JudikaturVwGH

Ra 2023/11/0162 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
08. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision der Österreichischen Zahnärztekammer, vertreten durch die Tschurtschenthaler Walder Fister Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch Platz 7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 14. September 2023, Zl. VGW 106/078/10286/2020 30, betreffend Feststellung des Bedarfs an einem selbständigen Zahnambulatorium (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: S GmbH in W, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 27. Mai 2020 ab und bestätigte die Entscheidung der belangten Behörde mit der Maßgabe, dass deren Spruch dahingehend zu lauten habe, dass gemäß § 5 Abs. 3a Wiener Krankenanstaltengesetz 1987 Wr. KAG iVm. § 1 Abs. 1 Z 2 und Anlage 2 Blatt 4 der am 22. Februar 2023 im RIS kundgemachten Verordnung der Gesundheitsplanungs GmbH zur Verbindlichmachung von Teilen des Regionalen Strukturplans Gesundheit Wien (RSG Wien VO 2023) festgestellt werde, dass das Vorhaben der Mitbeteiligten zur Errichtung eines Ambulatoriums für Zahnmedizin mit Kassenvertrag an einem näher bezeichneten Standort in 1210 Wien gemäß einer im Spruch wiedergegebenen Beschreibung mit der RSG Wien VO 2023 übereinstimme. Nach dieser Beschreibung solle das betreffende Ambulatorium das gesamte Leistungsspektrum der Zahnmedizin abdecken. Es würden dort sowohl Prophylaxe, konservierende Leistungen, prothetische Leistungen, kieferorthopädische Leistungen als auch Implantate angeboten werden. Das Ambulatorium solle der Versorgung der Gesamtbevölkerung dienen, wobei der Schwerpunkt auf Patienten mit chronischen Schmerzerkrankungen sowie Patienten mit Demenzerkrankungen liegen werde. Hinsichtlich der klassischen zahnmedizinischen Leistungen seien drei Behandlungskojen mit je einem Arzt und zwei Assistenten vorgesehen. Es seien 149 „Produktivstunden“ pro Woche geplant. Hinsichtlich der kieferorthopädischen Leistungen sei eine Behandlungskoje mit drei Stühlen vorgesehen. Hierdurch werde eine Kapazität von 500 neuen Fällen pro Jahr ermöglicht. Die Leistungen würden von Montag bis Donnerstag von 7:00 bis 20:00 Uhr, Freitag von 7:00 bis 18:00 Uhr, Samstag nach Bedarf erbracht werden. An Personal seien eine ärztliche Leitung (Vollzeit), vier Zahnärzte (Vollzeit), zwei Kieferorthopäden (Vollzeit), 14 Assistenten (Vollzeit) und fünf Verwaltungskräfte (Vollzeit) vorgesehen. Das Ambulatorium werde vorwiegend erstattungsfähige Leistungen auf Grund von Kassenverträgen (Sachleistungen) erbringen. In einem geringen Umfang würden auch Leistungen erbracht werden, für die satzungsgemäß Zuschüsse durch die gesetzlichen Krankenkassen geleistet werden würden. In einem geringen Umfang, in dem sie üblicherweise von einem Vertragszahnarzt bzw. Vertragskieferorthopäden erbracht werden würden, würden auch Leistungen erbracht werden, für die eine Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen nicht erfolge und für die auch keine satzungsgemäßen Zuschüsse geleistet werden würden. Schließlich sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der IST-Stand an ärztlichen ambulanten Versorgungseinheiten (ÄAVE) von niedergelassenen Ärzten und von selbständigen Ambulatorien mit Kassenvertrag sowie von kasseneigenen Ambulatorien im Fach Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (ZMK), inklusive Kieferorthopädie in der Versorgungsregion 93, in der das beantragte Ambulatorium liege, betrage 89,6 ÄAVE (Stand 2021). In dem von der Mitbeteiligten beantragten selbständigen Ambulatorium würden fünf Zahnärzte und zwei Kieferorthopäden jeweils Vollzeit beschäftigt sein. Das geplante Ambulatorium habe daher eine Versorgungswirksamkeit von 7 ÄAVE. Für das geplante Ambulatorium verfüge die Mitbeteiligte über einen durch die Erteilung einer entsprechenden rechtskräftigen Betriebsbewilligung aufschiebend bedingten Kassenvertrag mit der Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK für ambulante konservierend chirurgische Leistungen, ambulante prothetische Leistungen sowie ambulante kieferorthopädische Leistungen auf Basis abnehmbarer Geräte gemäß § 153 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG). Weiters verfüge sie über einen ebenfalls durch die Erteilung einer entsprechenden rechtskräftigen Betriebsbewilligung aufschiebend bedingten Kassenvertrag mit der ÖGK für kieferorthopädische Leistungen gemäß § 153a ASVG. In diesem Vertrag sei u.a. festgelegt, dass die Mitbeteiligte für die Erbringung der vertragsgegenständlichen Leistungen einen „Vollzeitäquivalent“ zur Verfügung stelle, wobei ein „Vollzeitäquivalent“ jährlich zumindest 100 neu begonnene Fälle mit näher bezeichneten Leistungen zu „erbringen“ habe.

3 In rechtlicher Hinsicht ging das Verwaltungsgericht zusammengefasst davon aus, fallbezogen habe im Hinblick auf das geplante Leistungsspektrum ausschließlich eine Prüfung der Plankonformität gemäß § 5 Abs. 3 Wr. KAG zu erfolgen. Im Übrigen beträfen die vom gegenständlichen Leistungsspektrum in geringem Umfang umfassten „Privatleistungen“, die über den „Sachleistungsbereich“ hinausgingen, nicht den Bereich der sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähigen Leistungen im Sinn von § 131 ASVG, zu welchen Leistungen, zu denen durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich „Zuschüsse“ erbracht werden würden, nicht zählten. Hinsichtlich dieser „Privatleistungen“ habe eine Bedarfsprüfung von vornherein nicht zu erfolgen.

4 Für die hier maßgebliche Versorgungsregion 93 Wien Nordost sei hinsichtlich des vorliegend relevanten Leistungsangebots ein PLAN Stand von 108,8 ÄAVE festgesetzt worden, weshalb ein weiterer Bedarf an 19,2 ÄAVE bestehe und daher in Anbetracht der Versorgungswirksamkeit des gegenständlich geplanten selbständigen Ambulatoriums von 7 ÄAVE von der Plankonformität des geplanten Ambulatoriums und folglich von einem entsprechenden Bedarf auszugehen sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Österreichischen Zahnärztekammer, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (vgl. etwa VwGH 15.1.2024, Ra 2023/11/0120, mwN).

9 Das vorliegende Revisionsverfahren gleicht in den entscheidungswesentlichen Aspekten im Wesentlichen jenem Verfahren, in dem der Verwaltungsgerichtshof die Revision der Österreichischen Zahnärztekammer mit Erkenntnis vom 10. September 2024, Ra 2023/11/0146, abgewiesen hat. Da somit in Anbetracht der Begründung des genannten Erkenntnisses, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, die in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision geltend gemachten Rechtsfragen als beantwortet zu betrachten sind, wirft die gegenständliche Revision keine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG (mehr) auf (zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auch im Fall einer nach Revisionseinbringung erfolgten Klärung in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vgl. etwa VwGH 23.3.2023, Ro 2022/06/0021).

10 Bezogen auf den vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass auch gegenständlich in mit dem Revisionsverfahren Ra 2023/11/0146 vergleichbarer Weise selbst unter Berücksichtigung der von der Revision behaupteten Erhöhung der Anzahl an Zahnärzten zum Stand 1. Mai 2023 im Vergleich zu dem dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegten „Stand 2021“ ein Bedarf an dem gegenständlichen Ambulatorium bestünde.

11 Im Übrigen wird von der Zulässigkeitsbegründung ins Treffen geführt, das vorliegend geplante Leistungsspektrum sei teilweise nicht in der RSG Wien VO 2023 geregelt, weil es „in einem geringen Umfang“ über den Bereich der „Sachleistungen“ hinausgehend „Privatleistungen“ enthalte. Damit gelingt es ihr aber schon deshalb nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, weil die verwaltungsgerichtliche Feststellung der Plankonformität des in Aussicht genommenen Ambulatoriums ohne dass die Revision diesbezüglich eine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG darlegen würde u.a. auf der Beurteilung beruht, dass es sich bei dem über den „Sachleistungsbereich“ hinausgehenden Leistungsangebot des in Rede stehenden, geplanten Ambulatoriums nicht um sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen handle, weshalb diese Leistungen von vornherein keiner Bedarfsprüfung unterlägen (vgl. § 5 Abs. 4 Wr. KAG). Darüber hinaus ist unter Zugrundelegung der Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht ersichtlich, dass worauf die Ausführungen der Zulässigkeitsbegründung abzuzielen scheinen fallbezogen die Erbringung von Leistungen aus dem sogenannten „wahlzahnärztlichen Bereich“ geplant wäre.

12 Ebenso wenig gelingt es der Revision hinsichtlich der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, das geplante Leistungsspektrum werde keine über das Fach Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde inklusive Kieferorthopädie (KFO), hinausgehenden Leistungen aus dem Fach Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) erfassen, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

13 Mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B VG war die Revision daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen (zur eingeschränkten Revisionslegitimation der Österreichischen Zahnärztekammer vgl. ferner VwGH 21.8.2024, Ra 2024/11/0116, Rn. 23, mwN, u.a. betreffend die Frage der Zulässigkeit der Erlassung eines Feststellungsbescheides dort zum Tir. KAG).

14 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. Oktober 2024

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