JudikaturVwGH

Ra 2024/13/0094 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger und die Hofrätin Dr. in Lachmayer sowie den Hofrat Mag. M. Mayr, LL.M., als Richter und Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision der P GmbH, vertreten durch die HGF Tax GmbH, Wirtschaftsprüfungs und Steuerberatungsgesellschaft in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 19. Juni 2024, RV/7101152/2019, betreffend Umsatzsteuer 2012 bis 2017, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheiden vom 17., 22. und 24. Februar 2016 wurde die Revisionswerberin zur Umsatzsteuer 2012 bis 2014 und mit Bescheiden vom 24. Jänner 2019 zur Umsatzsteuer 2015 bis 2017 veranlagt. In diesen Bescheiden behandelte das Finanzamt näher spezifizierte Leistungen, welche die Revisionswerberin von der in der Schweiz ansässigen SAG bezogen hatte, als im Inland umsatzsteuerpflichtig und vom Übergang der Steuerschuld nach § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 erfasst.

2Die gegen die Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2014 erhobenen Beschwerden wurden dem Bundesfinanzgericht vom Finanzamt nach abweisender Beschwerdevorentscheidung und Stellung eines Vorlageantrags zur Entscheidung vorgelegt. Die Vorlage der Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2015 bis 2017 erfolgte gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO ohne Erlassen einer Beschwerdevorentscheidung.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden ab. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Nach Darstellung des Verfahrensgangs stellte das Bundesfinanzgericht zusammenfassend fest, die S AG übermittle bei einer Abhebung an Bargeldautomaten die Vorabinformation an die kontoführende Bank, damit diese den Kontostand in Echtzeit anpassen könne. Die S AG erstelle danach einen durch die Revisionswerberin und die Bank nicht veränderbaren Zahlungsdatenträger, der prozesstechnisch beim Rechenzentrum der jeweiligen Bank eingespielt und dort verarbeitet werde. Beim „Clearing“ würden sodann sämtliche Einzeltransaktionen der Teilnehmer aufsummiert und den von den Transaktionen betroffenen Kreditinstituten zugeordnet. Es erfolge im Rahmen des „Settlements“ eine „Glattstellung“ zwischen den Konten der Kreditinstitute untereinander. Werde keine von der S AG im Auftrag der Revisionswerberin servicierte Debitkarte verwendet, fungiere ein Konto der Revisionswerberin als Gegenkonto, auf das die Ausgleichszahlungen erfolgten. Andernfalls erfolge der Ausgleich der Konten direkt und intern bei der S AG. Die Belastung der Konten jener Personen, die unmittelbar am Bargeldautomaten Geldbeträge behoben hätten, erfolge auf Grundlage der durch die S AG erstellten Dateien durch die jeweilige Bank bzw. das Rechenzentrum dieser Bank.

5 Daneben erbringe die S AG Unterstützungsleistungen bei der Ausgabe von Debitkarten, insbesondere das „Card Management“ (Servicierung der Debit Karten, Herausgabe, Abwicklung des Zahlungsverkehrs, insbesondere die Erbringung von EDV Leistungen) sowie das Drucken und Versenden von PINs.

6 Die S AG erbringe ein umfangreiches Leistungsbündel, das seinen Schwerpunkt in der EDV technischen Abwicklung des Supports im Zusammenhang mit Debit Karten sowie im Zusammenhang mit Behebungen an Bargeldautomaten habe. Die S AG erstelle nicht veränderbare Datensätze, die an die Rechenzentren der Banken übermittelt würden. Die Rechenzentren der Banken und nicht die S AG führten die Belastungen der Konten jener Personen durch, von denen Beträge abgebucht worden seien. Die Überweisung erfolge nicht durch die S AG. Die S AG erstelle für „Clearing“ und „Settlement“ nicht veränderbare Datensätze, was eine Glattstellung der Konten der Kreditinstitute herbeiführe. Das Gegenkonto, auf das die Ausgleichszahlungen erfolgten, werde von der Revisionswerberin und nicht von der S AG geführt. Die S AG sei nie Eigentümerin des übertragenen Geldes. Die Person, die Geld am Bargeldautomaten behebe, erwerbe an dem behobenen Geld zivilrechtlich Eigentum. Dieses Eigentum werde der bargeldbehebenden Person durch den Betreiber des Bankomaten verschafft. Im Rahmen des „Debit Issuing Supports“ erbringe die S AG insbesondere Leistungen im „Card Management“, durch das Drucken und Versenden von PINs und in der Abwicklung des Zahlungsverkehrs (insbesondere EDV Leistungen).

7Die Revisionswerberin habe für die Jahre 2012 bis 2014 unter Anwendung des § 12 Abs. 5 Z 1 UStG 1994 Vorsteuern in näher genanntem Ausmaß geltend gemacht. Dieses Begehren übersteige die Grenzen des § 12 Abs. 6 UStG 1994. Die geltend gemachten Vorsteuern seien weder ziffernmäßig dargelegt noch nachgewiesen worden.

8 Nach Darstellung von näher genannter Rechtsprechung, insbesondere des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) führte das Bundesfinanzgericht aus, dass sich die revisionsgegenständlichen Leistungen der SAG nicht auf die spezifischen und wesentlichen Elemente eines gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 steuerfreien Umsatzes bezögen.

9 Auch bewirke die bloße Ausführung dieser Leistungen, zu denen auch die automatisierte Erstellung und Weiterleitung von Datensätzen gehöre, keine finanziellen und rechtlichen Änderungen auf den Bankkonten. Die vom Dienstleistungserbringer seiner Bank vorgelegten Abrechnungsdateien stellten nichts Anderes dar als Zahlungsanweisungen in elektronischer Form. Die S AG ordne durch die Erstellung, Verarbeitung und Weiterleitung von Datensätzen eine Belastung oder Gutschrift an, führe diese aber nicht selbst durch. Die Auszahlung am Bargeldautomaten erfolge ebenfalls nicht durch die S AG.

10 Aus dem Vertrag zwischen der Revisionswerberin und der S AG sei abzuleiten, dass dieser Vertrag EDV-technische Leistungen betreffe.

11 Die S AG habe nur „technischen Zugriff“ auf die Kundenkonten, um entsprechende Überprüfungshandlungen durchführen zu können. Deshalb müsse sich die S AG mit den von ihr erstellten Datenträgern an die Rechenzentren der Banken wenden, weil nur die Banken die entsprechenden Verbuchungen auf den Kundenkonten durchführen könnten.

12 Die Leistungen der S AG an die Revisionswerberin stellten im weit überwiegenden Umfang rein EDV technische Dienstleistungen dar. Die S AG führe keine Überweisungen zulasten der Kundenkonten durch. Die Leistungen der SAG erstreckten sich nicht auf die spezifischen und wesentlichen Elemente der Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr. Die Leistungen bewirkten insbesondere keine rechtlichen Änderungen in Ansehung der Kundenkonten. Damit seien die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 schon aus diesem Grund nicht gegeben.

13 Selbst bei Unterstellung, die SAG hätte durch ihre an die Revisionswerberin erbrachte Leistung eine Überweisung im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 bewirkt, lägen im Revisionsfall mehrere Einzelleistungen vor, die so eng miteinander verbunden seien, dass sie objektiv eine einzige untrennbare Leistung bildeten, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Deren Schwerpunkt liege in der EDV technischen Abwicklung näher genannter Vorgänge und komme besagte Steuerbefreiung darauf nicht zur Anwendung.

14Hinsichtlich der erst im Beschwerdeverfahren begehrten Vorsteuern sei festzuhalten, dass es der Zweck des § 12 Abs. 5 Z 1 UStG 1994 sei, eine Vereinfachung bei der Ermittlung der Vorsteuern zu bewirken. Die Grenzen des § 12 Abs. 6 UStG 1994 seien im Begehren der Revisionswerberin unstrittig überschritten worden. Die Revisionswerberin habe die Vorsteuern weder dem Grunde noch der Höhe nach nachgewiesen oder glaubhaft gemacht.

15 Dagegen wendet sich die Revisionswerberin mit der gegenständlichen Revision.

16Der Verwaltungsgerichtshof leitete gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren ein. Die belangte Behörde erstatte eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung der Revision beantragte; Aufwandersatz wurde nicht begehrt.

17 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

18Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

19Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

20Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, es bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem Sachverhalt wie dem gegenständlichen. Insbesondere sei dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 2023, Ra 2022/13/0084, ein Sachverhalt zugrunde gelegen, bei dem die Bank die Überweisung durchgeführt habe. Dem gegenständlichen Verfahren liege hingegen ein Sachverhalt zugrunde, bei dem nicht die Bank, sondern die S AG die Überweisung veranlasst habe.

21 Das Bundesfinanzgericht weiche zudem von näher genannter Rechtsprechung des EuGH ab, indem es im Ergebnis die Steuerbefreiung unter Verweis auf die „edv technische“ Art der Dienstleistung versagt habe.

22 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf.

23Ausgangspunkt für die Prüfung, ob eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber bei der Darlegung der Zulässigkeit seiner Revision von diesem Sachverhalt, ohne weitere Gründe im Sinn des § 41 VwGG wiederum als Ausfluss einer unrichtigen Beantwortung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutungzu relevieren, liegt schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 6.4.2022, Ra 2022/13/0018, mwN).

24 Die Revisionswerberin macht im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens keine Verfahrensmängel geltend, stützt ihr Zulässigkeitsvorbringen aber auf einen Sachverhalt, der von jenem abweicht, den das Bundesfinanzgericht festgestellt und dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegt hat. Entgegen den Darlegungen zum Sachverhalt im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens ging das Bundesfinanzgericht nämlich davon aus, dass die Rechenzentren der Banken und nicht die S AGdie Belastungen der Kundenkonten tatsächlich durchgeführt hätten. Dass die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 auf diesen festgestellten Sachverhalt Anwendung finde, behauptet die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision aber nicht.

25 Zudem tritt die Revisionswerberin den Ausführungen des Bundesfinanzgerichts, wonach es sich bei dem revisionsgegenständlichen Leistungsbündel der S AG um eine einheitliche Leistung handle, welche insgesamt auch bei Vorliegen einer Überweisungnicht von der fraglichen Steuerbefreiung umfasst sei (vgl. dazu VwGH 22.3.2023, Ra 2022/13/0084), in der Begründung der Zulässigkeit der Revision nicht entgegen. Die bloße Behauptung, der revisionsgegenständliche Sachverhalt sei mit jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 2023, Ra 2022/13/0084, zugrunde gelegen sei, nicht vergleichbar, schließt selbst wenn sie zuträfe das Bestehen einer einheitlichen Leistung nicht aus.

26 Zur Zulässigkeit der Revision wird des Weiteren vorgebracht, das Bundesfinanzgericht sei u.a. von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es den Vorsteuerabzug zur Gänze versagt habe. Es sei auch der Vorsteuerabzug für jene Eingangsleistungen versagt worden, die nicht von der S AG bezogen worden und nicht direkt zuordenbar seien und im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Umsätzen stünden.

27 Dazu führt die Revisionswerberin zunächst aus, die Vorsteuern würden sich aus ihrem näher bezeichneten Vorbringen im Beschwerdeverfahren ergeben und seien auch von der Abgabenbehörde akzeptiert worden.

28Bei Vorsteuerbeträgen, die sowohl mit unecht steuerfreien als auch mit anderen Umsätzen im Zusammenhang stehen, muss ein Aufteilungsmaßstab gewählt werden, der im Einzelfall zu einem möglichst sachgerechten Ergebnis führt. Eine bestimmte Vorgangsweise schreibt das Gesetz hierfür nicht vor. Zulässig ist jede Methode, die eine wirtschaftlich zutreffende Zuordnung der Vorsteuerbeträge gewährleistet. Fehlen die Grundlagen für eine sachgerechte exakte Zuordnung dieser gemischten Vorsteuerbeträge nach § 12 Abs. 4 UStG 1994, so ist zu schätzen (vgl. VwGH 30.9.2015, 2012/15/0129, mwN).

29Die Aufteilung muss gemäß § 12 Abs. 5 und 6 UStG 1994 nicht nach dem Umsatzschlüssel erfolgen, wenn dieser zu keinem möglichst sachgerechten Ergebnis führt. Zu dem Wahlrecht der Revisionswerberin nach § 12 Abs. 5 UStG 1994 ist daran zu erinnern, dass dieses Wahlrecht nur bei Vorliegen der in § 12 Abs. 6 UStG 1994 genannten Voraussetzungen besteht (vgl. VwGH 31.1.2018, Ra 2016/15/0001, mwN).

30Die Revisionswerberin tritt der Annahme des Bundesfinanzgerichts, wonach die in § 12 Abs. 6 UStG 1994 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien, nur insoweit entgegen, als sie vorbringt, es sei zu verneinen, dass „offenkundig die Grenzen des § 12 Abs 6 UStG“ überschritten seien. Diese Vorsteuern seien auch vom Finanzamt anerkannt worden. Die Revisionswerberin wendet sich aber nicht gegen die Feststellung des Bundesfinanzgerichts, wonach diese Vorsteuern nicht ziffernmäßig dargelegt oder nachgewiesen worden seien. Ebenso wenig behauptet sie, dass sie der Abgabenbehörde oder dem Bundesfinanzgericht diesbezügliche Unterlagen übermittelt habe. Auch konkrete steuerpflichtige Umsätze, welche die Revisionswerberin ausgeführt habe und die zumindest indirekt mit den begehrten Vorsteuern in Zusammenhang stünden, zeigt sie nicht auf und sind auch dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

31Vor diesem Hintergrund gelingt es der Revisionswerberin in ihren Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision nicht aufzuzeigen, dass das Bundesfinanzgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, die Regelung des § 12 Abs. 6 UStG 1994 sei der begehrten Vorsteueraufteilung nach § 12 Abs. 5 UStG 1994 entgegengestanden.

32 In der Revision wird sohin keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

33Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 28. August 2025