JudikaturVwGH

Ra 2023/22/0011 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Mai 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des J O, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 24. Oktober 2022, LVwG 752767/6/BP/CK, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Aufenthaltskarte und Feststellung gemäß § 54 Abs. 7 NAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die „Beschwerde“ des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von X, gegen die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 24. August 2022, mit der unter Abänderung des Ausgangsbescheids vom 7. Juli 2022 ausgesprochen worden war, dass sein Antrag vom 16. September 2021 auf Erteilung einer Aufenthaltskarte wegen Vorliegens einer Aufenthaltsehe gemäß § 54 Abs. 7 NAG zurückgewiesen und festgestellt werde, dass er nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle, als unbegründet ab.

1.2. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die mit einem Aufschiebungsantrag verbundene Revision.

2. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG ist einem Revisionswerber auf Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug ein unverhältnismäßiger Nachteil für ihn verbunden wäre.

Gegenständlich legt der Revisionswerber in seinem Aufschiebungsantrag einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinn des Vorgesagten nicht dar.

3.1. Der Revisionswerber bringt vor, im Fall seiner Abschiebung nach N würde er seine „liebevolle Ehefrau“ und sie ihn „verlieren“.

3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Aufschiebungsverfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen, Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des Revisionsverfahrens haben außer Betracht zu bleiben. Ist daher das Revisionsvorbringen nach der Aktenlage nicht von vornherein als zutreffend zu erkennen, so ist bei der Entscheidung über den Aufschiebungsantrag zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichts auszugehen (vgl. etwa VwGH 6.2.2021, Ra 2021/22/0025, Pkt. 3.2., mwN).

3.3. Nach den nicht von vornherein als unzutreffend zu erachtenden Annahmen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Erkenntnis lägen beim Revisionswerber und seiner „Ehefrau“ weder eine Geschlechtsgemeinschaft, noch eine durchgängige Wohn und insbesondere auch keine Wirtschaftsgemeinschaft vor. Vielmehr sei von einer lediglich zur Erlangung einer Aufenthaltskarte eingegangenen Aufenthaltsehe auszugehen. Im Hinblick darauf kann sich der Revisionswerber jedoch im Aufschiebungsverfahren nicht mit Erfolg auf das Bestehen einer liebevollen ehelichen Beziehung und deren drohenden Verlust berufen.

4.1. Der Revisionswerber macht weiters geltend, seine Familie wäre im Fall seiner Rückkehr nach N „vermutlich“ der Ansicht, dass er „nicht richtig“ mit seiner Ehefrau verheiratet gewesen sei, und würde ihn „ablehnen“. Als Homosexueller riskiere er, in seinem Heimatstaat verfolgt zu werden; mangels Unterstützung durch seine Familie hätte er keine Unterkunft, würde arbeitslos werden, sein Einkommen verlieren und auf der Straße kaum überleben können.

4.2. Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, hat der Revisionswerber im Aufschiebungsantrag zu konkretisieren, worin für ihn ein unverhältnismäßiger Nachteil gelegen wäre. Er hat dabei konkret darzulegen, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt. Die Anforderungen an die Konkretisierungsobliegenheit sind streng (vgl. etwa VwGH 28.5.2023, Ra 2023/22/0089, Pkt. 3.2., mwN).

4.3. Vorliegend stellt die Argumentation des Revisionswerbers, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Heimatstaat von seiner dortigen Familie ausgegrenzt bzw. verstoßen würde und dies existenzbedrohende Folgen für ihn hätte, erklärter Maßen eine bloße Vermutung (arg.: „vermutlich“) dar. Mit einer solchen bloß subjektiven Annahme bzw. Mutmaßung wird jedoch eine (hinreichend) konkretisierte und substanziierte Gefährdung nicht dargetan.

Eine Gefährdung ist im Übrigen auch nach der Aktenlage nicht zu sehen, konnte der Revisionswerber doch (nach eigenen Angaben) bis zu seiner Ausreise aus N sein dortiges Leben ohne Weiteres bewältigen, wobei sowohl von Kontakten mit seiner Familie als auch von Berufstätigkeiten die Rede war.

4.4. Was das weitere Vorbringen betrifft, der Revisionswerber hätte als (angeblich) Homosexueller in N Verfolgung zu erwarten, so ist auf die diesbezüglichen Feststellungen in den vorangehenden abschlägigen Entscheidungen über seine Asylanträge zu verweisen (vgl. insbesondere das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2019). Demnach habe es zuletzt selbst wenn homosexuelle Handlungen strafbar seien jedenfalls in der Praxis keine verstärkte Verfolgung im Sinn einer gezielten bzw. systematischen Repression Homosexueller gegeben; auch bestünden diverse Netzwerke, die Betroffenen erforderlichenfalls geeignete Unterstützung leisten könnten.

Ein gegenteiliges Vorbringen wird vom Revisionswerber im Aufschiebungsantrag nicht erstattet und wird daher auch insofern eine mit seiner Rückkehr verbundene Gefährdung nicht (hinreichend) konkret und substanziiert dargelegt.

Wien, am 3. Mai 2024

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