Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die außerordentliche Revision des Ing. A B in C, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Franziskanergasse 12, gegen das am 23. März 2024 verkündete und am 3. Mai 2024 ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, LVwG AV 46/001 2024, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem NÖ Landes Bedienstetengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der im Jahr 1955 geborene Revisionswerber steht seit 1. Jänner 2021 in einem öffentlich rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Land Niederösterreich. Zuletzt war er bei einer Bezirkshauptmannschaft als Bezirksförster eingesetzt.
2 Mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 5. März 2021, 16 Hv 164/20g, wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 35 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 180 Tagen verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Geldstrafe von 180 Tagessätzen gemäß § 43a Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, weil er am 8. Februar 2017 als Bezirksoberförster seine Befugnis, im Namen des Bundes als Organ des Landes Niederösterreich in Vollziehung der Gesetze Bestätigungen über die Richtigkeit der Wald Feldflächen für die Bezirksforstinspektion auszustellen, dadurch wissentlich missbraucht hatte, dass er im Zuge eines Antrags auf Flächenänderung in eigener Sache eine Vermessungsurkunde, versehen mit dem handschriftlichen Vermerk „Die Richtigkeit der Wald Feldflächen wird bestätigt. Für die BFI Amstetten, [Revisisionswerber]“ samt Unterschrift und Stempel der Bezirkshauptmannschaft vorlegte, obwohl er wusste, dass er in der Sache nach der Arbeitsverteilung örtlich nicht zuständig und nach § 28a Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (DPL 1972) befangen war und das gemäß §§ 5, 17, 17a Forstgesetz 1975 (ForstG) notwendige Verfahren nicht eingehalten hatte.
3 Mit dem im Beschwerdeverfahren nach mündlicher Verhandlung ergangenen angefochtenen Erkenntnis sprach das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Revisionswerber wegen dieser Tathandlungen einer Verletzung seiner Dienstpflichten nach § 26 Abs. 1 zweiter Satz DPL 1972 schuldig und verhängte über ihn gemäß § 95 DPL 1972 in Verbindung mit § 215 Z 2 NÖ Landes Bedienstetengesetz (NÖ LBG) die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von drei Pensionsbezügen.
Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Entgegen dem in der Revision unter diesem Gesichtspunkt erstatteten Vorbringen stellt die disziplinarische Verfolgung wegen Verletzung von Standespflichten zusätzlich zur Verfolgung wegen Verletzung allgemein strafbarer Tatbestände durch dasselbe Verhalten einen eigenen, eine gesonderte disziplinäre Bestrafung rechtfertigenden Aspekt dar, weswegen dies nicht gegen Art. 50 GRC verstößt (vgl. VwGH 15.7.2015, Ro 2014/09/0064, zum Ärztegesetz 1998, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungs und des Verwaltungsgerichtshofes; siehe u.a. ferner VwGH 24.4.2012, 2011/09/0013, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung auch des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte; VwGH 22.10.2021, Ra 2020/09/0008, zum NÖ Landes Bedienstetengesetz; VwGH 1.2.2024, Ra 2023/09/0178, zum „disziplinären Überhang“ bei einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen eines „echten Beamtendelikts“).
7 Die für die Zulässigkeit der Revision sodann angesprochene Strafbemessung unterliegt als Ermessensentscheidung nur insofern der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen von dessen Befugnissen nach Art. 133 Abs. 4 B VG, als dieser gegebenenfalls zu prüfen hat, ob von dem im Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. Soweit weder Ermessensmissbrauch noch überschreitung vorliegt, geht die Ausübung des Ermessens über die Bedeutung des Einzelfalls nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG dar (vgl. VwGH 15.3.2024, Ra 2024/09/0012, mwN).
8 Weder schließt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Übertritt in den dauernden Ruhestand von vornherein und in jedem Fall die spezialpräventive Bedeutung einer wegen einer im Dienststand begangen Dienstpflichtverletzung verhängten Disziplinarstrafe aus: Zum einen stellt § 200 Abs. 1 Z 4 NÖ LBG (wie § 118 Abs. 1 Z 4 BDG 1979) auf die Abhaltung des Beamten von der Verletzung der Dienstpflichten schlechthin ab, schränkt also nicht auf die Wiederholungsgefahr oder die Möglichkeit der Begehung zumindest gleichartiger Dienstpflichtverletzungen ein (siehe auch § 175 Abs. 1 NÖ LBG zur Strafbemessung), zum anderen treffen auch den Beamten des Ruhestands Pflichten, deren (gröbliche) Verletzung (gemäß § 214 NÖ LBG) disziplinär zu ahnden ist (vgl. zum BDG 1979 etwa VwGH 5.9.2013, 2013/09/0076, mwN).
9 Noch kann aus dem Umstand, dass nach § 205 Abs. 2 NÖ LBG die Verhandlung vor der Disziplinarkommission nicht öffentlich ist (oder die Akten nach Abschluss des Disziplinarverfahrens gemäß § 203 NÖ LBG unter Verschluss aufzubewahren sind) die generalpräventive Erforderlichkeit der Verhängung einer Disziplinarstrafe in Abrede gestellt werden (siehe etwa VwGH 8.8.2008, 2008/09/0140, zum BDG 1979).
10 Die vom Revisionswerber im Zusammenhang mit der Strafbemessung des Weiteren ins Treffen geführten Umstände wurden in dem vom Verwaltungsgericht bestätigten Disziplinarerkenntnis in der Unbescholtenheit des Revisionswerbers, der länger zurückliegenden Tatbegehung und der langen Verfahrensdauer ohnedies berücksichtigt.
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb diese nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
Wien, am 22. August 2024