JudikaturVwGH

Ra 2024/15/0025 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des C M in B, vertreten durch die BKS Steuerberatung GmbH Co KG in 3150 Wilhelmsburg an der Traisen, Untere Hauptstraße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 31. Jänner 2024, Zl. RV/4100300/2023, betreffend Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber bezog - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes (BFG) - für den streitrelevanten Zeitraum Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Weiters war er Gründungsmitglied eines Vereins, wo er u.a. als Kassier tätig war und ab Oktober 2003 beschloss, Geldbeträge dieses Vereins zum persönlichen Gebrauch zu entnehmen. In der Zeit zwischen Oktober 2003 bis Jänner 2011 behob er ohne Rechtsgrundlage Bargeld in verschiedenen Teilbeträgen von Bankkonten des Vereins und verwendete davon in etwa 123.712,94 € für seinen persönlichen Lebensbedarf. Mit strafgerichtlichem Urteil vom 27. Jänner 2016 wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs. 3 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, welche gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Mit weiterem strafgerichtlichen Urteil vom 16. September 2015 wurde der Revisionswerber wegen der Hinterziehung der Einkommensteuer wegen Unzuständigkeit gemäß § 214 FinStrG freigesprochen, woraufhin es zur Einstellung des Verfahrens kam.

2 Mit Antrag vom 9. Februar 2018 begehrte der Revisionswerber beim Finanzamt die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2011 gemäß § 299 BAO wegen inhaltlicher Unrichtigkeit, weil Rückzahlungen veruntreuter Gelder iHv 120.000 € bzw. Zahlungen für die Strafverteidigung iHv 13.000 € sowie Aktenkopien iHv 277,50 € im Zusammenhang mit einem Strafverfahren nicht als Betriebsausgaben anerkannt worden seien.

3 Mit Bescheid vom 16. November 2018 wies das Finanzamt den Antrag ab, weil die Rückzahlungen bzw. die Strafverteidigungskosten in keinem Zusammenhang mit einer besteuerten Einkunftsquelle stünden.

4 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde und brachte vor, dass die Abgabenbehörde bei ihm für die Jahre ab 2006 (ausgenommen 2008) Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit gemäß § 22 EStG 1988 festgesetzt und somit eine Einkunftsquelle besteuert habe. Es sei die Rückzahlung jener Beträge erfolgt, die die Abgabenbehörde in den Jahren 2006 ff der Besteuerung unterzogen habe, weswegen Betriebsausgaben vorlägen, die steuerlich zu berücksichtigen seien.

5 Das Finanzamt erließ daraufhin am 11. Juni 2019 eine Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2011, in der es aufgrund der geleisteten Rückzahlungen der veruntreuten Gelder an den Verein Betriebsausgaben iHv 243,24 € anerkannte und damit die Einkommensteuerfestsetzung auf null änderte.

6 Nach einem Vorlageantrag des Revisionswerbers behob das BFG die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamts ersatzlos. Begründend führte es aus, dass die Erlassung eines abändernden Bescheides gemäß § 299 Abs. 2 BAO voraussetze, dass zuerst ein allenfalls im Spruch nicht richtiger Bescheid aufgehoben werde, was noch nicht erfolgt sei.

7 Daraufhin gab das Finanzamt der Beschwerde mit neuerlicher Beschwerdevorentscheidung keine Folge. Begründend stützte es sich im Wesentlichen darauf, dass der Revisionswerber seine Betriebsausgaben im Erstverfahren hätte vorbringen können und die Behörde daher im Rahmen ihrer Ermessensüberlegungen von einer Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO absehen könne.

8 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das BFG.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, wies das BFG die Beschwerde ab. Begründend führte es aus, dass eine Bescheidaufhebung nach § 299 Abs. 1 BAO im Ermessen der Abgabenbehörde liege, wobei die Ermessensübung sich an Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu orientieren habe. Aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen sei es im Revisionsfall geboten, von einer Bescheidaufhebung abzusehen, weil die „jahrelange Nichtbesteuerung (von 2003 bis 2010) entsprechender Einkünfte wegen bereits eingetretene[r] Festsetzungsverjährung“ einer (spiegelbildlichen) Berücksichtigung der geltend gemachten Betriebsausgaben entgegen stehe.

10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit zunächst vorgebracht wird, dass zu dem Zeitpunkt, als das gegenständliche Erkenntnis am 1. Februar 2024 amtssigniert worden sei, die zuständige Richterin bereits mit Ablauf des 31. Jänner 2024 in den Ruhestand versetzt worden sei. Weiters bringt die Revision vor, dass das BFG in Bezug auf die Ermessensübung auf Billigkeitsüberlegungen nicht eingegangen sei. Zudem habe die Abgabenbehörde in der (aufgehobenen) Beschwerdevorentscheidung vom 11. Juni 2019 sehr wohl immerhin 243,24 € als Betriebsausgaben anerkannt, nicht aber fälschlicher Weise die beantragten 133.277,50 €, womit der nicht sofort verrechenbare Betrag in den Folgejahren nicht im Wege des Verlustvortrags habe geltend gemacht werden können.

11 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Mit hg. Verfügung vom 15. April 2025 forderte der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund des Revisionsvorbringens das BFG auf, bekannt zu geben, ob bzw. wann die erkennende Richterin in den Ruhestand versetzt worden ist und - ergänzend - wann dies in der Geschäftsverteilung des BFG Berücksichtigung gefunden hat.

16 Das BFG gab mit Mitteilung vom 22. April 2025 bekannt, dass die erkennende Richterin mit Ablauf des 30. April 2024 in den Ruhestand versetzt worden sei. In der Geschäftsverteilung des BFG sei sie als zuständige Richterin der GA 5005 ausgewiesen gewesen und ihr Ausscheiden mit Stand 1. Juli 2024 berücksichtigt worden.

17 Diese Mitteilung wurde den Parteien zur Kenntnis gebracht.

18 Die am BFG für das Verfahren zuständige Richterin ist demnach mit Ablauf des 30. April 2024, somit erst nach Erlass des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses in den Ruhestand versetzt worden. Das Vorbringen des Revisionswerbers, dass die Richterin in den Ruhestand versetzt worden sei, bevor die Entscheidung von ihr amtssigniert worden sei, weshalb eine Unzuständigkeit vorliege, entspricht somit nicht den Tatsachen.

19 Daher handelt es sich bei der in diesem Zusammenhang vom Revisionswerber vorgebrachten Rechtsfrage, inwiefern eine in den Ruhestand versetzte Richterin noch Entscheidungen signieren dürfe, um eine, vom Einzelfall losgelösten, abstrakte Rechtsfrage, zu deren Beantwortung der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zuständig ist (vgl. VwGH 27.9.2023, Ra 2023/15/0077; 27.9.2023, Ra 2023/15/0086, jeweils mwN).

20 Weiters moniert die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung, dass das BFG im Zusammenhang mit der in § 299 BAO vorgesehenen Ermessensausübung nicht auf Billigkeitsüberlegungen eingegangen sei, womit es einen Verfahrensfehler geltend macht.

21 Zwar können Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht nur solche des materiellen, sondern auch des Verfahrensrechts sein; nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es jedoch von bestimmten, im Revisionsfall nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen nicht aus, eine Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz geltend gemachter Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen, indem aufgezeigt wird, dass der behauptete Verfahrensfehler für den Ausgang des Verfahrens entscheidend war (vgl. VwGH 26.5.2023, Ra 2022/15/0090 und 0092, mwN).

22 Mit dem pauschalen Vorbringen in der Revision, dass aufgrund fehlenden Eingehens des BFG auf Billigkeitsüberlegungen bei der Ermessensübung die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Betriebsausgaben Auswirkungen auf den Verlustvortrag der Folgejahre habe, wird den Anforderungen an die Relevanzdarlegung keine Rechnung getragen, zeigt sie doch damit nicht auf, inwiefern die in § 299 BAO verankerte Ermessensübung des BFG im Revisionsfall mangelhaft gewesen sein solle (vgl. VwGH 1.6.2017, Ro 2015/15/0034; 26.4.2012, 2009/15/0119, VwSlg 8717 F/2012). So legt die Revision nämlich insbesondere nicht dar, welche konkreten Billigkeitsgründe unbeachtet geblieben sein sollen und inwiefern diese der Ermessensübung des BFG entgegen gestanden wären, das vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Zweckmäßigkeit die spiegelbildliche jahrelange Nichtbesteuerung der Einkünfte des Revisionswerbers und die diesbezüglich bereits eingetretene Festsetzungsverjährung im Rahmen seiner Ermessensübung berücksichtigte (zu einer periodenübergreifenden Gesamtperspektive als Ermessensgesichtspunkt vgl. Ellinger ua , BAO § 303 Rz 31 sowie in diesem Sinne VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011).

23 Zuletzt verkennt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung, wie sie jedoch an anderer Stelle selbst anführt, dass die Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2011 vom 11. Juni 2019, mit der Betriebsausgaben iHv 243,24 € anerkannt worden sind, vom BFG mit Erkenntnis vom 8. März 2023 ersatzlos behoben wurde. In weiterer Folge hat das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 31. Mai 2023 den Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2011 abgewiesen, womit es beim ursprünglichen (und nicht in Beschwerde gezogenen) Festsetzungsbescheid blieb und im Ergebnis keine der nachträglich geltend gemachten Betriebsausgaben anerkannt wurden, womit der Hinweis auf eine teilweise erfolgte Anerkennung schon deshalb ins Leere geht. Im Übrigen ist Verfahrensgegenstand revisionsgegenständlich nur der Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2011 gemäß § 299 BAO; die vom Revisionswerber vorgebrachte Unmöglichkeit der Geltendmachung eines Verlustvortrages in den Folgejahren ab 2012 aufgrund nur teilweiser Anerkennung von Betriebsausgaben ist daher nicht Gegenstand des Verfahrens.

24 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. Juni 2025

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