Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und die Hofrätin MMag. Ginthör sowie den Hofrat Dr. Faber als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien (an dessen Stelle gemäß § 22 VwGG eingetreten: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 17. Oktober 2023, Zl. VGW 021/020/13008/2023 2, betreffend Übertretung des TNRSG (mitbeteiligte Partei: R B in W, vertreten durch Dr. Martin Mahrer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 19/5. Stock, und die Urbanek Rudolph Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Europaplatz 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Behörde vom 6. Juli 2023 wurde die Mitbeteiligte schuldig erkannt, sie habe entgegen § 12 Abs. 1 Z 4 Tabak und Nichtraucherinnen bzw. Nichtraucherschutzgesetz TNRSG als Inhaberin eines Gastgewerbebetriebes an einer näher genannten Adresse am 16. Jänner 2023, um „01:30 (Kontrolle durch die LPD Wien)“, entgegen § 13c Abs. 2 Z 1 TNRSG nicht dafür Sorge getragen, dass in diesen Räumen nicht geraucht werde, da zum Kontrollzeitpunkt im Lokal volle Aschenbecher aufgestellt gewesen seien und es nach Zigarettenrauch gerochen habe. Dadurch habe die Mitbeteiligte § 14 Abs. 4 iVm § 12 Abs. 1 Z 4 iVm § 13c Abs. 2 Z 1 TNRSG verletzt, weshalb über sie gemäß § 14 Abs. 4 erster Strafsatz TNRSG eine Geldstrafe von € 800, (Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden) verhängt wurde. Weiters erfolgte eine Kostenausspruch gemäß § 64 VStG.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde Folge, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Mitbeteiligte gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG sei unzulässig.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, nach näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 15.7.2011, 2011/11/0059; 20.3.2012, 2011/11/0215; 20.2.2013, 2011/11/0097), die zu dem früher geltenden Tabakgesetz ergangen sei, stelle das tatsächliche Rauchen im Tatzeitpunkt ein normatives Tatbestandselement der (früheren) Übertretung des § 13c Abs. 2 Z 3 Tabakgesetz (betreffend ein Rauchverbot in Räumen öffentlicher Orte) bzw. der (früheren) Übertretung des § 13c Abs. 2 Z 4 Tabakgesetz (betreffend ein Rauchverbot in Räumen von Gastgewerbebetrieben) dar. Nach diesen Bestimmungen habe der jeweilige Inhaber Sorge zu tragen gehabt, dass in den betreffenden Räumen „nicht geraucht wird“.
4 Diese Rechtsprechung komme im Hinblick auf den „wortidenten Inhalt“ auch auf die hier maßgebliche Bestimmung des § 13c Abs. 2 Z 1 TNRSG zur Anwendung, die jeder Inhaberin vorschreibe, dafür Sorge zu tragen, dass in einem Raum oder einer Einrichtung gemäß § 12 Abs. 1 bis 3 TNRSG nicht geraucht werde.
5 Zwar sei die Rechtfertigung der Mitbeteiligten schon in Hinblick auf die „Feststellungen“ der einschreitenden Polizeibeamten das Verwaltungsgericht nennt einen Einsatz auf Grund Lärms aus einem Lokal, Musik und Gegröle aus dem Lokal bei Eintreffen vor Ort, nachäffende Reaktionen auf die Aufforderung, das Lokal zu öffnen, herumstehendes benutztes Geschirr im Lokal, Teller mit Lebensmittel in der Küche und eingeschaltete Musikboxen nicht glaubwürdig und nicht nachvollziehbar. Dennoch sei im Hinblick auf die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Straferkenntnis der revisionswerbenden Behörde aufzuheben und das Verfahren einzustellen gewesen, da der auf die Anzeige gestützte Tatvorwurf ohne Bezugnahme auf ein tatsächliches Rauchen keine Verwaltungsübertretung darstelle. Im Übrigen sei laut Anzeige, in der lediglich auf die auf den Tischen aufgestellten vollen Aschenbecher und den Zigarettenrauchgeruch hingewiesen werde, tatsächliches Rauchen zum Tatzeitpunkt gar nicht festgestellt worden.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der Behörde. Der zuständige Bundesminister erklärte gemäß § 22 VwGG seinen Eintritt in das Revisionsverfahren.
7 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit führt die Revision insbesondere aus, das Verwaltungsgericht habe höchstgerichtliche Rechtsprechung herangezogen, welche sich auf eine Rechtslage vor Einführung des absoluten Rauchverbotes in der Gastronomie gemäß § 12 Abs. 1 Z 4 TNRSG idF BGBl. I Nr. 66/2019 beziehe, und sich mit der geltenden Rechtslage nicht auseinandergesetzt.
8 Die Mitbeteiligte erstattete im Vorverfahren Revisionsbeantwortungen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Die Revision ist aus den von ihr geltenden gemachten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22. Jänner 2024, Ra 2023/11/0122, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl. I Nr. 101/2015, auf welche das uneingeschränkte Rauchverbot in der Gastronomie und im Besonderen auch § 12 Abs. 1 Z 4 und § 13c Abs. 2 Z 1 TNRSG in ihrer auch im vorliegenden Revisionsfall anwendbaren Fassung zurückgehen, Folgendes ausgeführt:
„Das Rauchverbot gemäß [§ 12 Abs. 1 Z 4 TNRSG] herrscht in den betreffenden Räumlichkeiten wie die wiedergegebenen Materialien belegen u.a. zwecks Vermeidung einer vom Gesetzgeber als gesundheitsgefährdend erachteten ‚Drittrauch Exposition‘ bzw. zur Vermeidung von ‚kaltem‘ Rauch ganz allgemein und uneingeschränkt. Es ist daher weder auf die Öffnungszeiten des Gastronomiebetriebes begrenzt, noch setzt es die tatsächliche (gleichzeitige) Anwesenheit von Gästen voraus (siehe z.B. auch § 13 Abs. 2 TNRSG sowie das Rauchverbot in Hotelzimmern, das ebenfalls ganz offenkundig nicht von der Präsenz anderer Gäste in dem jeweiligen Hotelzimmer abhängig ist).“
11 Der Verwaltungsgerichtshof hob daher mit dem zitierten Erkenntnis Ra 2023/11/0122 das im damaligen Verfahren angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts auf, weil dieses von der unzutreffenden Rechtsansicht ausgegangen war, dass die Anwesenheit von Gästen des Gastronomiebetriebes im Zeitpunkt des Rauchens in dem vom Rauchverbot des § 12 Abs. 1 Z 4 TNRSG umfassten Bereich für die Erfüllung des Tatbildes dieser Bestimmung erforderlich sei.
12 Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist es für eine Übertretung des § 13c Abs. 2 Z 1 iVm § 12 Abs. 1 Z 4 TNRSG auch nicht erforderlich, dass zur Tatzeit (also etwa im Kontrollzeitpunkt) tatsächlich geraucht wurde, sofern nur auf Grund einer entsprechenden Beweiswürdigung festgestellt werden kann, dass in einem vom Rauchverbot des § 12 Abs. 1 Z 4 TNRSG umfassten Bereich entgegen diesen Bestimmungen das Rauchverbot (irgendwann) nicht eingehalten wurde und die Inhaberin gemäß § 13c Abs. 1 TNRSG für die Einhaltung dieses Verbotes nicht Sorge getragen hat.
13 Das Verwaltungsgericht hat insofern die Rechtslage verkannt und ausgehend davon auch die notwendigen Feststellungen nicht getroffen.
14 Es hat dadurch sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weswegen dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 28. Jänner 2025