Spruch
L511 2267454-2/12E IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Syrien, vertreten durch BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Steiermark Außenstelle Graz vom 06.07.2023, Zahl: XXXX , nach mündlicher Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1.1. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger und stellte am 27.08.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes [AS] 3).
1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA] wies mit Bescheid vom 06.07.2023, Zahl: XXXX , diesen Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III) (AS 251-386).
1.3. Der Beschwerdeführer erhob gegen Spruchpunkt I des am 17.07.2023 zugestellten Bescheides mit Schreiben vom 10.08.2023 fristgerecht Beschwerde (AZ 399, 405-431).
2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 21.08.2023 die Beschwerde samt durchnummeriertem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des Gerichtsverfahrensaktes [OZ] 1 (AS 1-431]).
2.1. Das Bundesverwaltungsgericht hielt unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch am 25.04.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen; das BFA verzichtete auf die Teilnahme (OZ 6).
2.2. Der Beschwerdeführer nahm auf Ersuchen des BVwG mit Schreiben vom 07.02.2025 Stellung zur aktuellen Situation in Syrien und aktuellen Länderinformationsquellen. Das BFA nahm dazu nicht Stellung (OZ 10, 11).
3. Zu den Fluchtgründen und der Rückkehrbefürchtung befragt erstattete der Beschwerdeführer nachfolgendes zusammengefasstes Vorbringen:
In der Erstbefragung im August 2021 brachte der Beschwerdeführer vor, er habe Syrien wegen der schlechten Lage verlassen. Es gebe keine Sicherheit und überall bewaffnete Gruppierungen, die die Jugend ausnutzen würden. Er habe Angst und wolle nicht kämpfen (AS 11).
In der Einvernahme im November 2022 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er sei vor der Ausreise wegen seiner Mitarbeit bei humanitären Hilfsorganisationen vom IS bedroht worden, weil sie ihn als Ungläubigen betrachtet hätten. Er sei unmittelbar mit dem Tod bedroht worden. Sein Name und der von anderen Mitarbeitern sei vom IS an der Tür der Moschee angeschlagen worden und einige Zeit später habe er erfahren, dass einer davon umgebracht worden sei. Er habe einen viermonatigen Arbeitsvertrag mit dieser Organisation gehabt, sei aber nicht mehr dortgeblieben. Wenn er im Land geblieben wäre, hätte er auch andere Leute umbringen und zu Waffen greifen müssen. Während der Kriegszeit in Syrien sei er Student gewesen und habe einen Aufschub vom Militärdienst gehabt. Im letzten Studienjahr sei ihm das Militärbuch abgenommen und der Einberufungsbefehl gegeben worden. In XXXX sei er von den Kurden aufgefordert worden, zum Heer der Kurden einzurücken und habe sich daher nicht mehr frei bewegen können. Der Dorfvorsteher sei zu ihnen gekommen und habe gesagt, sein Bruder und er müssten zum Heer einrücken. Sie seien zwei Mal gekommen und hätten nach ihnen gesucht. Im Jahr 2014 habe er an Demonstrationen teilgenommen. Bei einer Rückkehr müsse er mitkämpfen, ansonsten würde er ins Gefängnis geworfen werden bis er sterbe. Er werde als Landesverräter erachtet, weil er geflohen sei (AS 78, 83-87).
In der weiteren Einvernahme vor dem BFA im April 2023 (AS 247-250) und in der Beschwerde vom August 2023 (AS 405-431) wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers im Wesentlichen wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass im Falle einer Rückkehr aufgrund des Auslandsaufenthaltes, der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in Österreich darüber hinaus auch die Gefahr bestehe, vom syrischen Regime als Gegner angesehen und verfolgt zu werden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im April 2024 bekräftigte und konkretisierte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien würden ihn alle Kräfte rekrutieren wollen; besonders das syrische Regime. Man würde ihn auf Grund des Verlassens von Syrien als Verräter sehen und töten. Er wolle seinerseits keine Menschen töten und könne sich nicht vorstellen Waffen in die Hand zu nehmen. Auch er nicht bereit einem Regime zu dienen, dass so viele Verbrechen begangen habe. In XXXX habe er sich nach dem Studium in XXXX nur ein paar Monate aufgehalten und sich ständig versteckt. Er wolle auch die Selbstverteidigungspflicht nicht erfüllen, weil man auf jeder Seite Waffen in die Hand nehmen müsse und er sei nicht in der Lage andere Menschen zu töten oder gegen sie zu kämpfen (VHS 6-8).
Im August 2020 sei der Beschwerdeführer zudem von Schläferzellen des IS bedroht worden. Es sei ein Zettel auf die Tür der Moschee in XXXX gehängt worden, auf dem sein Name gestanden sei. Eine Person, die auf dieser Liste gestanden sei, sei getötet worden (VHS 10). Er unterstütze keine der Gruppierungen in Syrien, weil jede nur ihre eigenen Interessen und ihre persönlichen Agenden verfolge und für Geld alles machten (VHS 11).
In der Stellungnahme vom 07.02.2025 wird zusammengefasst ausgeführt, der Beschwerdeführer gehe angesichts der sicherheitspolitischen Entwicklung in Syrien seit Dezember 2024 davon aus, dass ihm nunmehr im Fall der Rückkehr nach Syrien keine asylrelevante Gefährdung durch das syrische Assad Regime drohe. Ungeachtet der neuen Entwicklungen in Syrien befürchte er jedoch weiterhin asylrelevante Verfolgung durch kurdische Akteure im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsregion XXXX im Gouvernement Deir-ez-Zor, sowie durch Schläferzellen des IS. Für den Beschwerdeführer bestehe aufgrund der Generalmobilmachung der SDF im Dezember 2024 die reale Gefahr von den SDF zwangsrekrutiert zu werden. Er wolle jedoch nicht für die SDF kämpfen und lehne deren Rekrutierungspolitik, insbesondere auch die systematische Rekrutierung Minderjähriger aus Gewissensgründen ab. Vor diesem Hintergrund sei es lebensnah und plausibel, dass die Kurden nunmehr eine Verweigerung der militärischen Selbstverteidigungspflicht oder generell die Ablehnung des Beschwerdeführers gegenüber der Rekrutierungspolitik der Kurden durchaus mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als Ausdruck einer oppositionellen politischen Einstellung verstehen würden, da im Kontext einer sicherheitspolitischen Situation, die aus Sicht der SDF eine Generalmobilmachung notwendig mache, die Schwelle für eine unterstellte oppositionelle politische Überzeugung niedriger sein werde, als zu Friedenszeiten. Im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsregion im Gouvernement Deir-ez-Zor sei es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar seine (gegenüber den SDF und ihrer Rekrutierungspolitik) oppositionelle politische Meinung geheim zu halten (OZ 11).
II. zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, ist 1994 geboren und Staatsangehöriger von Syrien. Er gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zur sunnitischen Religionsgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat keine Kinder. Er stammt aus XXXX im Gouvernement Deir ez-Zor. Seine Eltern und drei Schwestern leben nach wie vor dort und betreiben eine Landwirtschaft. Die Brüder des Beschwerdeführers leben in Österreich und im Libanon. Er lebte auf Grund seines Elektrotechnikstudiums 7 Jahre lang in XXXX , zuletzt gemeinsam mit seiner Ehefrau. Seine Ehefrau lebt aktuell in der Türkei. Er verließ XXXX Ende 2020 und begab sich zurück nach XXXX , wo er bis zu seiner Ausreise aus Syrien ca. 8 Monate lang bei seiner Familie lebte (AS 1-5, 80-83; VHS 5-6).
Der Beschwerdeführer reiste im Mai 2022 unrechtmäßig in Österreich ein und verfügt in Österreich über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten und eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG. Der eingeholte Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich weist keine Einträge auf, und es wurde kein Einreiseverbot gegen ihn erlassen (OZ 6).
1.2. Zum Herkunftsort und Aufenthalt des Beschwerdeführers in Syrien
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers XXXX (OZ 11) liegt östlich des Euphrat im Gouvernement Deir ez-Zor. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs stand der Herkunftsort des Beschwerdeführers zeitweise unter der Kontrolle oppositioneller Kräfte. Von Juni 2014 bis Dezember 2018 übte der Islamische Staat die Kontrolle in diesem Gebiet aus. Seit Jänner 2019 befindet sich XXXX unter kurdischer Kontrolle (online Kontrollgebietskarten, LIB 4).
1.3. Zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutz
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer glaubhaft an, Syrien verlassen zu haben, um im Bürgerkrieg weder für die syrische Armee, noch für die SDF kämpfen zu müssen (AS 11, 78, 83-87, 247-250, 405-431; VHS 6-11).
Ebenso glaubhaft ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er nicht für die SDF kämpfen möchte und deren Rekrutierungspolitik, insbesondere die systematische Rekrutierung Minderjähriger, aus Gewissensgründen ablehne und auch Angst vor Schläferzellen des IS habe (VHS 6-8, 11; OZ 11).
Nicht objektivierbar sind in diesem Zusammenhang und im Hinblick auf die aktuelle Situation in Syrien (und einer damit im Zusammenhang stehenden aktuellen Rückkehrbefürchtung) hingegen die Befürchtungen des Beschwerdeführers, ihm drohe in seiner Herkunftsregion Deir-ez-Zor aufgrund der dort anhaltenden Kämpfen die reale Gefahr von der SDF zwangsrekrutiert zu werden, sowie dass die SDF seine Ansicht zur Rekrutierungspolitik der SDF als Ausdruck einer oppositionellen politischen Einstellung verstehen würde, die er geheimhhalten müsste (OZ 11).
Explizite Probleme oder Befürchtungen im Zusammenhang mit der HTS oder einer anderen der am Konflikt beteiligten Gruppierungen, etwa der SNA oder dem IS, brachte er nicht vor und es ergeben sich auch keine Hinweise darauf aus dem Vorbringen im Verfahren (OZ 11).
1.4. Zur (verfahrensgegenständlich relevanten) Lage im Herkunftsstaat Syrien
1.4.1. Zur politischen Situation in Syrien seit Dezember 2024
Am 27. November 2024 führte die militante islamistische Gruppe HTS unter der Führung von Ahmad Al-Sharaa eine groß angelegte Offensive im Nordwesten Syriens durch. Bis dahin war der Einfluss der HTS auf Teile der Gouvernorate Aleppo und Idlib beschränkt. […] An der Operation war eine Koalition von Rebellenfraktionen beteiligt, zu der unter anderem die von der Türkei unterstützte SNA gehörte. Von Osten her verlegten die kurdisch geführten SDF ihre Kämpfer in Gebiete westlich des Euphrat im Gouvernement Deir Ez-Zor, die zuvor unter der Kontrolle der syrischen Armee gestanden hatten. Bis zum 1. Dezember eroberten HTS und seine verbündeten Fraktionen Aleppo, Syriens zweitgrößte Stadt, gefolgt von der Einnahme von Hama am 5. Dezember und Homs, der drittgrößten Stadt, am 7. Dezember. Inzwischen drangen Rebellenkräfte aus Südsyrien in Dar'a ein und erlangten die Kontrolle über 90 % des Gouvernements, als sich die Regierungstruppen zurückzogen. In Sweida übernahmen drusische Fraktionen die Kontrolle. Fraktionen aus dem Süden bildeten den Southern Operations Room, um den Aufstand zu unterstützen, und drangen als erste in Damaskus ein, zogen sich jedoch nach Dar'a zurück, als die HTS in der Hauptstadt eintraf. Am 8. Dezember 2024 erklärten die Rebellen in der Hauptstadt ihren Sieg. Der syrische Präsident Baschar al-Assad floh noch am selben Tag aus dem Land und suchte Zuflucht in Russland, wo ihm Asyl gewährt wurde. Die Opposition stieß während ihres gesamten Feldzugs auf minimalen Widerstand, da die syrischen Armeekräfte ihre Stellungen aufgaben, sodass die Rebellen mit geringem Widerstand in die Hauptstadt einmarschieren konnten. […]
Nach dem Sturz der Regierung von Bashar Al-Assad am 8. Dezember 2024 wurde eine Übergangsregierung eingesetzt. Der ehemalige Premierminister Mohammed Al-Jalali übergab die Macht offiziell an Mohammed al-Bashir, den neu ernannten Übergangspremierminister, um die Fortführung staatlicher Funktionen sicherzustellen, wie Al-Jalali erklärte, einschließlich der Zahlung von Gehältern im öffentlichen Dienst. Al-Sharaa erklärte, die Organisation nationaler Wahlen könne aufgrund der notwendigen Rekonstruktion der Wahlinfrastruktur bis zu fünf Jahre dauern. Er bekräftigte ferner, dass Syrien als „Republik mit einem Parlament und einer Exekutive“ strukturiert sein werde. Am 29. Dezember skizzierte Ahmad al-Sharaa einen mehrjährigen Fahrplan, der die Ausarbeitung einer neuen Verfassung innerhalb von drei Jahren und anschließende Wahlen sowie Pläne für eine Nationale Dialogkonferenz zur Förderung von Versöhnung und Inklusivität vorsieht. Als Teil des Übergangsprozesses betonte Al-Sharaa die Bedeutung der Wahrung der nationalen Einheit und lehnte den Föderalismus ab. Es fanden erste Verhandlungen mit den SDF und dem Kurdischen Nationalrat (KNC) statt, um kurdische Fraktionen in den politischen Prozess einzubinden. Die ursprünglich für Anfang Januar geplante Nationale Dialogkonferenz wurde jedoch später verschoben, um ein umfassenderes Vorbereitungskomitee einzurichten, das alle Teile der syrischen Gesellschaft repräsentiert. Sie fand schließlich am 25. Februar 2025 statt, nachdem vorbereitende Workshops auf lokaler Ebene eingeleitet worden waren. Sie tagte mit rund 600 Teilnehmern in Damaskus. In ihrer Abschlusserklärung betonte sie die territoriale Integrität Syriens, verurteilte die israelischen Einfälle und forderte einen Rückzug. Sie sah außerdem die Verabschiedung einer vorläufigen Verfassungserklärung, die Bildung eines vorläufigen Legislativrats und die Ausarbeitung eines Entwurfs für eine dauerhafte Verfassung mit Schwerpunkt auf Menschenrechten und Freiheit vor. In der Abschlusserklärung wurde zudem die Bedeutung der Teilhabe von Frauen, eines friedlichen Zusammenlebens und der Einrichtung kontinuierlicher nationaler Dialogmechanismen erwähnt. Die Konferenz wurde jedoch dafür kritisiert, übereilt organisiert und nicht repräsentativ genug zu sein. Ende Januar erklärte die Übergangsregierung die Aufhebung der syrischen Verfassung von 2012 und die Auflösung des Parlaments, des Militärs und der Sicherheitsbehörden der ehemaligen Regierung. Al-Sharaa erklärte, er werde einen Übergangsgesetzgebungsrat einrichten, der die Regierungsführung bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung unterstützen soll.
[Auszug aus EUAA, Syria Country Focus, Country of Origin Information Report, März 2025; 19-21]
Am 13.3.2025 unterzeichnete ash-Shara’ die angekündigte Verfassungserklärung (NYT 14.3.2025). Das vorläufige Dokument besteht aus vier Kapiteln und 53 Artikeln (AlHurra 14.3.2025). Es sieht eine fünfjährige Übergangsphase vor (BBC 14.3.2025). Nach dieser Übergangsphase soll eine dauerhafte Verfassung verabschiedet und Wahlen für den Präsidenten abgehalten werden (NYT 14.3.2025). Die Erklärung legt fest, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, wie es schon in der vorherigen Verfassung geschrieben stand. Anders als in der Verfassung von 2012, schreibt diese Verfassungserklärung die islamische Rechtslegung als wichtigste Quelle der Gesetzgebung fest. Daneben werden die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz verankert sowie die Rechte der Frauen garantiert (BBC 14.3.2025). Der Präsident ist jedoch allein für die Ernennung der Richter des neuen Verfassungsgerichts Syriens verantwortlich. Die Richter müssen unparteiisch sein (NYT 14.3.2025). Für die Rechenschaftspflicht des Präsidenten wird in der Verfassung keine Möglichkeit eingeräumt. Der Erklärung zufolge wird ash-Shara’ neben dem Präsidenten der Republik die folgenden Ämter bekleiden: Premierminister, Oberbefehlshaber der Armee und der Streitkräfte und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates. In Artikel 41 räumt die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Möglichkeit ein, mit Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates, dessen Mitglieder er selbst auswählt, den Ausnahmezustand auszurufen (AlHurra 14.3.2025). […] Der Meinung des Syrienexperten Fabrice Balanche nach ist der Nationale Sicherheitsrat „die eigentliche Regierung“ (AlMon 30.3.2025). Die Erklärung garantiert Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit. Allerdings können alle Rechte, einschließlich der Religionsfreiheit, eingeschränkt werden, wenn sie unter anderem als Verstoß gegen die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung angesehen werden. Die Verpflichtung zur Gewährleistung der Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit ist mit einigen Ausnahmen verbunden, darunter die Verherrlichung des Assad-Regimes (NYT 14.3.2025). Auch die Symbole des Assad-Regimes sind unter Strafe gestellt sowie seine Verbrechen zu leugnen, zu loben, zu rechtfertigen oder zu verharmlosen (AlHurra 14.3.2025). Die Verfassungserklärung garantiert Frauen das Recht auf Bildung und Arbeit und fügt hinzu, dass sie volle soziale, wirtschaftliche und politische Rechte haben werden (NYT 14.3.2025). Aussagen eines Mitglieds des Ausschusses für die Verfassungserklärung zufolge werde eine neue Volksversammlung die volle Verantwortung für die Gesetzgebung tragen. Zwei Drittel ihrer Mitglieder würden von einem vom Präsidenten ausgewählten Ausschuss ernannt, ein Drittel vom Präsidenten selbst. Außerdem werde ein Ausschuss gebildet, der eine neue dauerhafte Verfassung ausarbeiten solle (BBC 14.3.2025). […] Während ash-Shara’ ein gewisses Maß an Pragmatismus gezeigt hat, insbesondere im Umgang mit lokalen Gemeinschaften, sind die Strukturen der Übergangsregierung nach wie vor zentralisiert und hierarchisch, wobei die Macht in einem kleinen Führungskreis konzentriert ist. Dies schränkt die Möglichkeiten für eine integrative Entscheidungsfindung ein und verstärkt die Wahrnehmung der Ausgrenzung von Minderheiten und Frauen (AC 20.12.2024). HTS hat in Idlib einerseits bemerkenswerte Zugeständnisse an die lokale Bevölkerung gemacht. So erlaubte sie beispielsweise Christen, Gottesdienste abzuhalten und Frauen, Universitäten zu besuchen und Autos zu fahren – Maßnahmen, die angesichts der radikalen dschihadistischen Vergangenheit der Gruppe bemerkenswert sind. Darüber hinaus hat HTS Zivilisten in seine Regierungsverwaltung integriert und einen technokratischen Regierungsstil eingeführt, selbst in sensiblen ideologischen Bereichen wie Bildung und Religion, in denen die Gruppe ursprünglich ausschließlich eigenes Personal ernennen wollte. Andererseits ist die mangelnde Bereitschaft, politische Opposition zuzulassen, nach wie vor besorgniserregend. In Idlib hat HTS nach und nach die Macht monopolisiert und agierte praktisch als Einparteienstaat. Politische Opposition und zivilgesellschaftlicher Aktivismus wurden unterdrückt (DIIS 16.12.2024). Zu den ersten Entscheidungen der Übergangsregierung unter al-Bashir gehörten die Entsendung von Polizeikräften in Großstädte und das Verbot von Rauchen und Alkoholkonsum (MAITIC 17.12.2024). Der HTS wurden unter anderem von Human Rights Watch, immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle, Frauen und religiöse Minderheiten vorgeworfen. Es kam auch zu groß angelegten Protesten gegen die HTS und ihren Anführer, ash-Shara’ (Rosa Lux 17.12.2024). Laut Terrorismusexperte Peter Neumann haben die Kämpfer der HTS für ein islamistisches Regime gekämpft. Er hält es für möglich, dass es zu einer Opposition in der eigenen Bewegung kommen könnte (Spiegel 11.12.2024).
[Auszug aus Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Syrien, 08.05.2025; 8-11]
1.4.2. Zur Wehrpflicht und Rekrutierungspraxis in Syrien seit Dezember 2024
Zur Wehrpflicht im Gebiet der Übergangsregierung
In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara’, dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen […]
Der Übergangspräsident Ahmed ash-Shara’ hat die Vision einer neuen „Nationalen Armee“ geäußert, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, bei dem Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) angeblich die Führung übernehmen soll (DNewsEgy 3.2.2025). Der syrische Verteidigungsminister Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte zu deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln (Arabiya 6.1.2025b). Hochrangige Beamte des neuen Regimes führten Gespräche über die Eingliederung von Milizen in das Verteidigungsministerium und die Umstrukturierung der syrischen Armee mit Vertretern unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen, wie Fraktionen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) (MAITIC 9.1.2025). Die Behörden gaben Vereinbarungen mit bewaffneten Rebellengruppen bekannt, diese aufzulösen und in die vereinte syrische Nationalarmee zu integrieren (UNSC 7.1.2025). Die einzige Möglichkeit, eine kohärente militärische Institution aufzubauen, besteht laut Abu Qasra darin, die Gruppierungen vollständig in das Verteidigungsministerium unter einer einheitlichen Struktur zu integrieren. Die Grundlage für diese Institution muss die Rechtsstaatlichkeit sein (Al Majalla 24.1.2025). […] Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today 8.1.2025). […] Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden (SCI o.D.). Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara’ an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben (Arabiya 10.2.2025a). Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zour gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer vor allem der Kriminalpolizei bei (Syria TV 21.2.2025). Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.2.2025 mit, dass bis zum 15.2.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen (Enab 12.2.2025).
[Auszug aus Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Syrien, 08.05.2025; 132-134]
Die Übergangsregierung schaffte die Wehrpflicht ab, außer in Situationen wie dem nationalen Notstand. Laut Samir Saleh, Mitglied des Militärkommandos im Umland von Damaskus, wird die syrische Armee eine Freiwilligenarmee sein, an der sich die Bevölkerung beteiligen soll, um die Grenzen des Landes zu sichern. Frühere Überläufer, wie z. B. Offiziere der Freien Syrischen Armee (FSA), werden in der Struktur des Verteidigungsministeriums einen besonderen Status erhalten, je nach ihrer Expertise. Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 neuen militärischen Befehlshabern veröffentlicht, darunter Mitglieder der HTS, übergelaufene Offiziere der syrischen Armee und mindestens sechs Nicht-Syrer, wobei die sieben höchsten Positionen Berichten zufolge mit HTS-Mitgliedern besetzt sind.
Schließlich verpflichtete sich die Übergangsregierung, alle Rebellengruppen in das Verteidigungsministerium zu integrieren. Zwischen Januar und Februar 2025 bemühten sich die Interimsministerien für Verteidigung und Inneres, alle bewaffneten Gruppen in einer einzigen Militär- und Polizeitruppe zu vereinen. Das Verteidigungsministerium berichtete, dass über 70 Gruppierungen aus sechs Regionen der Integration zugestimmt hätten, und es wurde ein Oberster Ausschuss eingerichtet, der den Einsatz militärischer Mittel, einschließlich Personal, Stützpunkte und Waffen, steuern sollte. […] Von Anfang an verkündeten die neuen Behörden, dass die Soldaten, die im Rahmen der Wehrpflicht rekrutiert worden waren, sicher seien und dass es verboten sei, sie anzugreifen. Am 9. Dezember erließ das MOA eine Generalamnestie für alle zwangsrekrutierten Militärangehörigen. […] Ende Dezember intensivierte die Übergangsverwaltung ihre Bemühungen, Personen festzunehmen, die mit der gestürzten Regierung in Verbindung stehen. Die Behörden behaupteten, ihre Verhaftungsaktionen zielten nur auf Personen ab, die im Namen des Assad-Regimes Verbrechen begangen hatten. Die Kampagnen in Deir Ez-Zor, Aleppo und Tartous konzentrierten sich auf die Beschlagnahmung illegaler Waffen und die Festnahme von Verdächtigen, die an illegalen Aktivitäten beteiligt waren. Allein in einer Woche wurden in Damaskus, Latakia, Tartus, Homs, Hama und Deir Ez-Zor fast 300 Personen festgenommen, darunter ehemalige Regimeinformanten, pro-iranische Kämpfer und rangniedrige Militäroffiziere. Nach Angaben des SOHR wurden einige Gefangene, die beschuldigt wurden, der Assad-Regierung Informationen geliefert zu haben, Berichten zufolge unmittelbar nach ihrer Verhaftung hingerichtet.
[Auszug aus EUAA, Syria Country Focus, Country of Origin Information Report, März 2025; 22-23]
Mehrere Quellen berichten im Februar 2025, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze (Enab Baladi, 12. Februar 2025; France 24, 10. Februar2025; siehe auch Markaz Al-Jazeera l-il-Dirasat, 30. Jänner 2025; FDD,28. Jänner 2025). […] Mitte März 2025 berichten Quellen von einer zwischen Ahmad Scharaa und Mazloum Abdi, dem Leiter der SDF, getroffenen Einigung, die Ende 2025 umgesetzt werden solle (DW, 11. März 2025; CNN, 11. März 2025; The Guardian, 10. März 2025). Die Vereinbarung sehe vor, alle „zivilen und militärischen Einrichtungen“ in Nordost-Syrien der Verwaltung dessyrischen Staates zu unterstellen (DW, 11. März 2025, siehe auch The Guardian, 10. März 2025). Der von CNN dazu interviewten Wissenschaftlerin am Center for Strategic and International Studies Natasha Hall zufolge sei zu dem Zeitpunkt unklar, wie die Integrierung der SDF in die Institutionen des syrischen Staates aussehen werde. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung sei es der SDF erlaubt, ihre Struktur und ihre Waffen zu behalten (CNN, 11. März 2025). In einem arabischsprachigen Artikel von März 2025 von Al Jazeera wird ein Mann zitiert, der an den zu der Zeit bestehenden Protesten in Deir ez-Zor teilgenommen habe. Er habe unter anderem darauf hingewiesen, dass SDF-Kräfte Verhaftungskampagnen in den von der SDF kontrollierten Gebieten durchgeführt hätten, in deren Rahmen Dutzende junge Männer unter dem Vorwurf der Gruppe Islamischer Staat (IS) beitreten zu wollen, verhaftet und zwangsrekrutiert worden seien (Al Jazeera, 8. März 2025). In einem arabischsprachigen Artikel von Jänner 2025 zitiert Al Jazeera den Wissenschaftler Amir Al-Mithqal, dem zufolge die Demokratischen Kräfte Syriens (Syrian Democratic Forces, SDF) aufgrund eines Mangels an kurdischen Kräften ethnische Araber zwangsrekrutiert hätten (Al Jazeera,29. Jänner 2025). Ende Jänner 2025 berichtet Syria TV, dass seit dem Sturz der Assad-Regierung über 5.000 Männer die SDF verlassen hätten, indem sie übergelaufen oder geflohen seien. Einer der SDF nahestehenden Quelle zufolge bestehe ein Mangel an Kräften in den Reihen der SDF und diese sei nicht imstande neue Rekrutierungskampagnen in der Region zu starten. Es würden nur begrenzt Rekrutierungsoperationen durchgeführt, und zwar hauptsächlich im Gouvernement Hasaka. Der Quelle zufolge prüfe die SDF sämtliche Optionen, um ihre Militär- und Sicherheitskräfte zu stärken, unter anderem durch den Aufbau neuer Kräfte. Mitte Jänner habe die SDF die Demobilisierung von Wehrpflichtigen, die ihre Wehrpflicht bereits abgeleistet hätten, aufgrund des bedeutenden Anstiegs an Desertionen und Überläufen in ihren Kreisen gestoppt. […] (Syria TV, 31. Jänner2025). […] Der Quelle zufolge würden SDF-Kräfte weiterhin Kinder festnehmen und sie unter Zwang in Kinderrekrutierungslagern festhalten. Diese und andere Übertretungen hätten in der Zeit, die der Berichterstattung vorangegangen sei, zugenommen. Auch Entführungen und Rekrutierungen von Kindern durch die der SDF nahestehenden Revolutionären Jugend hätten zugenommen (RASD Syria, 27. Februar2025).
[Auszug aus Anfragebeantwortung zu Syrien, Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG); Zwangsrekrutierungen [a-12592-v2], 21.03.2025]
Zur Selbstverteidigungspflicht in der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Laut Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigung gelten Männer mit Vollendung des 18. Lebensjahres als wehrpflichtig und müssen den Selbstverteidigungsdienst bis zum vierzigsten Lebensjahr vollendet haben (Artikel 13). Wehrpflichtig ist jeder männliche Bewohner der Region Nord- und Ostsyrien, der das gesetzliche Alter für die Ausübung des Selbstverteidigungsdienstes erreicht hat, bzw. jeder, der seit mehr als drei Jahren dauerhaft in Nord- und Ostsyrien ansässig ist und die syrische Staatsangehörigkeit besitzt (Artikel 1) (AANES-GC 22.2.2024). […] Das sogenannte Verteidigungsbüro des Exekutivrats der „Demokratischen Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien“ hat die für die Wehrpflicht erforderlichen Geburtsjahrgänge festgelegt, während die Verhaftungskampagnen gegen junge Menschen für die Einberufung in die Reihen der SDF weitergehen. Die Erklärung wurde vom Verteidigungsbüro der Autonomen Verwaltung an alle Verteidigungsbüros in der Region verteilt. Darin steht, dass wer zwischen dem 1.1.1998 und dem 31.12.2005 [geboren wurde], für den Dienst der Selbstverteidigung wehrpflichtig ist (Shaam 10.1.2024). […] Araber und Kurden werden laut von ACCORD befragten Experten vor dem Gesetz gleichbehandelt. Fabrice Balanche erklärt jedoch, dass mehr Flexibilität gegenüber Arabern gezeigt werden würde, um einen Aufstand zu vermeiden. Arabische Stammesführer hätten lokal die Macht und würden für bestimmte junge Araber Ausnahmen und Aufschiebungen erwirken.
[Auszug aus Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Syrien, 08.05.2025; 137-138]
Ein Forscher am Omran Center for Strategic Studies erklärt in einer E-Mail an ACCORD vom Februar 2025, dass die Situation bezüglich des Selbstverteidigungsdienstes vorerst unverändert geblieben sei, wenngleich er darauf hinwies, dass die SDF am 18. Februar 2025 einer Integration ihrer Streitkräfte in die syrische Armee zugestimmt habe. Weiters führte er aus, dass nach dem Sturz der Assad-Regierung mehrere Desertionen innerhalb der SDF-Truppen verzeichnet worden seien, darunter auch eine Anzahl von Militärangehörigen des Selbstverteidigungsdienstes (Al-Mustafa, 18. Februar 2025). Es konnten im Rahmen der Recherche keine Änderungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht sowie der Strafen bei Verweigerung seit November 2024 gefunden werden. […]
Syria TV, ein syrischer Fernsehsender im Besitz des katarischen Fadaat Media Network, mit Hauptsitz in Istanbul, berichtet, dass die SDF mit Mitte Jänner den Prozess der Demobilisierung von Rekruten, die ihren Selbstverteidigungsdienst abgeleistet hätten, gestoppt habe. Ein Wehrpflichtiger habe gegenüber Syria TV berichtet, dass er sein Pflichtjahr des Selbstverteidigungsdienstes zwei Monate zuvor beendet habe, die SDF sich jedoch weigere, ihn - wie Hunderte andere Rekruten - zu entlassen (Syria TV, 31. Jänner 2025). […] Laut einem Interviewpartner aus Deir-ez Zor würden junge Männer in der Region von der SDF verhaftet und zwangsrekrutiert werden (Syria TV, 1. Februar 2025). […] Die kurdischen Nachrichtendienste Firat News Agency (ANF News) und Hawar News Agency (ANHA) berichten im Dezember 2024 und Jänner 2025 von einem Aufruf zur Generalmobilmachung („general mobilisation“) in Nordost-Syrien (ANHA, 18. Dezember 2024; ANF News, 10. Jänner 2025; ANF News, 11. Jänner 2025; ANF News, 14. Jänner 2025). Die Nachrichtendienste berichten von Bürger:innen aus unterschiedlichen Orten, die sich zusammenschließen würden, um die Region zu verteidigen (ANF News, 5. Jänner 2025; ANF News, 10. Jänner 2025; ANF News, 14. Jänner 2025; ANHA, 18. Dezember 2024; ANHA, 31. Dezember 2024; ANHA, 6. Jänner 2025). Laut ANF News seien diese Personen Freiwillige (ANF News, 11. Jänner 2025). […] Laut Syria TV gebe es mit Stand Ende Jänner 2025 nur begrenzte Rekrutierungsmaßnahmen von Wehrpflichtigen, da die SDF in der derzeitigen Situation nicht zu derartigen Operationen in der Lage sei. Laut einer anonymen Quelle würde die SDF jedoch alle Optionen prüfen, um ihre Militär- und Sicherheitskräfte zu stärken, einschließlich der Vergrößerung der Anzahl ihrer Streitkräfte (Syria TV, 31. Jänner 2025). […] Syria TV schreibt in einem Artikel über die Desertion von SDF-Mitgliedern vom Jänner 2025, dass sich die SDF bei der Bewachung von öffentlichen Gebäuden, sowie Sicherheitszentren und Militärstützpunkten hauptsächlich auf Wehrpflichtige verlassen würden (Syria TV, 31. Jänner 2025). Laut dem oben genannten Interviewpartner von Syria TV aus Deir-ez Zor würden Wehrpflichtige an die Front geschickt werden (Syria TV, 1. Februar 2025). Laut The Century Foundation (TCF) würden Wehrpflichtige in Nordost-Syrien Gefahr laufen in den Kampf, um die Kontrolle in der Region, hineingezogen zu werden (TCF, 3. Februar 2025).
[Auszug aus ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Selbstverteidigungspflicht in der DAANES Aktueller Meinungsstand; 24.02.2025]
Eingliederung der SDF in die Armee der Übergangsregierung
Die kurdisch geführten SDF kontrollieren große Gebiete im Nordosten Syriens. Laut einem Abkommen mit der Übergangsregierung werden sie nun in die reguläre Armee integriert. Syrien kommt damit einer Einigung einen Schritt näher. Drei Monate nach dem Machtwechsel in Syrien hat die Übergangsregierung ein Abkommen mit der kurdischen Führung im Nordosten des Landes geschlossen. Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass die kurdisch geführte Truppe SDF in der syrischen Armee aufgeht. Auch eine Waffenruhe wurde in dem am Montag von Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa und SDF-Kommandeur Maslum Abdi unterzeichneten Abkommen vereinbart.
[Tagesschaubericht, Syriens Führung einigt sich mit Kurden, 11.03.2025]
Die kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) haben sich gestern mit der neuen Führung in Syrien auf eine vollständige Eingliederung in die staatlichen Institutionen geeinigt. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur SANA wurde das Abkommen von dem islamistischen Präsidenten der Übergangsregierung, Ahmed al-Scharaa, und SDF-Oberkommandeur Maslum Abdi unterzeichnet. Beide Seiten betonten die Einheit des Landes und lehnen nach eigenen Angaben jegliche Teilung ab. Das Abkommen umfasst zentrale Punkte wie die politische Teilhabe aller Syrer unabhängig von ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit und die Anerkennung der kurdischen Gemeinschaft als Bevölkerungsgruppe mit vollen Staatsbürgerrechten. Die Kontrolle über zivile und militärische Einrichtungen im Nordosten, darunter Grenzübergänge, Flughäfen und Öl- und Gasfelder, soll dem Abkommen zufolge in staatlicher Hand liegen. Zudem wurde eine sichere Rückkehr aller Vertriebenen vereinbart. Der Nordosten Syriens wird überwiegend von den kurdisch geführten SDF kontrolliert, die während des Bürgerkriegs mit US-Unterstützung gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gekämpft haben. Dort haben sie sich eine eigene Selbstverwaltung aufgebaut. Die Türkei betrachtet die SDF als Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), stuft sie als Terrororganisation ein und bekämpft sie auch. Der Schritt könnte einen Wendepunkt in die Entwicklungen in Syrien bringen. Die kurdische Führung hatte in den vergangenen Wochen mit den neuen Machthabern in Damaskus über ihre Zukunft verhandelt. Die SDF werden laut Beobachtern mit der Vereinbarung von ihrer Rolle als eigenständige militärische und administrative Macht entbunden, um die territoriale Einheit Syriens wiederherzustellen.
[ORF-Bericht, Syriens Führung einigt sich mit Kurden im Nordosten, 10.03.2025]
1.4.3. Zur Sicherheitslage in Syrien seit Dezember 2024
Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei (Leb24 13.2.2025). Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt (VB Amman 9.2.2025). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als „fluid“. Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln (ÖB Amman 6.2.2025). Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren (AlHurra 6.2.2025a). Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen (VB Amman 9.2.2025). […] Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen 35 von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt (Etana 22.2.2025). Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen (UN News 12.2.2025).
[Auszug aus Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Syrien, 08.05.2025; 35-36]
Die Übergangsregierung von Ahmad Al-Scharaa kontrolliert den Großteil der westlichen Städte und Die Übergangsregierung von Ahmad Al-Scharaa kontrolliert den Großteil der westlichen Städte und ländlichen Gebiete Syriens. Im Süden widersetzen sich Kräfte unter der Führung des ehemaligen Rebellen Ahmad Al-Awda sowie andere Fraktionen einer Integration in die neue syrische Armee. Im Norden hält die protürkische Syrische Nationalarmee (SNA) die Gebiete um Afrin und Dscharabulus sowie zwischen Tal Abyad und Ras al-Ain unter ihrer Kontrolle Der Nordosten Syriens wird weiterhin von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kontrolliert (wobei diese Gespräche mit Al-Scharaa führen) (TWI, 28. Februar 2025).
[Auszug aus ACCORD, Syrien, Arabische Republik - Übersicht zum Land, 27.03.2025]
Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).
Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).
Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).
Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).
Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).
Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).
Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).
Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).
[Auszug aus Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN, 10.12.2024 (Punkt 3)]
Der Nordosten des Landes wird weiterhin von den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) kontrolliert. Die Lage bleibt allerdings volatil und kann sich jederzeit ändern. Im Nachgang der Terroranschläge des 7. Oktober 2023 auf Israel ist in Syrien eine Zunahme von israelischen Luftschlägen gegen Ziele mutmaßlich irannaher Akteure und Strukturen zu verzeichnen. Diese Luftschläge erfolgen z. T. am Tag und in urbanen Gebieten bzw. auf viel befahrenen Straßen, so etwa am 8. Dezember 2024 in Damaskus. Die Terrororganisation IS ist ebenfalls weiterhin aus dem Untergrund aktiv und ist nach wie vor in der Lage, überall im Land Anschläge zu verüben. Insbesondere im Norden und Osten des Landes kommt es immer wieder zu Anschlägen mit unkonventionellen Sprengvorrichtungen. Ausländer können ebenso wie syrische Staatsangehörige Opfer terroristischer und gewaltbereiter Dschihadisten werden.
Die allgemeine Sicherheitslage ist im ganzen Land weiterhin äußerst volatil. Seit dem Zusammenbruch der Assad-Regierung sind die meisten innersyrischen Kampfhandlungen eingestellt worden. Ein erneutes Aufflammen von Kampfhandlungen in naher Zukunft kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Die Kriminalität hat seit Konfliktbeginn erheblich zugenommen. In allen Landesteilen besteht große Gefahr, Opfer einer Entführung zu werden. Die staatlichen Strukturen sind in zahlreichen Orten zerfallen und das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch. Persönliche Sicherheit kann in ganz Syrien, einschließlich Damaskus und seine Vororte, weiterhin nicht gewährleistet werden. Das Verhalten syrischer Sicherheitsbehörden ist oft unvorhersehbar und willkürlich.
[Auszug aus Auswärtiges Amt, Syrien: Reise-und Sicherheitshinweise, Stand 20.12.2024]
Zur Sicherheitslage in der DAANES seit Dezember 2024
Die von den USA unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) werden von der Türkei als „Terroristen“ betrachtet und als eine existenzielle Bedrohung für ihre nationale Sicherheit. Die Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), die sich aus ehemaligen Rebellengruppierungen zusammensetzt, liefert sich entlang des Euphrat einen erbitterten Kampf mit den SDF. Trotz türkischer Luft- und Artillerieunterstützung scheint die SNA die größten Verluste zu erleiden. Es ist erwähnenswert, dass viele der kurdischen Kämpfer der SDF von den USA ausgebildet und bewaffnet wurden (Leb24 13.2.2025). Nach dem Sturz der Assad-Regierung und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt auch der Nordosten Syriens eine umkämpfte und hochgradig instabile Region (VB Amman 9.2.2025). Im Nordosten (al-Hasaka, ar-Raqqa, Deir ez-Zour) ist das Risiko aktiver Konflikte größer als anderswo (GPC 3.4.2025). Während islamistische Gruppierungen in anderen Teilen Syriens ihre Kontrolle gefestigt haben, ist al-Hasaka weiterhin eine umstrittene Zone, in der die SDF, türkische Streitkräfte und islamistische Milizen um Einfluss kämpfen. Die SDF, dominiert von den kurdischen Volkverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG), hält weiterhin große Teile der Region, insbesondere Städte wie al-Hasaka und Qamishli. Islamistische Gruppierungen, die nach dem Sturz al-Assads in anderen Teilen des Landes an die Macht gelangt sind, versuchen, ihren Einfluss im Nordosten auszudehnen und liefern sich Gefechte mit den kurdischen Einheiten der SDF. Die türkischen Streitkräfte und ihre Verbündeten syrischen Milizen nutzen den Zusammenbruch der Assad-Regierung, um ihre Angriffe auf SDF-kontrollierte Gebiete zu intensivieren. Es kommt regelmäßig zu türkischen Luftschlägen, Artilleriebeschuss und Bodengefechten entlang der Grenze. Zellen des Islamischen Staats (IS) sind weiterhin aktiv und nutzen die chaotische Lage, um ihre Angriffe zu intensivieren (VB Amman 9.2.2025). Die Gebiete al-Hasaka, ar-Raqqa und Deir ez-Zour sindAngriffen des IS ausgesetzt (GPC 3.4.2025). Immer wieder kommt es zu Anschlägen auf kurdische Sicherheitskräfte, Gefängnisaufständen und Sabotageakten. Die Schwäche der neuen islamistischen Machthaber gegenüber dem IS in der Region führt dazu, dass sich lokale Stämme teils eigenständig bewaffnen, was zu einem weiteren Fragmentierungsprozess beiträgt. Die anhaltenden Kämpfe und türkischen Offensiven haben Tausende Binnenvertriebene zur Flucht gezwungen. Viele Flüchtlingslager, die ehemals unter al-Assad verwaltet wurden, sind in eine ungewisse Lage geraten, da humanitäre Organisationen nur noch eingeschränkt Zugang haben. Die Wasserversorgung ist durch türkische Angriffe auf Infrastruktur beeinträchtigt, und Nahrungsmittelknappheit sowie medizinische Engpässe verschärfen die humanitäre Krise (VB Amman 9.2.2025).
Die von der Türkei unterstützten syrischen Gruppierungen starteten im November eine Offensive gegen die SDF [Operation Dawn of Freedom] und vertrieben sie trotz der Bemühungen der USA, einen Waffenstillstand zu vermitteln, aus mehreren Gebieten im Norden (Arabiya 26.2.2025). Sie eroberten strategische Orte in der Umgebung von Manbij und Tall Rif’at. Die Kämpfe intensivierten sich in der Nähe des Tishrin-Staudamms am Euphrat in der Region Manbij im Osten Aleppos, der für die von den SDF kontrollierten Gebiete nach wie vor eine wichtige Wasser- und Stromquelle darstellt. Die Türkei hat Berichten zufolge Luftangriffe in der Region durchgeführt, was Bedenken hinsichtlich möglicher Schäden am Damm aufkommen lässt. Darüber hinaus wurden auch mehrere Orte in der Region Kobane und im Osten Aleppos angegriffen (SCR 30.1.2025). […] Zusammenstöße zwischen der SNA und der SDF sind nichts Neues, ebenso wenig wie Kämpfe zwischen der Türkei und der SDF. Ankara hat in den letzten zehn Jahren mehrere Operationen in Syrien gestartet, darunter die Operationen Euphrates Shield (2016), Olive Branch (2018) und Peace Spring (2019), die alle darauf abzielten, die SDF oder die Volksverteidigungseinheiten (YPG), die größte Fraktion innerhalb der SDF, zu bekämpfen. Vor dem Sturz des Assad-Regimes, der Ende November mit einer Offensive der HTS in der Nähe von Aleppo begann, waren die Fronten in Syrien zwischen den SDF und SNA mehrere Jahre lang unverändert geblieben. Der Zusammenbruch des Regimes führte jedoch zu raschen Veränderungen (LWJ 26.1.2025).
[Auszug aus Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Syrien, 08.05.2025; 56-59]
Im Rahmen eines Abkommens zwischen der kurdisch-dominierten Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Übergangsregierung in Damaskus wurden am 12.04.25 Truppen der Übergangsregierung und Vertreterinnen und Vertreter der Internationalen Allianz gegen den IS an den Tishreen-Staudamm im Osten des Gouvernements Aleppo entsandt. Der Damm war seit Dezember 2024 aufgrund seiner strategischen Lage, seinem Potential zur Versorgung mit Wasser zur landwirtschaftlichen Nutzung und der Stromgewinnung durch ein dortiges Kraftwerk, umkämpft. Die durch die Türkei unterstützten bewaffneten Gruppierungen unter dem Schirm der sog. Syrischen Nationalarmee (SNA) hatten benachbarte Teile des Distrikts Manbij eingenommen (vgl. BN v. 16.12.24) und rangen mit den SDF um die Kontrolle über den Staudamm, wobei sie durch türkische Luftangriffe unterstützt wurde. Am 10.04.25 wurde nun ein Abkommen zwischen der DAANES und der Übergangsregierung getroffen, welches die Übernahme durch die neuen staatlichen Sicherheitskräfte und einen Abzug der SDF-Truppen vorsieht, während der Damm Medienberichten nach unter kurdischer Zivilverwaltung bleiben soll. Die jüngste Einigung erfolgte im Rahmen eines am 10.03.25 erfolgten Abkommens, das die Aushandlung der Integration der DAANES und der ihr zugehörigen SDF in den syrischen Staatsapparat vorsah. In der vergangenen Woche kam es in diesem Kontext bereits zur Übergabe der Sicherheitskontrolle für die Aleppinischen Viertel Ashrafiyyeh und Sheikh Maqsoud (vgl. BN v. 07.04.25).
[Auszug aus BAMF Briefing Notes, 14.04.2025, 10-11]
1.4.4. Auszug aus UNHCR Position zur Rückkehr in die Syrische Arabische Republik, Dezember 2024
Freiwillige Rückkehr
Syrien befindet sich an einem Scheideweg – zwischen Frieden und Krieg, Stabilität und Gesetzlosigkeit, Wiederaufbau oder weiterem Ruin. Es gibt jetzt eine bemerkenswerte Gelegenheit für Syrien, sich in Richtung Frieden zu bewegen, und für sein Volk, nach Hause zurückzukehren. Seit vielen Jahren besteht das UNHCR auf der Notwendigkeit, die Anstrengungen zu verdoppeln, um günstige Bedingungen für Flüchtlinge und Vertriebene zu schaffen, damit sie nach Hause zurückkehren können, und die derzeitige Situation eröffnet in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten, die von allen genutzt werden müssen. Dazu gehört auch die Beseitigung und/oder das Thematisieren neuer sicherheitspolitischer, rechtlicher und administrativer Hindernisse seitens der syrischen De-facto-Behörden; umfangreiche humanitäre Hilfe und Soforthilfe, die von den Geberstaaten für Rückkehrer, Gemeinschaften, die sie zurückerhalten, und Gebiete mit tatsächlicher und potenzieller Rückkehr im Allgemeinen bereitzustellen ist; und die Ermächtigung des UNHCR und seiner Partner, die Rückführungen an Grenzübergängen und an Orten, an denen sich die Menschen für die Rückkehr entscheiden, zu überwachen.
Jeder hat das Recht, in sein Herkunftsland zurückzukehren. UNHCR ist bereit, syrische Flüchtlinge zu unterstützen, die sich nach umfassender Information über die Lage an ihren Herkunftsorten oder in einem alternativen Gebiet ihrer Wahl freiwillig für eine Rückkehr entscheiden. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, mit denen die syrische Bevölkerung konfrontiert ist, darunter eine groß angelegte humanitäre Krise, ein anhaltend hohes Maß an Binnenvertreibung und die weit verbreitete Zerstörung und Beschädigung von Häusern und kritischer Infrastruktur, fördert das UNHCR jedoch vorerst keine groß angelegte freiwillige Rückführung nach Syrien.
Moratorium zu Zwangsrückführungen
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Syrien weiterhin von Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes betroffen; großflächige interne Verdrängung; Kontamination vieler Teile des Landes mit explosiven Kriegsresten; eine verwüstete Wirtschaft und eine große humanitäre Krise, in der vor den jüngsten Entwicklungen bereits über 16 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen. Darüber hinaus hat Syrien, wie bereits erwähnt, massive Zerstörungen und Schäden an Häusern, kritischen Infrastrukturen und landwirtschaftlichen Flächen erlitten. Eigentumsrechte wurden stark beeinträchtigt, wobei in den letzten zehn Jahren weit verbreitete Verstöße gegen Wohn-, Grundstücks- und Eigentumsrechte verzeichnet wurden, was zu komplexen Eigentumsstreitigkeiten führte, deren Beilegung Zeit in Anspruch nehmen wird. Vor diesem Hintergrund fordert das UNHCR die Staaten vorerst weiterhin auf, syrische Staatsangehörige und ehemalige gewöhnliche Bewohner Syriens, einschließlich Palästinenser, die zuvor in Syrien wohnhaft waren, nicht gewaltsam in einen Teil Syriens zurückzuführen.
Aussetzung der Ausstellung negativer Entscheidungen für syrische Antragsteller auf internationalen Schutz
Das UNHCR fordert weiterhin alle Staaten auf, Zivilisten, die aus Syrien fliehen, Zugang zu ihren Hoheitsgebieten zu gewähren, das Recht auf Asyl zu gewährleisten und jederzeit die Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu gewährleisten.
Während die Risiken im Zusammenhang mit der Verfolgung durch die ehemalige Regierung aufgehört haben, können andere Risiken bestehen bleiben oder sich verstärken. Angesichts der rasch veränderten Dynamik und der sich wandelnden Lage in Syrien ist das UNHCR derzeit nicht in der Lage, den Asylentscheidern detaillierte Leitlinien für den internationalen Schutzbedarf der Syrer zur Verfügung zu stellen. Das UNHCR wird die Lage weiterhin genau beobachten, um detailliertere Leitlinien bereitzustellen, sobald die Umstände dies zulassen. Angesichts der derzeitigen Ungewissheit über die Lage in Syrien fordert das UNHCR die Asylstaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz durch syrische Staatsangehörige oder Staatenlose, die ihren früheren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen. Die Aussetzung des Erlasses negativer Entscheidungen sollte so lange in Kraft bleiben, bis sich die Lage in Syrien stabilisiert hat und zuverlässige Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtslage vorliegen, um eine umfassende Bewertung der Notwendigkeit vorzunehmen, einzelnen Antragstellern den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen.
Das UNHCR ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft für Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde und die aus Syrien stammen, derzeit nicht erfüllt sind.
2. Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgt durch Abhaltung einer mündlichen Verhandlung am 25.04.2024 (VHS); Einsicht in die Stellungnahme des Beschwerdeführers zur aktuellen Situation in Syrien (OZ 11); Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1), beinhaltend insbesondere Erstbefragung (AS 1-13), Einvernahme (AS 77-88), Bescheid (AS 251-386) und Beschwerde (AS 405-431); Einsicht in die vorgelegten oder beigeschaffte Unterlagen und Dokumente darunter insbesondere Identitätsdokumente (AS 89-171; 183-185); Einsicht in Österreichische Datenregister (OZ 5), darunter Zentrales Melderegister [ZMR], Strafregister der Republik Österreich [SA], Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister des Bundesministeriums für Inneres [IZR], Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich [GVS]; sowie Einsicht insbesondere in folgende länderspezifische Berichte: Staatendokumentation, Länderinformationsblatt Syrien, COI-CMS Version 12, 08.05.2025 [LIB]; EUAA Syria: Country Focus, Country of Origin Information Report, March 2025 [EUAA], Online Karten: www.cartercenter.org, Exploring Historical Control in Syria; syria.liveuamap.com; Syrien Nachrichten und Ereignisse; UNHCR, Position on Returns to the Syrian Arab Republic, Dezember 2024; ACCORD, Syrien, Arabische Republik - Übersicht zum Land, 27.03.2025; Staatendokumentation, Kurzinformation SYRIEN – Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, 10.12.2024; ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG), Zwangsrekrutierungen; 21.03.2025 [a-12592-v2]; ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Änderungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht in der Demokratischen Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) aufgrund der Kämpfe zwischen den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) und der Syrischen Nationalarmee (SNA); Änderung der Strafen; Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht im kurdisch kontrollierten Teil von Deir-ez Zor, auch gegenüber Arabern; Intensivierung von Rekrutierungsbemühungen; Mobilisierung von Selbstverteidigungs-Einheiten und Heranziehen von Wehrpflichtigen zu Kampfeinsätzen; Aktueller Meinungsstand zur Verweigerung der Selbstverteidigungspflicht durch Araber; 24.02.2025 [a-12555-2]; BAMF Briefing Notes, Gruppe 62 – Informationszentrum Asyl und Migration, 14.04.2025; Tagesschaubericht, Syriens Führung einigt sich mit Kurden, 11.03.2025 [https:// www.tagesschau.de/ausland/asien/syrien-kurden-alawiten-100.html]; ORF-Bericht, Syriens Führung einigt sich mit Kurden im Nordosten, 10.03.2025 [https://orf.at/stories/3387265/]
2.2. Die Feststellungen zum Beschwerdeführer und seinen Lebensumständen (Pkt. 1.1) sowie zum fluchtkausalen Vorbringen (Pkt. 1.3) – Furcht vor Einziehung zum Militärdienst in die syrische Armee und Furcht vor Rekrutierung durch die SDF– beruhen auf dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit dem Inhalt des Verwaltungsverfahrensaktes des BFA und dem Gerichtsakt des BVwG.
Der Beschwerdeführer hat während des gesamten Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende, in sich schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu seinen Fluchtgründen getätigt (AS 1-5, 11, 78, 83-87, 247-250, 405-431; VHS 6-11). Zumal die Ausführungen auch in den vorgelegten Personaldokumenten (vgl. AS 89-171) Deckung finden und sich vor dem festgestellten Länderhintergrund nicht als unplausibel darstellen, werden diese als glaubhaft erachtet. Auch das BFA hat diese im Verfahren nicht angezweifelt.
2.3. Die Furcht des Beschwerdeführers aktuell durch die SDF oder eine andere kämpfende Gruppierung rekrutiert zu werden ist hingegen vor dem Hintergrund der anhand der Länderdokumentationen festgestellten Situation in Syrien nicht objektivierbar.
Der Beschwerdeführer ist 1994 geboren. Vor dem Hintergrund, dass die Selbstverteidigungspflicht auf Männer über 18 beschränkt ist, die 1998 oder später geboren wurden und die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit wurden (vgl. dazu Pkt. 1.4.2 Selbstverteidigungspflicht) ist daher auszuschließen, dass ihm im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion die Einberufung zur verpflichtenden Selbstverteidigungspflicht der SDF droht.
Hinsichtlich der in der Stellungnahme vom 07.02.2025 erwähnten Generalmobilmachung der SDF wird in einer ACCORD-Anfragebeantwortung (siehe im Detail dazu Pkt. 1.4.2 Selbstverteidigungspflicht) zwar ausgeführt, dass die SDF alle Optionen prüfen, um ihre Militär- und Sicherheitskräfte zu stärken, einschließlich der Vergrößerung der Anzahl ihrer Streitkräfte. Dabei wurde etwa die Demobilisierung von Rekruten, die ihren Dienst bereits abgeleistet haben, gestoppt und laut einem Interviewpartner auch junge Männer zwangsrekrutiert. Ein Hinweis darauf, dass diese Maßnahmen auch Geburtsjahrgänge vor 1998 umfassen (sollen), findet sich jedoch nicht. Darüber hinaus haben sich Bürger:nnen aus unterschiedlichen Orten freiwillig zusammengeschlossen, um die Region zu verteidigen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es mittlerweile zu einer Einigung zwischen der syrischen Übergangsregierung und der kurdisch geführten SDF gekommen ist, die eine Waffenruhe und eine Integration der SDF in die Armee der Übergangsregierung bis Ende des Jahres vorsieht (vgl. Pkt. 1.4.2 Selbstverteidigungspflicht). In deren Rahmen kam es etwa bereits zur Übernahme des Tishreen-Staudamms durch die neuen staatlichen Sicherheitskräfte und einem Abzug der SDF-Truppen von dort, während der Damm unter kurdischer Zivilverwaltung bleiben soll, sowie zur Übergabe der Sicherheitskontrolle für die Aleppinischen Viertel Ashrafiyyeh und Sheikh Maqsoud (siehe dazu Pkt. 1.4.3 Sicherheitslage)
Zusammenfassend ist daher vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte nicht anzunehmen, dass dem Beschwerdeführer zum gegebenen Zeitpunkt eine Rekrutierung oder eine Zwangsrekrutierung durch die SDF droht.
2.4. Zum Vorbringen in der Stellungnahme, wonach es dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden könne, seine (gegenüber den SDF und ihrer Rekrutierungspolitik) oppositionelle politische Meinung geheim zu halten (OZ 11), ist festzuhalten, dass sich die Aussagen des Beschwerdeführers im Verfahren sowie insbesondere in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ausschließlich darauf bezogen, dass er die Einberufung in jegliche Armee, so auch zur Selbstverteidigungspflicht der SDF, ablehne, weil er keine anderen Menschen, insbesondere im Bürgerkrieg eigene Landsleute, töten wolle (AS 85, 247-250, 406, 410-411, 424-425; VHS 8).
Daraus lässt sich zwar eine Ablehnung der Selbstverteidigungspflicht ableiten, eine wahrnehmbare grundsätzliche oppositionelle politische Gesinnung gegenüber der DAANES bzw. den SDF lässt sich dem jedoch nicht entnehmen. Der Beschwerdeführer hat auch trotz entsprechender Fragen nicht vorgebracht bis dato in den DAANES oder in Syrien (abgesehen von der Teilnahme an Demonstrationen gegen das syrische Regime im Jahr 2014) politisch aktiv gewesen und damit auch in Erscheinung getreten zu sein (AS 87, VHS 10).
Zusammenfassend kann dem Vorbringen des Beschwerdeführers weder eine oppositionelle politische Überzeugung in einem Ausmaß entnommen werden, das geeignet wäre, die Aufmerksamkeit der DAANES bzw. der SDF auf sich zu ziehen, noch ist – wie bereits ausgeführt – davon auszugehen, dass er in eine Situation käme, in der er die Ableistung der Selbstverteidigungspflicht verweigern müsste, da er zu den von der Selbstverteidigungspflicht befreiten Jahrgänge 1990 bis 1997 gehört.
Ergänzend ist im Hinblick auf die Verweigerung der Selbstverteidigungspflicht festzustellen, dass aus der Berichtslage auch nicht mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass jedem Verweigerer eine oppositionelle Haltung unterstellt würde.
So würden etwa Araber, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern würden, zwar als Gegner der kurdischen Hegemonie im Nordosten Syriens, aber nicht als Terroristen wahrgenommen. Auch seien die Kurden pragmatisch und es sei ihnen lieber, Araber, die den Dienst verweigern, nicht in der Armee zu sehen, weil sie sich unter Umständen als Verräter entpuppen könnten. Es kommt auch laufend zu Amnestien für Verweigerer und Deserteure und die Verweigerung hat keinen Einfluss auf die Behandlung eines eingezogenen Verweigerers. Verweigerer der Selbstverteidigungspflicht müssten zwar einen Monat länger als andere ihren Dienst ableisten, Misshandlungen von Verweigerern während des Dienstes sind nicht bekannt. Auch aktuell mit Stand Februar 2025 sind keine Änderungen in dieser Hinsicht bekannt. (Quellen: ACCORD, Zusammenstellung von Informationen zum Wehrdienst bei den syrischen Streitkräften und in der DAANES; 23.09.2024; Anfragebeantwortung zu Syrien: Änderungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht in der Demokratischen Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) aufgrund der Kämpfe zwischen den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) und der Syrischen Nationalarmee (SNA); Änderung der Strafen; Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht im kurdisch kontrollierten Teil von Deir-ez Zor, auch gegenüber Arabern; Intensivierung von Rekrutierungsbemühungen; Mobilisierung von Selbstverteidigungs-Einheiten und Heranziehen von Wehrpflichtigen zu Kampfeinsätzen; Aktueller Meinungsstand zur Verweigerung der Selbstverteidigungspflicht durch Araber, 24.02.2025 [a-12555-2]; Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front; 06.09.2023 [a-12188-v2]).
2.5. Auch aufgrund des Umstandes, dass einem in Österreich befindlichen Bruder des Beschwerdeführers Asyl gewährt wurde (VHS 11, VHS/A), drohen dem Beschwerdeführer keine Nachteile, da sich aus der Berichtslage ergibt, dass keine Fälle bekannt waren, in denen Personen aufgrund der Flucht oder Desertion von Angehörigen Schikanen oder Ähnlichem ausgesetzt waren, selbst in Fällen, in denen die Fluchtwilligen an einem Kontrollpunkt festgenommen wurden (ACCORD, Zusammenstellung von Informationen zum Wehrdienst bei den syrischen Streitkräften und in der DAANES; 23.09.2024).
2.6. Als Herkunftsregion (Pkt. 1.2) des Beschwerdeführers war – trotz seines Studiums und seines Lebens in Aleppo – XXXX im Gouvernement Deir-ez-Zor festzustellen, da der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom Februar 2025 explizit darauf hinweist, dass er XXXX als seinen Herkunftsort betrachtet (OZ 11/2). Die politischen Verhältnisse in der Herkunftsregion ergeben sich aus den online verfügbaren Kontrollgebietskarten Exploring Historical Control in Syria und syria lifemap sowie der diesbezüglichen Übersichtskarte im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (LIB 4).
2.7. Der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers in Österreich sowie seine Unbescholtenheit und das Nichtbestehen eines Einreiseverbotes (Pkt. 1.1) ergeben sich aus behördlich geführten Datenregistern, an deren Richtigkeit kein Anlass an zu zweifeln bestand (OZ 5).
2.8. Die Feststellungen zur aktuellen Situation in Syrien (Pkt. 1.4) sowie der Herkunftsregion des Beschwerdeführers sind insbesondere dem aktuellen Länderinformationsblatt Syrien vom 08.05.2025, dem EUAA-Bericht vom März 2025, der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024 zu Syrien, ACCORD Syrien, Arabische Republik - Übersicht zum Land, 27.03.2025; sowie der UNHCR Position über die Rückkehr in die Syrische Arabische Republik vom Dezember 2024 entnommen. Diese Berichte sind aktuell, zeigen ein im Wesentlichen übereinstimmendes Bild, stammen von seriösen staatlichen und unabhängigen Quellen, sodass auch kein Grund besteht, an diesen zu zweifeln. Auch die Verfahrensparteien sind den in das Verfahren eingeführten Länderinformationsquellen nicht entgegengetreten (VHS, OZ 11).
3. Rechtliche Beurteilung
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch eine Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 BVwGG iVm § 7 BFA-VG sowie dem AsylG. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das BFA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§§ 7, 9 VwGVG).
Zu A) Flüchtlingseigenschaft gemäß §3 AsylG 2005
3.1. Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 [Anmerkung: Drittstaatssicherheit, Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz oder Zuständigkeit eines anderen Staates] zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005). Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (§ 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat (§ 3 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005). Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt (§ 3 Abs. 5 AsylG 2005). Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Jänner 1967, BGBl Nr. 78/1974 (GFK), ist als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra2015/19/0143). Nach der jüngeren Ansicht des UNHCR reicht es aus, dass der Konventionsgrund ein (maßgebender) beitragender Faktor ist, er muss aber nicht als einziger oder überwiegender Grund für die Verfolgung oder das Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen nachgewiesen werden (VwGH 23.02.2016, Ra2015/20/0113 mit Literaturnachweisen von UNHCR, Hathaway/Foster und Marx).
Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra2016/19/0074). Unter Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt Verfolgung als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter (ua) Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083). Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 27.05.2019, Ra2019/14/0153).
3.2. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen zwar Glaubhaftigkeit zu, aufgrund des festgestellten Sachverhaltes zur aktuellen Lage in Syrien besteht für den Beschwerdeführer nach dem Sturz des syrischen Assad-Regimes jedoch keine Gefahr mehr, von diesem verfolgt oder zum Militärdienst der syrischen Armee eingezogen oder wegen Wehrdienstentziehung bestraft zu werden.
Aufgrund der Abschaffung der Wehrpflicht durch die Übergangsregierung droht dem Beschwerdeführer aktuell auch keine Rekrutierung in die Armee der Übergangsregierung. So wurden ausweislich der Berichtslage auch in den bereits zuvor unter Kontrolle des Oppositionsbündnisses unter Führung der HTS befindlichen Gebieten trotz des Bedarfs bisher keine Zwangsrekrutierungen durchgeführt, da sich genug freiwillige Kämpfer fanden (vgl. dazu Pkt. 1.4.2 Wehrpflicht, insbesondere LIB 132-134, sowie VwGH 06.10.2024, Ra2023/18/0496).
Ebenso besteht ausgehend von der festgestellten aktuellen Lage in Syrien für den Beschwerdeführer zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt keine Gefahr, bei einer Rückkehr nach Syrien dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit durch die SDF (zwangs)rekrutiert oder aus anderen Gründen verfolgt zu werden (siehe dazu die Beweiswürdigung).
3.3. Der Beschwerdeführer weist ergänzend auch weder eine etwaige oppositionelle Haltung der HTS gegenüber, noch ein Profil auf – etwa Personen die mit dem bisherigen Regime in Verbindung standen oder Alawiten, sowie Angehörige von Minderheiten und LGBTIQ-Personen (vgl. dazu insbesondere den EUAA CoI-Report Seiten 26-43) – welches nahelegen würde, dass ihm eine solche unterstellt werden könnte.
Auch die Befürchtung des Beschwerdeführers, die DAANES bzw. die SDF könnten ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellen, war nicht objektivierbar (siehe dazu die Beweiswürdigung). In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung und die Zugrundelegung einer bloß theoretisch denkbaren Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios für die Gewährung von Asyl nicht ausreichend ist (vgl. für viele VwGH 24.04.2024, Ra2024/20/0111 mwN).
3.4. Zusammenfassend hat der Beschwerdeführer somit mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft gemacht (und es ergibt sich auch sonst kein Hinweis darauf), dass er im Fall seiner Rückkehr nach Syrien zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren Bedrohung oder Verfolgung aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen oder aufgrund der Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein wird, oder ihm aus einem dieser Motive Schutz durch die gegenwärtigen Machthaber in Syrien verweigert werden würde.
Es liegt somit keine Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vor und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht gegeben.
3.5. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die im Dezember 2024 veröffentlichte Position des UNHCR zur Rückkehr nach Syrien (UNHCR-Position on Returns to the Syrian Arab Republic, Dezember 2024) der vorliegenden Entscheidung nicht entgegensteht.
UNHCR plädiert darin dafür, vorerst keine negativen Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, zu erlassen, insbesondere das non-refoulement Prinzip zu beachten. Das Risiko einer Verfolgung durch die bisherige syrische Regierung habe zwar geendet, aufgrund der in Syrien vorherrschende Unsicherheit und Instabilität bestünden jedoch andere Risiken fort oder könnten zunehmen. Die vor diesem Hintergrund von UNHCR thematisierten Fragen der freiwilligen Rückkehr (Voluntary Returns) sowie von zwangsweisen Rückführungen (Moratorium on Forced Returns) sind mit Blick auf den Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts insofern nicht relevant, da dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zukommt, was eine zwangsweise Rückführung nach Syrien ausschließt.
Die Beschwerde ist daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
zu B) Unzulässigkeit der Revision
Die sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebende rechtliche Subsumtion bedurfte angesichts der einheitlichen im Zuge der rechtlichen Ausführungen wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Flüchtlingskonvention keiner Lösung einer erheblichen Rechtsfrage. Es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.