JudikaturVwGH

Ra 2024/02/0101 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des F in W, vertreten durch die Lerch Nagel Heinzle Rechtsanwälte GmbH in 6890 Lustenau, Millennium Park 6, gegen das am 4. Jänner 2024 verkündete und am 31. Jänner 2024 ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW 031/102/465/2023 35, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 21. November 2022 wurde dem Revisionswerber angelastet, er habe sich am 21. Mai 2022 um 1:51 Uhr an einem näher angegebenen Ort in Wien geweigert, nach Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Bundespolizei seine Atemluft untersuchen zu lassen, obwohl vermutet habe werden können, dass er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe und zuvor ein nach dem Kennzeichen konkretisiertes Motorrad gelenkt habe. Über den Revisionswerber wurde wegen Verletzung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO eine Geldstrafe von € 1.600, (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Tage) verhängt und ihm gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben.

2 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis keine Folge, es verpflichtete den Revisionswerber gemäß § 52 VwGVG zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.

3 Das Verwaltungsgericht stellte im Wesentlichen fest, der mit dem Revisionswerber durchgeführte Atemlufttest mit einem Vortestgerät um 1:35 Uhr sei ungültig gewesen. Zwischen 1:50 Uhr und 1:58 Uhr hätten sieben Versuche zur Untersuchung seiner Atemluft mittels Alkomat aufgrund zu geringen Blasvolumens (zwischen 0,2 l und 0,9 l) kein einziges verwertbares Messergebnis ergeben. Der Revisionswerber habe gegenüber den einschreitenden Beamten während der Amtshandlung angegeben, dass bei ihm vor längerer Zeit im Zuge der Musterung ein zu geringes Lungenvolumen festgestellt worden sei. Ein diesbezügliches Attest habe der Revisionswerber nicht vorweisen können. Bei der Kontrolle habe der Revisionswerber keine Anzeichen von Kurzatmigkeit oder Atemnot gezeigt und es sei ihm gesundheitlich möglich gewesen, den Atemlufttest mittels Alkomat durchzuführen und ein verwertbares Ergebnis zu erzielen. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass der Revisionswerber das Testgerät jeweils durch einen möglichst leichten Atemstoß bewusst falsch beatmet habe. Der Revisionswerber sei von dem der Amtshandlung beigezogenen Amtsarzt nicht zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol, sondern zur Überprüfung, ob es dem Revisionswerber medizinisch möglich sei einen Alkomattest durchzuführen, untersucht worden.

4 Beweiswürdigend stützte sich das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung auf ein von ihm eingeholtes lungenfachärztliches Sachverständigengutachten. Den Revisionswerber sah es als grundsätzlich kooperativ an, nicht jedoch hinsichtlich der Blasversuche. Zur Feststellung des Zwecks der Beiziehung des Amtsarztes folgte das Verwaltungsgericht den aus seiner Sicht widerspruchsfreien Aussagen des Amtssachverständigen und des Meldungslegers in den mündlichen Verhandlungen, sowie der Anzeige und der Dokumentation der Untersuchung durch den Amtsarzt.

5 Rechtlich sah das Verwaltungsgericht den objektiven Tatbestand des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO als erfüllt an, weil eine Weigerung, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, auch dann vorliege, wenn durch das Verhalten des Probanden das Zustandekommen eines gültigen Messergebnisses verhindert werde. Das einschreitende Organ habe durch die Beiziehung des Amtsarztes die Atemluftuntersuchung nicht abgeschlossen, sondern lediglich geprüft, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 Z 2 StVO vorliegen und diese Frage zutreffend verneint. Nach weiteren Ausführungen zum Verschulden, der Strafbemessung und den Kosten wurde schließlich noch das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage verneint.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Als zulässig erachtet der Revisionswerber seine Revision zunächst deshalb, weil das Verwaltungsgericht von näher zitierter Rechtsprechung abgegangen sei, indem es „das Straßenaufsichtsorgan von seiner Pflicht enthebt, zu beurteilen aus welchen Gründen der Test misslungen ist, [und indem es] ihm überdies zubilligt, zur Entscheidung der Frage medizinische Expertise eines gemäß § 5 Abs. 4a, Abs. 5 StVO qualifizierten Arztes [...] hinzuzuziehen, obwohl es nicht darauf ankommt, ob tatsächlich medizinische Gründe vorgelegen haben. [Das Verwaltungsgericht] gesteht dem Kontrollorgan zu, den Probanden im Rahmen einer ‚Unterbrechung‘ des in § 5 Abs. 2 StVO vorgesehenen procedere zum Amtsarzt zu bringen, während die Amtshandlung ‚Alkomattest‘ anschließend fortgesetzt werden könne.“

11 Gemäß § 5 Abs. 2 StVO sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und näher genannte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

12 Ist eine Untersuchung gemäß § 5 Abs. 2 aus Gründen, die in der Person des Probanden gelegen sind, nicht möglich, sind Organe der Straßenaufsicht unter weiteren im Gesetz genannten Voraussetzungen berechtigt, diese Person zu näher definierten Ärzten zur Blutabnahme oder zur Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol (klinische Untersuchung) zu bringen (§ 5 Abs. 4a und 5 StVO).

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat derjenige, der gemäß § 5 Abs. 2 StVO zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, umgehend (das heißt bei diesem Anlass) auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat aus medizinischen Gründen hinzuweisen (sofern dies nicht für Dritte sofort klar erkennbar ist), sodass die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 5 Z 2 StVO zu prüfen, bejahendenfalls von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Aufgeforderten zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem in § 5 Abs. 5 StVO genannten Arzt zu bringen (vgl. VwGH 14.2.2022, Ra 2020/02/0056, mwN).

14 Ein Organ der Straßenaufsicht darf selbst beurteilen, ob die vorgebrachten Gründe überhaupt tauglich sind, eine Nichtdurchführung der Atemluftalkoholuntersuchung zu erklären. Nur im Falle, als das Organ der Straßenaufsicht dies bejaht und die Atemluftuntersuchung abschließt, kommt eine Bestrafung nach § 5 Abs. 2 StVO nicht (mehr) in Betracht. Beurteilt das Organ der Straßenaufsicht die vom Revisionswerber vorgebrachten Gründe hingegen im aufgezeigten Sinn als nicht tauglich, so ist zu unterscheiden ob er dazu tatsächlich aus medizinischen Gründen außer Stande war. Trifft das zu, ist eine Bestrafung nach § 5 Abs. 2 StVO ebenso wenig rechtens. Wird aber die Beurteilung des Organs der Straßenaufsicht bestätigt, darf die Behörde zu Recht von einer Verweigerung der Atemluftalkoholuntersuchung ausgehen (vgl. zu alldem VwGH 27.1.2006, 2005/02/0321, mwN).

15 Die (unberechtigte) Verweigerung des Alkotestes ist auch dann strafbar, wenn sich nachträglich herausstellt, dass sich der Fahrzeuglenker tatsächlich nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat. Der vorliegende Tatbestand (des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO) ist bereits mit der Weigerung des Fahrzeuglenkers, sich dem Alkotest zu unterziehen, vollendet, und die Verweigerung einer Atemluftprobe wird durch eine nachfolgende ärztliche Untersuchung (klinische Untersuchung auf Alkoholbeeinträchtigung) nicht straflos (vgl. VwGH 16.5.1980, 3468/78, mwN).

16 Im vorliegenden Fall wurde der Revisionswerber nach dessen Hinweis auf ein zu geringes Lungenvolumen und nach mehreren Fehlversuchen bei der Beatmung des Alkomaten ohne Anzeichen von Kurzatmigkeit oder Atemnot nicht zu einem Amtsarzt nach § 5 Abs. 4a und 5 StVO zur klinischen Untersuchung oder Blutabnahme gebracht, sondern es wurde ein Amtsarzt zur Klärung der Frage beigezogen, ob in der Person des Revisionswerbers gelegene Gründe einer Untersuchung gemäß § 5 Abs. 2 StVO entgegenstanden, weil die vom Revisionswerber angegebenen Gründe dem Organ der Straßenaufsicht nicht ausreichten. Richtig ist, dass in der oben wiedergegebenen Rechtsprechung davon ausgegangen wurde, dass ein Organ der Straßenaufsicht grundsätzlich selbst beurteilen darf und soll, ob die vorgebrachten Gründe tauglich sind, eine Nichtdurchführung der Atemluftalkoholuntersuchung zu erklären. Damit wurde aber nicht für alle Fälle ausgeschlossen, dass es sich bei dieser Beurteilung medizinischer Hilfestellung bedienen kann, und zwar insbesondere dann, wenn der Betroffene wie im Falle des Revisionswerbers mit der Überprüfung seiner vorgebrachten Gründe durch einen herbeigerufenen Amtsarzt einverstanden ist. Die Beiziehung des Amtsarztes erfolgte daher im vorliegenden Fall noch während und vor Beendigung des Amtshandlung zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt und ergab, dass die vorgebrachten Gründe des Revisionswerbers nicht tauglich waren, eine Nichtdurchführung der Atemluftalkoholuntersuchung zu erklären. Die Bestrafung nach § 5 Abs. 2 StVO erfolgte demgemäß zu Recht. Das angefochtene Erkenntnis weicht daher nicht von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

17 Der Revisionswerber vermisst darüber hinaus Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ende der Mitwirkungspflicht gemäß § 5 Abs. 2 letzter Satz StVO infolge Beiziehung eines Amtsarztes, die nur zur Blutabnahme nach § 5 Abs. 4a StVO und zur Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol gemäß § 5 Abs. 5 StVO vorgesehen sei.

18 Die dem Revisionswerber angelastete Tat ist nach dem Spruch des Straferkenntnisses die bereits um 1:51 Uhr erfolgte Weigerung sich dem Alkotest zu unterziehen. Das dem zugrundeliegende bewusst falsche Beatmen des Testgerätes fand noch vor der Beiziehung des Amtssachverständigen statt, sodass die angesprochene Mitwirkungspflicht für die dem Revisionswerber angelastete Tat ohne Bedeutung ist.

19 Weiters releviert der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beantwortung von Rechtsfragen durch Sachverständige, weil das Verwaltungsgericht in der Aussage des Amtsarztes, es sei von einer Verweigerung des Alkomattests durch den Revisionswerber auszugehen, die Beantwortung der vom Straßenaufsichtsorgan zu beurteilenden Frage sehe, aus welchen Gründen der Atemlufttest misslungen sei (Hinweis auf VwGH 20.9.2018, Ra 2018/11/0077 bis 0078, und Hengstschläger/Leeb , AVG § 52 Rz. 6f).

20 Dem ist zu erwidern, dass das Verwaltungsgericht basierend auf dem von ihm eingeholten lungenfachärztlichen Sachverständigengutachten feststellte, dem Revisionswerber sei es gesundheitlich möglich gewesen, den Atemlufttest mittels Alkomat durchzuführen und ein verwertbares Ergebnis zu erzielen. Die Rechtsfrage, ob das bewusst falsche Beatmen des Testgerätes durch möglichst leichte Atemstöße eine Weigerung nach § 5 Abs. 2 StVO darstellte, wurde somit vom Verwaltungsgericht selbst gelöst, das damit nicht von der zitierten Rechtsprechung abgewichen ist.

21 Zuletzt macht der Revisionswerber als Zulässigkeitsgrund seiner Revision eine unvertretbare Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes geltend. Dazu führt er aus, nach dem Inhalt einzelner wiedergegebener Beweisergebnisse sei folgende maßgebliche Feststellung zu treffen: „Nach Misslingen des Alkomattests wurde der Angezeigte darüber in Kenntnis gesetzt, dass er zur amtsärztlichen Untersuchung und zur Blutabnahme zum Amtsarzt in die nächstgelegene PI [...] gebracht wird.“

22 Fragen der Beweiswürdigung kommt jedoch regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG zu. Die Beweiswürdigung ist nur dahingehend der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind (vgl. VwGH 26.1.2023, Ra 2023/02/0003, mwN). Angesichts der oben wiedergegebenen Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis lassen die Ausführungen der Revision, welche auf die beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes nicht näher eingehen, eine derartige vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung nicht erkennen.

23 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. Juli 2024

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