Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des Dr. G K in K, vertreten durch die Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 51/DG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. März 2024, W129 22524371/16E, betreffend eine Angelegenheit nach dem BEinstG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Oberlandesgerichtes Graz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber ist Richter am Landesgericht Klagenfurt.
2Am 25. März 2021 beantragte der Revisionswerber bei der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht unter Berufung auf §§ 6 f Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) die Herabsetzung seiner Auslastung auf 50% ohne Bezugskürzung ab dem 1. April 2021 und „die anschließende Berücksichtigung des entsprechenden Wegfalls in der Planstellenbewirtschaftung des OLG Sprengels sowie jedenfalls die Anweisung des Personalsenates am LG Klagenfurt zur Umsetzung dieser Entlastung im Rahmen der richterlichen Geschäftsverteilung“, in eventu die „Veranlassung alternativer und möglichst gleichwertiger Entlastungsmaßnahmen, so etwa in Form der unterstützenden Zuteilung bereits geprüfter Richteramtsanwärter zweimal jährlich“.
3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. August 2021 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Herabsetzung der Auslastung auf 50% einer Vollzeitkraft ohne Bezugskürzung ab 1. April 2021 abgewiesen (Spruchpunkt 1); die weiters vom Revisionswerber gestellten Anträge wurden zurückgewiesen (Spruchpunkt 2).
4 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, das diese mit der Maßgabe, in Spruchpunkt 1. werde das Wort „abgewiesen“ durch das Wort „zurückgewiesen“ ersetzt, als unbegründet abwies. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
5In seiner Entscheidungsbegründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, mit Bescheid vom 8. Juni 2017 habe das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen beim Revisionswerber einen Gesamtgrad der Behinderung im Ausmaß von 50% (Dauerzustand) festgestellt. Es handle sich beim Revisionswerber somit um einen begünstigten Behinderten iSd § 2 Abs. 1 erster Satz BEinstG. § 6 Abs. 1 und 1a BEinstG enthielten eine spezielle Fürsorgepflicht des Dienstgebers gegenüber begünstigten Behinderten, wobei nach näher zitierter Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union eine Verkürzung der Arbeitszeit eine „geeignete Vorkehrungsmaßnahme“ darstelle. Die persönliche Fürsorgepflicht des Dienstgebers gelte nach näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch gegenüber Richtern. Da Richter keiner Arbeitszeitregelung unterworfen seien, komme bei diesen eine Verkürzung der Arbeitszeit als Vorkehrungsmaßnahme nicht in Betracht. Allerdings habe der Personalsenat bei der Aufgabenzuweisung verhältnismäßig auf alle möglichen tatsächlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Richter Rücksicht zu nehmen. Dabei habe der Personalsenat im Rahmen der ihm aufgetragenen fürsorglichen gleichmäßigen Auslastung die individuellen Belastungen der Richter abseits der Arithmetik so aneinander anzunähern, dass alle Richter eine gleiche Anstrengung gemessen an ihrem Leistungsvermögenaufwiesen. Auch der Verfassungsgerichtshof gehe in seiner Rechtsprechung (Hinweis auf VfGH 27.9.2023, G 219/2023 und G 235/2023) davon aus, dass bei begünstigten behinderten Richtern gemäß § 26a Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) in Erfüllung der Fürsorgepflicht gemäß § 6 BEinstG eine entsprechende Entlastung sofern erforderlich im Rahmen der Geschäftsverteilung zu erfolgen habe.
6Demgemäß sei im Fall des Revisionswerbers der Personalsenat angehalten, auf die besondere gesundheitliche Situation des Revisionswerbers, die eine Entlastung erfordere, einzugehen und im Wege der Geschäftsverteilung einen Ausgleich vorzunehmen. Die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung, also ein Verstoß gegen § 6 BEinstG, könne auf dem in § 27 GOG vorgesehenen Weg bekämpft werden.
7Fallbezogen habe die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers jedoch im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der nach dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ anstelle der §§ 6 f BEinstG anzuwendende § 75g RStDG sehe bei Herabsetzung der Auslastung eine aliquote Kürzung des Monatsbezuges vor, weshalb keine Rechtsgrundlage für eine Herabsetzung der Auslastung bei vollen Bezügen bestehe. Allerdings liege so das Bundesverwaltungsgericht mit näherer Begründungzwischen §§ 6 f BEinstG und § 75g RStDG kein Widerspruch vor und sei § 75g RStDG nicht als lex specialis zu §§ 6 f BEinstG anzusehen. Deshalb habe die belangte Behörde den auf §§ 6 f BEinstG gestützten Antrag des Revisionswerbers irrig vor dem Hintergrund des § 75g RStDG geprüft und zu Unrecht eine Sachentscheidung getroffen. Richtigerweise hätte sie auch diesen Antrag des Revisionswerbers zurückweisen müssen.
8 Schließlich legte das Bundesverwaltungsgericht dar, dass es sich beim Personalsenat um ein unabhängiges und weisungsfreies Kollegialorgan handle, dessen Anweisung durch die belangte Behörde nicht in Betracht komme. Auch gebe es keine gesetzliche Grundlage für das Bestehen eines subjektiven Rechtsanspruches eines Richters auf Zuweisung von Richteramtsanwärtern. Deshalb seien die weiteren Anträge des Revisionswerbers zu Recht zurückgewiesen worden.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13Zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision macht der Revisionswerber geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage des Verhältnisses des § 7 BEinstG zu § 75g RStDG. Insbesondere sei unklar, ob § 75g RStDG, der (iVm § 76d Abs. 1 Z 1 RStDG) eine Herabsetzung der Auslastung eines Richters bei aliquoter Kürzung des Monatsbezuges ermögliche, gegenüber § 7 BEinstG, der Bezugskürzungen nicht zulasse, eine „lex specialis“ darstelle. Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber jedoch schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, weil er den verfahrenseinleitenden Antrag nicht auf § 75g RStDG gestützt hat und das Bundesverwaltungsgericht § 75g bzw. § 75d Abs. 1 Z 1 RStDG bei der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses auch nicht (tragend) angewendet hat.
14Der Antrag des Revisionswerbers (nach dessen Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht, der der Revisionswerberin der Zulässigkeitsbegründung seiner Revision nicht entgegengetreten ist) war ausschließlich auf §§ 6 f BEinstG gestützt und darauf gerichtet, vor dem Hintergrund der aus § 6 BEinstG abgeleiteten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers eine Entlastung ohne gleichzeitige (aliquote) Kürzung seiner Bezüge zu erreichen.
15In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof zu einem vom Bundesverwaltungsgericht anlässlich des vorliegenden Verfahrens gestellten Normenkontrollantrag festgehalten, dass eine entsprechende Entlastung bei begünstigt behinderten Richtern in Erfüllung der Fürsorgepflicht nach § 6 BEinstG gemäß § 26a GOG im Rahmen der Geschäftsverteilung erfolgen kann bzw. zu erfolgen hat, wobei die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung (also ein Verstoß gegen § 6 BEinstG) von einer betroffenen Person auf dem in § 27 GOG vorgesehenen Weg bekämpft werden kann. Sofern eine Vollzeitbeschäftigung nach Ausschöpfung dieser Möglichkeiten nicht in Betracht kommt, liegt Dienstunfähigkeit vor (vgl. VfGH 21.9.2023, G 219/2023, G 235/2023). Vor diesem Hintergrund kam das Bundesverwaltungsgericht sodann im Hinblick auf die Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über Fragen der Geschäftsverteilungzu dem Ergebnis, dass der verfahrenseinleitende Antrag des Revisionswerbers zurückzuweisen war. Aus welchem Grund die vom Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis der §§ 6 f BEinstG zu § 75g RStDG fallbezogen sohin maßgeblich sein sollte, ist nicht ersichtlich und wurde vom Revisionswerber in der vorliegenden Revision nicht näher dargetan.
16 Weiters ist entgegen der vom Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung seiner Revision vertretenen Rechtsansichtauch nicht ersichtlich, aus welchem Grund es fallbezogen maßgeblich sein sollte, ob der Personalsenat auch über besoldungsrechtlichen Ansprüche entscheiden könne, zumal die Nichtkürzung seiner Bezüge im Fall einer Entlastung nach § 26a GOG iVm § 6 BEinstG keiner gesonderten Beschlussfassung bedürfte. Auch mit seinen Ausführungen zur Frage der Kompetenzen des Personalsenates zeigt der Revisionswerber somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B VG auf.
17 Dies gilt schließlich auch für den in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision behaupteten Verstoß gegen das Überraschungsverbot.
18Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das sogenannte Überraschungsverbot auch im Verwaltungsverfahren anzuwenden. Unter dem Überraschungsverbot ist das Verbot zu verstehen, dass das Verwaltungsgericht in seine rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgehalten, dass sich das zum Überraschungsverbot in Beziehung gesetzte Parteiengehör nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, nicht aber auf die vorzunehmende rechtliche Beurteilung erstreckt. Auch führt ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot nur dann zu einer Aufhebung der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erledigung, wenn diesem Verfahrensmangel Relevanz zukommt, was im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof darzulegen ist (vgl. zum Ganzen VwGH 19.6.2019, Ra 2019/02/0098, Rn. 16, mwN). Fallbezogen hat der Revisionswerber nicht dargetan, welche Sachverhaltselemente das Verwaltungsgericht in seine Beurteilung einbezogen habe, die ihm nicht bekannt waren. Im Übrigen hat es der Revisionswerber auch verabsäumt, die Relevanz des von ihm behaupteten Verfahrensmangels darzulegen.
19 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 11. Oktober 2024