JudikaturVwGH

Ra 2024/04/0433 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
14. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak, die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des Landes Burgenland, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Bartensteingasse 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 19. September 2024, Zl. S VNP/13/2024.002/022, betreffend ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Bietergemeinschaft A, bestehend aus n GmbH in W und S AG in S [Schweiz], vertreten durch die Pelzmann Gall Größ Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19/33, und 2. S GmbH in W, vertreten durch die Keschmann Rechtsanwalts-GmbH in 1090 Wien, Servitengasse 4/20), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Kostenersatz wird abgewiesen.

1 1.1. Die revisionswerbende Partei führte unter der Bezeichnung „Erstellung, Lieferung und Installation eines modernen, landesweiten digitalen Alarmierungsnetzes für die Auslösung von Sirenen und Textpagern auf Basis POCSAG Standard“ (Bekanntmachung im Amtsblatt der EU am 24.11.2023 zu 716765 2023) ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich durch.

2 Gemäß den Vorgaben im Lastenheft 2.0 für das Letztangebot hatten die Bieter folgende drei Typen von Pagern anzubieten:

„Typ 1: Standardpager

Typ 2: BOSKrypt Pager mit BOSKrypt Unterstützung

Typ 3: Pager mit Rückmeldung“.

3 In Pkt. 3.8 „Pager“ des Lastenheftes 2.0 waren u.a. folgende „typ unabhängige Anforderungen“ an die Pager festgelegt:

„[...]

Batterie/Akku

- Betrieb mit Batterien möglich

- Standard AA Batterie bzw. Akku

- Der Akku der Pager muss in Eigenregie durch die Trägerin bzw. den Träger gewechselt werden können, ohne dass der Pager an den Hersteller bzw. einen Dritten gesendet werden muss.

- Betriebszeit mindestens 5 Tage

- Anzeige Ladestand

[...]“

4 1.2. Die Erstmitbeteiligte, die sich mit einem Angebot an diesem Vergabeverfahren beteiligt hatte, brachte am 15. Juli 2024 einen Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der Zweitmitbeteiligten (im Folgenden: präsumtive Zuschlagsempfängerin) vom 5. Juli 2024 mit dem Begehren ein, das Landesverwaltungsgericht Burgenland (im Folgenden: Verwaltungsgericht) möge diese Zuschlagsentscheidung für nichtig erklären. In diesem Nachprüfungsantrag brachte die Erstmitbeteiligte soweit für die vorliegende Entscheidung von Relevanz vor, das Angebot der präsumtiven Zuschlagempfängerin erfülle nicht sämtliche Anforderungen der Ausschreibung und sei daher auszuscheiden, weil die von ihr angebotenen Pager nicht der Anforderung „Standard AA Batterie bzw. Akku“ entsprächen.

5 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht dem Nachprüfungsantrag statt und erklärte die zu Gunsten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin im Vergabeverfahren „Erstellung, Lieferung und Installation eines modernen, landesweiten digitalen Alarmierungsnetzes für die Auslösung von Sirenen und Textpagern auf Basis POCSAG Standard“ erfolgte Zuschlagsentscheidung vom 5. Juli 2024 für nichtig. Ferner verpflichtete das Verwaltungsgericht die Revisionswerberin zum Ersatz der von der Erstmitbeteiligten entrichteten Pauschalgebühren. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

6Zusammengefasst vertrat das Verwaltungsgericht die Rechtsansicht, das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin widerspreche den Ausschreibungsbestimmungen, weil es nicht sämtliche typunabhängigen Anforderungen erfülle. Es sei daher gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 erster Fall BVergG 2018 auszuscheiden. Die Zuschlagsentscheidung erweise sich daher als nicht vergaberechtskonform.

7 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, in den Ausschreibungsbestimmungen würden unter Punkt 3.8 des Lastenheftes 2.0 typunabhängige Anforderungen an die zu liefernden Pager gestellt, die jeweils für sämtliche Pager (die Pager aller drei zu liefernden Typen) gelten würden. Andererseits würden jeweils Spezialanforderungen an die Pager der Typen 2 und 3 genannt. Für die Pager der Typen 1 und 3 sei dabei anders als für den Pager 2 jeweils kein Leitprodukt vorgegeben, daher müssten diese sämtliche typunabhängigen Anforderungen erfüllen.

8 Unter diesen fänden sich die Anforderungen „Betrieb mit Batterien möglich“ sowie „Standard AA Batterie bzw. Akku“. Dies bedeute, dass der Betrieb der Pager der Typen 1 und 3 mit Batterien möglich sein müsse, und zwar mit einer Batterie der Baugröße AA oder einem Akku dieser Baugröße. Auf dieses Erfordernis weise die Antragstellerin ausdrücklich hin. Aus dem Systemkonzept zum Angebotsformular LBO der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gehe jedoch eindeutig hervor, dass der von dieser für alle drei Pagertypen angebotene Meldeempfänger LX7 ausschließlich mit einem „Standard Motorola“ Lithium Ionen Akku betrieben werde und ein Betrieb mit Akkus oder Batterien der Baugröße AA nicht möglich sei. Der verwendete Akku sei laut Revisionswerberin in dieser Bauform von zahlreichen Herstellern lieferbar. Aus Umweltschutzgründen werde auf den Betrieb mit Einweg-Batterien ausdrücklich verzichtet.

9 Gemäß Punkt 3.3. des Angebotsformulars LBO ließen die bestandfesten Ausschreibungsbedingungen weder Abänderungs noch Alternativangebote zu. Bei den Anforderungen des Lastenheftes 2.0, die von einem Bieter nicht zu 100% umgesetzt würden, habe dieser zu prüfen, ob die jeweiligen Festlegungen eine derartige Umsetzung zuließen. Angebote mit Konzepten, die dem Lastenheft 2.0 in zwingenden Systemanforderungen („Muss Anforderungen“) nicht entsprächen, seien auszuscheiden. Die Anforderungen „Betrieb mit Batterien möglich“ sowie „Standard AA Batterie bzw. Akku“ seien zwar nicht in der Liste der „Musskriterien“ genannt. Die Antragstellerin weise jedoch zu Recht darauf hin, dass die typunabhängigen Anforderungen an die zu liefernden Pager nicht anders erfüllt werden könnten.

10 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision. Die Erstmitbeteiligte (Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren) erstattete eine Revisionsbeantwortung.

114. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

12 4.1.1. Die Revisionswerberin bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, das gegenständliche Erkenntnis widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass Ausschreibungsunterlagen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ausgelegt werden müssen.

13 Die relevante Festlegung in den Ausschreibungsunterlagen laute: „Standard AA Batterie bzw. Akku“ (Pkt. 3.8 des Lastenheftes 2.0). Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass der Akku dieselbe Baugröße haben müsse wie die Batterie, sei in keiner Weise nachvollziehbar und stelle eine krasse Fehlbeurteilung dar. Aus dem Wortlaut dieser Festlegung ergebe sich vielmehr, dass für den Akku keine Baugröße vorgegeben sei. Wenn die Baugröße der Batterie „Standard AA“ auch für den Akku gelten solle, wäre dies entweder ausdrücklich festgehalten oder zumindest durch einen Bindestrich hervorgehoben worden. Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergebe sich somit eindeutig, dass sich die Baugröße „Standard AA“ lediglich auf die „Batterie“, nicht aber auf den „Akku“ beziehe. Laut den festgestellten Festlegungen sei es den Bietern in Pkt. 3.8 des Lastenheftes 2.0 daher freigestellt, die Pager entweder mittels „Standard AA Batterie“ oder mittels „Akku“ zu betreiben. Dass die Festlegung von allen Bietern auch so verstanden worden sei, zeige schon die Tatsache, dass im gegenständlichen Vergabeverfahren zwei der drei Bieter dieselben Pager angeboten hätten, die jeweils mit dem gleichen Akku ausgestattet seien.

14 4.1.2. Die Revision ist aufgrund dieses Vorbringens zulässig und auch berechtigt.

154.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an (vgl. VwGH 14.12.2021, Ro 2021/04/0014, Rn. 50, mwN).

16Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist, bzw. dass einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist (vgl. VwGH 26.6.2018, Ra 2016/04/0049, Rn. 23, mwN).

17 Eine solche krasse Fehlbeurteilung zeigt die Revisionswerberin im vorliegenden Fall auf: Der Revisionswerberin ist nämlich darin zuzustimmen, dass ausgehend von den festgestellten bestandfesten Ausschreibungsbestimmungen die maßgebliche rechtliche Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts betreffend die Auslegung der fallgegenständlichen Ausschreibungsbestimmungen, dass auch der Akku der Baugröße einer AA Batterie zu entsprechen habe, woraus sich die Ausschreibungswidrigkeit des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ergebe, nicht nachvollziehbar ist. Ausgehend von dem bloßen Wortlaut der Bestimmungen „Standard AA Batterie bzw. Akku“, bezieht sich die Größenanforderung eindeutig auf die mögliche Batterieausstattung der Pager, nicht hingegen auf den Akku, der als Ausstattungsmerkmal alternativ zur Batterie angeboten werden darf. Auch wenn es dem Auftraggeber grundsätzlich freisteht, weitere Anforderungen an die Akkus aufzunehmen, ist es vor dem Hintergrund des zu erforschenden objektiven Erklärungswerts nicht nachvollziehbar, die fallbezogen festgestellten Ausschreibungsbestimmungen ohne weitere Hinweise des Auftraggebers im Sinne der rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichts zu interpretieren.

184.3. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

19Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf § 47 VwGG.

20Gemäß § 47 Abs. 5 VwGG ist der dem Revisionswerber zu leistende Aufwandersatz von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verwaltungsverfahren gehandelt hat. Bei der vergaberechtlichen Nachprüfung (Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens nach Art. 130 Abs. 2 Z 2 BVG) liegt ein derartiges Handeln einer Behörde nicht vor. Da dem Gesetzgeber des VwGG nicht unterstellt werden kann, er wollte für diese Fälle von einem Aufwandersatz nach den §§ 47 ff leg. cit. absehen, ist diese Lücke dahingehend zu schließen, dass der Kostenersatz von jenem Rechtsträger zu tragen ist, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Beschwerdesache gehandelt hat. Danach ist entscheidend, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen der vergaberechtlichen Nachprüfung in einer Angelegenheit tätig wurde, die nach den Zuständigkeitsregeln des B VG (hier des Art. 14b B VG) in den Vollzugsbereich des Bundes oder der Länder fällt. Im vorliegenden Fall wäre daher das Land Burgenland zum Aufwandersatz verpflichtet.

21§ 47 VwGG setzt zwei verschiedene Rechtsträger der obsiegenden und der unterlegenen Partei voraus, da nur unter dieser Voraussetzung einem solchen Rechtsträger Aufwandersatz „zufließen“ kann (§ 47 Abs. 5 letzter Satz VwGG). Ein Kostenersatz, der auf eine bloße Umschichtung innerhalb des Rechenwerks desselben Rechtsträgers (wenn auch zwischen verschiedenen Budgetansätzen) hinausläuft, kann diesem Rechtsträger (hier: dem Land Burgenland) nicht „zufließen“. Im Falle der Identität des Rechtsträgers, dem der Kostenersatz aufzuerlegen wäre, mit jenem Rechtsträger, dem er zuzusprechen wäre, kommt der Zuspruch von Kostenersatz daher nicht in Betracht (vgl. VwGH 27.4.2017, Ro 2017/07/0007, Rn. 47). Im vorliegenden Fall hat daher ein Zuspruch von Kostenersatz zu unterbleiben.

Wien, am 14. April 2025