Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der Bildungsdirektion für Wien gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. Jänner 2024, Zl. W128 2284270 1/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Schulpflichtgesetz 1985 (mitbeteiligte Partei: mj. F L in W, vertreten durch E L, dieser vertreten durch Mag. Dominik Malicki, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 11/4), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Wien der nunmehrigen Amtsrevisionswerberin vom 16. November 2023 wurde die Anzeige des Schulbesuchs einer näher genannten Schule in den Vereinigten Arabischen Emiraten für das Schuljahr 2023/24 des mj. Mitbeteiligten (wegen Verspätung) zurückgewiesen und gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer dagegen eingebrachten Beschwerde ausgeschlossen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. Jänner 2024 wurde der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.
3 Begründend ging das Verwaltungsgericht soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz davon aus, dass der im Juli 2009 geborene Mitbeteiligte Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei und im Schuljahr 2023/24 der allgemeinen Schulpflicht unterliege. Sein Erziehungsberechtigter habe am 7. Oktober 2023 den Schulbesuch des Mitbeteiligten an einer näher genannten Schule in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Schuljahr 2023/24 angezeigt.
4 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das SchPflG unterscheide bei der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen zwischen schulpflichtigen Kindern mit österreichischer Staatsbürgerschaft (§ 13 Abs. 1) und solchen, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besäßen (§ 13 Abs. 2). Während die erstgenannte Gruppe die Schulplicht nur dann erfüllen könne, wenn der Besuch der im Ausland gelegenen Schule von der Schulbehörde bewilligt werde, sei eine derartige Bewilligung für die zweitgenannte Gruppe ausdrücklich nicht vorgesehen. Für diese sehe das SchPflG lediglich vor, dass der beabsichtigte Schulbesuch im Ausland vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen sei, wobei die Anzeige als bloße Ordnungsvorschrift lediglich der Überwachung der Erfüllung der Schulpflicht durch die Schulbehörde diene (Verweis auf Jonak/Kövesi , Schulrecht, 14. Auflage, FN 6 zu § 13 SchPflG). Weitere Konsequenzen einer etwaigen Unterlassung einer (rechtzeitigen) Anzeige des Schulbesuchs im Ausland habe der Gesetzgeber im Falle von Kindern ohne österreichische Staatsbürgerschaft nicht vorgesehen. Insbesondere bedürfe „in diesem Fall die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht keiner Bewilligung durch die Schulbehörde“. Vielmehr sei die (rechtzeitige) Anzeige von der Schulbehörde formlos zur Kenntnis zu nehmen; durch die Anzeige werde kein Verfahren eingeleitet, welches in einer bescheidmäßigen Erledigung münden würde.
5 Da die Behörde dennoch ohne Rechtsgrundlage basierend auf der (verspäteten) Anzeige den angefochtenen Bescheid erlassen habe, sei dieser ersatzlos zu beheben gewesen.
6 Den Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die „aufgeworfenen Rechtsfragen“ vom Bundesverwaltungsgericht bisher unterschiedlich gelöst worden seien und es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, ob die Schulbehörde berechtigt sei, bei einer verspäteten Anzeige des Schulbesuchs im Ausland gemäß § 13 Abs. 2 SchPflG diesen zu untersagen, oder ob es sich dabei um eine bloße Ordnungsvorschrift handle.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision der Bildungsdirektion für Wien.
8 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.
9 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Die in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision angesprochene Rechtsfrage, ob die Schulbehörde eine verspätete Anzeige des Schulbesuchs im Ausland gemäß § 13 Abs. 2 SchPflG zurückzuweisen habe oder ob es sich dabei um eine bloße Ordnungsvorschrift handle, wurde mittlerweile vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 7. Mai 2024, Ra 2023/10/0051, beantwortet. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
11 Der Gerichtshof ist der vom Verwaltungsgericht auch im vorliegenden Fall vertretenen Ansicht, dass auch eine verspätete Anzeige „von der Schulbehörde formlos zur Kenntnis zu nehmen“ sei, nicht gefolgt. Wurde der beabsichtigte Besuch der im Ausland gelegenen Schule eines der allgemeinen Schulpflicht unterliegenden Kindes, das die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, der Bildungsdirektion nicht vor Beginn des Schuljahres angezeigt, sind die in § 13 Abs. 2 SchPflG genannten Voraussetzungen, an die das Gesetz die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht knüpft, nicht erfüllt. Die Behörde hat ein derartiges Anbringen daher zurückzuweisen.
12 Da das Verwaltungsgericht eine von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, erweist sich die Revision als zulässig und begründet (vgl. zu Konstellationen, in denen die grundsätzliche Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof nach Einbringung der Revision nicht im Sinne der vom Verwaltungsgericht getroffenen Beurteilung geklärt wurde, VwGH 20.4.2023, Ro 2022/10/0012; 16.3.2022, Ra 2020/10/0111; 3.2.2022, Ra 2020/10/0122).
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 4. Juni 2024