Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Wien gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. April 2024, Zl. W179 2285523 2/6E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: M A in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid vom 7. Februar 2024 wies die belangte Behörde (die Amtsrevisionswerberin) den Antrag des Mitbeteiligten, eines syrischen Staatsangehörigen, auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (III.).
2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten „mangels Erlassung eines Bescheides“ als unzulässig zurück und erklärte eine Revision für nicht zulässig.
3 Begründend führte das BVwG aus, die Amtsrevisionswerberin habe den genannten Bescheid nach der Aktenlage ohne Zustellverfügung abgefertigt. Nach § 5 Zustellgesetz (ZustG) habe die Zustellverfügung die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten. Ohne Zustellverfügung könne ein Bescheid nicht rechtsgültig erlassen werden. Zudem könne im Adressaten des vorliegenden Bescheides keine Zustellverfügung „substituierend erkannt“ werden, weil dieser nur auf den Vornamen, Nachnamen und das Geburtsdatum samt Herkunftsstaat laute, jedoch alle wesentlichen Zusatzangaben einer Zustellverfügung wie Zustelladresse sowie Form und technische Art der Zustellung, also die benötigten „sonstigen Angaben“ im Sinne des § 5 ZustG vermissen lasse. Das Verfahren des Mitbeteiligten sei daher weiterhin bei der Amtsrevisionswerberin anhängig, die eine korrekte Zustellung im Sinne des Zustellgesetzes vorzunehmen haben werde.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zur Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, dass die Auffassung des BVwG, wonach die wirksame Erlassung eines Bescheides von der Existenz einer separaten Zustellverfügung abhängig sei, mit näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Einklang stehe.
5 In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete der Mitbeteiligte keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
7 Gemäß § 5 ZustG ist die Zustellung von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs reicht es für die Gültigkeit eines Bescheides, dass der Adressat der Erledigung insgesamt eindeutig entnommen werden kann. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn bei schriftlichen Ausfertigungen aus Spruch, Begründung und Zustellverfügung im Zusammenhang mit den anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig erkennbar ist, welchem individuell bestimmten Rechtsträger gegenüber die Behörde einen Bescheid erlassen wollte. Entscheidend ist, dass für die Beteiligten des Verfahrens als Betroffene des Bescheides sowie für die Behörde und in weiterer Folge für die Verwaltungsgerichte und den Verwaltungsgerichtshof die Identität des Bescheidadressaten zweifelsfrei feststeht (vgl. den auch von der Amtsrevision zitierten Beschluss VwGH 11.4.2022, Ra 2022/03/0022, und VwGH 6.12.2022, Ra 2022/07/0066 und 0197, jeweils mwN).
9 Die Vorschriften über die Zustellung sind nicht Selbstzweck, sie sollen nur größtmögliche Garantie dafür bieten, dass das zuzustellende Schriftstück dem Empfänger auch tatsächlich zukommt (vgl. VwGH 17.12.1992, 92/09/0103, mwN; vgl. auch VwGH 10.4.2003, 2003/18/0078, mwN).
10 Die Rechtswirksamkeit einer Zustellung hängt somit nicht von einer bestimmten Form der Zustellverfügung ab. § 5 ZustG bedeutet auch nicht, dass ein ausdrücklich als „Zustellverfügung“ bezeichneter Teil des zuzustellenden Dokuments oder ein eigenes Dokument „Zustellverfügung“ vorhanden sein muss. Es reicht, wenn aus dem zuzustellenden Dokument oder aus sonstigen Unterlagen hervorgeht, wem die Behörde das Dokument zustellen wollte. Das kann sich auch allein aus der Adressierung eines Dokuments oder aus der Adressierung des Zustellnachweises ergeben (vgl. zutreffend Bumberger/Schmid , ZustG - Praxiskommentar zum Zustellgesetz [2018] 40).
11 Der vorliegende Bescheid vom 7. Februar 2024 erfüllt die genannten Gültigkeitsvoraussetzungen: die aktenkundige Bescheidausfertigung bezeichnet als Adressaten den Mitbeteiligten mit Vor- und Zunamen und Geburtsdatum (sowie zusätzlich Staatsangehörigkeit), weshalb die Identität des Mitbeteiligten als Bescheidadressat eindeutig feststand. Das Fehlen einer (gesonderten) Zustellverfügung im Sinne des § 5 ZustG ist daher unerheblich.
12 Nach der Aktenlage wurde der Bescheid (als „Rsa Brief“) nach einem erfolglosen Zustellversuch an der Abgabestelle des Mitbeteiligten an einer näher bezeichneten Post Geschäftsstelle in Wien hinterlegt und der Mitbeteiligte hievon durch Einlegung der Hinterlegungsanzeige in der Abgabeeinrichtung am 9. Februar 2024 verständigt. Der Bescheid war ab dem 12. Februar 2024 bei der Post-Geschäftsstelle abholbereit; an diesem Tag erfolgte auch seine Übernahme durch den Mitbeteiligten.
13 Gemäß § 17 Abs. 3 zweiter und dritter Satz ZustG galt der Bescheid mit dem Tag, an dem er erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde, als zugestellt.
14 Die rechtswirksame Erlassung des gegenständlichen Bescheides der Amtsrevisionswerberin vom 7. Februar 2024 gegenüber dem Mitbeteiligten erfolgte sohin am 12. Februar 2024.
15 Das BVwG hat die (am 28. Februar 2024 bei der Amtsrevisionswerberin eingebrachte) Beschwerde des Mitbeteiligten zu Unrecht mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides zurückgewiesen.
16 Der angefochtene Beschluss war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Wien, am 3. April 2025