JudikaturVwGH

Ra 2023/19/0496 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des A A, vertreten durch Mag. Ralf Niederhammer und Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Oktober 2023, W288 2265446 1/10E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 24. November 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, Syrien auf Grund des Krieges verlassen zu haben. Er habe Angst vor der Einziehung zum Wehrdienst, weil er nicht kämpfen und niemanden töten wolle.

2 Mit Bescheid vom 1. Dezember 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass dem Revisionswerber keine Rekrutierung durch das syrische Regime, kurdische Einheiten oder andere Gruppierungen drohe, weil diese im Heimatort des Revisionswerbers, der unter Kontrolle der Syrischen Nationalarmee (SNA) stehe, keinen Zugriff auf ihn hätten und er diesen Ort erreichen könne, ohne in Kontakt mit den oben genannten Akteuren zu treten. Dem Revisionswerber drohe auch keine Zwangsrektrutierung durch die SNA. Diese würde Zivilisten in den von ihr kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auferlegen. Überdies drohe ihm kein psychischer oder physischer Eingriff in seine körperliche Integrität auf Grund seiner Herkunft aus einem oppositionellen Gebiet, seiner Ausreise und Asylantragstellung in Österreich.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis stehe nicht in Einklang mit den verwendeten Länderberichten, weil sich aus diesen ergebe, dass dem Revisionswerber eine legale Einreise über den vom BVwG genannten Grenzübergang nicht möglich sei. Er müsse über den Flughafen Damaskus einreisen und trete daher zwingend in Kontakt mit dem syrischen Regime. Überdies sei die Begründung des BVwG, warum dem zum Entscheidungszeitpunkt noch minderjährigen Revisionswerber keine Zwangsrekrutierung als Kindersoldat durch die SNA drohe, nicht nachvollziehbar.

8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 14.12.2023, Ra 2023/19/0453, mwN).

9 Der Revision gelingt es mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht, eine solche vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der beweiswürdigenden Überlegungen des BVwG aufzuzeigen, zumal sich dieses mit dem Vorbringen des Revisionswerbers hinsichtlich der Zwangsrekrutierung als Kindersoldat eingehend auseinandersetzte und in Einklang mit den Länderberichten vertretbar zum Ergebnis kam, dass dem Revisionswerber nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Zwangsrekrutierung als Kindersoldat drohe.

10 Werden von der Revision überdies Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. VwGH 14.12.2023, Ra 2023/19/0144, mwN).

11 Diesem Erfordernis wird die vorliegende Revision aus folgenden Erwägungen nicht gerecht:

12 Die Revision bringt zwar vor, aus einer näher zitierten Anfragebeantwortung ergebe sich, dass der vom BVwG angeführte Grenzübergang nur für eine ganz bestimmte Personengruppe legal passierbar sei. Darunter falle der Revisionswerber nicht und daher werde er bei der Einreise über den Flughafen Damaskus vom syrischen Regime zwangsrekrutiert.

13 Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein.

Fehlt hingegen ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. zu alldem VwGH 31.10.2023, Ro 2023/19/0002, mwN).

14 Im vorliegenden Fall zeigt die Revision nicht auf und ist auch nicht ersichtlich, dass der Revisionswerber in Bezug auf die ihm drohende Einziehung zum Wehrdienst im Verfahren vor dem BFA oder im Beschwerdeverfahren ein glaubhaftes Vorbringen erstattet hätte, das einen kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund im Sinn der oben wiedergegebenen Rechtsprechung erkennen lässt.

15 Vor diesem Hintergrund vermag die Revision mit ihrem Vorbringen auch nicht die Relevanz der von ihr gerügten Verfahrensmängel aufzuzeigen.

16 Fehlt dem Vorbringen zur drohenden Einziehung zum Wehrdienst der kausale Zusammenhang mit einem Konventionsgrund im oben beschriebenen Sinn, so ist damit auch dem auf der Prämisse des Vorliegens eines Verfolgungsgrundes des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufbauenden Revisionsvorbringen zu den „Umständen der Rückkehr in den Herkunftsstaat“ bzw. der Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Revisionswerbers der Boden entzogen (vgl. dazu nochmals VwGH Ro 2023/19/0002).

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 18. Jänner 2024

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