JudikaturVwGH

Ra 2024/15/0064 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
08. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak und die Hofräte Dr. Sutter und Dr. Hammerl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des H K, vertreten durch die Pallauf Meißnitzer Staindl Partner OG, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 26. Juli 2024, Zl. RV/6100154/2023, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber bezieht als Dienstnehmer eines Bundesministeriums im Ruhestand Pensionsbezüge. Das Bundesministerium stellte (und stellt) ihm auch im Ruhestand eine angemietete Naturalwohnung zur privaten Nutzung zur Verfügung. Für die Wohnung leistete er die nach § 24a Gehaltsgesetz 1956 vorgeschriebenen Vergütungen (Grundvergütung) an das Bundesministerium und trug die darauf entfallenden Betriebskosten selbst.

2 In den auf Grund der Erklärungen des Revisionswerbers zur Arbeitnehmerveranlagung erlassenen Einkommensteuerbescheiden 2013 bis 2015 wurden steuerpflichtige Bezüge aufgrund der Nutzung der Naturalwohnung nicht berücksichtigt. Im Zuge einer Lohnsteuerprüfung des Bundesministeriums erlangte das zuständige Finanzamt durch Übermittlung von entsprechenden Lohnzetteln davon Kenntnis und verfügte die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2013 bis 2015. Diese Wiederaufnahmebescheide wurden in Folge einer dagegen erhobenen Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht mangels Anführung eines tauglichen Wiederaufnahmegrundes aufgehoben. In Folge erließ das Finanzamt neuerlich Wiederaufnahme und Sachbescheide betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015, wogegen der Revisionswerber Beschwerde erhob.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013, keine Folge. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass in Bezug auf die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2013 keine res iudicata vorliege, weil der im Wiederaufnahmebescheid vom 30. November 2021 angeführte Wiederaufnahmegrund nicht mit dem im aufgehobenen Wiederaufnahmebescheid vom 14. November 2019 ident sei. Es liege somit keine Identität der Sache vor und es sei die steuerliche Auswirkung auch nicht gering, sodass die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer zu Recht erfolgt sei.

4 Zur Bemessung der Einkommensteuer führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen begründend aus, dass die Beurteilung, ob ein geldwerter Vorteil vorliege, allein auf Basis der einkommensteuerlichen Regelungen zu erfolgen habe. Für eine abweichende Behandlung von Naturalwohnungen eines öffentlich Bediensteten biete § 24a Gehaltsgesetz 1956 keine Grundlage. Da die vom Revisionswerber dem Bundesministerium zu entrichtende Grundvergütung einschließlich der Betriebskosten den vom Bundesministerium an den Vermieter entrichteten Mietzins (inklusive Umsatzsteuer) samt Betriebskosten unterschreite, liege beim Revisionswerber ein geldwerter Vorteil aus dem ehemaligen Dienstverhältnis vor. Es sei daher die Sachbezugswerteverordnung (SachbezugswerteVO) anzuwenden, nach der unter Berücksichtigung der Kostenbeiträge des Revisionswerbers ein Sachbezug nach den Bestimmungen des EStG 1988 verbleibe.

5Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, dass es zum Verhältnis des EStG 1988 zum Gehaltsgesetz 1956 an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mangle. Es sei in Bezug auf Naturalwohnungen von in Ruhestand befindlichen öffentlichen Bediensteten das Gehaltsgesetz 1956 maßgeblich. Danach sei in diesen Fällen für die Nutzung von Naturalwohnungen eine Grundvergütung im Ausmaß von 100 % des vom Bund zu leistenden Mietzinses zu entrichten. Somit bleibe mangels Vorteils beim Revisionswerber für die Anwendung der Sachbezugswerte VO kein Raum.

6 Hinsichtlich der Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens zur Einkommensteuer bringt die Revision zur Zulässigkeit vor, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, weil die Wiederaufnahme neuerlich auf den neuen Lohnzettel gestützt werde. Hierüber sei aber bereits im Vorverfahren abgesprochen worden, dass dies keinen Wiederaufnahmegrund darstelle, weil es sich bei den neuen Lohnzetteln um nova producta und keine nova reperta handle. Damit läge aber eindeutig res iudicata vor. Maßgeblich sei nämlich nur, dass das Beweismittel bereits bei Erlassung des ursprünglichen Bescheides bestanden habe und nicht welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10Mit dem Vorbringen des Revisionswerbers es mangle an Rechtsprechung zur Rechtsfrage, ob für die Beurteilung des Vorliegens eines geldwerten Vorteils aus dem Dienstverhältnis dem Gehaltsgesetz 1956 Vorrang gegenüber dem EStG 1988 und der SachbezugswerteVO einzuräumen sei, wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Die Besteuerung geldwerter Vorteile im Sinne des § 15 EStG 1988 hat unabhängig davon zu erfolgen, ob sie Dienstnehmern mittels individueller Vereinbarungen (Dienstverträgen etc.) eingeräumt werden oder ob sie Dienstnehmern wie im Revisionsfallaufgrund von Bestimmungen des Gehaltsgesetzes erwachsen (vgl. VwGH 30.8.2023, Ra 2023/15/0072).

11Mit dem Ansatz eines Sachbezugswertes im Sinne des § 15 EStG 1988 wird der Vorteil erfasst, der darin besteht, dass sich der Dienstnehmer jenen Aufwand erspart, der ihm erwachsen würde, wenn er für die Kosten einer vergleichbaren Leistung aus Eigenem aufkommen müsste (vgl. z.B. VwGH 26.7.2017, Ra 2016/13/0043, und VwGH 21.4.2016, 2013/15/0259, beide mwN).

12 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes war der vom Revisionswerber für die von ihm genutzte Wohnung getragene Aufwand auf Grund eines berücksichtigten Abschlages geringer als die für diese Wohnung vom Bund an die Vermieterin geleisteten Zahlungen. Insoweit ist dem Revisionswerber eindeutig ein Vorteil erwachsen, der seine Wurzel im Dienstverhältnis des Revisionswerbers hat. Die Höhe des Sachbezuges war daher in Anwendung der Sachbezugswerte VO unter Berücksichtigung der Kostenbeiträge des Revisionswerbers zu ermitteln.

13 Der Revisionswerber bringt in der Begründung der Zulässigkeit zudem vor, dass die neuerliche Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer mangels neuen Wiederaufnahmegrunds zu Unrecht erfolgt sei. Der Revisionswerber führt dazu aus, dass auch der Wiederaufnahmebescheid vom 30. November 2021 auf den neuen Lohnzettel des Bundesministeriums gestützt werde.

14Zweck der Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung „im abgeschlossenen Verfahren“ bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. VwGH 24.5.2023, Ra 2021/15/0066, mwN).

15 Was „Sache“ des Wiederaufnahmeverfahrens ist, bestimmt sich am Wiederaufnahmegrund, nicht am Sachbescheid, um dessen Wiederaufnahme es geht (vgl. StollBAOKommentar, 2954; VwGH 24.5.2023, Ra 2021/15/0066, mwN).

16 Das Bundesfinanzgericht hat den ersten Wiederaufnahmebescheid vom 14. November 2019 mit der Begründung aufgehoben, dass aus der Bescheidbegründung nicht erkennund nachvollziehbar sei, auf welche konkret neu hervorgekommenen Tatsachen die Wiederaufnahme des Verfahrens gestützt werde. Lohnzettel, die nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens erstellt werden, stellten per se keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel iSd § 303 Abs. 1 BAO dar und könnten daher eine Wiederaufnahme nicht rechtfertigen.

17 Der Wiederaufnahmebescheid vom 30. November 2021 wurde damit begründet, dass das Finanzamt erst durch die Übermittlung des vom Bundesministerium neu ausgestellten Lohnzettels und der Übermittlung der Berechnungen des Prüforgans des Prüfdienstes Lohnabgaben und Beiträge Kenntnis von der Nichtbesteuerung und der konkreten Höhe des geldwerten Vorteils für die Überlassung der Naturalwohnung erlangt habe.

18 Im angefochtenen Erkenntnis wurde eine Identität der Sache, über die in den Wiederaufnahmebescheiden abgesprochen wurde, auf Grund der konkreten Bezugnahme auf den geldwerten Vorteil durch den Sachbezug im Wiederaufnahmebescheid vom 30. November 2021 verneint.

19Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente zum Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides bekannt waren (vgl. z.B. VwGH 4.9.2024, Ra 2023/13/0165, mwN). Die in den Jahren 2013 bis 2015 realisierten Einnahmen, deren Existenz dem Finanzamt erst durch die nachträglich übermittelten Lohnzettel bekannt geworden ist, stellen neu hervorgekommene Tatsachen iSd § 303 BAO dar. Werden neue Wiederaufnahmebescheide erlassen und diese (erstmalig) mit dem Zufluss von bisher nicht bekannten Einnahmen begründet, wird nicht gegen den Grundsatz ne bis in idem verstoßen (vgl. VwGH 24.5.2023, Ra 2021/15/0066).

20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. September 2025