JudikaturVwGH

Ra 2023/18/0328 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
26. September 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des H H, vertreten durch Mag. a Nadja Lindenthal, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Siebensterngasse 23/3, gegen das am 24. Jänner 2023 mündlich verkündete und am 6. Februar 2023 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W114 2261278 1/8E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger arabischer Volksgruppenzugehörigkeit, stellte am 9. Jänner 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte er vor, er habe Syrien aufgrund des Krieges, der dort fehlenden Sicherheit und einer ihm drohenden Einziehung als Reservist verlassen. Im Falle der Rückkehr werde er inhaftiert oder ermordet.

2 Mit Bescheid vom 19. September 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dem 35 jährigen Revisionswerber, welcher seinen Militärdienst und einen Reservedienst bereits abgeleistet habe, aus der im Entscheidungszeitpunkt türkisch kontrollierten Stadt Dscharabulus stamme und keinen Einberufungsbefehl zu einem weiteren Reservedienst erhalten habe, drohe weder eine Rekrutierung durch die syrische Armee noch eine Einziehung zum Wehrdienst bei den kurdischen Milizen. Auch eine Gefährdung durch die syrische Regierung wegen einer illegalen Ausreise über die türkische Grenze oder einer Asylantragstellung im Ausland habe er nicht zu befürchten.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2023, E 853/2023 6, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 In der Folge brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein, in der zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend gemacht wird, das BVwG habe im Hinblick auf die Gefahr einer Einziehung zum syrischen Militär allein darauf abgestellt, dass die Herkunftsregion des Revisionswerbers nicht unter syrischer Kontrolle stehe. Eine Prüfung, ob der Revisionswerber in die Türkei einreisen und von dort legal nach Syrien, in seine Herkunftsregion, einreisen könnte, sei jedoch unterlassen worden. Wie der Revisionswerber Dscharabulus über den Landweg aus der Türkei erreichen bzw. den Grenzübergang Karkamis Dscharabulus nutzen könnte, sei nicht nachvollziehbar. Das BVwG habe nicht festgestellt, ob dieser Grenzübergang zum Entscheidungszeitpunkt geöffnet gewesen sei. Auch würden syrische Staatsangehörige im Allgemeinen mangels gesicherter Ausreise für die Türkei kein Visum erhalten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber über vom syrischen Regime kontrollierte Gebiete reisen müsste, um in die Heimatregion zu gelangen. Zudem führe das BVwG ins Treffen, dass es bei der Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auf eine sichere Erreichbarkeit des Herkunftsortes nicht ankomme. Dies stehe im Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Juli 2023, Ra 2023/18/0108, und unterlaufe dem BVwG eine unrichtige rechtliche Würdigung, in deren Folge es notwendige Feststellungen zur asylrelevanten Bedrohung sowie zur tatsächlichen Erreichbarkeit des Herkunftsgebietes unterlassen habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe zum Ausdruck gebracht, dass eine Einschränkung der Prüfung der Gewährung von Asyl auf die Herkunftsregion des Asylwerbers innerhalb des Herkunftsstaates der Rechtslage nicht zu entnehmen sei. Der Revisionswerber könne keinesfalls auf notorisch unsichere oder illegale Einreisewege verwiesen werden, um in seine Heimatregion zu gelangen, wo er der Gefahr der Einberufung zur syrischen Armee entgehen könne bzw. könne „eine Prüfung der Erreichbarkeit der Herkunftsregion in dem Sinne, dass sich gerade die asylrelevante Gefahr nicht manifestiere, keinesfalls unterlassen werden“.

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Soweit die Revision geltend macht, der Revisionswerber müsse jedenfalls über Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert würden, reisen, um in seine Heimatregion zu gelangen, ist ihr zu erwidern, dass sich das BVwG ausführlich damit auseinandergesetzt hat, dass der Revisionswerber in seinen Heimatort, der nicht vom syrischen Regime kontrolliert wird und nahe an der türkischen Grenze liegt, gelangen kann, ohne bei oder nach der Einreise in den Herkunftsstaat (asylrelevante) Verfolgung durch die syrischen Sicherheitskräfte zu erfahren (vgl. dazu VwGH 4.7.2023, Ra 2023/18/0108, Rn. 24). Die Revision zeigt insoweit keine relevanten Begründungs oder andere Verfahrensmängel auf.

12 Grundsätzlich zu Recht wendet sich die Revision gegen die hilfsweise Argumentation des BVwG, dass es bei der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auf eine sichere Erreichbarkeit des Herkunftsortes nicht ankomme. Der Verwaltungsgerichtshof brachte im genannten Erkenntnis zum Ausdruck, dass eine Einschränkung der Prüfung der Gewährung von Asyl auf die Herkunftsregion des Asylwerbers oder der Asylwerberin innerhalb des Herkunftsstaates der dargestellten Rechtslage nicht zu entnehmen ist, sodass eine (asylrelevante) Verfolgungsbehauptung im Herkunftsstaat, wie sie im dortigen Fall erhoben wurde, wonach der Revisionswerber beim Grenzübertritt Verfolgung durch die syrischen Behörden zu erwarten hätte, ehe er überhaupt in seine Herkunftsregion gelangen werde, nicht ungeprüft bleiben dürfe. Ein Abweichen von dieser Judikatur vermag die vorliegende Revision schon deshalb nicht aufzuzeigen, da sich das BVwG im angefochtenen Erkenntnis eben sehr wohl (auch) näher damit befasste, ob der Revisionswerber sein Herkunftsgebiet erreichen könnte, ohne dass er bei oder nach der Einreise in den Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung durch die syrischen Behörden zu erwarten hätte. Die nur hilfsweise angestellte zusätzliche Überlegung des BVwG, es komme auf die Erreichbarkeit der Herkunftsregion gar nicht an, war daher für die Entscheidung nicht maßgeblich.

13 Sofern sich die Revision in diesem Zusammenhang gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist somit nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. erneut VwGH 7.8.2023, Ra 2023/18/0139, mwN).

14 Wie bereits dargelegt, kam das BVwG unter eingehender Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten und fallbezogenen Aspekten zu dem Ergebnis, dass der Revisionswerber sein Herkunftsgebiet erreichen könne, ohne mit den syrischen Behörden in Kontakt zu treten, und dass für sein Herkunftsgebiet eine Zugriffsmöglichkeit der syrischen Behörden auf Wehrpflichtige derzeit ausgeschlossen werden könne. Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG, die zu dieser Einschätzung geführt haben, auf unvertretbare Weise vorgenommen worden wären, vermag die Revision nicht darzulegen.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. September 2023

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