Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 11. März 2024, Zl. VGW 001/057/16158/2023 25, betreffend die Einstellung eines Verfahrens über eine Übertretung nach dem Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden (mitbeteiligte Partei: Y A, vertreten durch Mag. Jakob Mahringer, Rechtsanwalt in Wien), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.
1 Mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 25. April 2023 wurde dem Mitbeteiligten gemäß § 382c Exekutionsordnung (EO) für die Dauer von sechs Monaten unter anderem der Aufenthalt „an der Wohnung der gefährdeten Partei ... innerhalb der Wohnhausanlage und unmittelbar vor dem Haustor dieser verboten“.
2 Am 9. September 2023 erstattete die gefährdete Partei bei der Landespolizeidirektion Wien (der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrigen Amtsrevisionswerberin) Anzeige gegen den Mitbeteiligten wegen Verstoßes gegen diese einstweilige Verfügung.
3 Mit Straferkenntnis vom 30. Oktober 2023 legte die belangte Behörde dem Mitbeteiligten zur Last, er habe am 9. September 2023, von 12:58 bis 13:17 Uhr, gegen diese Anordnung verstoßen und damit § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, iVm § 382c EO verletzt.
4 Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Mitbeteiligten eine Geldstrafe von € 2.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage und 12 Stunden) verhängt und er gemäß § 64 Abs. 2 VStG zur Bezahlung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 200,00 verpflichtet.
5 In der dagegen erhobenen Beschwerde führte der Mitbeteiligte im Wesentlichen aus, das Bezirksgericht Scheibbs habe dem Antrag der gefährdeten Partei, mit welchem vier Verstöße gegen die einstweilige Verfügung einer davon vom 9. September 2023 behauptet worden seien, mit Beschluss vom 20. November 2023 stattgegeben und gegen den Mitbeteiligten aufgrund der verfahrensgegenständlichen Vorfälle gemäß § 355 EO eine Geldstrafe in der Höhe von € 2.000,00 erlassen. Das nunmehr angefochtene Straferkenntnis verstoße gegen das Doppelbestrafungsverbot und sei daher aufzuheben.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge, behob unter anderem das gegenständliche Straferkenntnis (betreffend den Tatzeitpunkt 9. September 2023), stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein und sprach aus, dass der Mitbeteiligte keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Weiters erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG die ordentliche Revision für nicht zulässig.
7 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dem Revisionswerber sei unter anderem mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine Verwaltungsübertretung angelastet worden, wonach er am 9. September 2023 gegen die verfahrensgegenständliche einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Innere Stadt verstoßen habe. Gemäß § 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, sei von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn auf Grund des Verstoßes gegen eine Anordnung im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. vom Exekutionsgericht anlässlich der Bewilligung einer Exekution gemäß § 355 EO bereits eine Strafe verhängt worden sei. Aus dem vom Bezirksgericht Scheibbs übermittelten Exekutionsakt ergebe sich, dass gegen den Revisionswerber (auch hinsichtlich des Vorfalls vom 9. September 2023) gemäß § 355 EO eine Geldstrafe erlassen worden sei, die seit 11. Dezember 2023 rechtskräftig sei. Damit liege eine vom Exekutionsgericht rechtskräftig verhängte Strafe vor. Um eine Doppelbestrafung zu vermeiden (Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zur SPG Novelle 2013, [BGBl. I Nr. 152/2013]), sei von einer Verhängung der Verwaltungsstrafe abzusehen.
8 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung am 9. September 2023 auch vom Beschluss des Bezirksgerichts Scheibbs umfasst sei und sohin eine Doppelbestrafung vorliege, sei aktenwidrig. Tatsächlich ergebe sich nämlich aus der Begründung des Beschlusses, dass der Mitbeteiligte „nach den vorliegenden Behauptungen im Exekutionsantrag“ so das Bezirksgericht am 11. Mai 2023, am 13. Oktober 2023 und am 17. Oktober 2023 gegen das Unterlassungsgebot verstoßen habe. Das angefochtene Erkenntnis sei daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
9 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurück- bzw. Abweisung der Revision begehrte und darauf hinwies, dass er einen Berichtigungsantrag beim Bezirksgericht Scheibbs eingebracht habe, dem mit Beschluss vom 6. Oktober 2025 stattgegeben worden sei. Demnach stehe fest, dass der Entscheidungswille des Exekutionsgerichts darauf gerichtet gewesen sei, sämtliche inkriminierte Verstöße, sohin auch jenen vom 9. September 2023, mit einer Geldstrafe zu sanktionieren. Schließlich beantragte der Mitbeteiligte, „die Revisionswerberin“ zum Ersatz des Schriftsatzaufwands für die Erstattung der Revisionsbeantwortung zu verpflichten.
10 Die Revision erweist sich als nicht zulässig:
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Aktenwidrigkeit nur dann vor, wenn sich die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. etwa VwGH 28.4.2025, Ra 2024/03/0061, mwN).
15 Die Behauptung der Aktenwidrigkeit richtet sich gegen die aus Sicht der Revision unzutreffende Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Beschluss des Bezirksgerichts Scheibbs vom 20. November 2023, mit dem über den Mitbeteiligten eine Geldstrafe gemäß § 355 EO hinsichtlich mehrerer Vorfälle verhängt worden sei, umfasse auch den Tatzeitpunkt am 9. September 2023.
16 Eine Aktenwidrigkeit wird damit jedoch nicht dargelegt.
17 Dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass sich der Mitbeteiligte nach dem Exekutionsantrag der gefährdeten Partei vom 3. November 2023 entgegen der Unterlassungsverpflichtung „am 09.09.2023 um 12:58 Uhr, am 11.05.2023, am 13.10.2023 und am 17.10.2023 innerhalb der Wohnhausanlage und unmittelbar vor dem Haustor“ aufgehalten habe. Zwar nennt der Beschluss des Bezirksgerichts vom 20. November 2023 in seiner Begründung nur die Daten „11.05.2023, 13.10.2023“ und „17.10.2023“, bezieht sich daneben aber ausdrücklich auf die „vorliegenden Behauptungen im Exekutionsantrag“ (ohne z.B. das weitere Datum einer getrennten Entscheidung vorzubehalten), weshalb dem Verwaltungsgericht nicht entgegengetreten werden kann, dass es im angefochtenen Erkenntnis davon ausgegangen ist, dass der Beschluss des Bezirksgerichts (samt der dort verhängten Geldstrafen gemäß § 355 EO) auch den hier relevanten Vorfall vom 9. September 2023 inkludiert.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
19 Gemäß § 47 Abs. 3 VwGG haben Mitbeteiligte im Fall der Abweisung der Revision (bzw. gemäß § 47 Abs. 3 iVm § 51 VwGG im Fall der Zurückweisung) einen Anspruch auf Aufwandersatz. Zu leisten ist der Aufwandersatz an sich vom Revisionswerber. Da die Revisionswerberin im vorliegenden Fall aber die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist, wäre der Aufwandersatz an den Mitbeteiligten im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG von dem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verwaltungsverfahren gehandelt hat (vgl. in diesem Sinn VwGH 29.1.2025, Ra 2022/04/0112, mwN). Da dies im vorliegenden Fall der Bund wäre, jedoch der vorliegende Antrag auf Aufwandersatz ausdrücklich auf die Inanspruchnahme der Amtsrevisionswerberin gerichtet ist, konnte ihm nicht stattgegeben werden (vgl. VwGH 10.2.2025, Ro 2022/06/0017).
Wien, am 28. November 2025
Rückverweise