Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak sowie die Hofräte Dr. Sutter und Dr. Hammerl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der P GmbH, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 28. Mai 2024, RV/6100124/2020, betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2013 bis 2015 sowie Festsetzung der Umsatzsteuer 2013 bis 2017, den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Revisionswerberin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, verfügt über eine Bordellgenehmigung und betreibt einen Saunaklub mit angeschlossenen Separees sowie ein Laufhaus. In Folge einer Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2017 wurden soweit hier relevantmit Bescheiden vom 5. November 2019 die Umsatzsteuerverfahren 2013 bis 2015 wiederaufgenommen und die Umsatzsteuer für die Jahre 2013 bis 2017 festgesetzt. Dabei wurden der Revisionswerberin u.a. die Erlöse für die in ihren Räumlichkeiten erbrachten Prostitutionsleistungen zugerechnet. Mangels durch die Revisionswerberin vorgelegter Aufzeichnungen wurden die Prostitutionserlöse vom Finanzamt gemäß § 184 BAO geschätzt.
2 Dagegen wendete sich die Beschwerde der Revisionswerberin. Die Prostitutionserlöse seien nicht ihr, sondern unmittelbar den Prostituierten zuzurechnen. Diese seien selbständig, seien nicht in den Betrieb der Revisionswerberin organisatorisch eingebunden und erbrächten ihre Leistungen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Auch die Festlegung der Preise für die erbrachten Leistungen erfolge durch die Prostituierten selbst. Dagegen trete die Revisionswerberin nach außen nicht als Anbieterin von Prostitutionsleistungen auf. Sie organisiere nicht die Zimmereinteilung, sei in die Preisgestaltung nicht involviert und führe auch kein Inkasso hinsichtlich dieser Leistungen durch. Die Anwerbung und Auswahl der Prostituierten erfolge nicht durch die Revisionswerberin. Diese unterstütze im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften lediglich bei der Organisation der amtsärztlichen Untersuchungen, wozu sie auch aufgrund sicherheitspolizeilicher Regelungen verpflichtet sei.
3 Die Revisionswerberin verzichtete in ihrer Beschwerde auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung und beantragte die Entscheidung durch den Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2013 bis 2015 als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2013 bis 2017 wurden abgeändert.
5 Hinsichtlich des Laufhauses folgte das Bundesfinanzgericht dem Beschwerdevorbringen und rechnete die dort erwirtschafteten Prostitutionserlöse der Revisionswerberin nicht zu.
6 Hinsichtlich des Saunaklubs rechnete das Bundesfinanzgericht die Prostitutionserlöse der Revisionswerberin zu und führte eine neue Schätzung dieser Erlöse durch. Im Ergebnis erhöhte das Bundesfinanzgericht die festgesetzte Umsatzsteuer gegenüber den angefochtenen Bescheiden.
7 Zur Begründung führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, dass die Revisionswerberin nach dem Gesamtbild der Verhältnisse faktisch ein vollständiges, einheitliches Leistungspaket angeboten habe, das nach den Kundenerwartungen nicht nur die Getränkeausschank sowie die Nutzung der Saunaeinrichtungen, sondern auch die Gelegenheit zur Vornahme von entgeltlichen sexuellen Handlungen in den Zimmern des Saunaklubs umfasste, wobei nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes für die Mehrzahl der Kunden nicht der Sexualkontakt mit einer bestimmten Prostituierten im Vordergrund gestanden sei, sondern die Vornahme sexueller Handlungen mit einer der anwesenden Prostituierten an sich.
8 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes übernahm die Revisionswerberin die Werbung für den Saunaklub, in der jeder Hinweis auf die Namen oder Kontaktadressen der Prostituierten vermieden worden sei. In der Werbung offerierte sie nicht nur Saunaleistungen und das Gastronomieangebot, sondern auch anonyme „austauschbare“ Prostituierte, die bereit seien, alle Wünsche der Gäste zu erfüllen.
9 Die Revisionswerberin habe die große Anzahl der Prostituierten beworben und habe diese in Bewerbungsgesprächen ausgewählt. Sie habe die Meldungen an die Behörden übernommen und die erforderlichen Gesundheitsuntersuchungen organisiert. Auch die Organisation der Nutzung der Zimmer im Saunaklub sei nach den Vorgaben der Revisionswerberin erfolgt.
10 Die Revisionswerberin habe keine schriftliche Hausordnung erlassen und auch keine Preise schriftlich festgelegt, doch sei der zu verlangende (Mindest-)Preis bei den Prostituierten allgemein bekannt gewesen und dieser sei auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Revisionswerberin den Kunden mitgeteilt worden.
11 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.
12 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, dass die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes bezüglich der Zurechnung der Prostitutionserlöse an die Revisionswerberin unschlüssig sei.
17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes nur insoweit, als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist. Der an sich nur zur Rechtskontrolle berufeneVerwaltungsgerichtshof ist im Übrigen auch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 9.9.2025, Ra 2022/15/0043, mwN).
18 In der Revision wird eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung dahingehend behauptet, als das Bundesfinanzgericht von einer Leistungserbringung der Prostituierten an die Revisionswerberin und von einer Leistungserbringung der Revisionswerberin an die Gäste des Saunaklubs unter Einsatz der Prostituierten als Erfüllungsgehilfen ausgehe, obwohl im Internet ausdrücklich auf die Selbständigkeit der Prostituierten hingewiesen worden sei und für die erbrachten Leistungen auch gesonderte Kosten angefallen seien, die von der Revisionswerberin nicht verrechnet und vereinnahmt worden seien.
19 Mit diesem Vorbringen wird keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes aufgezeigt. Dieses hat in einer umfassenden Darstellung nachvollziehbar dargelegt, dass u.a. auf Grund des Internetauftrittes, insbesondere des Umstandes, dass dort allgemein das Angebot des Vollzuges sexueller Handlungen mit nicht näher individualisierten Prostituierten besonders hervorgehoben wird, der Organisation der Zimmernutzung sowie der Kommunikation des üblichen Preises auch durch die Angestellten der Revisionswerberin, die Kunden davon ausgehen mussten, dass es sich auch bei den Prostitutionsleistungen um Leistungen der Revisionswerberin handelt.
20 Da das Bundesfinanzgericht unbedenklich davon ausgehen durfte, dass die Revisionswerberin in den Leistungsaustausch zwischen den Prostituierten und den Gästen des Saunaklubs eingeschaltet war, kam es auf die Bedeutung der Hinweise auf deren Website nicht an (vgl. VwGH 15.6.2005, 2002/13/0104).
21 Auch die Ausführungen zu den von den Prostituierten geführten Aufzeichnungen über deren Erlöse für die erbrachten Dienstleistungen, zeigen keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes auf. Für die Argumentation der Revisionswerberin lässt sich aus diesem Umstand nichts gewinnen. Dass die Revisionswerberin die im Saunaklub angebotenen Leistungen nicht selbst (bzw. im hier vorliegenden Fall einer GmbH durch ihre Organe) erbringt, sondern andere Personen als Erfüllungsgehilfen heranzieht, die ihr Entgelt unmittelbar vereinnahmen, mindert die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage der Revisionswerberin nicht. Wären die Prostituierten als selbständig tätige Unternehmerinnen anzusehen, folgte daraus lediglich, dass sie über ihre der Revisionswerberin gegenüber erbrachten Leistungen zur Rechnungslegung berechtigt wären und es sich bei den gegenständlichen Aufzeichnungen um deren Grundaufzeichnungen handelt (vgl. neuerlich VwGH 15.6.2005, 2002/13/0104).
22In der Revision wird weiters vorgebracht, dass sich das Bundesfinanzgericht in seiner rechtlichen Beurteilung auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stütze, wonach bei einem Barbetrieb mit angeschlossenen Separees die Leistung des Barbetreibers nach der Kundenerwartung nicht nur im Getränkeausschank, sondern entscheidend auch in der Gelegenheit zum Separee-Besuch besteht. Vom Betreiber eines solchen Lokals wird allgemein angenommen, dass er zu diesem Zweck „Mädchen offeriert“, welche mit den Barbesuchern die Separees aufsuchen, um dort die sexuellen Wünsche der Gäste zu erfüllen. In einer solchen Fallkonstellation kann nicht gesagt werden, dass der Lokalbetreiber außerhalb eines nur zwischen den Mädchen und den Gästen stattfindenden Leistungsaustausches stünde (vgl. z.B. VwGH 18.12.2017, Ra 2017/15/0026, mwN).
23 Dagegen wendet sich die Revision mit dem Vorbringen, dass es sich bei gegenständlicher Lokalität nicht um einen Barbetrieb, sondern um einen Saunaklub handle. Die vom Bundesfinanzgericht herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei daher auf den Revisionsfall nicht anwendbar.
24 Dass die Interessenslage der Kunden bzw. Gäste eines Saunaklubs mit Getränkeausschank und angeschlossenen Separees anders gelagert sei, als bei einem Barbetrieb mit Separees, wurde in der Revision aber nicht nachvollziehbar dargelegt. Der Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes, dass für die Kunden nicht der Saunabesuch, sondern die Gelegenheit zur Vornahme sexueller Handlungen im Vordergrund gestanden habe und der darauf gestützten rechtlichen Beurteilung, kann daher mit diesem Vorbringen nicht entgegengetreten werden.
25 Zur Zulässigkeit wird in der Revision weiters vorgebracht, das Bundesfinanzgericht habe wesentliche Verfahrensgrundsätze verletzt, indem es auf Grund fehlender Aufzeichnungen der Prostitutionserlöse durch die Revisionswerberin dem Grunde nach von einer Schätzungsbefugnis ausgegangen sei. Damit habe das Bundesfinanzgericht in einem wesentlichen Punkt des Erkenntnisses diesem einen aktenwidrigen Inhalt zu Grunde gelegt, weil aktenkundig sei, dass Aufzeichnungen der Prostituierten über solche Erlöse aus den Jahren 2015 bis 2017 vorgelegen seien.
26Eine Aktenwidrigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht schon dann vor, wenn das Verwaltungsgericht einen Sachverhalt feststellt, der mit dem Vorbringen einer Partei im Widerspruch steht. Vielmehr liegt eine Aktenwidrigkeit erst dann vor, wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die auf Grund der Beweiswürdigung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. VwGH 11.10.2024, Ra 2023/13/0013).
27 In der Revision wird nicht behauptet, dass es sich bei den erwähnten Aufzeichnungen um Aufzeichnungen der Revisionswerberin gehandelt hätte, vielmehr werden diese ausdrücklich als Aufzeichnungen der Prostituierten bezeichnet. Damit wird aber eine aktenwidrige Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts durch das Bundefinanzgericht nicht aufgezeigt.
28Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß § 184 Abs. 3 BAO ist u.a. dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt, oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
29Gemäß § 131 Abs. 1 Z 2 lit. b BAO sollen, soweit nach den §§ 124 oder 125 BAO eine Verpflichtung zur Führung von Büchern besteht, alle Bareingänge und Barausgänge in den Büchern oder in den Büchern zu Grunde liegenden Grundaufzeichnungen täglich einzeln festgehalten werden. Solche Grundaufzeichnungen wurden von der Revisionswerberin nicht vorgelegt. Das Unterlassen der Vorlage von Grundaufzeichnungen begründet aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits die Schätzungsberechtigung (vgl. VwGH 27.2.2014, 2009/15/0212, mwN).
30 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. November 2025
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