Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J B W, vertreten durch MMag. Dr. Stephan Vesco, LL.M., Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2023, G301 2272655 1/6E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
1.1. Mit Bescheid vom 18. April 2023 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass dem Revisionswerber einem sich damals bereits seit einigen Jahren ohne Aufenthaltstitel in Österreich aufhaltenden Staatsangehörigen der USA von Amts wegen keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt werde, gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen werde, gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit seiner Abschiebung in die USA festgestellt werde und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt werde.
1.2. Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. Juli 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den vorgenannten Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Ferner sprach es aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
2.2. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die gegenständliche außerordentliche Revision vom 10. August 2023 mit einem Antrag auf Kostenersatz.
3.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof erhob, hat der Landeshauptmann von Wien dem Revisionswerber aufgrund dessen Erstantrags vom 17. Oktober 2022 mittlerweile einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ nach dem NAG unter Ausfolgung der betreffenden Karte am 5. September 2023 erteilt.
3.2. Im Hinblick darauf teilte der Verwaltungsgerichtshof dem Revisionswerber unter Einräumung einer Äußerung mit Verfügung vom 13. November 2023 mit, dass die Revision daher als gegenstandslos geworden zu erachten sei.
4. Der Revisionswerber wendete in seiner Stellungnahme vom 24. November 2023 ein, er halte die Revision aufrecht, da er aus näher erörterten Gründen (vgl. dazu näher unten Pkt. 9.) weiterhin ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof habe.
5.1. Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.
5.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einer Revision nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B VG unter einer Klaglosstellung gemäß § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eingetreten ist. Vielmehr liegt ein Einstellungsfall wegen Gegenstandslosigkeit auch dann vor, wenn der Revisionswerber infolge Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung hat und somit materiell klaglos gestellt wurde (vgl. etwa VwGH 6.12.2023, Ra 2020/22/0155, Pkt. 4.2., mwN; VwGH 1.6.2023, Ra 2023/17/0037, Rn. 23).
Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrensziels für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) von theoretischer Bedeutung sind (vgl. etwa VwGH 11.11.2021, Ra 2019/11/0078, Rn. 6; neuerlich VwGH 1.6.2023, Ra 2023/17/0037, Rn. 24; je mwN).
6. Vorliegend sprach das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis (durch Bestätigung des Bescheids der Behörde) aus, dass dem Revisionswerber von Amts wegen keine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt werde, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen werde, die Zulässigkeit seiner Abschiebung in die USA festgestellt werde und die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgesetzt werde.
7.1. Was zunächst den Ausspruch über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 betrifft, so wurde ein diesbezügliches rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof in der Stellungnahme des Revisionswerbers nicht behauptet.
7.2. Ein derartiges rechtliches Interesse ist auch nicht zu sehen.
In dem Zusammenhang ist vor allem auf § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hinzuweisen, wonach die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (unter anderem) voraussetzt, dass sich der Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Weiters ist auf § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 hinzuweisen, wonach ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel (unter anderem) gemäß § 57 AsylG 2005 unzulässig ist, wenn der Drittstaatsangehörige bereits über ein Aufenthaltsrecht (unter anderem) nach dem NAG verfügt.
Da vorliegend die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ nach dem NAG am 5. September 2023 unstrittig die Rechtmäßigkeit des weiteren Aufenthalts des Revisionswerbers herbeiführte, käme im Hinblick auf die soeben erörterten Bestimmungen selbst im Fall einer Aufhebung des Ausspruchs nach § 57 AsylG 2005 durch den Verwaltungsgerichtshof in weiterer Folge sei es in demselben oder in einem anderen Verfahren, sei es von Amts wegen oder auf Antrag die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 jedenfalls solange ein rechtmäßiger Aufenthalt nach dem NAG besteht (was nicht nur während der in der Regel befristeten Gültigkeitsdauer eines erteilten Aufenthaltstitels, sondern gegebenenfalls auch während eines anschließenden Verlängerungsverfahrens der Fall ist) nicht mehr in Betracht.
Folglich ist aber ein rechtliches Interesse des Revisionswerbers nicht zu sehen, macht es doch für seine Rechtsstellung im Ergebnis keinen Unterschied, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird.
8.1. Was die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt den damit verbundenen weiteren Aussprüchen anbelangt, so ist auch insofern ein rechtliches Interesse des Revisionswerbers an einer Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht gegeben.
8.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bewirkte die gegenständlich aus der Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ nach dem NAG folgende Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Revisionswerbers (über die Fälle des § 60 Abs. 3 FPG hinaus) die Gegenstandslosigkeit der Rückkehrentscheidung und der damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche, insbesondere auch des darauf aufbauenden Ausspruchs gemäß § 52 Abs. 9 FPG. Der Eintritt der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts steht nämlich der Aufrechterhaltung einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts anknüpft, entgegen (vgl. etwa VwGH 10.11.2022, Ra 2022/21/0085, Rn. 7, mwN; darauf verweisend auch VwGH 12.9.2023, Ra 2022/21/0028, Rn. 6).
9.1. Ein davon abweichendes Ergebnis zeigt auch der Revisionswerber in seiner Stellungnahme vom 24. November 2023 nicht auf.
9.2. Der Revisionswerber macht zunächst geltend, es treffe zwar zu, dass die Rückkehrentscheidung für die Dauer der Erteilung des Aufenthaltstitels gegenstandslos geworden sei. Aus der Rechtsprechung gehe aber nicht hervor, was beim Ablauf bzw. bei der Nichtverlängerung des Aufenthaltstitels zu gelten habe; diesfalls wäre nämlich ein Wiederaufleben und eine Vollstreckung zu befürchten.
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon klargestellt hat, führt die hier durch die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts infolge Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG bewirkte Gegenstandslosigkeit dazu, dass die Rückkehrentscheidung und die mit dieser im Zusammenhang stehenden Aussprüche (insbesondere auch gemäß § 52 Abs. 9 FPG) ex lege erloschen sind und folglich anders als der Revisionswerber in seiner Stellungnahme meint aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sind (vgl. etwa VwGH 6.12.2023, Ra 2020/22/0167, Pkt. 4.3., mwN; neuerlich VwGH 10.11.2022, Ra 2022/21/0085, Rn. 7, 9 und 10). Dieses Ausscheiden ist nicht etwa bloß vorübergehend (befristet bzw. bedingt), sondern endgültig, sodass die vom Revisionswerber geäußerte Befürchtung eines späteren Wiederauflebens und einer Vollstreckung unbegründet ist.
Dass die Rückkehrentscheidung fallbezogen bereits während ihrer Existenz bis zum ex lege Erlöschen (durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG am 5. September 2023) nachteilige Wirkungen für den Revisionswerber entfaltet hätte, zeigt dieser in seiner Stellungnahme nicht auf (vgl. abermals VwGH 10.11.2022, Ra 2022/21/0085, Rn. 11, mwN) und ist auch nicht zu sehen.
9.3. Der Revisionswerber releviert weiters, im Verfahren seien Anwaltskosten aufgelaufen, die im Fall der Einstellung frustriert seien bzw. für die der Verwaltungsgerichtshof keinen Ersatz mehr zusprechen könne. Es sei daher geplant, diese Kosten im Wege der Amtshaftung einzufordern, wofür eine stattgebende Revisionsentscheidung unbedingt erforderlich wäre.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, kann das (bloß wirtschaftliche) Interesse an einem Ausspruch über die Kosten des Verfahrens ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht begründen. Mit dem betreffenden Vorbringen wird daher insoweit kein beachtlicher Rechtsnachteil geltend gemacht, der eine inhaltliche Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof erfordern würde (vgl. etwa VwGH 17.11.2015, 2015/03/0003, Pkt. 4.3., mwN; VwGH 15.12.2009, 2007/05/0227).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Zusammenhang ferner schon klargestellt, dass auch allfällige Schadenersatzansprüche im Wege der Amtshaftung im Hinblick auf die im Verfahren aufgewendeten Kosten kein rechtliches Interesse begründen, das der Einstellung des betreffenden Verfahrens wegen Gegenstandslosigkeit entgegenstünde (vgl. abermals etwa VwGH 11.11.2021, Ra 2019/11/0078, Rn. 8; 17.10.2023, Ra 2021/21/0241, Rn. 7, mwN).
9.4. Der Revisionswerber vertritt weiters, ein rechtliches Interesse bestehe auch deshalb, weil ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erst nach Einbringung der gegenständlichen Revision erteilt worden sei. Ein Anspruchsverlust in einer solchen Konstellation wäre äußerst unbillig.
Insofern genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hinzuweisen, wonach bei Nichtvorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof schon bei Einbringung einer Revision diese als unzulässig zurückzuweisen ist, wohingegen wie vorliegend bei Wegfall der Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision das Verfahren einzustellen ist (vgl. etwa VwGH 27.7.2022, Ra 2022/17/0018, Rn. 8, mwN).
9.5. Der Revisionswerber führt schließlich aus, es wäre auch rechtspolitisch äußerst bedenklich, den Rechtsbestand nicht von klar rechtswidrigen Entscheidungen zu bereinigen. Es wäre „ein falsches Signal“ an die Behörden und Verwaltungsgerichte, wenn gegen Art. 8 EMRK verstoßende Entscheidungen durch die nachträgliche Erteilung von Aufenthaltstiteln „repariert“ werden könnten und dies ohne Konsequenzen im Revisionsverfahren bliebe.
Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hinzuweisen, wonach einem Beschwerdeführer nach den Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit kein Anspruch auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit des von ihm angefochtenen Bescheids, sondern nur ein Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheids, wenn dadurch gesetzwidrig und aktuell in seine Rechtssphäre eingegriffen wird, zukommt (vgl. etwa VwGH 23.5.2013, 2010/11/0083; 6.11.2020, Ro 2020/03/0014, Rn. 72; je mwN).
Vorliegend könnte wie bereits oben erörtert wurde die Rechtsstellung des Revisionswerbers auch durch eine Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses nicht verbessert werden, es fehlt ihm daher ein rechtliches Interesse an der Beseitigung der Entscheidung. Den vom Revisionswerber bekundeten rechtspolitischen Bedenken in Bezug auf das Bestehenbleiben allenfalls rechtswidriger Entscheidungen kommt in dem Zusammenhang keinerlei Bedeutung zu.
10. Insgesamt war daher aus den dargelegten Erwägungen das gegenständliche Revisionsverfahren wegen nachträglichen Wegfalls des rechtlichen Interesses in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und einzustellen.
11. Wird eine Revision ohne formelle Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unter sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt, so ist die Kostenentscheidung nicht gemäß § 55 VwGG, sondern gemäß § 58 Abs. 2 VwGG zu treffen (vgl. etwa VwGH 24.8.2023, Ro 2019/22/0012, Pkt. 6., mwN; neuerlich VwGH 6.12.2023, Ra 2020/22/0167, Pkt. 6.1.).
Im Hinblick darauf, dass die Frage des hypothetischen Schicksals der Revision nicht ohne nähere Prüfung zu lösen wäre und die Entscheidung über den vom Revisionswerber gestellten Kostenantrag daher einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, hat der Verwaltungsgerichtshof nach freier Überzeugung entschieden, dass kein Aufwandersatz zugesprochen wird (§ 58 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG.
Wien, am 26. Februar 2024