JudikaturVwGH

Ra 2024/11/0066 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und den Hofrat Dr. Faber als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Oswald als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision der A M in W, vertreten durch Dr. Michael Paul Parusel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stadiongasse 6 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2023, Zl. W141 2278270 2/12E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Verbrechensopfergesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Landesstelle Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in Bestätigung eines Bescheides des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, den Antrag der Revisionswerberin auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld, Übernahme der Kosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung und orthopädische Versorgung gemäß § 1 Abs. 1 Verbrechensopfergesetz VOG ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht stellte auf das Wesentliche zusammengefasst fest, die Revisionswerberin sei (unter näherer Angabe von Uhrzeit und Örtlichkeiten) mit zwei namentlich bestimmten Männern am 15. Juli 2021 in der Nacht mit elektrischen Leihrollern auf einer Straße im ersten Wiener Gemeindebezirk unterwegs gewesen. Als sie vor einer Ampel abgebremst habe, habe der Schädiger aus Unachtsamkeit sowie auf Grund seiner Alkoholisierung nicht mehr rechtzeitig reagieren können und sie mit dem Vorderrad von hinten links am Hinterrad ihres Leihrollers gerammt. Es stehe nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest, dass der Schädiger es zumindest ernstlich für möglich gehalten oder sich damit abgefunden habe, die Revisionswerberin zu verletzen. Vielmehr habe er jedenfalls mit Wahrscheinlichkeit unter Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt schlicht zu spät reagiert.

3 Die Revisionswerberin sei gestürzt und habe dabei näher beschriebene Verletzungen erlitten. Die gänzliche Heilung sei noch nicht abgeschlossen, da die von ihr konsultierten Zahnärzte ihre Behandlung auf Grund der Komplexität des Falles abgelehnt hätten. Schmerzen sowie eine krankheitswertige posttraumatische Belastungsstörung dauerten an. Aber auch bei unverzüglicher Behandlung hätte diese jedenfalls mehr als drei Monate bis zur Heilung sämtlicher Gesundheitsschädigungen in Anspruch genommen. Mit schweren Dauerfolgen sei jedoch nicht zu rechnen.

4 Das gegen den Schädiger wegen § 84 Abs. 1 StGB geführte Strafverfahren sei mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. August 2022 unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren eingestellt worden.

5 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, § 1 Abs. 1 VOG knüpfe den Anspruch des Geschädigten an das Vorliegen einer zumindest bedingt vorsätzlichen Handlung. Eine ausreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne dieser Bestimmung sei erst gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spreche.

Es wäre daher erforderlich gewesen, dass der Schädiger mit Wahrscheinlichkeit zumindest mit Eventualvorsatz in Bezug auf eine Misshandlung der Revisionswerberin gehandelt hätte. Nach den Feststellungen habe er jedoch bloß (grob) fahrlässig gehandelt, da er lediglich die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen habe. Ein Anspruch nach dem VOG scheide daher bereits dem Grunde nach aus. Zwar handle es sich bei der nächtlichen Inbetriebnahme eines elektrischen Rollers nach dem Konsum von jedenfalls vier bis fünf alkoholischen Getränken um eine auffallende Sorglosigkeit, doch lasse der festgestellte Sachverhalt keineswegs auf Eventualvorsatz schließen. Die Abweisung des Antrags werde auch nicht bloß auf die erfolgte Einstellung des Strafverfahrens gestützt. Die zweifellos vorliegende Schwere der Verletzung könne das Erfordernis des Vorliegens einer vorsätzlichen rechtswidrigen Handlung nicht subsituieren.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Dem Erfordernis einer (gesonderten) Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa VwGH 1.8.2023, Ra 2023/11/0108, mwN).

10 Die Revision ist in eine Vollmachtsbekanntgabe, Ausführungen zur Zuständigkeit und Rechtzeitigkeit, eine Revisionserklärung, den Sachverhalt, Ausführungen zur „Begründetheit der a.o. Revision“ und Anträge gegliedert, wobei in den Revisionsgründen ausführlich die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 VOG seien nicht erfüllt, bekämpft wird.

11 Die Revision enthält bei Würdigung ihres gesamten Inhaltes abweichend von § 28 Abs. 3 VwGG aber keine gesonderte Darstellung jener Gründe, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG für zulässig erachtet wird.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Revision daher mit einem der Verbesserung nicht zugänglichen Mangel behaftet und nicht zulässig (vgl. etwa VwGH 26.2.2024, Ra 2024/03/0006, mwN).

13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. Juni 2024

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