JudikaturVwGH

Ra 2024/08/0045 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
11. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer, die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision der Österreichischen Gesundheitskasse, vertreten durch Ullmann Geiler und Partner Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria Theresien Straße 17 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2024, I413 22811521/16E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, 2. G G in G, 3. Pensionsversicherungsanstalt in 6020 Innsbruck, Ing. Etzel Straße 13, und 4. S GmbH in G, vertreten durch Dr. Bernhard Wörgötter, Rechtsanwalt in 6380 St. Johann/Tirol, Mag. E. Angerer Weg 14; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Österreichische Gesundheitskasse hat der viertmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 8. September 2023 stellte die revisionswerbende Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) fest, dass der Zweitmitbeteiligte mit seiner Tätigkeit als Saunameister in den Zeiträumen 1. Jänner 2016 bis 15. März 2020 und 29. Mai 2020 bis 31. Dezember 2020 als Dienstnehmer der Viertmitbeteiligten der Pflichtversicherung in der Kranken , Unfallund Pensionsversicherung nach dem ASVG sowie der Arbeitslosenversicherung nach dem AlVG unterlegen sei.

2 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der von der Viertmitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde statt und behob den Bescheid ersatzlos.

3 Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass den Zweitmitbeteiligten keine persönliche Arbeitspflicht getroffen habe. Es sei ein Vertretungsrecht vereinbart gewesen, das andere selbständige Saunameister umfasst habe. Dieses Vertretungsrecht sei auch gelebt worden: Der Zweitmitbeteiligte habe sich sowohl von anderen Saunameistern in der Regel von Familienangehörigen, aber auch von einer familienfremden, bei ihm geringfügig beschäftigten Person vertreten lassen. Auch eine Verpflichtung zur Dienstleistung an sieben Tagen die Woche spreche dafür, dass sich der Zweitmitbeteiligte bei einer praxisnahen Betrachtung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von fast vier Jahren regelmäßig einer Vertretung bedient haben müsse und nicht an jedem einzelnen Tag im Kalenderjahr gearbeitet haben könne. Im Ergebnis ergebe sich daraus, dass die weitere Verfahrenspartei die Saunaaufgüsse und Dampfbadbehandlungen nicht zwingend persönlich vorzunehmen hatte. Schon deswegen sei eine persönliche Abhängigkeit des Zweitmitbeteiligten zu verneinen.

4 In einem nächsten Schritt sei zu prüfen, ob der Zweitmitbeteiligte lohnsteuerpflichtig gewesen sei. Ein Bescheid, mit dem die Lohnsteuerpflicht bindend festgestellt worden sei, liege nicht vor. Daher habe das Bundesverwaltungsgericht dies als Vorfrage eigenständig zu prüfen. Vor dem Hintergrund der Ausführungen zur Frage der persönlichen Abhängigkeit lägen auch die Voraussetzungen für eine Dienstnehmereigenschaft im steuerrechtlichen Sinn nicht vor, da der Zweitmitbeteiligte nicht unter der Leitung der Viertmitbeteiligten gestanden sei bzw. nicht in deren geschäftlichem Organismus deren Weisungen zu befolgen gehabt habe.

5Der Zweitmitbeteiligte sei somit nicht als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG für die Viertmitbeteiligte beschäftigt gewesen.

6Es bleibe zu prüfen, ob die Tätigkeit des Zweitmitbeteiligten (Durchführung von professionell geführten Saunaaufgüssen und Dampfbadbehandlungen basierend auf einem ganzheitlichen System samt gesundheitlichen Aspekten) im Rahmen eines freien Dienstvertrags im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG ausgeübt worden sei. Dies sei zu verneinen, weil er Inhaber einer Gewerbeberechtigung hinsichtlich des freien Gewerbes „Animation Planung sinnvoller Freizeitgestaltung“ gewesen sei. Die Innehabung eines Gewerbescheines bzw. eine Tätigkeit im Rahmen einer Gewerbeberechtigungund die daraus folgende Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVGschlössen die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG aus.

7 Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

8Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Unter diesem Gesichtspunkt bringt die revisionswerbende Kasse vor, das Bundesverwaltungsgericht lasse nicht erkennen, wie es zu der Annahme gelangt sei, dass ein über die Vorfrage der Lohnsteuerpflicht absprechender Bescheid der Finanzbehörde nicht vorliege. In der Revision selbst wird aber ausgeführt, dass der erstinstanzliche Bescheid über die Lohnsteuerpflicht bekämpft worden und das Verfahren noch beim Bundesfinanzgericht anhängig sei. Eine rechtskräftige und somit bindende Entscheidung über die Vorfrage war daher auch auf Basis des Vorbringens der Revisionswerberin zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vorhanden.

13Ausgehend davon war das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG berechtigt, die Vorfrage selbst zu beurteilen. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit es insoweit sein Ermessen missbraucht hätte.

14Auch das Ergebnis, dass keine Lohnsteuerpflicht im Sinn des § 47 EStG 1988 vorgelegen sei, ist zumindest nicht unvertretbar, zumal sich das Bundesverwaltungsgericht dabei nicht ausschließlich auf die nicht bloß vereinbarte, sondern tatsächlich gelebte Vertretungsmöglichkeit gestützt, sondern etwa auch festgestellt hat, dass der Zweitmitbeteiligte keinen Weisungen und persönlichen Kontrollen unterlegen sei.

15 Schließlich bringt die Revision vor, dass in Ermangelung höchstgerichtlicher Rechtsprechung die Frage unbeantwortet sei, ob eine konkrete Tätigkeit gegenständlich die eines Saunameisters vom Wortlaut der innegehabten Gewerbeberechtigung erfasst und die Gewerbeberechtigung hier für das freie Gewerbe „Animation Planung sinnvoller Freizeitgestaltung“ somit einschlägig sei bzw. die infrage stehende Tätigkeit überhaupt der Gewerbeordnung unterliege.

16Die Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit von einer konkreten Gewerbeberechtigung erfasst ist, stellt aber eine rechtliche Beurteilung im Einzelfall dar, die in der Regel nicht revisibel ist (vgl. VwGH 3.12.2020, Ra 2019/04/0089). Die Revision zeigt nicht auf, dass das vom Bundesverwaltungsgericht erzielte Ergebnis, wonach die vom Zweitmitbeteiligten ausgeübte „Durchführung von professionell geführten Saunaaufgüssen und Dampfbadbehandlungen basierend auf einem ganzheitlichen System samt gesundheitlichen Aspekten“ vom Gewerbe „Animation Planung sinnvoller Freizeitgestaltung“ erfasst ist, unvertretbar war.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

18Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Umsatzsteuer, die in den dort genannten Pauschalbeträgen bereits enthalten ist.

Wien, am 11. März 2025