahr.com/منذ-شباط-الجاري-حوادث-الرصاص-الطائش-في/750881, Zugriff 28.2.2025
SOHR - Syrian Observatory for Human Rights (23.2.2025): منذ بداية العام.. "التحالف الدولي" ينفذ 12 عملية وهجمات ضد "التنظيم" وجهاديين ويقتل 14 منهم - المرصد السوري لحقوق الإنسان [Seit Anfang des Jahres "Die Internationale Koalition führt 12 Operationen und Angriffe gegen ISIS und Dschihadisten durch und tötet 14 von ihnen], https://www.syriahr.com/منذ-بداية-العام-التحالف-الدولي-ينفذ-12/750756, Zugriff 28.2.2025
SOHR - Syrian Observatory for Human Rights (21.2.2025): دون تدخل دولي جاد.. الألغام الأرضية تواصل حصد الأرواح في سوريا وتخلف 78 شهيداً و84 مصاباً خلال شباط - المرصد السوري لحقوق الإنسان [Ohne ernsthaftes internationales Eingreifen Landminen fordern in Syrien weiterhin Menschenleben: 78 Tote und 84 Verletzte im Februar], https://www.syriahr.com/دون-تدخل-دولي-جاد-الألغام-الأرضية-تواص/750421, Zugriff 28.2.2025
SOHR - Syrian Observatory for Human Rights (13.2.2025): منذ بداية العام.. استشهاد وإصابة 374 مدنياً بينهم نحو 120 طفلاً بانفجار مخلفات الحرب في سوريا - المرصد السوري لحقوق الإنسان [Seit Anfang des Jahres 374 Zivilisten, darunter etwa 120 Kinder, durch explosive Kriegsreste in Syrien getötet und verletzt], https://www.syriahr.com/منذ-بداية-العام-استشهاد-وإصابة-374-مدنيا/749304, Zugriff 28.2.2025
Spiegel - Spiegel, Der (9.2.2025): Syrien und der Islamische Staat: Die Phantom-Terroristen, https://www.spiegel.de/ausland/syrien-die-badia-wueste-als-vermeintlicher-rueckzugsort-des-islamischen-staats-a-68f3530e-d4f2-4a22-a80d-fb0177a0da87, Zugriff 10.2.2025
Standard - Standard, Der (9.3.2025): Die Eskalation der Gewalt zwischen Machthabern in Syrien und Alawiten war angekündigt, https://www.derstandard.at/story/3000000260514/die-eskalation-der-gewalt-zwischen-machthabern-in-syrien-und-alawiten-war-angekuendigt, Zugriff 10.3.2025 [Login erforderlich]
Standard - Standard, Der (23.1.2025): Neues Regime in Syrien steigt Russen auf den Schlips, https://www.derstandard.at/story/3000000251967/neues-regime-in-syrien-steigt-russen-auf-den-schlips, Zugriff 29.1.2025
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Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 15:46
Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024). Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR 8.12.2024). Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen (AlMada 15.12.2024). Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten (ISW 16.12.2024). Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern (TNA 19.12.2024). Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024) (AAA 10.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (Harmoon 17.3.2025).
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara 15.12.2024a; vgl. MEMRI 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an (REU 11.12.2024a). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya 10.2.2025a; vgl. AJ 10.2.2025a). Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt (REU 11.12.2024b). Ahmed ash-Shara' hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian 13.1.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte "Versöhnungszentren" eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben (Al Majalla 24.1.2025). Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein "Versöhnungszentrum", wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren (Guardian 13.1.2025). In diesen "Versöhnungszentren" erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk "desertiert". Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (Chatham 10.3.2025). [Weitere Informationen zu "Versöhnungszentren" finden sich auch in den Kapiteln Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur (DNewsEgy 3.2.2025). Unter al-Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den "Versöhnungszentren" in verschiedenen Städten aufgetaucht sind (BBC 29.12.2024). Ehemalige Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter des Assad-Regimes, ca. 4.000 bis 5.000 Männer in Latakia und Tartus, haben sich diesen "Versöhnungsprozessen" entzogen. Einige von ihnen wurden im Rahmen einer landesweiten Kampagne mit täglichen Suchaktionen und gezielten Razzien gefasst, andere jedoch haben sich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Übergangsregierung entschlossen (MEI 13.3.2025).
Der Übergangspräsident Ahmed ash-Shara' hat die Vision einer neuen „Nationalen Armee“ geäußert, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, bei dem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeblich die Führung übernehmen soll (DNewsEgy 3.2.2025). Der syrische Verteidigungsminister Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte zu deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln (Arabiya 6.1.2025b). Hochrangige Beamte des neuen Regimes führten Gespräche über die Eingliederung von Milizen in das Verteidigungsministerium und die Umstrukturierung der syrischen Armee mit Vertretern unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen, wie Fraktionen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) (MAITIC 9.1.2025). Die Behörden gaben Vereinbarungen mit bewaffneten Rebellengruppen bekannt, diese aufzulösen und in die vereinte syrische Nationalarmee zu integrieren (UNSC 7.1.2025). Die einzige Möglichkeit, eine kohärente militärische Institution aufzubauen, besteht laut Abu Qasra darin, die Gruppierungen vollständig in das Verteidigungsministerium unter einer einheitlichen Struktur zu integrieren. Die Grundlage für diese Institution muss die Rechtsstaatlichkeit sein (Al Majalla 24.1.2025). Es bleibt abzuwarten, wie die neue Armee Syriens aussehen wird und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren wird. Dazu gehören Fragen in Bezug auf Brigaden, Divisionen und kleine Formationen sowie Fragen in Bezug auf die Art der Bewaffnung, ihre Form und die Art der Mission. (AlHurra 12.2.2025). [Details zur neuen syrischen Armee und der Entwaffnung bewaffneter Gruppierungen finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) Anm.]
Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today 8.1.2025). Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara' hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (UNSC 7.1.2025).
Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden (SCI o.D.). Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara' an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben (Arabiya 10.2.2025a). Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zour gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer vor allem der Kriminalpolizei bei (Syria TV 21.2.2025). Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.2.2025 mit, dass bis zum 15.2.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen (Enab 12.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.3.2025 mehrere Rekrutierungszentren im Gouvernement Dara'a in Südsyrien eröffnet (NPA 17.3.2025). Das Innenministerium hat seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet (ISW 16.4.2025). Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung (FDD 28.1.2025).
Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, die Allgemeine Sicherheit habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass die Allgemeine Sicherheit die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit (Syria TV 26.2.2025).
Quellen
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AJ - Al Jazeera (10.2.2025a): الشرع: آلاف المتطوعين ينضمون إلى الجيش السوري الجديد [Ash-Sharaa: Tausende von Freiwilligen schließen sich der neuen syrischen Armee an], https://www.aljazeera.net/news/2025/2/10/الشرع-آلاف-المتطوعين-ينضمون-إلى-الجيش, Zugriff 11.2.2025
AlHurra - Al-Hurra (12.2.2025): "الجيش السوري الجديد".. التوحيد اسمي أم حقيقي؟ ["Die neue syrische Armee. Nominelle oder reale Einigung?], https://www.alhurra.com/syria/2025/02/12/الجيش-السوري-الجديد-التوحيد-اسمي-أم-حقيقي؟, Zugriff 14.2.2025
AlMada - Al Mada Paper (15.12.2024): مسؤول بمحافظة الأنبار: 2150 ضابطاً وجندياً سورياً في مخيم لا خدمات فيه [Beamter des Gouvernements Anbar: 2150 syrische Offiziere und Soldaten in einem Lager ohne Dienstleistungen], https://almadapaper.net/388782, Zugriff 18.12.2024
Al Majalla - Al Majalla (24.1.2025): Murhaf Abu Qasra on building a new army and Syria’s future, https://en.majalla.com/node/324021/politics/murhaf-abu-qasra-building-new-army-and-syrias-future, Zugriff 30.1.2025
Arabiya - Al Arabiya News (10.2.2025a): الشرع: آلاف المتطوعين ينضمون إلى الجيش السوري الجديد [Ash-Sharaa: Tausende von Freiwilligen schließen sich der neuen syrischen Armee an], https://www.alarabiya.net/arab-and-world/syria/2025/02/10/الشرع-الاف-المتطوعين-ينضمون-الى-الجيش-السوري-الجديد-, Zugriff 11.2.2025
Arabiya - Al Arabiya News (6.1.2025b): وزير الدفاع السوري: بدء جلسات مع الفصائل لوضع خطوات انخراطها بالجيش [Syrischer Verteidigungsminister: Sitzungen mit Fraktionen zur Festlegung von Schritten für den Beitritt zur Armee], https://www.alarabiya.net/arab-and-world/syria/2025/01/06/وزير-الدفاع-السوري-بدء-الجلسات-مع-الفصائل-لوضع-خطوات-انخراطها-بالوزارة, Zugriff 9.1.2025
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SCI - Swedish Center for Information (o.D.): فتح التطوع للعمل جنود وضباط للشباب السوري في الجيش والشرطة السورية [Offene Freiwilligenarbeit für syrische Jugendliche, die als Soldaten und Offiziere in der syrischen Armee und Polizei dienen], https://www.centersweden.com/فتح-التطوع-للعمل-جنود-وضباط-للشباب-الس, Zugriff 23.4.2025
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Syria TV - Syria TV (26.2.2025): الحكومة السورية تنفي تنفيذ حملات تجنيد في طرطوس واللاذقية [Syrische Regierung bestreitet Rekrutierungskampagnen in Tartus und Latakia], https://www.syria.tv/الحكومة-السورية-تنفي-تنفيذ-حملات-تجنيد-في-طرطوس-واللاذقية, Zugriff 23.4.2025
Syria TV - Syria TV (21.2.2025): التجنيد في الدولة السورية الناشئة.. شباب إدلب والمناطق المنكوبة الأكثر انخراطا [Rekrutierung im entstehenden syrischen Staat: Jugend in Idlib und den betroffenen Gebieten am engagiertesten], https://www.syria.tv/التجنيد-في-الدولة-السورية-الناشئة-شباب-إدلب-والمناطق-المنكوبة-الأكثر-انخراطا, Zugriff 23.4.2025
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TR-Today - Türkiye Today (8.1.2025): Formation of Syria’s new army critical to region, https://www.turkiyetoday.com/region/formation-of-syrias-new-army-critical-to-region-102573, Zugriff 13.1.2025
UNSC - United Nations Security Council (7.1.2025): Syria: Briefing and Consultations, https://www.securitycouncilreport.org/whatsinblue/2025/01/syria-briefing-and-consultations-9.php, Zugriff 14.1.2025
Bewegungsfreiheit - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 2025-05-08 22:36
Die Interimsregierung installiert Checkpoints, an denen Autos durchsucht werden. Es wird überprüft, wer unterwegs ist, beispielsweise um Menschen zu verhaften, die für Verbrechen gegen das syrische Volk in der Zeit des Regimes verantwortlich sind (PBS 16.12.2024). Die Kontaminierung durch explosive Kampfmittel stellt nach wie vor eine große Bedrohung für Zivilisten, die sich zwischen ehemaligen Kontrollgebieten bewegen, dar (UNOCHA 23.12.2024). [Weitere Informationen zur Kontaminierung mit Blindgängern finden sich im Kapitel Sicherheitslage.]
Laut Aussage des syrischen Verkehrsministers bei einem Interview mit der kurdischen Zeitung Rudaw haben die neuen syrischen Machthaber vom ersten Tag der Befreiung an damit begonnen, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, insbesondere durch die Sicherstellung der Grundversorgung, z. B. mit Brot und Treibstoff, zusätzlich zur Sicherung des Transportsektors, damit sich die Menschen zwischen den Provinzen bewegen können. Sie haben damit begonnen, Treibstoff für Fahrzeuge zu sichern, damit sie in Abstimmung mit dem Ölministerium eingesetzt werden können, und Fahrten zwischen Damaskus und den restlichen Provinzen, zwischen Idlib und den restlichen Provinzen und zwischen Aleppo und restlichen Provinzen zu organisieren, zusätzlich zum internen Transport innerhalb jeder Provinz. Sie haben mit der Umsetzung eines Plans zur Festlegung spezifischer Preise, die für Fahrzeugbesitzer und für Menschen mit sehr begrenztem Einkommen angemessen sind, begonnen. Etwa 70 bis 80 % der Preis- bzw. Transporttarifstruktur wurden fertiggestellt und umgesetzt. Was die Versorgung der Öffentlichkeit betrifft, so wurden etwa 50 bis 60 % der Strecken, ob intern oder extern, gesichert (Rudaw 1.2.2025). [Weitere Informationen zur Infrastruktur sind dem Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft / Wohnsituation und Infrastruktur - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (seit 8.12.2024) zu entnehmen.]
In Idlib wurden viele Checkpoints abgebaut und Haftbefehle oder andere Arten von Kontrollen werden kaum noch vollstreckt (Etana 17.1.2025).
Bezüglich Verkehr und Handel mit den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gibt es laut Aussage des syrischen Verkehrsministers in einem Interview mit der kurdischen Zeitung Rudaw Sicherheitsprobleme und Risiken für die Bewegungsfreiheit der Menschen. Er hoffe auf eine schnelle Lösung des Problems, damit die Menschen in al-Hasaka und Deir ez-Zour Damaskus und ihre anderen Verwandten in den anderen Provinzen besuchen können (Rudaw 1.2.2025).
Wehrpflichtige im Regime al-Assads mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, sich frei im Land zu bewegen (BBC 29.12.2024). Deswegen wollten ehemalige Soldaten ihre Daten bei der neuen Übergangsregierung registrieren lassen, um neue Ausweise zu erhalten, mit denen sie in Syrien leben und sich frei bewegen können. Hunderte von ihnen wurden in Versöhnungszentren vorstellig (FR24 2.1.2025). [Informationen zu Versöhnungsprozessen und -zentren finden sich in den Kapiteln Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024), Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)]
In Syrien gibt es fünf zivile Flughäfen, von denen nur Damaskus und Aleppo in Betrieb sind. Die beiden Flughäfen funktionieren gut. Der Flughafen Hmeimim in Latakia könnte laut syrischem Verkehrsminister bald in Betrieb genommen werden. Der Flughafen funktioniert, aber aufgrund der Präsenz der russischen Basis wird erst ein Plan entwickelt, um dieses Problem bezüglich ihrer Anwesenheit zu lösen. Daneben gibt es noch den zivilen Flughafen Deir ez-Zour, der jedoch stark beschädigt ist und Wartungskosten erfordert (Rudaw 1.2.2025). Am 8.1.2025 landete der erste internationale kommerzielle Flug seit dem Sturz des ehemaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad auf dem Flughafen von Damaskus (AJ 7.1.2025). Der Internationale Flughafen von Damaskus wurde in der Nacht vom 7. auf den 8.12.2024 geplündert, nachdem die Flughafenwachen geflohen waren, als Oppositionskräfte die Hauptstadt einnahmen. Der Großteil der technischen und ingenieurwissenschaftlichen Ausrüstung und des Zubehörs wurde gestohlen. Am 18.12.2024 wurde der Flughafen teilweise wiedereröffnet, als ein Inlandsflug in die nördliche Stadt Aleppo startete. Beamte des Flughafens gaben damals an, dass die Wiedereröffnung aufgrund von Vandalismus und Diebstählen nur teilweise erfolgte. Der Hauptflughafen Syriens in der Hauptstadt Damaskus nahm seinen vollen Betrieb am 8.1.2025 wieder auf (DS 7.1.2025). Es gibt nur sehr wenige syrische Flugzeuge. Der Staat besitzt nur zwei einsatzfähige Flugzeuge und es gibt einige Flugzeuge, die gewartet werden müssen, was vielleicht so teuer ist wie der Wert des Flugzeugs selbst. Zusätzlich gibt es ein unabhängiges syrisches Unternehmen, das vielleicht fünf oder sechs einsatzfähige Flugzeuge hat, und es gibt Verträge mit vielen Unternehmen. Das Problem liegt nicht in der Verfügbarkeit syrischer Flugzeuge, sondern in den Beschränkungen des Regimes für Verträge, in die der Luftfahrtsektor investieren könnte. In der nächsten Phase sollen die Flughäfen von Damaskus und Aleppo eine gute Anzahl von Flugzeugen erhalten (Rudaw 1.2.2025). Nur wenige Fluggesellschaften fliegen Syrien wieder an oder haben angekündigt, ihre Flüge ins Land wieder aufzunehmen (NTV 18.1.2025). Die Zahl der Flüge nach Damaskus nehme laut syrischem Verkehrsminister jeden Tag zu. Der Flughafen in Qamishli wurde drei Tage nach der Befreiung Syriens vom Assad-Regime von den SDF übernommen. Sie unterbrachen die Kommunikation mit Damaskus. Nach der Befreiung des Gebiets von den SDF, wird der Flughafen Qamishli aktiviert werden, so der Verkehrsminister (Rudaw 1.2.2025).
Dem syrischen Verkehrsminister zufolge sind 60 bis 70 % der Eisenbahnstrecken außer Betrieb und 30 bis 40 % der bestehenden Strecken müssen dringend gewartet werden. Züge und Lokomotiven und alle Bahnhöfe müssen gewartet werden, und es werden Ersatzteile gebraucht. Der Zugbetrieb wurde für den Transport von Grundstoffen wie Treibstoff und anderen Materialien von der Küste nach Aleppo und Damaskus wieder aufgenommen, und die Eisenbahn funktioniert, aber alle Gleise sind alt, und wenn der Transport zunimmt, müssen sie neu und kostspielig gewartet werden. Es gibt Gleise, die nicht mehr gewartet werden können, sondern komplett ausgetauscht werden müssen. Einige Strecken, die den Irak und Syrien verbinden und durch al-Hasaka führen, sind außer Betrieb, andere haben einige ihrer Bestandteile verloren und wieder andere funktionieren, aber aus Sicherheitsgründen wurden diese Strecken gesperrt. Es werden die Möglichkeiten für eine Hochbahn oder eine U-Bahn in Damaskus geprüft. Derzeit ist der Plan für ein U-Bahnnetz nur für Damaskus vorgesehen, da es in Damaskus zu viele Staus gibt. Wenn der Plan durch internationale Unternehmen erfolgreich ist, wird die Übergangsregierung vielleicht mit der Umsetzung beginnen (Rudaw 1.2.2025).
Grenzübergänge
Am 16.12.2024 kündigte die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) an, alle Grenzübergänge zu den Nachbarländern auf syrischer Seite zu schließen, bis es ihnen gelungen sei, eine Art Organisation aufzubauen, um die Grenzen wieder zu besetzen und um wieder über Visastempel zu verfügen (PBS 16.12.2024). Mit Stand 1.2.2025 gibt es elf aktive Grenzübergänge, die der Generalbehörde für Land- und Seegrenzen gehören (Rudaw 1.2.2025). Der Direktor für lokale und internationale Beziehungen bei der Generalbehörde für Land- und Seegrenzen, erklärte gegenüber Al Jazeera, dass die Grenzübergänge seit der Befreiung Syriens vom gestürzten Regime nicht nur Syrer empfangen, die ihr Land besuchen wollen, ob als Einwohner oder Besucher, sondern auch arabische und ausländische „Brüder und Freunde“, die Syrien nach der Befreiung besuchen wollen. Die Grenzübergänge seien stark belastet worden, sagte er. Die meistbenützten Übergänge sind: Jdaydat Yabous/ Masna' zum Libanon, an dem in den letzten zwei Monaten mehr als 630.000 Bürger ein- und ausgereist sind, Nassib/ al-Jaber zu Jordanien, der mehr als 175.000 Bürger empfangen hat, davon 110.000 bei der Einreise und 65.000 bei der Ausreise, Bab al-Hawa/ Reyhanlı zur Türkei, wo mehr als 75.000 Bürger empfangen wurden, darunter 63.000 Ankünfte und 12.000 Ausreisen, al-Bu Kamal/ al-Qa'im zum Irak, der etwa 5.500 Bürger aufnahm. Daneben gab es Einreisen von Zehntausenden an den übrigen Grenzübergängen zur Türkei, wie Kassab/ Yayladağı, al-Hamam/ Hatay Hammami, Bab as-Salama/ Öncüpınar und Jarabulus/ Karkamış (AJ 13.2.2025a).
Irak
Die Bewegung von Syrern über den Grenzübergang Faysh Khabour zwischen Syrien und der Kurdistan Region Irak (KRI) setzte sich fort, wobei Berichten zufolge täglich etwa 300 bis 400 Menschen in den Irak einreisten. Aus Stichprobeninterviews geht hervor, dass die meisten Syrer, die über diesen Grenzübergang in den Irak einreisen, kurdischer Abstammung sind und entweder vorübergehend für Familienbesuche in die Kurdistan Region Irak kommen oder die Kurdistan Region Irak als Transitpunkt für Besuche an anderen Orten nutzen und planen, danach nach Syrien zurückzukehren. Der Grenzübergang al-Qa'im/ al-Bu Kamal [auch Abu Kamal Anm.] bleibt für die Einreise in den Irak weiterhin geschlossen (UNHCR 2.1.2025). Mitte Dezember erklärte ein irakischer Abgeordneter, dass die Sicherheit an der irakisch-syrischen Grenze verstärkt wurde. Grund dafür waren Angriffe der Terrorgruppierung Islamischer Staat (IS) ca. 50 km von der Grenze zum Irak entfernt auf syrischer Seite (BagTod 18.12.2024). Der Grenzübergang al-Qa'im/ al-Bu Kamal auf irakischer Seite war am 7.1.2025 bereit, die Arbeit wieder aufzunehmen, und wartete auf die Öffnung des Übergangs von syrischer Seite (Jeebal 7.1.2025). Der Bürgermeister von al-Qa'im erwartete die Wiedereröffnung mit Mitte Februar. Syrer dürften über den Grenzübergang dann in ihr Land aus dem Irak ausreisen, aber nicht mehr aus Syrien in den Irak zurück. Die einzigen, die zurück in den Irak reisen dürfen, sind irakische Staatsbürger (BagTod 3.2.2025). Das arabischsprachige Medium Waradana bestritt eine Grenzöffnung. Aus unbekannten Gründen hat Bagdad entschieden, die Öffnung des Grenzübergangs bis auf Weiteres zu verschieben. Die syrische Seite wurde über die Verschiebung informiert und zeigte sich überrascht über diese Entscheidung. Der Bürgermeister soll diesem Medium zufolge bestreiten, dass es Ausnahmen beim Passieren des Grenzübergangs al-Qa'im/ al-Bu Kamal zwischen dem Irak und Syrien gibt, bestätigte aber, dass die Wiederaufnahme des Transits zwischen dem Irak und Syrien im Februar beginnen wird. Der Irak macht keine Ausnahmen für ausländische oder arabische Staatsangehörige, die über den Grenzübergang aus Syrien in den Irak kommen. Die einzige Ausnahme gilt nur für Iraker (Wara 1.2.2025). Al Jazeera schrieb dazu am 11.2.2025, dass obwohl Syrien die Kontrolle über die meisten seiner Grenzübergänge zu den Nachbarländern wiedererlangt hat, der Grenzübergang al-Bu Kamal zum Irak geschlossen bleibt (AJ 11.2.2025). Der Grenzübergang, der die Stadt Al-Bu Kamal in der syrischen Provinz Deir ez-Zour mit dem irakischen Bezirk al-Qa'im in der Provinz al-Anbar verbindet, war Anfang Dezember geschlossen, wurde aber vorübergehend geöffnet, um am 19.12.2024 Tausenden von Soldaten die Rückkehr in ihr Land zu ermöglichen. Der syrische Verkehrsminister gibt an, dass daran gearbeitet werde, diesen wieder zu öffnen. Ihm zufolge können auch weitere Grenzübergänge geöffnet werden, wenn "die Probleme in den Gebieten um al-Hasaka gelöst sind" (Rudaw 1.2.2025).
Jordanien
Die jordanisch-syrische Grenze wurde mit 6.12.2024 von jordanischer Seite aus grundsätzlich für den Personenverkehr in beide Richtungen geschlossen. Syrischen Staatsbürgern ist die Ausreise aus Jordanien nach Syrien nach Grenzabfertigung gestattet, allerdings erlischt der Aufenthaltsstatus in Jordanien und bei neuerlicher Einreise muss ein neuer Einreise- oder Aufenthaltstitel beantragt werden (VB Amman 17.12.2024). Mit 9.1.2025 wurde der Grenzübergang al-Jaber/ Nassib wieder geöffnet und der Personenverkehr wieder aufgenommen. Syrische Staatsbürgern wurde die Einreise wieder gestattet, wenn diese über einen Visumtermin für ein Drittland in Amman verfügen und die die Hin- und Rückfahrt zwischen Syrien und Jordanien über ein Reisebüro organisiert ist (VB Amman 9.1.2025). Die Generalbehörde für Land- und Seegrenzen hat am 19.2.2025 den Zeitplan für die Bewegung von Reisenden über den Grenzübergang al-Jaber/ Nassib zu Jordanien festgelegt. Die Behörde teilte in einem Beitrag auf ihrem Telegram-Kanal mit, dass der Transitverkehr am Grenzübergang al-Jaber/ Nassib ab 20.2.2025, täglich von 8:30 Uhr bis 22:00 Uhr möglich sein wird (SANA 19.2.2025). Diese Regelung erfolgte in Abstimmung mit dem jordanischen Innenministerium (JorZad 20.2.2025). Reisende müssen sich im Voraus über eine spezielle Online-Plattform registrieren. Darüber hinaus dürfen jene syrischen Kleinbusse, welche bereits zuvor nach Jordanien einreisen durften, bis zum 1.4.2025 weiterhin operieren, sofern sie sich an strenge Auflagen halten. Diese erlauben ausschließlich den Personentransport und untersagen den Transport von Waren (VB Amman 12.1.2025). Syrische Staatsangehörige mit Aufenthaltserlaubnis in den Ländern des Golf-Kooperationsrates (Golf Cooperation Council - GCC), den USA, Kanada, Australien, Japan, der Republik Korea und allen europäischen Ländern dürfen laut jordanischem Innenministerium ohne vorherige Genehmigung nach Jordanien einreisen. Dies gilt für Personen, die eine gültige Aufenthaltserlaubnis von mindestens vier Monaten für das jeweilige Land besitzen (VB Amman 30.1.2025).
Libanon
Der Libanon und Syrien teilen sich eine 330 Kilometer lange Grenze, die vor allem im Nordosten des Landes weitgehend unbefestigt ist, was es Schmugglern, Jägern und Flüchtlingen leicht macht, hier einzudringen (Arabiya 10.2.2025b). Mitte Februar fanden Kämpfe zwischen den syrischen Streitkräften, die der neuen Regierung in Damaskus angehören, und libanesischen Schmugglerbanden an der Grenze, insbesondere im westlichen Umland von Homs in Zentralsyrien, statt. Die syrischen Behörden gaben bekannt, dass sie damit begonnen haben, Landminen an illegalen Grenzübergängen und Straßen zum Libanon zu verlegen, nachdem eine Sicherheitsüberprüfung der Gebiete zu Zusammenstößen geführt hatte. Dieser Schritt zielt darauf ab, den Schmuggel nach Syrien einzudämmen und weitere grenzbezogene Spannungen zwischen den beiden Ländern zu verhindern, so die Behörden (TNA 11.2.2025). Der Abreiseverkehr über die offiziellen Grenzübergänge ist nach wie vor gering, aber konstant, vor allem über den Übergang Masna'/ Jdeydat Yabous, einschließlich derer, die möglicherweise nur für kurze Zeit einreisen, um die Lage in Syrien zu beurteilen. In den letzten zehn Tagen (Stand 2.1.2025) hielten sich maximal 100 bis 200 Personen gleichzeitig im Niemandsland auf, entweder um in den Libanon einzureisen oder um nach Syrien zurückzukehren (UNHCR 2.1.2025). Der offizielle Grenzübergang Masna'/ Jdeydat Yabous in Bekaa' ist nach wie vor der einzige für den Fahrzeugverkehr geöffnete Grenzübergang (UNHCR 23.1.2025). Die libanesische Armee hat Anfang Februar 2025 bekannt gegeben, dass sie außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen entlang der Grenze ergriffen hat, indem sie Beobachtungsposten aufstellte und Patrouillen durchführte, nachdem Spannungen in diesem Gebiet eskaliert waren (Arabiya 10.2.2025b).
Türkei
Der türkische Innenminister gab bekannt, dass sechs aktive Grenzübergänge nun rund um die Uhr in Betrieb sind, um einen reibungslosen und effizienten Prozess zu gewährleisten. Die tägliche Bearbeitungskapazität beträgt insgesamt 19.000 Personen, was einer deutlichen Steigerung gegenüber der vorherigen Kapazität von 3.020 Personen entspricht. Die Regierung bestätigte außerdem, dass vom 1.1. bis zum 1.7.2025 Besichtigungsbesuche an zwei Grenzübergängen (Zeytindalı/Jinderes in Hatay und Çobanbey/Al Ra'i in Kilis) organisiert werden (UNHCR 2.1.2025). Der Direktor für lokale und internationale Beziehungen bei der Allgemeinen Behörde für Land- und Seehäfen sagte gegenüber dem staatlichen Medium SANA, dass Rückkehrer über die Grenzübergänge Bab al-Hawa/ Reyhanlı, Bab as-Salama/ Öncüpınar, Kassab/ Yayladağı und Jarabulus/ Karkamış nach Syrien reisen. Die syrische Verwaltung sorgt dafür, dass ihnen alle Dienstleistungen und Einrichtungen kostenlos zur Verfügung stehen und sie von jeglichen Gebühren für ihr Gepäck und ihre Möbel, die sie während ihrer Rückkehr mitführen, befreit sind (AAA 11.2.2025).
Gebiete unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Region Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Nachdem ein interner Grenzübergang zu Manbij und 'Ain al-'Arab geschlossen wurde, ist der Personen- und Warenverkehr seit Mitte Dezember behindert. Der andauernde Beschuss und gewalttätige Zwischenfälle in der Nähe der Qaraqozak-Brücke blockieren auch den Zugang zwischen Manbij und Gebieten östlich des Euphrat, einschließlich des Gouvernements ar-Raqqa (UNOCHA 30.1.2025).
Quellen
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AJ - Al Jazeera (13.2.2025a): بالفيديو.. الجزيرة نت ترصد عودة اللاجئين السوريين عبر المعابر الحدودية [Video... Al Jazeera Net überwacht die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge über die Grenzübergänge], https://www.aljazeera.net/politics/2025/2/13/بالفيديو-الجزيرة-نت-ترصد-عودة, Zugriff 20.2.2025
AJ - Al Jazeera (11.2.2025): أسباب تعطل فتح معبري البوكمال والقائم الحدوديين بين سوريا والعراق [Syrisch-irakische Grenzübergänge stocken an den Grenzübergängen Albu Kamal und Al-Qa'im], https://www.aljazeera.net/politics/2025/2/11/أسباب-تعطل-فتح-معبري-البوكمال-والقائم, Zugriff 20.2.2025
AJ - Al Jazeera (7.1.2025): First international flight since al-Assads removal lands in Syria, https://www.aljazeera.com/news/2025/1/7/first-international-flight-since-al-assads-removal-lands-in-syria, Zugriff 8.1.2025
Arabiya - Al Arabiya News (10.2.2025b): أمن حمص: نتعاون مع الجيش اللبناني وتمشيط الحدود مستمر [Homs Sicherheit: Wir kooperieren mit der libanesischen Armee, Grenzdurchkämmung geht weiter], https://www.alarabiya.net/arab-and-world/syria/2025/02/10/أمن-حمص-نتعاون-مع-الجيش-اللبناني-وتمشيط-الحدود-مستمر, Zugriff 11.2.2025
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BagTod - Baghdad Today News (18.12.2024): نائب يتحدث عن "أحزمة الموت" مع سوريا ويؤشر "رسائل خاطئة للرأي العام" وكالة بغداد اليوم الاخبارية [Abgeordneter spricht von „Todesgürteln“ mit Syrien und sendet „falsche Botschaften an die öffentliche Meinung“], https://baghdadtoday.news/264180-نائب-يتحدث-عن-أحزمة-الموت-مع-سوريا-ويؤشر-رسائل-خاطئة-للرأي-العام-عاجل.html#hathalyoum, Zugriff 2.1.2025
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UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (2.1.2025): Syria situation: Crisis Regional Flash Update #8, https://reporting.unhcr.org/syria-situation-crisis-regional-flash-update-8?_kx=geZMpaDDK-jQ3Afth9Qg7BrXHxj4q-CZODhu-eKHycMuJSDGU-7NYOWPD95FZZPh.QSR88A, Zugriff 8.1.2025
UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (30.1.2025): Syrian Arab Republic: Flash Update No. 13 on the Recent Developments in Syria (as of 29 January 2025), https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/syrian-arab-republic-flash-update-no-13-recent-developments-syria-29-january-2025-enar, Zugriff 31.1.2025
UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (23.12.2024): Syrian Arab Republic: Flash Update No. 8 on the Recent Developments in Syria (as of 23 December 2024), https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/syrian-arab-republic-flash-update-no-8-recent-developments-syria-23-december-2024-enar, Zugriff 7.1.2025
VB Amman - Verbindungsbeamter des BMI in Jordanien [Österreich] (30.1.2025): 2025-01-30_Update Syrien – Reisebewegungen Jordanien: Erweiterte Reiseerleichterungen für Syrer #10 [erhalten per Mail]
VB Amman - Verbindungsbeamter des BMI in Jordanien [Österreich] (12.1.2025): WG: Update Syrien - Reisebewegungen Jordanien: Grenzverkehr mit Syrien offiziell wieder aufgenommen; Jaber geöffnet #7 [erhalten per Mail]
VB Amman - Verbindungsbeamter des BMI in Jordanien [Österreich] (9.1.2025): 2025-01-09_Update Syrien - Reisebewegungen Jordanien: Einreise für Syrer wieder möglich #6 [erhalten per Mail]
VB Amman - Verbindungsbeamter des BMI in Jordanien [Österreich] (17.12.2024): Update Syrien - Reisebewegungen Jordanien #1 [erhalten per E-mail]
Wara - Waradana (1.2.2025): لسبب مجهول.. بغداد توقف إجراءات افتتاح معبر القائم [Aus einem unbekannten Grund: Bagdad stoppt Verfahren zur Öffnung des Grenzübergangs al-Qaim], https://waradana.com/article/198599-لسبب-مجهول-بغداد-توقف-إجراءات-افتتاح-معبر-القائم, Zugriff 20.2.2025
Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich)
Letzte Änderung 2024-03-13 15:02
Manche Quellen berichten, dass die Rekrutierung durch regierungsfreundliche Milizen im Allgemeinen auf freiwilliger Basis geschieht. Personen schließen sich häufig auch aus finanziellen Gründen den National Defense Forces (NDF) oder anderen regierungstreuen Gruppierungen an (FIS 14.12.2018). Andere Quellen berichten von der Zwangsrekrutierung von Kindern im Alter von sechs Jahren durch Milizen, die für die Regierung kämpfen, wie die Hizbollah und die NDF (auch als "shabiha" bekannt) (USDOS 29.7.2022). In vielen Fällen sind bewaffnete regierungstreue Gruppen lokal organisiert, wobei Werte der Gemeinschaft wie Ehre und Verteidigung der Gemeinschaft eine zentrale Bedeutung haben. Dieser soziale Druck basiert häufig auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft (FIS 14.12.2018). Oft werden die Kämpfer mit dem Versprechen, dass sie in der Nähe ihrer lokalen Gemeinde ihren Einsatz verrichten können und nicht in Gebieten mit direkten Kampfhandlungen und damit die Wehrpflicht umgehen könnten, angeworben. In der Realität werden diese Milizen aber trotzdem an die Front geschickt, wenn die SAA Verstärkung braucht bzw. müssen die Männer oft nach erfolgtem Einsatz in einer Miliz trotzdem noch ihrer offiziellen Wehrpflicht nachkommen (EUAA 10.2023). In manchen Fällen aber führte der Einsatz bei einer Miliz tatsächlich dazu, der offiziellen Wehrpflicht zu entgehen, bzw. profitierten einige Kämpfer in regierungsnahen Milizen von den letzten Amnestien, sodass sie nach ihrem Einsatz in der Miliz nur mehr die sechsmonatige Grundausbildung absolvieren mussten um ihrer offiziellen Wehrpflicht nachzugehen, berichtet eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums (NMFA 8.2023).
Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023). In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten. Die islamische Ideologie der HTS ist ein weiterer Anreiz für junge Männer, sich dieser Gruppe anzuschließen. Im Jahr 2022 erwähnt der Danish Immigration Service (DIS) Berichte über Zwangsrekrutierungen der beiden Gruppierungen unter bestimmten Umständen im Verlauf des Konfliktes. Während weder die SNA noch HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren anwenden, weist die Rekrutierungspraxis der HTS einen höheren Organisationsgrad auf als die SNA (DIS 12.2022). Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer "regulären Armee" zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten "HTS-Wehrpflicht" in ldlib liebäugelte, damit dem "Staatsvolk" von ldlib eine "staatliche" Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte (BMLV 12.10.2022). Die HTS rekrutiert auch gezielt Kinder, bildet sie religiös und militärisch aus und sendet sie an die Front (SNHR 20.11.2023).
Quellen:
BMLV – Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (12.10.2022): Antwortschreiben Version 2 (Stand 16.9.2022) [liegt im Archiv der Staatendokumentation auf]
DIS - Danish Immigration Service (12.2022): Syria Recruitment to Opposition Groups, https://www.ecoi.net/en/file/local/2084806/syria_-recruitment-to-opposition-groups_tilgaengelig.pdf, Zugriff 24.5.2023
EUAA - European Union Agency for Asylum (10.2023): Syria Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098437/2023_10_EUAA_COI_Report_Syria_Country_focus.pdf, Zugriff 12.1.2024
FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 23.5.2023
MEI - Middle East Institute (18.7.2019): The Lion and The Eagle: The Syrian Arab Army’s Destruction and Rebirth, https://www.mei.edu/publications/lion-and-eagle-syrian-arab-armys-destruction-and-rebirth#pt5, Zugriff 23.5.2023
NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (8.2023): General Country of Origin Information Report on Syria, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/reports/2023/08/07/general-country-of-origin-information-report-syria-august-2023/General+Country+of+Origin+Information+Report+Syria+August+2023.pdf, Zugriff 12.1.2024
NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (5.2022): Country of origin information report Syria, Mai 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2081724/Country+of+origin+information+report+Syria.pdf, Zugriff 12.5.2023
SNHR - Syrian Network for Human Rights (20.11.2023): On World Children’s Day: SNHR’s 12th Annual Report on Violations Against Children in Syria, 20. November 2023, https://reliefweb.int/attachments/16cf6f44-b40c-43b8-b4b0-03bcbe06274c/R231012E.pdf, Zugriff 17.1.2024
STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 23.5.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (29.7.2022): 2022 Trafficking in Persons Report: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2077593.html, Zugriff 23.5.2023
2. Beweiswürdigung:
2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie Beschwerdeverhandlungen durchgeführt.
Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlungen ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
2.2. Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit sowie der Identität des BF ergeben sich aus dem vorliegenden syrischen Personalausweis. Vollständigkeitshalber ist darauf zu verweisen, dass das Gericht davon ausgeht, dass der BF im Besitz eines syrischen Reisepasses ist. Der BF hat vor der belangten Behörde unmissverständlich dargelegt, dass sich sein Reisepass in der Türkei befinde. Auch in der zuvor durchgeführten Erstbefragung gab der BF an, dass er einen abgelaufenen Reisepass hatte. Wenn der BF vor dem Gericht völlig widersprechend dazu ausführte, er habe nie einen Reisepass gehabt, weil er einen auch nicht gebraucht habe, versucht der BF offensichtlich das Vorliegen eines nationalen Identitätsdokumentes zu verschleiern. Die protokollierten Angaben vor dem BFA und in der Erstbefragung wurden dem BF rückübersetzt und erklärte der BF, er habe den Dolmetscher einwandfrei verstanden und möchte nichts angeben. Dieser unterschiedliche Vortrag zeigt, dass der BF offenbar nicht davon abschreckt, bewusst divergierende Informationen zu seiner Person zu geben, um offenbar eine negative Entscheidung zu verhindern bzw. eine mögliche Abschiebung zu vereiteln.
Die Feststellungen zur Religionszugehörigkeit, zur Herkunft sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des BF gründen sich auf die in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben des BF im Asylverfahren sowie auf seine Sprach- und Ortskenntnisse.
Insofern der BF jedoch vor dem Gericht erstmals anführte, bis zur neunten Klasse die Schule in Syrien besucht zu haben, glaubt dies das Gericht dem BF nicht. Der BF führte in seiner Erstbefragung aus, dass er die Grundschule absolviert habe (AS 3). Damit übereinstimmend, legte der BF vor dem BFA dar, dass er 6 Jahre die Grundschule besucht habe. Wenn der BF in der Beschwerdeverhandlung erläutert, er habe beim BFA damit lediglich ausdrücken wollen, dass er sechs Schulstufen Volksschule absolvierte, jedoch die dreijährige Unterstufe nicht abschloss, da er lediglich die siebte und achte Schulstaufe absolvierte, überzeugt dieser Sachvortrag in keinster Weise. Der BFA wurde vor dem BFA nicht dahingehend befragt, welche Schulform er abschloss, sondern lediglich, ob er eine Schule in Syrien besucht habe. Der BF gab hierzu an: „Ja, die Grundschule 6 Jahre.“ Mit dieser Antwort zeigte der BF nicht auf, dass er eine unvollständige Angabe zu seiner schulischen Bildung machte bzw. gab es auch keine Anzeichen, dass der zuständige Organwalter diesbezüglich nachfragen hätte musste. Im Beschwerdeschreiben wurde ebenso erwähnt, dass der BF 6 Jahre in der Grundschule war. Das Gericht kann aus dem Aussagenverhalten nur den Schluss ziehen, dass der BF unrichtige Informationen zu seinem Leben präsentierte.
Hinsichtlich der Feststellung der Heimatregion des BF ist anzuführen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Bestimmung der Heimatregion der Frage, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind, maßgebliche Bedeutung zukommt. Dazu bedarf es einer Auseinandersetzung damit, welche Bindungen der Asylwerber zu den in Betracht kommenden Städten – etwa in Hinblick auf familiäre und sonstige soziale Kontakte und örtliche Kenntnisse – aufweist (vgl. VwGH 09.03.2023, Ra 2022/19/0317 mwN). Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat (vgl. VwGH 25.08.2022, Ra 2021/19/0442-13).
In seiner Rechtsprechung hat der VwGH in Fällen, in denen Asylwerber nicht aufgrund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang aufgrund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten (Zustand innerer Vertreibung), den ursprünglichen Aufenthaltsort als Heimatregion angesehen (vgl. etwa VwGH 30.04.2021, Ra 2021/19/0024 mit Hinweis auf VwGH 28.06.2005, 2002/01/0414; VwGH 26.01.2006, 2005/01/0057; VwGH 13.10.2006, 2006/01/0125).
Im konkreten Fall wird XXXX (auch XXXX ), im Gouvernement Aleppo als Heimatregion des BF angesehen. Der BF ist in dieser Ortschaft geboren, aufgewachsen, besuchte die Schule, heiratete und arbeitete auch dort. Abgesehen von einem mehrmonatigen Aufenthalt in einem anderen Ort lebte der BF bis zu seiner Ausreise aus Syrien in dieser Ortschaft. Es ist sohin vor diesem Hintergrund XXXX , Gouvernement Aleppo als Heimatregion auszugehen. Der Heimatort des BF wird aktuell von HTS beherrscht.
Der Ausreisezeitpunkt aus Syrien sowie die Aufenthaltsdauer in der Türkei beruhen auf den unwiderlegten Angaben des BF in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Die illegale Einreise in das österreichische Bundesgebiet, die Aufenthaltsdauer sowie die Asylantragstellung des BF in Österreich ergeben sich aus Anfragen aus dem zentralen Melderegister, dem Fremdeninformationssystem, dem Betreuungsinformationssystem, sowie den damit übereinstimmenden Angaben des BF.
Die Feststellungen der in Österreich aufhältigen Verwandten geht aus den unwiderlegten Angaben des BF hervor.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand sowie zur Arbeitsfähigkeit beruhen auf den Angaben des BF. Der BF erklärte vor dem BFA sowie vor dem erkennenden Gericht, dass er gesund sei, keine Medikamente nehme und ebenso keine Therapie benötige.
Dass der BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist, geht aus dem Strafregister der Republik Österreich hervor.
2.3. Zu den Fluchtgründen:
2.3.1. Gebietskontrolle
Die Feststellungen betreffend die Gebietskontrolle in der Herkunftsregion sowie auf den Rückkehrwegen vom Flughafen Damaskus aus in die Heimatregion des BF ergibt sich aus in das Verfahren miteinbezogenen Quellen und aus einer Einsicht in die tagesaktuelle Karte Map of Syrian Civil War - Syria news and incidents today - syria.liveuamap.com sowie die Exploring Historical Control in Syria (cartercenter.org).
2.3.2. Zur Gefahr einer Verfolgung durch das syrische Assad-Regime
Dass der BF seinen Militärdienst beim syrischen Militär abgeleistet hat, beruht auf seinen dahingehend konstanten Angaben sowie dem Militärdienstbuch mit der Rekrutierungsnummer XXXX .
Der BF begründete seine Flucht aus Syrien mit der Kriegssituation in Syrien sowie der mit einer ihm drohenden Einberufung zum Reservedienst. Als Begründung für die Ablehnung des Reservedienstes führte der BF an, das Regime sei ein verbrecherisches Regime. Er wolle nicht seinen Vater, seine Brüder, unschuldige Menschen, Frauen oder Kinder töten. Es sei ein Krieg gegen das eigene Land. Er wolle dem Regime dabei nicht helfen (AS 11)
Aufgrund der Aussagen des BF sowie der damaligen Lage in Syrien ist glaubhaft, dass der BF den Herkunftsstaat wegen des (Bürger-)Kriegszustands und der damit verbundenen prekären Sicherheitslage verließ. Insofern besteht allerdings kein Konnex zu einem Verfolgungsgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Notsituationen wie bürgerkriegsähnliche Zustände und Kriege mit Nachbarstaaten reichen für eine Asylgewährung grundsätzlich nicht aus, da diese ein allgemeines Risiko für alle Bewohnerinnen und Bewohner eines Landes darstellen und nicht als individuelle Verfolgung gelten (statt aller VwGH 19.08.2022, Ra 2022/20/0043 mwN).
Aus den aktuellen Länderquellen ergibt sich, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, die Wehrdienstpflicht abgeschafft und stattdessen eine Freiwilligenarmee eingesetzt hat. Eine zwangsweise Rekrutierung des BF zum Militärdienst ist für den Fall der Rückkehr nach Syrien daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten (EUAA, Country Focus vom März 2025 sowie ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG); Zwangsrekrutierungen [a-12592-v2] vom 21. März 2025).
Anhand der Berichtslage ist festzuhalten, dass Ende November 2024 politische Umbrüche in Syrien erfolgten und es am 08.12.2024 zur Flucht des Langzeitmachthabers Bashar al-Assad aus Syrien sowie zum Sturz des Assad-Regimes kam. Das syrische Assad-Regime verfügt in Syrien über keine Gebietshoheit mehr, sondern es bestehen nur noch zersplitterte Gruppierungen von Regimeüberbleibseln. Die Sicherheitskräfte des alten Regimes und die Syrische Arabische Armee wurden aufgelöst.
Dass das syrische Assad-Regime in der Heimatregion des Beschwerdeführers nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit hat, den Beschwerdeführer zu rekrutieren, zu verhaften oder wegen allfälliger Weigerung zum Reservedienst zu bestrafen, ebenso wenig wie bei seiner Einreise nach Syrien und Weiterreise in seine Heimatregion, ist somit immanent. Ebenso erübrigt sich damit die Frage, ob dem BF ein Freikauf vom Reservedienst möglich wäre. Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 08.12.2024 per Befehl aufgelöst.
Weitere Befürchtungen des BF, nämlich, aufgrund seiner Herkunftsregion, seiner illegalen Ausreise, und Asylantragstellung im Ausland einer Bedrohung zu unterliegen, waren auf das Assad-Regime bezogen und gehen damit ins Leere.
Dass der Beschwerdeführer bei seiner Einreise nach Syrien und Weiterreise in seine Heimatregion einer maßgeblich wahrscheinlichen Gefahr durch das ehemalige syrische Assad-Regime ausgesetzt wäre, ist daher ebenfalls nicht anzunehmen, da dieses keine Gebietskontrolle mehr ausübt und die Regimeüberbleibsel zersplittert sind.
Die aufgrund seiner familiären Zugehörigkeit zu seinen Cousins, welche in Österreich Asyltitel erhalten haben, befürchteten Verfolgungshandlungen seitens des Assad Regimes sind aufgrund der aktuellen Entwicklungen bzw. des Sturzes des Assad-Regimes ebenso als obsolet anzusehen. Es besteht für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit von Sicherheitskräfte des alten Regimes und der Syrische Arabische Armee ins Visier genommen zu werden, da diese aufgelöst sind und noch zersplitterte Gruppierungen von Regimeüberbleibseln bestehen.
Der BF brachte im Verfahren vor, dass er politisch aktiv war. Vor dem BFA legte der BF dar, er habe an friedlichen Demonstration teilgenommen. Von der Regierung seien sie jedoch wie Tiere behandelt worden und hätten diese ihnen gegenüber keine Achtung gezeigt. Es seien auch viele Spione bei den Demonstrationen gewesen und hätten sich diese angeschaut, was passiert. Die letzte Demonstration, an der der BF teilnahm, sei im XXXX gewesen. Zu etwaigen persönlichen Verfolgungshandlungen bzw. Bedrohungen befragt, verneinte der BF jemals verfolgt oder bedroht worden zu sein. Es kann daher nicht angenommen werden, dass der BF diesem Zusammenhang in den Fokus syrischer Behörden unter Bashar al-Assad gelangt ist. Dies zeigt auch vor allem der offensichtlich problemlose weitere Aufenthalt des BF in Syrien bis XXXX . Der BF erwähnte in keinster Weise, dass seine Beteiligung an Demonstrationen in Syrien etwaige Sanktionen oder rechtliche Schritte nach sich gezogen hätten.
Insofern der BF nunmehr im Zuge der Beschwerdeverhandlung mit der Vorlage einer gerichtlichen Ladung für eine Verhandlung am XXXX belegen möchte, dass rechtliche Schritte aufgrund seiner Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen gegen seine Person gesetzt wurden, kann dem Sachvortrag nicht geglaubt werden bzw. wird das vorgelegte Beweismittel dahingehend gewertet, dass hiermit nicht wahrheitsgetreue Umstände präsentiert werden.
Die Angaben des BF zur seiner Teilnahme an Demonstrationen sind im Hinblick auf Verfolgungsmaßnahmen Jahre später irritierend und nicht nachvollziehbar. Der BF gab vor dem BFA an, dass er an friedlichen Demonstrationen teilgenommen habe. Etwaige persönliche Verfolgungsmaßnahmen oder Drohungen wurde vom BF dezidiert nicht angeführt bzw. verneinte er verfolgt worden zu sein. Erstmals wurde in der Beschwerde davon gesprochen, dass ein Freund des BF ihn gewarnt habe, dass er aufgrund der Demonstrationen bei den Sicherheitsbehörden bekannt sei. Daraufhin habe er seinen Heimatort XXXX verlassen und sei nach XXXX gezogen. Abgesehen davon, dass der BF vor dem BFA nie darüber berichtete, dass er im Zusammenhang mit politischen Aktivitäten in den Blick staatlicher Stellen geraten sei, sind diese Ausführungen unvereinbar mit den Aussagen des BF zu seinen Aufenthaltsorten in Syrien. Der BF gab im Verfahren stets an, abgesehen von einem fünfmonatigen Aufenthalt in der Ortschaft XXXX in der Provinz Aleppo, immer in seinem Heimatort gelebt zu haben.
Generell ist darauf hinzuweisen, dass anhand der Berichtslage festzustellen ist, dass Dokumente aus Syrien oft gefälscht sind, es gibt zahlreiche Dokumente, deren Inhalt nicht richtig ist, einschließlich gefälschter Eigentumsnachweise und Gerichtsurteile. Die zum Beleg der Aussagen des BF vorgelegte Ladung erweist sich schon anhand der Art und Weise, wie der BF in dessen Besitz kam als problematisch. Der BF führte aus, dass sein Freund, der bei der Polizei arbeite, diese Ladung für den BF ausstellen hat lassen. Der BF habe dann eine Kopie der Ladung per WhatsApp erhalten und später habe er das Originaldokument zugeschickt bekommen. Weder ist auf diesem Dokument ersichtlich, dass der Freund des BF diese Ladung im Name des BF erhalten hat, noch, dass diese auf Ansuchen des BF oder seines Freundes erfolgte. Auffällig und kaum erklärbar ist zudem, dass die Ladung von einem Gericht in XXXX ausgestellt wurde.
Alles in allem glaubt das Gericht dem BF nicht, dass er vor seiner Ausreise aus Syrien politisch aktiv war. Der BF brachte im Zuge seiner Erstbefragung vor, er habe seine Heimat aufgrund des Krieges in Syrien verlassen. Vor der belangten Behörde schilderte der BF erstmals, dass er an Demonstrationen teilnahm. Über etwaige Probleme, die er dadurch hatte bzw. von einem Freund informiert wurde, erwähnte der BF nichts. Erst in der Beschwerde wurde erwähnt, dass sein Freund den BF im XXXX gewarnt hätte, dass er bei den Sicherheitsbehörden aufgrund seiner Teilnahme an Demonstration bekannt sei.
Nun ist zwar grundsätzlich eine Gegenüberstellung der Erstbefragung mit der Einvernahme im Hinblick auf ein gesteigertes Vorbringen nicht zielführend, zumal die Erstbefragung lediglich einer ersten Orientierung dienen soll und sich gem. § 19 Abs. 1 AsylG nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Es ist jedoch auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen (VwGH 02.01.2017, Ra 2016/18/0323, mwN).
Der BF wurde im Zuge seiner Erstbefragung darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung sind. Er wurde aufgefordert wahre und vollständige Angaben zu machen bzw. hingewiesen, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben können. Der BF gab zudem an, dass er an keinen Beschwerden oder Krankheiten leiden würde, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen. Seine Angaben wurden rückübersetzt und gab der BF nach der Rückübersetzung an, dass er keine Ergänzungen oder Korrekturen habe und alles verstanden habe. Folglich gibt es keine Hinweise darauf, dass der BF in der Erstbefragung nicht in der Lage war, wahre Angaben zu machen.
Hätte der BF tatsächlich aufgrund seiner Demonstrationsteilnahme seinen Heimatort verlassen, da er deshalb Verfolgungshandlung seitens des Assad Regimes befürchtete, wäre es völlig unschlüssig, wenn der BF dies nicht bereits im Zuge der Erstbefragung – wenn er auch nur kurz – erzählt hätte.
Schlussendlich ist erneut darauf hinzuweisen, dass, selbst bei Wahrheitsunterstellung, das syrische Assad-Regime in der Heimatregion des Beschwerdeführers nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit hat, den BF zu verhaften oder wegen allfälliger Demonstrationsteilnahmen zu bestrafen, ebenso wenig wie bei seiner Einreise nach Syrien und Weiterreise in seine Heimatregion.
2.3.3. Zur Gefahr einer Rekrutierung und Verfolgung durch die aktuelle Übergangsregierung, Kräfte der (ehemaligen) HTS oder sonstige Gruppierungen
Betreffend das Vorbringen, der BF werde von der FSA (nunmehr SNA) gesucht bzw. zwangsrekrutiert, weil er sich ihnen vor seiner Ausreise aus Syrien nicht angeschlossen habe und nunmehr als Verräter angesehen werde, wird dieses Vorbringen als unglaubwürdig angesehen.
Der BF legte vor dem BFA glaubhaft dar, dass im Zeitraum von XXXX bis XXXX die Miliz Ahrar Al Sham, die zur FSA gehöre, gegen das syrische Regime kämpfte. Er wäre in diesem Zeitraum in ein Nachbardorf gezogen. Ab XXXX habe das syrische Regime nicht mehr die Macht über sein Heimatdorf besessen. Die Miliz hätte ihn nach seiner Rückkehr in seinen Heimatort mehrmals aufgefordert, mit ihnen zu kämpfen. Sie seien ca. 40 bis 50 Mal bei dem BF zu Hause gewesen. Er habe stets abgelehnt. Sanktionen habe es nie gegeben.
Unter Berücksichtigung der Länderberichte ergibt sich, dass es vor dem Sturz von al-Assad keine Wehrdienstpflicht gab. Die SNA verfügte in den von ihr kontrollierten Bereichen nicht über eine einheitliche Einstellungspraxis. Obwohl die SNA in Gebieten neben der türkischen Armee in Syrien operierte, war die türkische Armee nicht an der Rekrutierung von Syrern für die SNA beteiligt. Die SNA rekrutierte auf freiwilliger Basis. Wirtschaftliche Anreize waren ein wichtiger Treiber für den Beitritt zu SNA, da SNA-Kämpfer in der SNA mehr Geld verdienen konnten als durch jede andere Arbeit in SNA-kontrollierten Gebieten. Weitere Anreize für einen Beitritt waren der Widerstand der SNA gegen die GoS und ihre religiöse, sektiererische und ethnische Feindseligkeit gegenüber Schiiten, Alawiten und Kurden. Im Allgemeinen rekrutierten SNA-Gruppen Männer nicht zwangsweise, um sich ihren Reihen anzuschließen. Einige Quellen haben festgestellt, dass SNA Männer nicht zwangsweise rekrutieren musste, da es viele Männer in von SNA kontrollierten Gebieten gab, die bereit waren, sich ihren Reihen aufgrund der wirtschaftlichen Anreize anzuschließen (DIS 12.2022).
Folglich ist der Sachvortrag, dass es mehrmals zur Aufforderung kam, der BF solle sich der FSA anschließen, anhand der Länderberichte nachvollziehbar. Das weitere Vorbringen, der BF befürchte aufgrund seiner Weigerung eine Zwangsrekrutierung bzw. Verfolgung des FSA ist hingegen nicht glaubhaft.
Dass seit dem Sturz von al Assad eine Änderung der Rekrutierungspraxis des SNA eingetreten ist, kann den aktuelleren Berichten nicht entnommen werden. Vor dem Hintergrund ist eine Zwangsrekrutierung durch die SNA nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen und kann davon ausgegangen werden, dass die SNA weiterhin im Wesentlichen Freiwillige rekrutiert.
Dem BF droht daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Zwangsrekrutierung durch die SNA.
Hinzuweisen ist weiters darauf, dass der BF vor dem BFA in keinster Weise eine Befürchtung äußerte, von Seiten der Al-Nusra (heute als HTS bekannt) bedroht oder verfolgt zu werden. Er gab vielmehr an, dass er eine Einberufung durch das damalige Assad Regime bzw. der FSA/SNA befürchte. Von etwaigen anderen Bedrohungslagen erwähnte der BF nichts.
In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am XXXX schilderte der BF erstmals, dass er Probleme mit der HTS habe. Er habe sich geweigert diesen zu dienen. Diese Personen, mit denen der BF Probleme hatte, würden nunmehr höhere Positionen in der Regierung haben. Es handelt sich zweifellos um ein gesteigertes (vgl. hiezu VwGH 27.04.2006, Zl. 2002/20/0170; 21.06.1994, Zl. 94/20/0102) bzw. erst sehr spät im Verfahren vorgebrachtes Vorbringen (vgl. 28.01.2016, Ra 2015/21/0199), was für sich alleine bereits die mangelnde Glaubwürdigkeit des Vorbringens indiziert.
Zusätzlich ist festzuhalten, dass sich aus der Berichtslage ableiten lässt, dass umfangreiche Versöhnungsprozesse in Gang gesetzt wurden. Es finden sich zwar durchaus Berichte, wonach Verhaftungen und Hinrichtungen von Personen stattfanden, die mit dem Assad-Regime in Verbindung gebracht werden und die in den Streitkräften des Assad-Regimes gedient haben. Der Beschwerdeführer kann mit dem Assad Regime oder deren Streitkräften nicht in Verbindung gebracht werden.
Insgesamt ist den Länderinformationen zu entnehmen, dass sich bewaffnete Angriffe insbesondere gegen Regimestraftäter, Anhänger des ehemaligen Assad-Regimes sowie gegen Schiiten und Angehörige der alawitischen Gemeinschaft richten, insbesondere auch in den Gouvernements Latakia und Tartus. Besonders betroffen sind die Provinzen, die das Kernland des ehemaligen Assad-Regimes darstellten und eines der drängendsten Probleme ist die gezielte Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben. So wurden etwa auch Checkpoints installiert, beispielsweise um Menschen zu verhaften, die für Verbrechen gegen das syrische Volk in der Zeit des Regimes verantwortlich sind. Razzien und Festnahmen fokussierten sich auf die Gouvernements Latakia, Homs und Damaskus, wobei es auch zu willkürlichen Verhaftungen von vermeintlichen Verbrechern des Assad-Regimes kam. Die meisten Verstöße, die von Sicherheitskräften in ganz Syrien begangen wurden, scheinen sich gegen bestimmte Anhänger des ehemaligen Regimes zu richten.
Eine dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Heimatregion deshalb mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr ist nicht anzunehmen. Der Beschwerdeführer brachte nicht vor, Teil der Streitkräfte unter der Führung des Assad-Regimes oder sonst für das Assad-Regime tätig gewesen zu sein. Vielmehr gab er an, seinen Wehrdienst vor dem Bürgerkrieg abgeleistet und sich auch nicht an bewaffneten Kampfhandlungen beteiligt zu haben. Vielmehr flüchtete er aus Syrien um sich den Reservedienst bei den Streitkräften zu entziehen.
Insofern der BF in der Beschwerdeverhandlung im Wesentlichen vorbrachte, dass die HTS eine Gruppierung von Terroristen sei und die Sicherheitslage in Syrien noch immer unsicher sei, handelt es sich hierbei um ein Vorbringen, ohne darzulegen, welche konkreten Befürchtungen der BF hat. Es entstand vielmehr der Eindruck, dass der Beschwerdeführer durch sein Vorbringen eine Bedrohungslage durch die HTS bzw. die syrische Übergangsregierung zu konstruieren versucht. Zudem finden diese Befürchtungen keine Deckung in den Länderberichten. Die HTS ist mittlerweile aufgelöst, auch wenn noch teils sehr radikale islamistische Untergruppen bestehen. Den Länderberichten lässt sich insgesamt jedoch die Tendenz einer Entwicklung weg von radikalen religiösen Ansichten entnehmen, dies auch deshalb, da der syrische Übergangspräsident nach internationaler Legitimität strebt und sich von seiner al-Qaida-Vergangenheit distanziert. So wurde auch bereits eine teilweise Aussetzung der Sanktionen durch die USA erreicht und auch die EU hob nach den Länderberichten bereits eine Reihe von Sanktionen gegen Syrien mit sofortiger Wirkung auf. Die HTS bzw. die syrische Übergangsregierung machte in Idlib Zugeständnisse an die lokale Bevölkerung und erlaubte beispielsweise Christen, Gottesdienste abzuhalten und Frauen, Universitäten zu besuchen sowie Autos zu fahren. Die Verfassungserklärung garantiert Frauen das Recht auf Bildung und Arbeit und fügt hinzu, dass sie volle soziale, wirtschaftliche und politische Rechte haben werden. Nach Aussagen ihres Außenministers will sich die Übergangsregierung in Syrien auch für die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen im Land einsetzen und niemand solle aufgrund seiner Herkunft, seines sozialen oder religiösen Hintergrunds oder einer Zugehörigkeit zu bestimmten Bevölkerungsgruppen bestraft werden. Dies steht auch grundsätzlich im Einklang mit den eingeleiteten umfassenden Versöhnungsprozessen um Syrer, die mit und für das Assad-Regime gearbeitet haben, wieder in die syrische Gesellschaft zu integrieren. Auch wenn freilich abzuwarten bleibt, inwiefern diese Absichten tatsächlich umgesetzt werden, ist der Berichtslage insgesamt zu entnehmen, dass der syrische Übergangspräsident keine Fortsetzung des auf Gewalt, Einschüchterung und Diskriminierung basierenden Systems des Assad-Regimes anstrebt.
Im Übrigen lassen sich aus den aktuellen Länderinformationen keine Hinweise dahingehend entnehmen, dass die derzeitigen Machthaber in Syrien gezielt gegen alle Personen vorgehen würden, die nicht mit der HTS sympathisieren.
Es ist daher auch nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass ihm im Falle seiner Rückkehr in seine Heimatregion in Aleppo unterstellt werden könnte, Anhänger des ehemaligen Assad-Regimes zu sein und er Opfer einer Vergeltungsaktion von Anhängern der neuen syrischen Regierung werden könnte.
Der Beschwerdeführer gehört auch nicht den Alawiten, Schiiten oder Christen an, die nach den Länderberichten vermehrt Gewaltakten ausgesetzt sind.
Der BF konnte sohin keine konkrete Bedrohung seiner Person durch die HTS glaubhaft machen und sind auch keine Gründe erkennbar, warum die HTS davon ausgehen sollte, dass der BF und seine Familie Anhänger des früheren Machthabers sein sollten. Eine konkrete Bedrohung durch die HTS, die neuen Machthaber in Syrien, hat der BF folglich nicht aufzeigen können.
Es liegen keinerlei Hinweise darauf vor, dass die oppositionellen Gruppierungen, welche derzeit weitgehend das syrische Staatsgebiet kontrollieren, Rückkehrende, die im Ausland um Asyl angesucht haben, gezielt verfolgen würden, dies auch aufgrund der hohen Anzahl an Menschen, die seit dem Sturz des Assad-Regimes bereits nach Syrien in unterschiedliche Gouvernements zurückgekehrt sind.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid bzw. Erkenntnis angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Es wurden dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Auch ist auszuführen, dass die dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation der Beschwerdeführer in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann, weshalb gemäß hg. Ansicht nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation der Beschwerdeführer unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG).
Bei den in den Länderberichten zugrunde gelegten Quellen handelt es sich um Berichte staatlicher oder staatsnaher Institutionen, denen aufgrund ihrer Verpflichtung zu Objektivität und Unparteilichkeit keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Dass sich die Situation im Herkunftsstaat der Asylwerber insofern geändert hat, als diese dem zitierten Länderdokumentationsmaterial nicht mehr entsprechen würde, ist nicht notorisch.
Der BF ist den Länderberichten im Übrigen auch nicht substantiiert entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
Der Umstand, dass im Heimatland des Asylwerbers Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK dar. Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes/Reservedienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 26.06.2024, Ra 2024/20/0154 bzw. VwGH 28.02.2024, Ra 2023/20/0619, mwN).
Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass aus der - von seinem Inhalt her auch hier maßgeblichen - aktuellen Berichtslage nicht abgeleitet werden kann, dass jedem männlichen syrischen Staatsangehörigen, der seinen Militärdienst in Syrien noch nicht abgeleistet hat, Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Grund drohte. Es ist für die Gewährung von Asyl für sich genommen auch nicht hinreichend, dass er den Militärdienst deswegen nicht ableisten möchte, weil er dabei entweder Menschen töten müsste oder er selbst getötet werden könnte (vgl. VwGH 12.03.2024, Ra 2024/20/0130, mwN).
Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des VwGH, des VfGH und des EuGH sowie unter Berücksichtigung der Richtlinien des UNHCR und der EUAA – denen Indizwirkung zukommt und denen im verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsfindungsprozess besondere Beachtung zu schenken ist (vgl. VwGH 31.01.2023, Ra 2022/20/0347; 03.07.2023, Ra 2023/14/0182 mwN) – ist zu beurteilen, ob dem Beschwerdeführer mit zumindest maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei angenommener Rückkehr nach Syrien in seine Heimatregion eine Verfolgungsmaßnahme im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. e Statusrichtlinie droht (vgl. VwGH 15.04.2024, Ra 2024/14/0139).
3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:
Im gegenständlichen Fall gelangt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der BF keiner individuellen, asylrelevanten Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war und er im Fall der Rückkehr dorthin auch keiner mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Verfolgung ausgesetzt wäre. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
Die Furcht vor der Verfolgung durch die Assad-Regierung stellt keine „begründete Furcht vor Verfolgung“ dar, da es an der maßgeblichen Verfolgungswahrscheinlichkeit in Sinne der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mangelt. Die Assad-Regierung ist in Syrien nicht mehr an der Macht. Die Herkunftsregion des BF (und die Rückkehrwege dorthin sind der Kontrolle der Assad-Regierung entzogen und ist diese nicht in der Lage, auf den BF zuzugreifen.
Von der maßgeblichen Gefahr einer Verfolgung ist nicht auszugehen, wenn der Verfolger keinen Zugriff auf die betroffene Person hat (vgl. VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055).
Da in Syrien auch keine Wehrpflicht mehr besteht und die bisherige Militärpolizei und der bisherige Geheimdienstapparat der Assad-Regierung aufgelöst wurden, ist es auch insofern nicht wahrscheinlich, dass der BF von Rekrutierungen betroffen sind.
Der BF ist auch nicht gefährdet in seinem Herkunftsgebiet bzw. auf dem Weg dorthin oder bereits bei der Einreise, asylrelevant ins Visier der nunmehr herrschenden neuen Regierung in Syrien unter der Führung der HTS zu geraten und als politischer/religiöser Gegner oder aus anderen Konventionsgründen (bzw. Gründen des Art. 10 der Statusrichtlinie) verfolgt zu werden. Probleme mit den neuen Machthabern in Syrien in der Vergangenheit hat der BF nicht glaubhaft behauptet.
Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, droht dem BF auch keine Verfolgung aufgrund der Asylantragstellung im Ausland sowie der illegalen Ausreise. Der Wegfall des Assad-Regimes führt dazu, dass der BF aufgrund seiner illegalen Ausreise und Asylantragsstellung im Ausland nicht Gefahr laufen in Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden. Es lässt sich auch den Länderberichten vor dem Sturz von al-Assad nicht entnehmen, dass jeder Person, die unrechtmäßig ausgereist ist und im Ausland einen Asylantrag gestellt hat und in Folge nach Syrien zurückkehrt, bei einer Rückkehr eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und eine Verhaftung, ein Verhör und Folterungen drohen oder der weitaus überwiegende Teil aller Rückkehrenden systematischen Repressionen ausgesetzt wäre. Es ergibt sich aus den Länderberichten keine Verfolgung aller Rückkehrer, die um Asyl angesucht haben (vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2020/18/0147; VwGH 24.11.2022, Ra 2022/18/0222).
Es haben sich im Verfahren weiters keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung des BF aus asylrelevanten Gründen maßgeblich wahrscheinlich scheinen ließen. Die allgemeine Lage in Syrien ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (VwGH 26.06.2024, Ra 2024/20/0154; 28.02.2024, Ra 2023/20/0619, Rz 31 und 32, ua.).
In einer Gesamtschau der vorliegenden Länderberichte und den getroffenen Feststellungen besteht daher keine Gefährdung des BF in einem Ausmaß, welches für sich genommen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung begründet.
Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung im gegebenen Fall nicht existent ist. Auf die Frage der Schutzwilligkeit und -fähigkeit der staatlichen Organe in Syrien sowie des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative ist insofern nicht mehr einzugehen.
In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides abzuweisen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.