Spruch
L511 2315270–1/5E BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vom 02.07.2025 gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch das Arbeitsmarktservice XXXX zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
1.1. Am 02.07.2025 langte die gegenständliche „Maßnahmenbeschwerde gem. § 88 VwGVG gegen das AMS Oberösterreich - rechtswidrige Sperre der e-card ohne Bescheid“ beim Bundesverwaltungsgericht [BVwG] ein (Ordnungszahl des Gerichtsverfahrensaktes [OZ] 1).
Darin führt der Beschwerdeführer wie folgt aus:
„Hiermit erhebe ich Maßnahmenbeschwerde gemäß § 88 VwGVG gegen das Arbeitsmarktservice Oberösterreich, vertreten durch die Landesgeschäftsstelle, wegen einer verfahrensfreien, faktischen Maßnahme, nämlich der Sperre meiner e-card ohne formellen Bescheid, trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit. Seit dem 01.07.2025 bin ich ärztlich krankgemeldet (siehe Beilage). Eine medizinisch notwendige MRT-Untersuchung des rechten Knies wurde ausdrücklich vom Primarius der Unfallambulanz angeordnet, kann aber nicht durchgeführt werden, da meine e- card durch das AMS blockiert wurde. Ein entsprechender Bescheid liegt nicht vor, die Maßnahme erfolgte willkürlich und ohne Rechtsmittelbelehrung. Dies verletzt mein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf medizinische Versorgung, mein Recht auf Parteistellung sowie auf rechtliches Gehör.
Ich beantrage: Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme (e-card-Sperre ohne Bescheid), Anweisung an das AMS, die Sperre unverzüglich aufzuheben, Verpflichtung zur künftigen Unterlassung rechtswidriger Maßnahmen ohne Bescheidcharakter.“
1.2. Am 03.07.2025 langte ein Ergänzungsschreiben ein („Maßnahmenbeschwerde gem. § 7 VwGVG samt Eilantrag gem. § 13 Abs. 2 VwGVG - e-Card-Sperre trotz AU ab 01.07.2025 (AMS XXXX , GZ: XXXX )“), in dem der Beschwerdeführer wie folgt ausführt:
„Hiermit erhebe ich gemäß § 7 VwGVG in Verbindung mit § 13 Abs. 2 VwGVG Maßnahmenbeschwerde gegen das Arbeitsmarktservice Wels (AMS Wels) wegen einer faktischen Maßnahme, durch welche mir derzeit der Zugang zur medizinischen Versorgung rechtswidrig verwehrt wird.
Angefochtene Maßnahme: Das AMS Wels hat im Zusammenhang mit dem Bescheid GZ: XXXX eine 56-tägige Leistungssperre verhängt und in deren Folge die Sperre meiner e-Card veranlasst. Dies geschah trotz ordnungsgemäßer Krankmeldung mit ärztlich bestätigter Arbeitsunfähigkeit ab 01.07.2025 (Beilage: AU-Meldung Klinikum Wels). Die Sperre verhindert derzeit eine medizinisch notwendige MRT-Diagnostik.
Rechtliche Beurteilung: Die faktische Sperre der medizinischen Versorgung verletzt mein Recht auf Krankenbehandlung gemäß § 120 ASVG sowie mein Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK. Die Handlung der Behörde ist unverhältnismäßig, da ich meiner Meldepflicht entsprochen habe und der Krankenstand ordnungsgemäß dokumentiert ist.
Antrag: Die Feststellung, dass die faktische Sperre meiner e-Card trotz vorliegender ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 01.07.2025 rechtswidrig ist. Der Erlass einer einstweiligen Maßnahme gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG mit sofortiger Wirkung, wonach das AMS Wels verpflichtet wird, unverzüglich die Aufhebung der e-Card-Sperre zu veranlassen, um meine medizinische Versorgung sicherzustellen.
Begründung des Eilantrags: Durch die Aufrechterhaltung der e-Card- Sperre ist mir die Durchführung einer ärztlich verordneten MRT-Untersuchung nicht möglich. Es besteht akute Gefahr der gesundheitlichen Verschlechterung, was einen nicht wiedergutzumachenden Schaden darstellt. Ich ersuche höflich um bevorzugte Behandlung im Eilverfahren und bedanke mich im Voraus für Ihre Prüfung.“
1.3. Über Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts übermittelte das AMS eine Übersicht über die gegen den Beschwerdeführer ab 01.04.2025 erlassenen Leistungssperren samt Verfahrensständen sowie den Bezugs- und Versicherungsverlauf des Beschwerdeführers (OZ 4).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Mit gegenständlicher Maßnahmenbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer dagegen, dass „das AMS Wels im Zusammenhang mit dem Bescheid GZ: XXXX eine 56-tägige Leistungssperre verhängt und in deren Folge die Sperre der e-Card veranlasst hat.“
1.2. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wels vom 18.06.2025, Zahl: XXXX , wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG ab 05.06.2025 für 56 Bezugstage (Leistungstage) verloren habe. Der Beschwerdeführer hat dagegen Beschwerde erhoben (OZ 4).
2. Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die Maßnahmenbeschwerde (OZ 1) samt Ergänzung (OZ 2) und die übermittelte Übersicht über den Leistungsbezug sowie die Leistungsbezugssperren des Maßnahmenbeschwerdeführers ab 01.04.2025 (OZ 4).
2.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unmittelbar ohne weitere Interpretation aus den jeweils zitierten Aktenteilen, die den Verfahrensparteien bekannt sind.
2.3. Entfall der mündlichen Verhandlung
Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).
Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zur Gänze aus den den Verfahrensparteien bekannten vorliegenden Aktenteilen und war weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde
3.1. Für die Entscheidung von Maßnahmenbeschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch das AMS ist gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG das Bundesverwaltungsgericht zuständig, weil die Angelegenheiten des AlVG in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden (VwGH 26.02.2025, Ra2024/08/0054 Rz21). Die Zuständigkeit zur Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. VwGH Ra2017/08/0081). Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das AMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
Der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dient dem Zweck, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen. Es sollten mit dieser Beschwerde aber nicht Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes geschaffen werden. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein, wobei die Zulässigkeit dieser Beschwerde insbesondere auch nicht von der (allenfalls längeren) Dauer des sonst zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehenden Verwaltungsverfahrens abhängt. Wird ein Bescheid erlassen, können die bereits vorgenommenen damit zusammenhängenden faktischen Verfügungen nicht mehr mit Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden (vgl. VwGH 16.11.2021, Ro2021/03/0005 mwN).
3.2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die vom Beschwerdeführer erhobene Maßnahmenbeschwerde gegen das AMS Wels „wegen einer faktischen Maßnahme, nämlich der Sperre der e-card ohne formellen Bescheid, trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit“ bzw. „wegen einer faktischen Maßnahme, durch welche der Zugang zur medizinischen Versorgung verwehrt wird“ unbeschadet der Frage, ob diese Maßnahme überhaupt als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen ist jedenfalls als unzulässig, weil dem Beschwerdeführer ein administrativer Instanzenzug möglich war, von dem er darüber hinaus auch Gebrauch gemacht hat (vgl. zur Zumutbarkeit der Beschreitung des administrativen Instanzenzuges im Falle einer nicht mehr gegebenen Sozialversicherung auf Grund der Einstellung einer Leistung mit der die Sozialversicherung verbunden war VwGH 19.03.2009, 2009/18/0060).
Der Beschwerdeführer hat im konkreten Fall den Bescheid vom 18.06.2025, mit dem das AMS festgestellt hat, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Leistungsbezug (Notstandhilfe) für 56 Bezugstage (Leistungstage) ab 05.06.2025 gemäß § 10 AlVG verloren habe, mit Beschwerde angefochten.
Mit dem Verlust des Leistungsbezuges (der Notstandshilfe) ist gemäß § 6 Abs. 2 AlVG auch der Verlust der Sozialversicherungsleistung verbunden. Gemäß § 40 Abs. 3 AlVG iVm § 122 Abs. 2 ASVG ist jedoch sichergestellt, dass der Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung auch noch 6 Wochen bzw. um jenen Zeitraum, um den die Dauer des Anspruchsverlustes auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe gemäß den §§ 10, 11 bzw. 25 Abs. 2 AlVG über die Frist von sechs Wochen hinausgeht, nach Beendigung der Pflichtversicherung infolge Ende des Leistungsbezuges fortbesteht.
Bei tatsächlicher faktischer Vorenthaltung von Leistungen aus der Krankenversicherung (wobei dahingestellt bleiben kann, ob ein solcher Akt überhaupt als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen ist) stünde dem Beschwerdeführer das Verfahren zur Feststellung von Leistungsansprüchen durch die Versicherungsträger nach dem ASVG offen.
Es liegt daher hinsichtlich der Gewährung der Krankenversicherung gemäß § 6 Abs. 2 AlVG iVm § 122 Abs. 2 ASVG keine Lücke im Rechtsschutzsystem vor, die durch eine Beschwerde nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG geschlossen werden müsste und die Maßnahmenbeschwerde des Beschwerdeführers ist als unzulässig zurückzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die jeweils zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Maßnahmenbeschwerden. Die vorliegende Entscheidung weicht von der umfangreichen und einheitlichen Rechtsprechung auch nicht ab, sondern stützt sich maßgeblich auf diese Judikatur.
Der Entfall der mündlichen Verhandlung ergibt sich aus dem Gesetz und steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.