Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Marzi als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeitfogel, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Mai 2024, 1. W226 2284958 1/9E und 2. W226 22849601/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Parteien: 1. K T und 2. T T, beide vertreten durch DDr. Rainer Lukits, LL.M., Rechtsanwalt in Salzburg), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
1Die mitbeteiligten Parteien, beide Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellten jeweils am 14. Jänner 2023 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit Bescheiden jeweils vom 18. Dezember 2023 zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte den mitbeteiligten Parteien keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.), und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt VI.).
3 Die dagegen seitens der mitbeteiligten Parteien erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit den angefochtenen Erkenntnissen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. als unbegründet ab (Spruchpunkt A I. der angefochtenen Erkenntnisse). Den Beschwerden betreffend die Spruchpunkte IV. gab es insofern statt, als die Rückkehrentscheidungen vorübergehend für unzulässig erklärt wurden (Spruchpunkt A II. der angefochtenen Erkenntnisse). Den Beschwerden betreffend die Spruchpunkte V. und VI. wurde stattgegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos aufgehoben (Spruchpunkt A III. der angefochtenen Erkenntnisse). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG wurde für nicht zulässig erklärt.
4 Gegen die Spruchpunkte A II. und A III. (Rückkehrentscheidung und darauf aufbauende Spruchpunkte) der angefochtenen Erkenntnisse richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Vorverfahren durchgeführt, im Rahmen dessen die mitbeteiligten Parteien eine Revisionsbeantwortung erstatteten.
6Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2025 teilten die mitbeteiligten Parteien mit, dass ihnen mittlerweile jeweils eine „Niederlassungsbewilligung - ausgenommenen Erwerbstätigkeit“ nach dem NAG unter Ausfolgung der betreffenden Karten mit Gültigkeit bis 14. Jänner 2026 erteilt worden sei.
7 Im Hinblick darauf teilte der Verwaltungsgerichtshof der revisionswerbenden Behörde - unter Einräumung einer Frist zur Äußerung - mit Verfügung vom 11. November 2025 mit, dass die Revision mittlerweile als gegenstandslos geworden zu erachten sei.
8 In der daraufhin erstatteten Stellungnahme vom 24. November 2025 sprach sich die revisionswerbende Behörde nicht gegen diese Annahme aus.
9Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.
10Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Prozessvoraussetzung für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses an der inhaltlichen Erledigung. Ein solches ist immer dann zu verneinen, wenn es (etwa auf Grund geänderter Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben, wenn also durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Revisionswerbers an der Entscheidung wegfällt. Liegt das Rechtsschutzbedürfnis schon bei Einbringung der Revision nicht vor, ist diese unzulässig (§ 34 Abs. 1 VwGG), fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens als gegenstandslos nach § 33 Abs. 1 VwGG. Diese Rechtsprechung hat auch für eine Amtsrevision Gültigkeit (vgl. VwGH 30.6.2025, Ra 2025/20/0073, mwN).
11 Die gegenständlich aus der Erteilung einer „Niederlassungsbewilligungausgenommen Erwerbstätigkeit“ nach dem NAG folgende - Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der mitbeteiligten Parteien (über die Fälle des § 60 Abs. 3 FPG hinaus) bewirkte die Gegenstandslosigkeit der Rückkehrentscheidung und der damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche, insbesondere auch des darauf aufbauenden Ausspruchs gemäß § 52 Abs. 9 FPG. Der Eintritt der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts steht nämlich der Aufrechterhaltung einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts anknüpft, entgegen (vgl. etwa VwGH 26.2.2024, Ra 2023/17/0130, mwN).
12Wie der Verwaltungsgerichtshof überdies schon klargestellt hat, führt die Gegenstandslosigkeit dazu, dass die Rückkehrentscheidung und die mit dieser im Zusammenhang stehenden Aussprüche (insbesondere auch gemäß § 52 Abs. 9 FPG) ex lege erloschen sind und folglich aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sind. Dieses Ausscheiden ist nicht etwa bloß vorübergehend (befristet bzw. bedingt), sondern endgültig (vgl. abermals VwGH 26.2.2024, Ra 2023/17/0130, mwN).
13Die Revision war daher wegen nachträglichen Wegfalls des rechtlichen Interesses in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
14Wird eine Revision - ohne formelle Aufhebung der angefochtenen Entscheidung - wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unter sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt, so ist die Kostenentscheidung nicht gemäß § 55 VwGG, sondern gemäß § 58 Abs. 2 VwGG zu treffen (vgl. etwa VwGH 9.7.2025, Ro 2024/12/0025, mwN).
15Die Zuerkennung von Aufwandersatz nach § 58 Abs. 2 VwGG setzt voraus, dass die Entscheidung hierüber keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, weil nicht ohne Weiteres und daher nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand beurteilt werden kann, welchen Ausgang das Verfahren genommen hätte, wäre keine Gegenstandslosigkeit eingetreten. Somit wird nach freier Überzeugung gemäß § 58 Abs. 2 VwGG entschieden, dass ein Zuspruch von Aufwandersatz nicht stattfindet.
Wien, am 4. Dezember 2025
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