JudikaturBVwG

W158 2263616-3 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 2025

Spruch

W158 2263616-3/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH in 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Verfahren zum ersten Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: „Vorverfahren“)

I.1.1. XXXX (im Folgenden: „Beschwerdeführer“) stellte am 06.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

I.1.2. Mit Bescheid vom 10.10.2022, Zl. XXXX , wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „belangte Behörde“) den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).

I.1.3. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

I.1.4. Mit Erkenntnis vom 31.01.2023, Zl. XXXX , wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

I.1.5. Am 01.08.2023 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.

I.1.6. Mit Bescheid vom 09.10.2023 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre verlängert.

I.2. Verfahren zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: „Folgeverfahren“)

I.2.1. Am 02.10.2023 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2.2. Am 02.10.2023 fand eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Befragt zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er seine alten Fluchtgründe aufrecht halte. Hinzu komme, dass seine Großfamilie derzeit große Probleme mit der PKK in Syrien habe. Er habe sich in Österreich einer Organisation gegen das syrische Regime angeschlossen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er den Tod.

I.2.3. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „belangte Behörde“) führte der Beschwerdeführer am 23.01.2024 zu seinem bisherigen Fluchtgrund aus, dass er als Polizist in seinem Heimatdorf vom Regime gesucht werde. Er habe nun auch Fotos aus dem syrischen System für Strafregister, die bestätigen sollen, dass er vom Regime gesucht werde. Die Umstände in seinem Heimatdorf hätten sich geändert und er werde auch von der PKK verfolgt. Es habe Unruhen zwischen der kurdischen Arbeiterpartei und den arabischen Stämmen gegeben. Sein Vater, einer der Stammesältesten im Dorf, sei von Angehörigen der PKK unter Druck gesetzt worden, Jugendliche für sie zu rekrutieren und dem Vater sei gedroht worden, wenn er nicht kooperiere, würde man seine Söhne verhaften. Der Vater und ein Bruder seien daraufhin nach Damaskus geflohen. Weiters sei der Beschwerdeführer seit April 2023 Mitglied eines Vereines in Österreich, der Demonstrationen gegen das Regime organisiere und den Fall des Regimes fordere. Er helfe bei der Organisation mit und habe selbst an etwa sieben Demonstrationen teilgenommen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er Verfolgung durch das Regime aufgrund seiner Desertion vom Polizeidienst, seiner widerrechtlichen Ausreise aus Syrien sowie seiner exilpolitischen Tätigkeit in Österreich. Seitens der kurdischen Arbeiterpartei/PKK befürchte er Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Familie seines Vaters als männliches Mitglied.

I.2.4. Mit Bescheid vom 18.02.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.).

I.2.5. Am 12.04.2024 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen das Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt, das – wie auch die Länderberichte zeigten – entgegen der Ansicht des BFA glaubhaft und asylrelevant sei. Dem Beschwerdeführer drohe Verfolgung durch die kurdische Arbeiterpartei aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe – männliches Mitglied der Familie seines Vaters – im Zuge des Konfliktes der arabischen Stämme mit den kurdischen Streitkräften im Gouvernement Deir ez-Zor. Hinsichtlich der Verfolgung durch das syrische Regime würden die vorgelegten Bildschirmaufnahmen einen Beweis für die vorgebrachte Desertion vom Polizeidienst sowie einen Festnahmeauftrag untermauern. Ihm drohe seitens des Regimes auch wegen seiner exilpolitischen Tätigkeiten ab April 2023 Verfolgung.

I.2.6. Das Rechtsmittel und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 19.04.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.2.7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.01.2025 eine mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer an seinem Fluchtvorbringen festhielt, dass die kurdische Arbeiterpartei in seinem Heimatdorf die Kontrolle habe und seine Familie wegen der Weigerung seines Vaters junge Männer zur Rekrutierung zu schicken von ihnen gesucht würde. Zu den Veränderungen in den letzten Wochen in Syrien führte der Beschwerdeführer aus, dass Syrien momentan nicht sicher sei, weil die HTS die Kontrolle übernommen habe.

I.2.8. Mit Parteiengehören vom 16.04.2025 wurden dem Beschwerdeführer die rezentesten Informationen zur Lage in Syrien zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit geboten binnen einer Frist von einer Woche hierzu Stellung zu beziehen. Der Beschwerdeführer machten nicht von ihrem Recht Gebrauch sich zu den neuesten Entwicklungen im Herkunftsstaat zu äußern.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II. Feststellungen:

II.1. Person des Beschwerdeführers

II.1.1. Der Beschwerdeführer trägt den Namen XXXX und führt das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat fünf Kinder, die gemeinsam mit der Ehefrau in der Türkei leben.

II.1.2. Der Beschwerdeführer wuchs im Dorf XXXX (auch XXXX ), im Bezirk, XXXX , östlich des Euphrats, im Gouvernement Deir ez-Zor auf und lebte dort bis zu seiner Ausreise aus Syrien in die Türkei im Jahr 2015.

II.1.3. Er besuchte zwölf Jahre lang die Grundschule und schloss mit Matura ab. Von 2008 bis 2012 absolvierte er die Polizeischule und war danach als Polizist tätig, wo er bei Grenzkontrollen eingesetzt wurde. Er war auch als Maler und Bauarbeiter tätig. In Österreich arbeitet er in einer Bäckerei in der Produktion.

II.1.4. Die Eltern des Beschwerdeführers und ein älterer Bruder, samt Familie, leben in Damaskus. Ein Bruder lebt in der Türkei, ein weiterer in Österreich. Er hat acht Schwestern, von denen sich eine in der Türkei und eine im Irak aufhalten. Die weiteren Schwestern leben in Syrien, zwei davon nach wie vor in seinem Heimatort. Die Ehefrau des Beschwerdeführers lebt mit den gemeinsamen fünf Kindern weiterhin in der Türkei.

II.1.5. Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

II.2. Fluchtgründe des Beschwerdeführers

II.2.1. Dem Beschwerdeführer droht in seiner Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund seiner Desertion vom Polizeidienst, einer (unterstellten) politischen Gesinnung oder aufgrund seiner exilpolitischen Tätigkeiten.

Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers – das Dorf XXXX im Gouvernement Deir ez-Zor – steht unverändert unter der Kontrolle der kurdischen Selbstverwaltung.

II.2.2. Der Beschwerdeführer leistete seinen Wehrdienst bei der syrischen Armee nicht ab.

Dem Beschwerdeführer droht in seinem Herkunftsgebiet keine Verfolgung aufgrund einer Desertion vom Polizeidienst durch die syrische Übergangsregierung und deren Behörden.

II.2.3. Der Beschwerdeführer wurde bis zu seiner Ausreise aus Syrien nicht von den kurdischen Einheiten für den Wehrdienst angeworben, noch wurden sonstige Rekrutierungshandlungen gegen ihn gesetzt.

Der Beschwerdeführer befindet sich nicht mehr im wehrpflichtigen Alter für die „Selbstverteidigungspflicht“ der kurdischen Streitkräfte. Der Beschwerdeführer ist in seiner Herkunftsregion bzw am Weg dorthin nicht gefährdet, von den kurdischen Streitkräften zur „Selbstverteidigungspflicht“ herangezogen zu werden.

II.2.4. Der Beschwerdeführer hat keine oppositionelle Einstellung gegenüber den kurdischen Kräften.

II.2.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Zugehörigkeit zu seiner Familie und der Verwandtschaft zu seinem Vater, insbesondere aufgrund seiner Eigenschaft als männliches Mitglied der Familie seines Vaters eine (Reflex-) Verfolgung durch die kurdische Arbeiterpartei oder andere kurdische Milzen droht.

II.2.6. Der Beschwerdeführer hat sich in Syrien nicht politisch betätigt. Ihm droht wegen seiner exilpolitischen Aktivität in Österreich beim Verein XXXX oder wegen eigener Demonstrationsteilnahmen in Österreich keine Verfolgung von Seiten der aktuellen syrischen Machthaber. Der Beschwerdeführer weist keine verinnerlichte politische Überzeugung gegen die syrische Übergangsregierung auf; es wird ihm der Übergangsregierung auch keine oppositionelle Gesinnung unterstellt.

II.2.7. Der Beschwerdeführer hat in seiner Herkunftsregion wegen seiner illegalen Ausreise aus Syrien und seiner Asylantragstellung in Österreich keine lebensbedrohliche oder seine körperliche oder geistige Integrität beeinträchtigende Gefahr durch die syrische Übergangsregierung oder das Assad-Regimes zu erwarten.

II.2.8. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass gegen den Beschwerdeführer in seiner Herkunftsregion persönlich eine integritätsbedrohende Handlung oder Maßnahme, insbesondere wegen seines Geschlechts, seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung, gesetzt wurde oder eine solche Handlung oder Maßnahme unmittelbar bevorstand oder er eine solche Bedrohung bei einer Rückkehr durch den syrischen Staat, die Kurden oder sonstige Akteuren zu befürchten hätte.

II.2.9. Der Beschwerdeführer kann seine Herkunftsregion über sämtliche offene Grenzübergänge erreichen, ohne dabei der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein

II.3. Situation im Herkunftsstaat

II.3.I.

Die Feststellungen zur aktuellen Lage beruhen auf den BAMF Briefing Notes seit 09.12.2024, der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024 zu Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht; den Berichten des ISW – Institute for the Study of War, Iran Update, ab 16.Dezember 2024, den UNHCR Regional Flash Updates: Update #13 vom 7. Februar 2025, Update #14, 13. Februar 2025; und der UNHCR Position über die Rückkehr in die Syrische Arabische Republik vom Dezember 2024, sowie auf zahlreichen aktuellen Berichten aus öffentlich zugänglichen Medien und der Informationssammlung der Staatendokumentation zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad auf www.ecoi.net.

BAMF Briefing Notes Gruppe 62 – Informationszentrum Asyl und Migration, SYRIEN, 16.12.2024

Machtwechsel; Schicksal vieler Assad-Getreuer ungewiss

Am 13.12.24 kamen in Damaskus Zehntausende Menschen am Umayyaden-Platz, einem Kreisverkehr nahe der gleichnamigen Moschee im Zentrum der Stadt, zusammen, um das Freitagsgebet zu begehen und das Ende der Assad-Herrschaft zu feiern. Die Predigt in der Umayyaden-Moschee wurde von Interims-Premierminister al-Bashir gehalten. Der Anführer der Hayat Tahrir al-Sham (HTS), Ahmad al-Sharaa, der inzwischen seinen Kampfnamen Abu Mohammed al-Jolani abgelegt hat, wandte sich in einer Videobotschaft an die Bevölkerung, um ihr zu gratulieren.

Am 11.12.24 hatte al-Sharaa in einer schriftlichen Stellungnahme angekündigt, keine Begnadigungen für Personen auszusprechen, die an der Folter oder dem Mord von Häftlingen unter der Assad-Regierung beteiligt waren. Man werde die im Land verbliebenen Täter ausfindig machen und ausländische Staaten um eine Überstellung bitten. Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) berichtete am selben Tag von Übergriffen bewaffneter Gruppen auf Personen in Wohnvierteln, die als Assad-Hochburgen bekannt waren. Es soll demnach zu Plünderungen und Einschüchterungen gekommen sein. Während prominente Assad-Anhänger wie dessen Bruder Maher oder Generalmajor Al Mamlouk Berichten zufolge nach Russland bzw. Libanon geflohen sein sollen, ist der Verbleib vieler weiterer Führungspersönlichkeiten der gestürzten Regierung ungeklärt.

Am 14.12.24 eröffnete der türkische Außenminister Hakan Fidan die türkische Botschaft in Damaskus, die seit dem Jahr 2012 geschlossen war.

Nordostsyrien: SDF geben Manbij auf; hissen die neue Flagge Syriens

Die kurdisch geführten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) erklärten am 11.12.24, einem durch die USA und Türkei vermittelten (vgl. BN v. 09.12.24) Waffenstillstandsabkommen zugestimmt zu haben, wonach sie ihre Streitkräfte aus Manbij abziehen mussten. Die Ortschaft steht damit unter der Kontrolle der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einem aus der Türkei geförderten islamistischen Rebellenverbund. Manbij befand sich seit mehr als acht Jahren unter Kontrolle der SDF, nachdem sie den IS im August 2016 aus der Ortschaft vertrieben hatten. Die Führung der SDF kritisierte die USA dafür, die Angriffe der Türkei und der mit ihr verbündeten Milizen auf die Kurden nicht verhindert haben zu können, schließlich sei Manbij auch mit Hilfe des US-Militärs vom IS befreit worden. Dieser könne eine Schwächung der SDF in der Region möglicherweise auch für sich zu nutzen wissen. US-Angaben zufolge halten die SDF derzeit noch ca. 9.000 IS-Kämpfer in über 20 Haftanstalten verteilt über Nordostsyrien gefangen.

Am 12.12.24 erklärte die Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES), das zivile Pendant zu den SDF, auf allen Gebäuden ihrer Institutionen die neue Flagge Syriens gehisst zu haben. In der Stellungnahme bekannte sie sich zur Einheit Syriens und ihrer nationalen Identität. Bis dato positionierte sich die DAANES seit Jahren als dritte Partei zwischen syrischer Regierung und der bewaffneten Opposition. In dem symbolischen Akt kann eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den neuen Herrschern in Damaskus gesehen werden.

Fluchtbewegungen

Aktualisierten Zahlen der UN zufolge sind im Zuge der HTS-Offensive 1,1 Mio. Menschen zu Binnenflüchtlingen geworden, insbesondere Bewohnerinnen und Bewohner der Gouvernements Aleppo, Idlib, Hama und Homs. Fluchtbewegungen können vor allem in die Gouvernements Idlib, Hama, Rif Dimashq, Aleppo und Tartus verzeichnet werden. Demgegenüber hätten ca. 5.000 Menschen ihre Notunterkunft in Binnenvertriebenenlagern verlasen, um in ihre Häuser zurückzukehren. In den meisten Regionen habe sich die Sicherheitslage zuletzt verbessert, nur in Nordostsyrien sprechen die UN von einer volatilen Situation infolge von großen territorialen und politischen Veränderungen.

Die UN berichten außerdem mit Stand 13.12.24, dass seit dem 08.12.24 etwas weniger als 10.000 Menschen aus dem Libanon nach Syrien zurückgekehrt seien. Zehntausende wären zur selben Zeit (vor dem Hintergrund des Waffenstillstandes zwischen Israel und Hisbollah) von Syrien in den Libanon zurückgekehrt. Etwa 1.000 Syrerinnen und Syrer wären demnach in den Irak geflohen, 800 Personen alleine am 11.12.24.

09.12.2024, Sturz der Assad-Regierung

Mit der weitgehend kampflosen Einnahme weiterer Gouvernementhauptstädte (05.12.24 Hama, 07.12.24 Homs) fiel am Morgen des 08.12.24 schließlich auch die Hauptstadt Damaskus unter die Kontrolle von Hayat Tahrir al-Sham (HTS).

Zur Offensive aus dem Nordwesten (vgl. BN v. 02.12.24) kamen spontan regionale bewaffnete Aufstände hinzu, wodurch auch die südlichen Gouvernements Suweida und Dar’a von Umstürzen erfasst wurden. Am 06.12.24 rief außerdem die russische Botschaft in Damaskus ihre Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zum Verlassen des Landes auf und das iranische Militär verließ das Land über die Grenzübergänge nach Irak und Libanon oder den Luft- bzw. Seeweg über Latakia.

Die syrische Armee verließ Medienberichten zufolge in großer Zahl ihre Posten und ließ militärisches Gerät und Ausrüstung zurück. Zu Tausenden sollen Soldaten desertiert sein, ihre Militäruniformen durch zivile Kleidung ersetzt und sich unter die Zivilbevölkerung gemischt haben. Die staatlichen Institutionen des Landes würden der HTS-Miliz zufolge zunächst unter der Aufsicht des bisherigen Premierministers stehen, der die Übergangszeit begleite. Nach gegenwärtiger Informationslage ist noch nicht bekannt, ob HTS-Kämpfer bereits in die Gouvernementhauptstädte der syrischen Küste, Latakia und Tartus, vorgedrungen sind, wo sich die große Mehrheit der Alawiten im Land und eine Machtbasis des laut Medienberichten mit russischer Unterstützung nach Moskau geflohenen ehemaligen Präsidenten Assad befindet. Abu Mohammed al-Jolani, Anführer der islamistischen HTS-Miliz, betrat am 08.12.24 medienwirksam die Umayyaden-Moschee in Damaskus, wo er eine Siegesrede über die Assad-Herrschaft und „iranische Bestrebungen“ in Syrien hielt.

Außerdem große Beachtung fand die Einnahme des berüchtigten Sednaya-Gefängniskomplexes, wo zahlreiche Männer, Frauen und Kinder befreit wurden. Die Gefängnisanlage enthält Berichten zufolge mehrere unterirdische und zum Teil verbarrikadierte Etagen, zu denen am Morgen des 09.12.24 Rettungskräfte noch immer nicht vollständig durchgedrungen waren. Eine Untersuchung durch die UN im Jahr 2016 hatte ergeben, dass während der Assad-Herrschaft so viele Menschen in den Gefängnissen zu Tode gefoltert wurden, dass sie in ihrem Bericht den Begriff „Vernichtung“ verwendet hat.

Aus den Protesten gegen die Assad-Herrschaft, die im Jahr 2011 im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings ihren Anfang nahmen, gelang es der Opposition nie, jenseits der Forderung nach dem Sturz der Regierung eine gemeinsame Vorstellung hinsichtlich einer neuen Staatsordnung für die Zeit nach Assad zu formulieren.

Nordsyrien: SNA und türkische Armee greifen SDF an

Mehreren übereinstimmenden Berichten zufolge griff die türkische Armee am 08.12.24 Stellungen der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) in Manbij im Norden des Gouvernements Aleppo mit Drohnen an, nachdem es am Vortag bereits zu Kämpfen zwischen den SDF und der Syrischen Nationalen Armee (SNA) gekommen war. Den SDF zufolge waren dabei mindestens 22 ihrer Kämpfer getötet und 40 weitere verletzt worden.

Den UN zufolge sollen in Nordsyrien bereits zum 05.12.24 etwa zwischen 60.000 und 80.000 Personen vor anhaltenden Kämpfen zwischen SDF und SNA geflohen sein.

Sowohl SDF als auch SNA begrüßten den Fall der Assad-Regierung, stehen sich im Kampf um die Kontrolle der nördlichen (teils mehrheitlich kurdisch bevölkerten) Gebieten jedoch feindlich gegenüber. Die Verteidigungsminister der USA und der Türkei telefonierten nach den Kampfhandlungen miteinander, um eine Deeskalation zu bewirken.

USA bombardieren IS-Stellungen; Israel sichert Golanhöhen

Die USA verkündeten am 08.12.24, Dutzende Stellungen des IS in Zentralsyrien aus der Luft angegriffen zu haben. Insgesamt 75 Ziele sollen demnach getroffen worden sein. Es lägen demnach keine Berichte über zivile Opfer vor. Der Zeitpunkt der Angriffe sei so gewählt worden, damit der IS die volatile politische Lage im Land nicht für sich nutzen könne.

Einem Zeitungsbericht zufolge hat sich das israelische Militär am 08.12.24 erstmals seit dem Oktober- bzw. Jom-Kippur-Krieg im Jahr 1973 auf syrisches Territorium jenseits der annektierten Golanhöhen bewegt. Es sei die Bergregion im syrischen Gouvernement Quneitra um den Gipfel Hermon, der höchste Berg Syriens, gesichert worden, um eine temporäre „Pufferzone“ einzurichten, bis eine Vereinbarung über die Nachbarschaft mit den neuen Herrschern in Damaskus getroffen worden sei.

Außerdem habe die israelische Luftwaffe am 07.12. und 08.12.24 mehrere Militäranlagen Syriens bombardiert. Diese sollten das verbliebene Chemiewaffenarsenal des Landes lagern. Dabei wurden auch Elemente russischer Luftabwehrsysteme und ein Arsenal an ballistischen Boden-Boden-Raketen zerstört.

Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN, 10.12.2024

Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht

1. Zusammenfassung der Ereignisse

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende.

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).

In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).

Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).

2. Die Akteure

Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).

Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).

Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).

Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).

• Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).

Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).

• National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).

• Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).

• Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).

• Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).

• Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).

• Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).

• Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).

3. Aktuelle Lageentwicklung

Sicherheitslage:

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).

Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).

Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).

Sozio-Ökonomische Lage:

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).

Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).

Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).

Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).

ISW – Institute for the Study of War, Iran Update, December 16, 2024

HTS Anführer Ahmed al Sharaa (aka Abu Mohammad al Jolani) verkündete am 15. Dezember, dass er Wehrdienstpflicht in Syrien abschaffen werde. (https://www.ecoi.net/de/dokument/2119182.html; https://understandingwar.org/backgrounder/iran-update-december-16-2024 : HTS leader Ahmed al Sharaa (aka Abu Mohammad al Jolani) stated on December 15 that he will end mandatory conscription in Syria.)

UNHCR - Regional Flash Update #13 Syria situation crisis 7 February 2025

As of 5 February, UNHCR estimates that some 270,000 Syrians have returned to Syria since 8 December 2024. These figures are based on a triangulation of sources from outside and inside Syria and include refugees registered with UNHCR and other Syrians returning from Türkiye, Lebanon, Jordan, Iraq and Egypt, as well those transiting from beyond the region.

On 6 February, UNHCR released its Operational Framework for Voluntary Return, which outlines UNHCR’s plans to assist the voluntary return of Syrian refugees and IDPs to their homes and to support their reintegration in areas of origin.

Also on 6 February, UNHCR published the full findings of its Flash Refugee Perceptions and Intentions Survey (RPIS) conducted amongst Syrian refugees in four host countries. The overall findings mark a drastic change to intentions surveys over the past 10 years, with 27% of refugees in the region intending to return home in the next 12 months.

In Jordan, UNHCR is providing transportation assistance to Syrian refugees choosing to return based on feedback from refugee communities, requesting assistance to make the journey home. For some, the cost of transportation can act as a barrier to return.

On 6 February, UNHCR released its Operational Framework for the Voluntary Return of Syrian Refugees and IDPs. While UNHCR is not promoting large-scale voluntary returns to Syria, the Office is now in a mode of facilitating voluntary returns. This is triggered by actual and projected returns, as well as calls on UNHCR from refugees to support their return.

The Framework’s objectives are to: Ensure return planning and implementation are anchored in international protection standards and principles; Ensure Syrian refugees and IDPs are able to take a free and well-informed decision on whether to return and are actively engaged in the design of return processes in a participatory manner; Facilitate voluntary return, including transportation and material assistance; and Support the reintegration of refugee and IDP returnees inside Syria, taking into account conflict sensitivity and the needs of all populations in places of return, in collaboration with broader national, UN, NGO and IFI reintegration and development programmes.

UNHCR’s engagement in return processes is predicated by their voluntary character and the well-informed choices of refugees and IDPs. For this reason, the Framework includes counselling and communications activities in neighbouring countries in addition to shelter repairs, livelihoods interventions and legal assistance inside Syria, to bolster sustainability of returns. While the Operational Framework is specific to UNHCR, inclusive partnerships are key to ensuring safe, voluntary, dignified and sustainable returns. An inter-agency appeal for return operations from host countries is under preparation. Any reintegration activities, including those set-out in the UNHCR Operational Framework, should fall under the broader national and UN Development coordination currently being established inside Syria. Refugee Perceptions and Intentions In January 2025, UNHCR conducted a Flash Refugee Perceptions and Intentions Survey (RPIS) amongst Syrian refugees in four host countries (Jordan, Lebanon, Iraq and Egypt) with a representative, randomized sample of 3,400 respondents. Key findings include:

Overall, 80% of refugees hope to return to Syria one day. Two months after the fall of the Assad government, this represents a major shift in refugee return intentions compared to the previous RPIS conducted in April 2024 when 57% of refugees expressed the hope to return one day.

Overall, 27% of Syrian refugees expressed an immediate intention to return in the next 12 months, a significant increase compared to the previous 2024 RPIS, when only 1.7% of Syrian refugees interviewed expressed an intention to return in the next 12 months.

Overall, 53% of those who do not intend to go back or are undecided about returning in the next 12 months do intend to go back in the next five years. There are significant differences in the intention of refugees to return home over the next 12 months depending on their country of asylum. These differences may be attributed to current insecurity in or the impact of years of conflict on the areas of origin of refugees surveyed in each country. Across all countries, female respondents expressed a lower intention to return in the next year – 23% for women versus the 27% overall average. Also, 77% of respondents reported having debts in countries of asylum, which poses a barrier to return for 49% of them. While results differ by country of asylum, all showed a marked increase in intention to return in the next 12 months when compared to previous RPIS findings.

Even though intentions have drastically shifted compared to prior survey data, 55% of refugees are not yet intending to return. Even in the best conditions, returns take time. It is crucial that assistance and protection space are maintained in host countries like Türkiye, Jordan, Lebanon, Iraq and Egypt, while significant investments are made inside Syria.

Country updates

As of 5 February, some 270,000 Syrians have crossed back into the country, including refugee returnees. More than 650,000 Syrians remain newly internally displaced since the escalation of hostilities in late November 2024, part of the more than 7.4 million total IDPs in the country. As of late January, more than 700,000 IDPs have returned to their homes. This week, UNHCR continued to provide legal support to refugee returnees and IDPs, including awareness raising sessions and assistance with civil documentation proceedings for returnees from Lebanon in Al-Hassakeh and Ar-Raqqa. Many returning families report having lost their IDs, family booklets and Housing, Land and Property (HLP) documents, making this type of assistance more and more pressing. Increasing numbers of IDPs and returnees are approaching UNHCR for support given the negative implications that lack of documentation can have for accessing rights and services. Awareness raising sessions on landmines and unexploded ordnance are also ongoing each week in various parts of the country – especially important given the persistent threat these remnants of war pose to civilian populations, particularly children and agricultural workers. According to HALO Trust, the number of people killed or wounded by landmines and other explosive devices in Syria has reached crisis levels – more than 400 since December 2024. As temperatures warm up, school terms end and more people decide to return home, the risks of casualties will only increase. Shelter remains a critical issue and potential barrier for return. According to the RPIS results, of the 61% of refugees who own a home in Syria, 81% report that it is either fully destroyed or partially damaged and uninhabitable. Based on observations on the ground, UNHCR estimates that in parts of Aleppo Governorate, nearly 60% of houses are uninhabitable, forcing families to create temporary shelters with plastic sheeting, while others live in UNHCR-supported hosting centres. Still others are staying with relatives, often in overcrowded conditions. In some areas, families living in homes owned by other refugees who intend to return are under pressure to vacate. Underscoring these issues, the UN Syria Commission of Inquiry report, released on 6 February, notes in detail the patterns of systematic, largescale destruction of civilian infrastructure and homes over 14 years of conflict in Syria and emphasizes the need to address HLP rights and violations in order to avoid exacerbating social tensions and fuelling future grievances. Türkiye Since flights reopened from Istanbul to Damascus on 23 January, UNHCR’s teams in Türkiye have been present at Istanbul International Airport to monitor voluntary returns to Syria, in addition to the regular presence border crossing points. On 4 February, Syria’s Interim President Ahmed Al-Sharaa visited Türkiye and met with President Erdoğan, his second international trip after Saudi Arabia earlier this week.

Lebanon

Daily crossings at official border points continue at a low but steady rate, averaging 1,000 entry and exit movements per day. Additionally, movements continue to take place across borders through unofficial crossing points. As of 4 February, the government’s Disaster Risk Management reported approximately 94,000 arrivals from Syria in Baalbek Governorate, including 20,000 Lebanese returnees. Among the arrivals, some 36,500 people, mostly Syrians, are living in 200 informal collective shelters, and another 57,600 are living in the community. The numbers have risen from last reporting due to new insecurities in Ghour, Homs Governorate, causing additional displacement. In response to crossborder displacement, UNHCR is coordinating closely with the authorities to focus material assistance.

Jordan

As of 27 January, nearly 25,500 refugees registered with UNHCR have returned from Jordan to Syria since 8 December 2024. From 4 to 6 February, UNHCR organized transportation for more than 200 refugees in Azraq camp and Amman who expressed interest to return to Syria. Prior to departure, UNHCR conducted in person interviews to ensure the decision to return is voluntary and well-informed and provided counselling and information on availability of services inside Syria.

Iraq

Since 8 December, over 5,000 Syrians have returned from Iraq to Syria, including almost 400 registered refugees. This includes Syrians who have returned through the Peshkhabour border crossing and the Al-Qaim border crossing. The number of registered Syrian returnees increased compared to the previous week, with an average of 18 individuals returning daily. During the reporting period, UNHCR continued to observe arrivals from Syria to the Kurdistan Region of Iraq, mainly from Al Hassakeh, Aleppo, and Ar-Raqqa Governorates. During the reporting period, approximately 1,420 individuals arrived through the Peshkhabour border crossing. Family visits, medical purposes, marriage or transit to other destinations are the main reasons for arrivals, with most expressing their intentions to return to Syria following the visit.

Egypt

Since the 8 December 2024, 4,586 closure requests involving over 9,467 Syrian refugees in Egypt have been submitted to UNHCR’s offices, averaging 121 requests per day compared to the November 2024 average of just 7. UNHCR Egypt continues to receive more than 100 calls per week to the Infoline requesting case closure appointments.

Regional Flash Update #14 Syria situation crisis 13 February 2025

As of 13 February 2025, UNHCR estimates that some 279,620 Syrians have returned to Syria since 8 December 2024. These figures are based on a triangulation of sources from outside and inside Syria and include refugees registered with UNHCR and other Syrians returning from Türkiye, Lebanon, Jordan, Iraq and Egypt, as well those transiting from beyond the region.

In a cross-border coordinated effort, and as part of the Facilitated Voluntary Return and Transport Assistance programme, UNHCR continued to offer free transportation for the most vulnerable returnees in Jordan and inside Syria.

In Jordan, Egypt and Lebanon, refugees continue to express interest in returning, while also raising concerns around safety, damage to infrastructure, limited services, livelihood opportunities and raising practical questions on return processes. Refugees are also emphasizing a preference for "go - and - see" visits, similar to those facilitated by Türkiye, in order to help their families make informed decisions about returning. UNHCR staff supporting refugee returnee families at the Nassib Border Crossing Point. Inside Syria and in neighbouring countries, UNHCR is providing a wide range of assistance, as well essential information about the available services, to Syrians choosing to return

Following the ministerial meetings in Aqaba (14 December 2024) and Riyadh (12 January 2025), France hosted a high-level ministerial conference in Paris on the situation in Syria, with President Macron joining the discussions. The Conference Joint Statement also made reference to the importance of "facilitating the conditions necessary for the voluntary and lasting return of refugees including support for economic recovery, in line with the Office of the United Nations High Commissioner for Refugees's position on returns to Syria, and with a particular focus on recovering ownership rights.”

Country updates Syria

As of 13 February 2025, UNHCR Syria estimates that 279,620 Syrians have crossed back into Syria via neighbouring countries. The IDP Taskforce reports that, as of 9 February 2025, the total number of people newly displaced following the November and December hostilities stands at 617,000. In total, there remain over 7.4 million IDPs in Syria. In parallel, around 680,000 internally displaced have returned to their areas of origin since December 2024. Some areas such as Daria (Rural Damascus), have recently received a significant number of IDP families from Menbij (Aleppo) who fled the ongoing hostilities in the north of the country. UNHCR programmes and services are up and running with 102 UNHCR-supported Community Centres (CCs) operational, providing a wide range of services for refugee and IDP returnees including MHPSS, GBV prevention and response, legal counselling, mine risk education, child protection activities. UNHCR also stepped up its child protection activities, including courses on how to manage feelings, effective communication, problem-solving skills in various CCs, such as Rural Damascus and Al-Hasakeh. Sessions were held individually and in groups to support children’s psychological and emotional well-being in Idleb and Aleppo.

UNHCR Syria continued to conduct regular home visits and shelter rehabilitation missions to assess and provide support to those most in need. Through mobile teams and its network of outreach volunteers (ORVs), UNHCR reached thousands of families from the refugee and IDP returnee communities that are scattered in rural areas far from the Community Centres.

Furthermore, in a cross-border coordinated effort, and to respond to the needs expressed by refugees willing to return in the latest Regional Survey on Syrian Refugees’ Perceptions and Intentions on Return (RPIS), UNHCR continued to offer free transportation to the most vulnerable refugees from neighbouring countries (Jordan and Türkiye) and from inside Syria. UNHCR received returnees arriving at the Homs’ bus station and facilitated transportation for families heading to Idleb, Aleppo and several locations within Homs Governorate. UNHCR also continued to facilitate free transportation for those crossing the Bab Al-Hawa Border Crossing Point from Türkiye and for those returning through the Nassib Border Crossing Point from Jordan.

Taking into account the results of the recent RPIS, which identified economic challenges as one of the key barriers to return, UNHCR continued to scale up its activities to support the reintegration of returnees throughout the country, including through the distribution of essential core relief items (CRI), livelihoods support, such as agricultural tool kits targeting farmers as well as solar panels to mitigate the scarcity of electricity and challenges in securing fuel.

Türkiye

The processing of voluntary returns continues in Türkiye’s provinces and at five border crossings: Cilvegözü / Bab al Hawa, Yayladağı / Keseb, Öncüpınar /Bab al Salama, Karkamış /Jarablus and Akçakale / Tel Abyad. The official number of returns to Syria as reported by the Minister of Interior remains at 81,576 individuals since early December. The main reasons for return remain consistent, with most Syrians mentioning political changes, improved security, and family reunification. The Turkish Embassy in Damascus declared that, as of 10 February 2025, visa applications for Türkiye from Syria will be processed through the intermediary company “Visa for The Globe.” Furthermore, Türkiye's Ministry of Trade announced the lifting of trade restrictions on Syria. This decision normalizes exports, imports, and transit goods under standard foreign trade regulations, though limitations on metal scrap remain. The move aligns with agreements made in December 2024.

Lebanon

As of 12 February 2025, the government’s Disaster Risk Management Unit reported around 93,300 arrivals from Syria in Baalbek Governorate, including 35,700 people in 210 informal collective shelters and 57,600 living within host communities, among them 20,000 Lebanese returnees. A household profiling exercise is underway in Hermel and Baalbek, led by the Ministry of Social Affairs (MoSA) and UNHCR’s partner Intersos, with 1,500 households profiled so far and the most vulnerable referred to assistance programmes. In the Bekaa, daily crossings at the Masnaa Official Crossing Point (OCP) remain low but stable, averaging 1,500 entries and exits per day, according to the General Security Office. Meanwhile, in northern Lebanon, the Arida OCP has been closed since 3 February 2025 due to ongoing public works, while unofficial border crossings continue.

In response to cross-border displacement, UNHCR in Lebanon is working closely with authorities to enhance material assistance. Through the Basic Assistance Sector, UNHCR and partners are distributing core relief items - including blankets, mattresses, winter clothes, and pillows - to newly arrived families in collective shelters, alongside basic protection services and referrals for individuals with specific needs. At the government's request, UNHCR has adapted its Referral Health Care SOPs to ensure new arrivals can access life-saving hospitalization care. In January 2025, 50 new arrivals received treatment in UNHCR-contracted hospitals.

Jordan

According to an interview with the Minister of Interior on 11 February 2025, 34,690 refugees have left Jordan since the fall of the regime, including more than 4,800 refugees from camps. In another interview on 6 February, the Minister reported that 110,000 Syrians have left the country since 8 December 2024.

UNHCR has analysed the profiles of nearly 30,500 registered refugees who departed over the past two months. Women and girls represent around 45% of the total number, compared to 55% men and boys. Children constitute around 41% of the overall returnees. More and more registered refugees return with their complete families, and by now, 48% of those who have returned have done so as complete family households. 52% of the returnees continue to return alone or as partial family units. Registered refugees who return from the camps accounted for around 12% of the overall returns during the reporting period. Most returnees had been residing in Amman (27%) and Irbid (24%) with smaller numbers from other governorates. As most returns from Jordan are spontaneous, UNHCR does not have data on the intended destination of return. However, previous intentions surveys indicate that the majority of refugees in Jordan intend to return to their area of origin. Since early December 2024, returnees from Jordan originate from Dara’a (34%), Homs (27%) and Rural Damascus (12%). Between 7 and 13 February 2025, UNHCR facilitated transportation for 200 refugees seeking to return to Syria and requiring support in the process. Before departure, UNHCR conducted in-person interviews to ensure that each return was voluntary and well-informed. Refugees also received counseling and information on the availability of services inside Syria. The return process was closely coordinated with UNHCR Syria, ensuring continued support upon arrival at their final destination. UNHCR teams in Jordan and Syria maintain regular communication to share lessons learned and improve the efficiency of the return process. During recent focus group discussions, refugees expressed concerns about the security situation in Syria and various challenges related to the return process, particularly documentation. However, some participants were optimistic about resuming their studies in Syria, noting that Syrian universities might offer better opportunities.

Iraq

Since 8 December 2024, over 6,000 Syrians have returned from Iraq to Syria, including over 400 registered refugees. This includes Syrians who have returned through the Peshkhabour border crossing and the Al-Qaim border crossing. The number of registered Syrian refugees returning has slightly decreased compared to the previous week (45 refugees compared to 73 refugees). During the reporting period, UNHCR continued to observe arrivals from Syria to the Kurdistan Region of Iraq, mainly from the Al-Hasakeh, Aleppo, and Ar-Raqqa areas, at an average of 300 individuals daily. Most of these Syrians are coming to the Kurdistan Region of Iraq family visits, medical purposes, marriage, or to use KR-I as a transit point to go to Europe, with most expressing their intentions to return to Syria following the visit. Few Syrians arriving through the Peshkhabour border crossing express their intention of applying for asylum and registering with UNHCR.

Egypt

As of 11 February 2025, 143,840 Syrian refugees are registered in Egypt, making up over 15% of the country’s total refugee population. Over the past months, there has been a sharp rise in case closure requests, with 5,122 applications affecting over 10,782 individuals submitted since early December 2024 - a significant increase from the November average of just 7 to 116 requests per day. Of those seeking case closures, 66% are male, with the majority originating from Damascus (43%), followed by Rural Damascus (26%), Homs (11%), Aleppo (7%), and other areas in Syria (13%).

UNHCR POSITION ÜBER DIE RÜCKKEHR IN DIE SYRISCHE ARABISCHE REPUBLIK, Dezember 2024

Freiwillige Rückkehr

Syrien befindet sich an einem Scheideweg – zwischen Frieden und Krieg, Stabilität und Gesetzlosigkeit, Wiederaufbau oder weiterem Ruin. Es gibt jetzt eine bemerkenswerte Gelegenheit für Syrien, sich in Richtung Frieden zu bewegen, und für sein Volk, nach Hause zurückzukehren. Seit vielen Jahren besteht das UNHCR auf der Notwendigkeit, die Anstrengungen zu verdoppeln, um günstige Bedingungen für Flüchtlinge und Vertriebene zu schaffen, damit sie nach Hause zurückkehren können, und die derzeitige Situation eröffnet in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten, die von allen genutzt werden müssen. Dazu gehört auch die Beseitigung und/oder das Thematisieren neuer sicherheitspolitischer, rechtlicher und administrativer Hindernisse seitens der syrischen De-facto-Behörden; umfangreiche humanitäre Hilfe und Soforthilfe, die von den Geberstaaten für Rückkehrer, Gemeinschaften, die sie zurückerhalten, und Gebiete mit tatsächlicher und potenzieller Rückkehr im Allgemeinen bereitzustellen ist; und die Ermächtigung des UNHCR und seiner Partner, die Rückführungen an Grenzübergängen und an Orten, an denen sich die Menschen für die Rückkehr entscheiden, zu überwachen.

Jeder hat das Recht, in sein Herkunftsland zurückzukehren. UNHCR ist bereit, syrische Flüchtlinge zu unterstützen, die sich nach umfassender Information über die Lage an ihren Herkunftsorten oder in einem alternativen Gebiet ihrer Wahl freiwillig für eine Rückkehr entscheiden. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, mit denen die syrische Bevölkerung konfrontiert ist, darunter eine groß angelegte humanitäre Krise, ein anhaltend hohes Maß an Binnenvertreibung und die weit verbreitete Zerstörung und Beschädigung von Häusern und kritischer Infrastruktur, fördert das UNHCR jedoch vorerst keine groß angelegte freiwillige Rückführung nach Syrien.

Moratorium für Zwangsrückführungen

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Syrien weiterhin von Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes betroffen; großflächige interne Verdrängung; Kontamination vieler Teile des Landes mit explosiven Kriegsresten; eine verwüstete Wirtschaft und eine große humanitäre Krise, in der vor den jüngsten Entwicklungen bereits über 16 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen. Darüber hinaus hat Syrien, wie bereits erwähnt, massive Zerstörungen und Schäden an Häusern, kritischen Infrastrukturen und landwirtschaftlichen Flächen erlitten. Eigentumsrechte wurden stark beeinträchtigt, wobei in den letzten zehn Jahren weit verbreitete Verstöße gegen Wohn-, Grundstücks- und Eigentumsrechte verzeichnet wurden, was zu komplexen Eigentumsstreitigkeiten führte, deren Beilegung Zeit in Anspruch nehmen wird. Vor diesem Hintergrund fordert das UNHCR die Staaten vorerst weiterhin auf, syrische Staatsangehörige und ehemalige gewöhnliche Bewohner Syriens, einschließlich Palästinenser, die zuvor in Syrien wohnhaft waren, nicht gewaltsam in einen Teil Syriens zurückzuführen.

Aussetzung der Ausstellung negativer Entscheidungen für syrische Antragsteller auf internationalen Schutz

Das UNHCR fordert weiterhin alle Staaten auf, Zivilisten, die aus Syrien fliehen, Zugang zu ihren Hoheitsgebieten zu gewähren, das Recht auf Asyl zu gewährleisten und jederzeit die Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu gewährleisten.

Während die Risiken im Zusammenhang mit der Verfolgung durch die ehemalige Regierung aufgehört haben, können andere Risiken bestehen bleiben oder sich verstärken. Angesichts der rasch veränderten Dynamik und der sich wandelnden Lage in Syrien ist das UNHCR derzeit nicht in der Lage, den Asylentscheidern detaillierte Leitlinien für den internationalen Schutzbedarf der Syrer zur Verfügung zu stellen. Das UNHCR wird die Lage weiterhin genau beobachten, um detailliertere Leitlinien bereitzustellen, sobald die Umstände dies zulassen. Angesichts der derzeitigen Ungewissheit über die Lage in Syrien fordert das UNHCR die Asylstaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz durch syrische Staatsangehörige oder Staatenlose, die ihren früheren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen. Die Aussetzung des Erlasses negativer Entscheidungen sollte so lange in Kraft bleiben, bis sich die Lage in Syrien stabilisiert hat und zuverlässige Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtslage vorliegen, um eine umfassende Bewertung der Notwendigkeit vorzunehmen, einzelnen Antragstellern den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen.

Das UNHCR ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft für Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde und die aus Syrien stammen, derzeit nicht erfüllt sind.

Diese Ereignisse bzw. Tatsachen sind aufgrund öffentlich zugänglicher, weit verbreiteter medialer Berichterstattung allgemein bekannt („notorisch“; vgl. die bei den Feststellungen exemplarisch angegebenen Quellen). Die Feststellungen stützen sich auch auf die – ins Verfahren als Informationsquellen eingebrachten - Websites https://syria.liveuamap.com/ und https://www.cartercenter.org/ news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html.

II.3.2. Hinsichtlich der übrigen Bereiche wird die Version 11, Stand: 27.03.2024, der Länderfeststellungen herangezogen.

Politische Lage, Zeitpunkt 08.03.2024

(…)

Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierung, Zeitpunkt 11.07.2023

Im März 2013 gab die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als höchste offizielle Oppositionsbehörde die Bildung der syrischen Interimsregierung (Syrian Interim Government, SIG) bekannt, welche die Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes im ganzen Land verwalten soll. Im Laufe der Zeit schrumpften die der Opposition angehörenden Gebiete jedoch, insbesondere nach den Vereinbarungen von 2018, die dazu führten, dass Damaskus die Kontrolle über den Süden Syriens und die Oppositionsgebiete im Süden von Damaskus und im Umland übernahm. Der Einfluss der SIG ist nun auf die von der Türkei unterstützten Gebiete im Norden Aleppos beschränkt (SD 18.3.2023). Formell erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich auch auf die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierte Zone. Dort wurde sie von der HTS jedoch an den Rand gedrängt (Brookings 27.1.2023). Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib und Teile der Provinzen Aleppo und Latakia werden inzwischen von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert (SD 18.3.2023).

Nicht-staatliche Akteure in Nordsyrien haben systematisch daran gearbeitet, sich selbst mit Attributen der Staatlichkeit auszustatten. Sie haben sich von aufständischen bewaffneten Gruppen in Regierungsbehörden verwandelt. In Gebieten, die von der HTS, einer sunnitischen islamistischen politischen und militärischen Organisation, kontrolliert werden, und in Gebieten, die nominell unter der Kontrolle der SIG stehen, haben bewaffnete Gruppen und die ihnen angeschlossenen politischen Flügel den institutionellen Rahmen eines vollwertigen Staates mit ausgefeilten Regierungsstrukturen wie Präsidenten, Kabinetten, Ministerien, Regulierungsbehörden, Exekutivorganen usw. übernommen (Brookings 27.1.2023).

Die nordwestliche Ecke der Provinz Idlib, an der Grenze zur Türkei, ist die letzte Enklave der traditionellen Opposition gegen Assads Herrschaft. Sie beherbergt Dutzende von hauptsächlich islamischen bewaffneten Gruppen, von denen die HTS die dominanteste ist (MEI 26.4.2022). Mit der im November 2017 gegründeten (NPA 4.5.2023) syrischen Heilsregierung hat die HTS ihre Möglichkeiten zur Regulierung, Besteuerung und Bereitstellung begrenzter Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung erweitert. Doch wie jüngste Studien gezeigt haben, sind diese Institutionen Mechanismen, die hochrangige Persönlichkeiten innerhalb der herrschenden Koalitionen ermächtigen und bereichern (Brookings 27.1.2023). In dem Gebiet werden keine organisierten Wahlen abgehalten und die dortigen Lokalräte werden von bewaffneten Gruppen beherrscht oder von diesen umgangen. Die HTS versucht in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Obwohl die Mehrheit der Menschen in Idlib sunnitische Muslime sind, ist HTS nicht beliebt. Die von der HTS propagierten religiösen Dogmen sind nur ein Aspekt, der den Bürgerinnen und Bürgern missfällt. Zu den anderen Aspekten gehören der Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, willkürliche Verhaftungen, Gewalt und Missbrauch (BS 23.2.2022).

In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesenheit der Türkei bringt ein gewisses Maß an Stabilität, aber ihre Abhängigkeit von undisziplinierten lokalen Vertretern, ihre Unfähigkeit, die Fraktionsbildung unter den Dutzenden bewaffneter Gruppen, die mit der SNA verbunden sind, zu überwinden, und ihre Toleranz gegenüber deren Missbrauch und Ausbeutung der Zivilbevölkerung haben dazu geführt, dass ihre Kontrollzone die am wenigsten sichere und am brutalsten regierte im Norden Syriens ist (Brookings 27.1.2023).

Sicherheitslage, Zeitpunkt 08.03.2024

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten

Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).

Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).

Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).

Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).

(…)

Nordost-Syrien (Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria - AANES) und das Gebiet der SNA (Syrian National Army)

Letzte Änderung 2024-03-08 15:02

Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet (AA 29.3.2023). Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet (Newlines 7.3.2023). Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Ziele in den wichtigsten von den SDF kontrollierten städtischen Zentren und töteten Gegner (und Zivilisten) in Manbij, Kobanê, Tell Abyad, Raqqa, Qamishli, Tell Tamer und Hassakah (CC 3.11.2022). Bereits im Mai 2022 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine vierte türkische Invasion seit 2016 angekündigt (HRW 12.1.2023). Anfang Oktober 2023 begannen die türkischen Streitkräfte wieder mit der Intensivierung ihrer Luftangriffe auf kurdische Ziele in Syrien, nachdem in Ankara ein Bombenanschlag durch zwei Angreifer aus Syrien verübt worden war (REU 4.10.2023). Die Luftangriffe, die in den Provinzen Hasakah, Raqqa und Aleppo durchgeführt wurden, trafen für die Versorgung von Millionen von Menschen wichtige Wasser- und Elektrizitätsinfrastruktur (HRW 26.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).

Die Türkei unterstellt sowohl den Streitkräften der Volksverteidigungseinheiten (YPG) als auch der Democratic Union Party (PYD) Nähe zur von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und bezeichnet diese daher ebenfalls als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 29.11.2021). […]

Der Rückzug der USA aus den Gebieten östlich des Euphrat im Oktober 2019 ermöglichte es der Türkei, sich in das Gebiet auszudehnen und ihre Grenze tiefer in Syrien zu verlegen, um eine Pufferzone gegen die SDF zu schaffen (CMEC 2.10.2020) [Anm.: Siehe hierzu Unterkapitel türkische Militäroperationen in Nordsyrien im Kapitel Sicherheitslage]. Aufgrund der türkischen Vorstöße sahen sich die SDF dazu gezwungen, mehrere tausend syrische Regierungstruppen aufzufordern, in dem Gebiet Stellung zu beziehen, um die Türkei abzuschrecken, und den Kampf auf eine zwischenstaatliche Ebene zu verlagern (ICG 18.11.2021). Regimekräfte sind seither in allen größeren Städten in Nordostsyrien präsent (AA 29.11.2021). Die Türkei stützte sich bei ihrer Militäroffensive im Oktober 2019 auch auf Rebellengruppen, die in der 'Syrian National Army' (SNA) zusammengefasst sind; seitens dieser Gruppen kam es zu gewaltsamen Übergriffen, insbesondere auf die kurdische Zivilbevölkerung sowie Christen und Jesiden (Ermordungen, Plünderungen und Vertreibungen). Aufgrund des Einmarsches wuchs die Zahl der intern vertriebenen Menschen im Nordosten auf über eine halbe Million an (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Entgegen früheren Ankündigungen bleiben die USA weiterhin militärisch präsent (ÖB Damaskus 1.10.2021; vgl. AA 29.11.2021; JsF 9.9.2022). Am 4.9.2022 errichteten die US-Truppen einen neuen Militärstützpunkt im Dorf Naqara im Nordosten Syriens, der zu den drei Standorten der US-geführten internationalen Koalition in der Region Qamishli gehört. Der neue Militärstützpunkt kann dazu beitragen, die verstärkten Aktivitäten Russlands und Irans in der Region zu überwachen; insbesondere überblickt er direkt den von den russischen Streitkräften betriebenen Luftwaffenstützpunkt am Flughafen Qamishli. Er ist nur wenige Kilometer von den iranischen Militärstandorten südlich der Stadt entfernt (JsF 9.9.2022). Hinzukamen wiederholte Luft- bzw. Drohnenangriffe zwischen den in Nordost-Syrien stationierten US-Truppen und Iran-nahen Milizen (AA 2.2.2024).

SDF, YPG und YPJ [Anm.: Frauenverteidigungseinheiten] sind nicht nur mit türkischen Streitkräften und verschiedenen islamistischen Extremistengruppen in der Region zusammengestoßen, sondern gelegentlich auch mit kurdischen bewaffneten Gruppen, den Streitkräften des Assad-Regimes, Rebellen der Freien Syrischen Armee und anderen Gruppierungen (AN 17.10.2021). Die kurdisch kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens umfassen auch den größten Teil des Gebiets, das zuvor unter der Kontrolle des IS in Syrien stand (ICG 11.10.2019; vgl. EUAA 9.2022). Raqqa war de facto die Hauptstadt des IS (PBS 22.2.2022), und die Region gilt als "Hauptschauplatz für den Aufstand des IS" (ICG 11.10.2019; vgl. EUAA 9.2022).

Die kurdischen YPG stellen einen wesentlichen Teil der Kämpfer und v. a. der Führungsebene der SDF, welche in Kooperation mit der internationalen Anti-IS-Koalition militärisch gegen die Terrororganisation IS in Syrien vorgehen (AA 29.11.2021). In Reaktion auf die Reorganisation der Truppen zur Verstärkung der Front gegen die Türkei stellten die SDF vorübergehend ihre Operationen und andere Sicherheitsmaßnahmen gegen den Islamischen Staat ein. Dies weckte Befürchtungen bezüglich einer Stärkung des IS in Nordost-Syrien (Newlines 7.3.2023). Die SDF hatten mit Unterstützung US-amerikanischer Koalitionskräfte allein seit Ende 2021 mehrere Sicherheitsoperationen durchgeführt, in denen nach eigenen Angaben Hunderte mutmaßliche IS-Angehörige verhaftet und einzelne Führungskader getötet wurden (AA 2.2.2024).

Der IS führt weiterhin militärische Operationen in der AANES durch. Die SDF reagieren auf die Angriffe mit routinemäßigen Sicherheitskampagnen, unterstützt durch die Internationale Koalition. Bisher konnten diese die Aktivitäten des IS und seiner affiliierten Zellen nicht einschränken. SOHR dokumentierte von Anfang 2023 bis September 2023 121 Operationen durch den IS, wie bewaffnete Angriffe und Explosionen, in den Gebieten der AANES. Dabei kamen 78 Personen zu Tode, darunter 17 ZivilistInnen und 56 Mitglieder der SDF (SOHR 24.9.2023).

Mit dem Angriff auf die Sina’a-Haftanstalt in Hassakah in Nordostsyrien im Januar 2022 und den daran anschließenden mehrtägigen Kampfhandlungen mit insgesamt ca. 470 Todesopfern (IS-Angehörige, SDF-Kämpfer, Zivilisten) demonstrierte der IS propagandawirksam die Fähigkeit, mit entsprechendem Vorlauf praktisch überall im Land auch komplexe Operationen durchführen zu können (AA 29.3.2023). Bei den meisten Gefangenen handelte es sich um prominente IS-Anführer (AM 26.1.2022). Unter den insgesamt rund 5.000 Insassen des überfüllten Gefängnisses befanden sich nach Angaben von Angehörigen jedoch auch Personen, die aufgrund von fadenscheinigen Gründen festgenommen worden waren, nachdem sie sich der Zwangsrekrutierung durch die SDF widersetzt hatten, was die SDF jedoch bestritten (AJ 26.1.2022). Die Gefechte dauerten zehn Tage, und amerikanische wie britische Kräfte kämpften aufseiten der SDF (HRW 12.1.2023). US-Angaben zufolge war der Kampf die größte Konfrontation zwischen den US-amerikanischen Streitkräften und dem IS, seit die Gruppe 2019 das (vorübergehend) letzte Stück des von ihr kontrollierten Gebiets in Syrien verloren hatte (NYT 25.1.2022). Vielen Häftlingen gelang die Flucht, während sich andere im Gefängnis verbarrikadierten und Geiseln nahmen (ANI 26.1.2022). Nach Angaben der Vereinten Nationen mussten schätzungsweise 45.000 Einwohner von Hassakah aufgrund der Kämpfe aus ihren Häusern fliehen, und die SDF riegelte große Teile der Stadt ab (MEE 25.1.2022; vgl. NYT 25.1.2022, EUAA 9.2022). Während der Kampfhandlungen erfolgten auch andernorts in Nordost-Syrien Angriffe des IS (TWP 24.2.2022). Die geflohenen Bewohner durften danach zurückkehren (MPF 8.2.2022), wobei Unterkünfte von mehr als 140 Familien scheinbar von den SDF während der Militäraktionen zerstört worden waren. Mit Berichtszeitpunkt Jänner 2023 waren Human Rights Watch keine Wiederaufpläne, Ersatzunterkünfte oder Kompensationen für die zerstörten Gebäude bekannt (HRW 12.1.2023).

Während vorhergehende IS-Angriffe von kurdischen Quellen als unkoordiniert eingestuft wurden, erfolgte die Aktion in Hassakah durch drei bestens koordinierte IS-Zellen. Die Tendenz geht demnach Richtung seltenerer, aber größerer und komplexerer Angriffe, während dezentralisierte Zellen häufige, kleinere Attacken durchführen. Der IS nutzt dabei besonders die große Not der in Lagern lebenden Binnenvertriebenen im Nordosten Syriens aus, z. B. durch die Bezahlung kleiner Beträge für Unterstützungsdienste. Der IS ermordete auch einige Personen, welche mit der Lokalverwaltung zusammenarbeiteten (TWP 24.2.2022). Das Ausüben von koordinierten und ausgeklügelten Anschlägen in Syrien und im Irak wird von einem Vertreter einer US-basierten Forschungsorganisation als Indiz dafür gesehen, dass die vermeintlich verstreuten Schläferzellen des IS wieder zu einer ernsthaften Bedrohung werden (NYT 25.1.2022). Trotz der laufenden Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung hat der IS im Nordosten Syriens an Stärke gewonnen und seine Aktivitäten im Gebiet der SDF intensiviert. Am 28.9.2022 gaben die SDF bekannt, dass sie eines der größten Waffenverstecke des IS seit Anfang 2019 erobert haben. Sowohl die Größe des Fundes als auch sein Standort sind ein Beleg für die wachsende Bedrohung, die der IS im Nordosten Syriens darstellt (TWI 12.10.2022). Bei einem weiteren koordinierten Angriff des IS auf das Quartier der kurdischen de facto-Polizeikräfte (ISF/Asayish) sowie auf ein nahegelegenes Gefängnis für IS-Insassen in Raqqa Stadt kamen am 26.12.2022 nach kurdischen Angaben sechs Sicherheitskräfte und ein Angreifer ums Leben (AA 29.3.2023). Laut dem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom Juli 2022 sind einige der Mitgliedstaaten der Meinung, dass der IS seine Ausbildungsaktivitäten, die zuvor eingeschränkt worden waren, insbesondere in der Wüste Badiya wieder aufgenommen habe (EUAA 9.2022). Im Jahr 2023 haben die Aktivitäten von Schläferzellen des IS vor allem in der östlichen Wüste zugenommen (CFR 13.2.2024).

Die kurdischen Sicherheitskräfte kontrollieren weiterhin knapp 30 Lager mit 11.000 internierten IS-Kämpfern (davon 500 aus Europa) sowie die Lager mit Familienangehörigen; der Großteil davon in al-Hol (ÖB Damaskus 1.10.2021). Nach einigen Rückführungen und Repatriierungen beläuft sich die Gesamtzahl der Menschen in al-Hol nun auf etwa 53.000, von denen etwa 11.000 ausländische Staatsangehörige sind (MSF 7.11.2022b), auch aus Österreich (ÖB Damaskus 1.10.2021). Das Ziel des IS ist es, diese zu befreien, aber auch seinen Anhängern zu zeigen, dass man dazu in der Lage ist, diese Personen herauszuholen (Zenith 11.2.2022). Das Lager war einst dazu gedacht, Zivilisten, die durch den Konflikt in Syrien und im Irak vertrieben wurden, eine sichere, vorübergehende Unterkunft und humanitäre Dienstleistungen zu bieten. Der Zweck von al-Hol hat sich jedoch längst gewandelt, und das Lager ist zunehmend zu einem unsicheren und unhygienischen Freiluftgefängnis geworden, nachdem die Menschen im Dezember 2018 aus den vom IS kontrollierten Gebieten dorthin gebracht wurden (MSF 7.11.2022b). 65 Prozent der Bewohner von al-Hol sind Kinder, 52 Prozent davon im Alter von unter zwölf Jahren (MSF 19.2.2024), die täglicher Gewalt und Kriminalität ausgesetzt sind (STC 5.5.2022; vgl. MSF 7.11.2022a). Das Camp ist zusätzlich zu einem Refugium für den IS geworden, um Mitglieder zu rekrutieren (NBC News 6.10.2022). Am 22.11.2022 schlugen türkische Raketen in der Nähe des Lagers ein. Das Chaos, das zu den schwierigen humanitären Bedingungen im Lager hinzukommt, hat zu einem Klima geführt, das die Indoktrination durch den IS begünstigt. Die SDF sahen sich zudem gezwungen, ihre Kräfte zur Bewachung der IS-Gefangenenlager abzuziehen, um auf die türkische Bedrohung zu reagieren (AO 3.12.2022).

Türkische Angriffe und eine Finanzkrise destabilisieren den Nordosten Syriens (Zenith 11.2.2022). Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien befindet sich heute in einer zunehmend prekären politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Lage (TWI 15.3.2022). Wie in anderen Bereichen üben die dominanten Politiker der YPG, der mit ihr verbündeten Organisationen im Sicherheitsbereich sowie einflussreiche Geschäftsleute Einfluss auf die Wirtschaft aus, was verbreiteten Schmuggel zwischen den Kontrollgebieten in Syrien und in den Irak ermöglicht (Brookings 27.1.2023). Angesichts der sich rapide verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen im Nordosten Syriens haben die SDF zunehmend drakonische Maßnahmen ergriffen, um gegen abweichende Meinungen im Land vorzugehen und Proteste zum Schweigen zu bringen, da ihre Autorität von allen Seiten bedroht wird (Etana 30.6.2022). Nach den Präsidentschaftswahlen im Mai 2021 kam es in verschiedenen Teilen des Gebiets zu Protesten, unter anderem gegen den niedrigen Lebensstandard und die Wehrpflicht der SDF (al-Sharq 27.8.2021) sowie gegen steigende Treibstoffpreise (AM 30.5.2021). In arabisch besiedelten Gebieten im Gouvernement Hassakah und Manbij (Gouvernement Aleppo) starben Menschen, nachdem Asayish [Anm: Sicherheitskräfte der kurdischen Autonomieregion] in die Proteste eingriffen (al-Sharq 27.8.2021; vgl. AM 30.5.2021). Die Türkei verschärft die wirtschaftliche Lage in AANES absichtlich, indem sie den Wasserfluss nach Syrien einschränkt (KF 5.2022). Obwohl es keine weitverbreiteten Rufe nach einer Rückkehr des Assad-Regimes gibt, verlieren einige Einwohner das Vertrauen, dass die kurdisch geführte AANES für Sicherheit und Stabilität sorgen kann (TWI 15.3.2022).

Im August 2023 brachen gewaltsame Konflikte zwischen den kurdisch geführten SDF und arabischen Stämmen in Deir ez-Zor aus (AJ 30.8.2023), in dessen Verlauf es den Aufständischen gelungen war, zeitweise die Kontrolle über Ortschaften entlang des Euphrat zu erlangen. UNOCHA dokumentierte 96 Todesfälle und über 100 Verwundete infolge der Kampfhandlungen, schätzungsweise 6.500 Familien seien durch die Gewalt vertrieben worden. Nach Rückerlangung der Gebietskontrolle durch die SDF kam es auch in den folgenden Wochen zu sporadischen Attentaten auf SDF sowie zu vereinzelten Kampfhandlungen mit Stammeskräften (AA 2.2.2024).

Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien

Letzte Änderung 2024-03-27 11:04

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Wehrpflichtgesetz der "Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien"

Auch aus den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten Syriens gibt es Berichte über Zwangsrekrutierungen. Im Nordosten des Landes hat die von der kurdischen Partei PYD [Partiya Yekîtiya Demokrat, Partei der Demokratischen Union] dominierte "Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien" [Autonomous Administration of North and East Syria, AANES] 2014 ein Wehrpflichtgesetz verabschiedet, welches vorsah, dass jede Familie einen "Freiwilligen" im Alter zwischen 18 und 40 Jahren stellen muss, der für den Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr in den YPG [Yekîneyên Parastina Gel, Volksverteidigungseinheiten] dient (AA 2.2.2024). Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur "Selbstverteidigungspflicht", das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen (EB 15.8.2022; vgl. DIS 6.2022). Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit (ANHA, 4.9.2021). Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war (DIS 6.2022). Mit Stand September 2023 war das Dekret noch immer in Kraft (ACCORD 7.9.2023).

Die Wehrpflicht gilt in allen Gebieten unter der Kontrolle der AANES, auch wenn es Gebiete gibt, in denen die Wehrpflicht nach Protesten zeitweise ausgesetzt wurde [Anm.: Siehe weiter unten]. Es ist unklar, ob die Wehrpflicht auch für Personen aus Afrin gilt, das sich nicht mehr unter der Kontrolle der "Selbstverwaltung" befindet. Vom Danish Immigration Service (DIS) befragte Quellen machten hierzu unterschiedliche Angaben. Die Wehrpflicht gilt nicht für Personen, die in anderen Gebieten als den AANES wohnen oder aus diesen stammen. Sollten diese Personen jedoch seit mehr als fünf Jahren in den AANES wohnen, würde das Gesetz auch für sie gelten. Wenn jemand in seinem Ausweis als aus Hasakah stammend eingetragen ist, aber sein ganzes Leben lang z.B. in Damaskus gelebt hat, würde er von der "Selbsverwaltung" als aus den AANES stammend betrachtet werden und er müsste die "Selbstverteidigungspflicht" erfüllen. Alle ethnischen Gruppen und auch staatenlose Kurden (Ajanib und Maktoumin) sind zum Wehrdienst verpflichtet. Araber wurden ursprünglich nicht zur "Selbstverteidigungspflicht" eingezogen, dies hat sich allerdings seit 2020 nach und nach geändert (DIS 6.2022; vgl. NMFA 8.2023).

Ursprünglich betrug die Länge des Wehrdiensts sechs Monate, sie wurde aber im Jänner 2016 auf neun Monate verlängert (DIS 6.2022). Artikel zwei des Gesetzes über die "Selbstverteidigungspflicht" vom Juni 2019 sieht eine Dauer von zwölf Monaten vor (RIC 10.6.2020). Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden, was je nach Gebiet entschieden wird. Beispielsweise wurde der Wehrdienst 2018 aufgrund der Lage in Baghouz um einen Monat verlängert. In Afrin wurde der Wehrdienst zu drei Gelegenheiten in den Jahren 2016 und 2017 um je zwei Monate ausgeweitet. Die Vertretung der "Selbstverwaltung" gab ebenfalls an, dass der Wehrdienst in manchen Fällen um einige Monate verlängert wurde. Wehrdienstverweigerer können zudem mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden (DIS 6.2022).

Nach dem abgeleisteten Wehrdienst gehören die Absolventen zur Reserve und können im Fall "höherer Gewalt" einberufen werden. Diese Entscheidung trifft der Militärrat des jeweiligen Gebiets. Derartige Einberufungen waren den vom DIS befragten Quellen nicht bekannt (DIS 6.2022).

Einsatzgebiet von Wehrpflichtigen

Die Selbstverteidigungseinheiten [Hêzên Xweparastinê, HXP] sind eine von den SDF separate Streitkraft, die vom Demokratischen Rat Syriens (Syrian Democratic Council, SDC) verwaltet wird und über eigene Militärkommandanten verfügt. Die SDF weisen den HXP allerdings Aufgaben zu und bestimmen, wo diese eingesetzt werden sollen. Die HXP gelten als Hilfseinheit der SDF. In den HXP dienen Wehrpflichtige wie auch Freiwillige, wobei die Wehrpflichtigen ein symbolisches Gehalt erhalten. Die Rekrutierung von Männern und Frauen in die SDF erfolgt dagegen freiwillig (DIS 6.2022).

Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der "Selbsverteidigungspflicht" erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hasakah, wo es im Jänner 2022 zu dem Befreiungsversuch des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in Raqqa (DIS 6.2022).

Allgemeine Menschenrechtslage, Zeitpunkt 12.03.2024

Neben der Gefährdung durch militärische Entwicklungen, Landminen und explosive Munitionsreste, welche immer wieder zivile Opfer fordern, bleibt auch die allgemeine Menschenrechtslage in Syrien äußerst besorgniserregend (AA 2.2.2024).Von allen Akteuren agiert das Regime am meisten mit gewaltsamer Repression und die PYD am wenigsten - autoritär sind alle Machthaber nach Einschätzung der Bertelsmann-Stiftung (BS 23.2.2022). Die im August 2011 vom UN-Menschenrechtsrat eingerichtete internationale unabhängige Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Syrien (Commission of Inquiry, CoI) benennt in ihrem am 13.9.2023 veröffentlichten Bericht (Berichtszeitraum Januar bis Juni 2023) zum wiederholten Male teils schwerste Menschenrechtsverletzungen, identifiziert Trends und belegt diese durch die Dokumentation von Einzelfällen. Nach Einschätzung der CoI dürfte es im Berichtszeitraum in Syrien weiterhin zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gekommen sein. Dazu gehörten u. a. gezielte und wahllose Angriffe auf Zivilisten und zivile Ziele (z. B. durch Artilleriebeschuss und Luftschläge) sowie Folter. Darüber hinaus seien willkürliche und ungesetzliche Inhaftierungen, „Verschwindenlassen“, sexualisierte Gewalt sowie willkürliche Eingriffe in die Eigentumsrechte, unter anderem von Geflüchteten, dokumentiert. Obwohl die UN-Kommission die Verantwortung in absoluten Zahlen betrachtet für die große Mehrzahl der Menschenrechtsverletzungen bei Kräften der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten sieht, wurden erneut für alle Konfliktparteien und alle Regionen des Landes Menschenrechtsverstöße dokumentiert (AA 2.2.2024).

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Nichtstaatliche bewaffnete Oppositionsgruppen

Die Zahl der Übergriffe und Repressionen durch nichtstaatliche Akteure einschließlich der de-facto-Autoritäten im Nordwesten und Nordosten Syriens bleibt unverändert hoch. Bei Übergriffen regimetreuer Milizen ist der Übergang zwischen politischem Auftrag, militärischen bzw. polizeilichen Aufgaben und mafiösem Geschäftsgebaren fließend. In den Gebieten, die durch regimefeindliche bewaffnete Gruppen kontrolliert werden, kommt es auch durch einige dieser Gruppierungen regelmäßig zu Übergriffen und Repressionen (AA 2.2.2024). In ihrem Bericht von März 2021 betont der Bericht der UNCOI, dass das in absoluten Zahlen größere Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen durch das Regime und seine Verbündeten andere Konfliktparteien ausdrücklich nicht entlastet. Vielmehr ließen sich auch für bewaffnete Gruppierungen (u. a. Free Syrian Army, Syrian National Army [SNA], Syrian Democratic Forces [SDF]) und terroristische Organisationen (u.a. HTS - Hay'at Tahrir ash-Sham, bzw. Jabhat an-Nusra, IS - Islamischer Staat) über den Konfliktzeitraum hinweg zahlreiche Menschenrechtsverstöße unterschiedlicher Schwere und Ausprägung dokumentieren. Hierzu zählen für alle Akteure willkürliche Verhaftungen, Praktiken wie Folter, grausames und herabwürdigendes Verhalten und sexualisierte Gewalt sowie Verschwindenlassen Verhafteter. Im Fall von Free Syrian Army, HTS, bzw. Jabhat an-Nusra, sowie besonders vom IS werden auch Hinrichtungen berichtet (UNCOI 11.3.2021)

Bewaffnete terroristische Gruppierungen, wie z. B. HTS, sind verantwortlich für weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter rechtswidrige Tötungen und Entführungen, rechtswidrige Inhaftierungen, körperliche Misshandlungen und Tötungen von Zivilisten und Rekrutierungen von Kindersoldaten (USDOS 20.3.2023). Personen, welche in Verdacht geraten, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu haben, sind in Gebieten extremistischer Gruppen der Gefahr von Exekutionen ausgesetzt (FH 9.3.2023).

HTS ging teils brutal gegen politische Gegner vor, denen z. B. Verbindungen zum Regime, Terrorismus oder die „Gefährdung der syrischen Revolution“ vorgeworfen würden. Weiterhin legen die Berichte nahe, dass Inhaftierten Kontaktmöglichkeiten zu Angehörigen und Rechtsbeiständen vorenthalten werden. Auch sei HTS, laut Berichten des SNHR, für weitere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, vor allem in den Gefängnissen unter seiner Kontrolle (AA 2.2.2024).

In der Region Idlib war 2019 ein massiver Anstieg an willkürlichen Verhaftungen und Fällen von Verschwindenlassen zu verzeichnen, nachdem HTS dort die Kontrolle im Jänner 2019 übernommen hatte. Frauen wurden bzw. sind in den von IS und HTS kontrollierten Gebieten massiven Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte ausgesetzt. Angehörige sexueller Minderheiten werden exekutiert (ÖB Damaskus 1.10.2021). Berichtet wurden zudem Verhaftungen von Minderjährigen, insbesondere Mädchen. Als Gründe werden vermeintliches unmoralisches Verhalten, wie beispielsweise das Reisen ohne männliche Begleitung oder unangemessene Kleidung angeführt. Mädchen soll zudem in vielen Fällen der Schulbesuch untersagt worden sein. HTS zielt darüber hinaus auch auf religiöse Minderheiten ab. So hat sich HTS laut der CoI im März 2018 zu zwei Bombenanschlägen auf den schiitischen Friedhof in Bab as-Saghir bekannt, bei dem 44 Menschen getötet, und 120 verletzt wurden. Versuche der Zivilgesellschaft, sich gegen das Vorgehen der HTS zu wehren, werden zum Teil brutal niedergeschlagen. Mitglieder der HTS lösten 2020 mehrfach Proteste gewaltsam auf, indem sie auf die Demonstrierenden schossen oder sie gewaltsam festnahmen. Laut der UNCOI gibt es weiterhin Grund zur Annahme, dass es in Idlib unverändert zu Verhaftungen und Entführungen durch HTS-Mitglieder (AA 29.11.2021), auch unter Anwendung von Folter, kommt (AA 29.11.2021; vgl. AA 2.2.2024). Zusätzlich verhaftete HTS eine Anzahl von IDPs unter dem Vorwand, dass diese sich weigerten, in Lager für IDPs zu ziehen, und HTS verhaftete auch BürgerInnen für die Kontaktierung von Familienangehörigen, die im Regierungsgebiet lebten (SNHR 3.1.2023).

Auch in den von der Türkei bzw. von Türkei-nahen SNA kontrollierten Gebieten im Norden Syriens kam es laut CoI vielfach zu Übergriffen und Verhaftungen sowie Folter, die insbesondere die kurdische Zivilbevölkerung beträfen. Auch sei es zu sexuellen Übergriffen durch Angehörige der SNA gekommen (AA 2.2.2024). Die Festnahme syrischer Staatsangehöriger in Afrin und Ra's al 'Ayn sowie deren Verbringung in die Türkei durch die SNA könnte laut CoI das Kriegsverbrechen einer unrechtmäßigen Deportation darstellen (AA 29.11.2021). In vielen Fällen befänden sich Kurdinnen und Kurden laut der UN-Kommission in einer doppelten Opferrolle: Nach einer früheren Zwangsrekrutierung durch die kurdischen SDF in vorherigen Phasen des Konflikts mit der Türkei würden sie nun für eben diesen unfreiwilligen Einsatz von der SNA verfolgt und inhaftiert. Auch darüber hinaus sind in SNA-Gebieten Fälle von willkürlichen Verhaftungen, Isolationshaft ohne Kontakt zur Außenwelt sowie Fälle von Folter in Haft von der UN-Kommission verzeichnet. Der grundsätzlich bestehende Rechtsweg, um sich gegen ungerechtfertigte Inhaftierungen rechtlich zur Wehr zu setzen, ist laut UN-Einschätzung aufgrund langer Verfahrensdauern nicht effektiv (AA 29.3.2023).

Teile der SDF, einer Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheiten, zu der auch Mitglieder der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gehören, sollen ebenfalls für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein, darunter Angriffe auf Wohngebiete, willkürliche Inhaftierungen, Misshandlungen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten sowie Einschränkungen der Versammlungs- und Redefreiheit wie auch die willkürliche Zerstörung von Häusern. Die SDF untersuchen die meisten gegen sie vorgebrachten Klagen, und einige SDF-Mitglieder werden wegen Misshandlungen angeklagt, wozu aber keine Statistiken vorliegen (USDOS 20.3.2023). Die SDF führten im Jahr 2023 willkürliche Verhaftungen von Zivilisten, darunter Journalisten durch (HRW 11.1.2024). Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt jedoch laut Einschätzung des Auswärtigen Amtes erkennbar weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer und dschihadistischer Gruppen befinden (AA 29.3.2023). Im Nordosten Syriens dokumentierte die CoI im Berichtszeitraum mehrere Todesfälle in den Zentralgefängnissen von Hasakeh und Raqqa und stellt fest, dass diese möglicherweise auf schlechte Behandlung oder Folter zurückzuführen sein könnten. Laut SNHR seien im Gewahrsam der SDF / Partei der Demokratischen Union (PYD) seit März 2011 insgesamt 96 Menschen durch Folter zu Tode gekommen. Kontakte der Botschaft berichteten zudem von Repressionen durch die kurdische sogenannte „Selbstverwaltung“ (AANES) gegen politische Gegner, wie z.B. Angehörige von Oppositionsparteien. Daneben kritisiert die CoI in ihrem jüngsten Bericht auch die, ihrer Einschätzung nach, menschenrechtswidrige Inhaftierung und Behandlung zehntausender IS-Affiliierter in nordostsyrischen Haftanstalten und lagerähnlichen Camps (AA 2.2.2024). Obwohl der Spielraum der Redefreiheit etwas größer ist, als in Gebieten unter Kontrolle der Regierung oder extremistischer Gruppierungen, schränkt die PYD und einige andere Oppositionsfraktionen Berichten zufolge auch die Redefreiheit ein. So suspendierte die PYD-geführte Verwaltung im Februar 2022 die Lizenz der im Nordirak ansässigen Rudaw-Mediengruppe unter dem Vorwurf der Falschinformation und Aufhetzung. Mitte März 2022 verlangte dieselbe Verwaltung von JournalistInnen den Beitritt zur Union of Free Media, welche sich unter ihrem Einfluss befindet (FH 9.3.2023).

III. Beweiswürdigung

III.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Ad II.1.1. bis II.1.4. Die Feststellungen wurden dem im Gerichtsakt des Vorverfahrens enthaltenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.01.2023 entnommen und sind – wie die Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde im Folgeverfahren offenbart – nach wie vor aktuell (bezüglich der Angehörigen des Beschwerdeführers s. BFA-Niederschrift vom 23.01.2024, Seiten 3 f).

Die Feststellungen zur Berufstätigkeit in Österreich stützen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor der belangten Behörde sowie dem Bundesverwaltungsgericht.

Ad II.1.5. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand stützen sich auf die diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und in der Beschwerdeverhandlung.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers folgt aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

III.2. Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Vorweg wird festgehalten, dass am 27.11.2024 von Seiten oppositioneller Kräfte unter Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) nach umfangreicher Vorbereitung eine Operation unter dem Titel „Abschreckung der Aggression“ gestartet wurde, welche rasch bedeutende Kontrollveränderungen auf dem syrischen Staatsgebiet zur Folge hatte. Am 08.12.2024 erlangten die Operationskräfte die Kontrolle über Damaskus und beendeten damit die Herrschaft des syrischen Regimes. Der frühere Machthaber Bashar al-Assad hat das Land verlassen und sich auf russisches Territorium begeben. Die nunmehr machtausübenden Akteure haben insgesamt eine Neuordnung des syrischen Staates in Aussicht gestellt, der diesbezügliche Zeitplan beinhaltet die Installation einer neuen Verfassung in drei Jahren, die Abhaltung von Wahlen in vier Jahren sowie die Auflösung sowohl aller Geheimdienste als auch der HTS. Weiters die Abschaffung des verpflichtenden Wehrdienstes und eine Zusammenlegung der (para-)militärischen Gruppierungen und deren Eingliederung in ein einheitliches syrisches Militär.

Ein näheres Eingehen auf die ursprünglich vorgebrachten Befürchtungen des Beschwerdeführers zur Verfolgung durch das Regime aufgrund seines Verlassens des Polizeidienstes kann daher unterbleiben, wird der Vollständigkeit halber jedoch kurz angeführt.

Ad II.2.1.

Im Vorverfahren gründete der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz zunächst auf allgemeine Sicherheitsbedenken, konkretisierte dies im weiteren Verfahren dahingehend, dass er in Syrien als Polizist desertiert sei und ihm im Falle einer Rückkehr Verhaftung seitens des syrischen Regimes drohe. Er hielt diese Fluchtgründe im Folgeverfahren aufrecht.

Im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu XXXX vom 31.01.2023 wurde zusammengefasst festgehalten, dass der Beschwerdeführer glaubhaft darlegen konnte in Syrien als Polizist tätig gewesen zu sein, eine Desertion vom Polizeidienst jedoch nicht glaubhaft machen konnte. Der BF ist nicht von seinem Dienst als Polizist desertiert. Er wird nicht vom Regime gesucht. Das Heimatgebiet des BF ist nicht unter Kontrolle des syrischen Staatsapparats. Dem syrischen Staat ist eine Verhaftung oder eine (Zwangs)Rekrutierung im Heimatgebiet des BF nicht möglich, selbst wenn er tatsächlich desertiert und gesucht sein sollte (Erkenntnis vom 31.01.2023, S. 4).

Beweiswürdigend wurde zudem ausgeführt: Insgesamt konnte der BF eine Desertion als Polizeibeamter damit nicht glaubhaft machen. Vielmehr war festzustellen, dass er nicht desertiert ist. Es ist im Übrigen davon auszugehen, dass er planmäßig in sein Heimatdorf versetzt wurde. Als nach seiner Versetzung ein Kontrollwechsel in dieser Gegend stattfand, blieb der BF schlicht in seinem Heimatdorf, ohne zuvor desertiert zu sein. Es ist daher selbst bei einer Rückkehr in ein Gebiet, das vom syrischen Regime kontrolliert wird, von keiner Verfolgung auszugehen.

Dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (vgl. die Karten auf den Seiten 16 f), der Live Universal Awareness Map Syria (https://syria.liveuamap.com), der Kontrollgebietskarte des Carter-Centers: Exploring Historical Control in Syria (https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-insyria.html) und den Länderberichten ist zu entnehmen, dass das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers vor und nach dem Machtwechsel im Dezember 2024 im Selbstverwaltungsgebiet der kurdischen Kräfte lag.

Dass gegenwärtig die kurdischen Milizen die Macht im Dorf XXXX ausüben, ergibt sich aus einer Nachschau in die Live Universal Awareness Map Syria und die Kontrollgebietskarte des Carter-Centers: Exploring Historical Control in Syria (die dortige Zeitleiste zeigt, dass das Heimatdorf des Beschwerdeführers seit Ende 2017 durchgehend in kurdischer Hand ist). Dem Kartenauszug der Live Universal Awareness Map Syria folgernd geht auch hervor, dass das syrische Regime bis auf zwei Stützpunkte in Jablah (auch Dschabla) und einem Teil von Tartus keine Gebietshoheit oder Herrschaftsgewalt mehr ausübt.

Der Beschwerdeführer legte im Folgeverfahren im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme am 28.12.2023 drei Schriftstücke zum Beweis für die vorgebrachte Desertion vom Polizeidienst vor und hielt seine Fluchtgründe des Vorverfahrens aufrecht. Die der belangten Behörde vorgelegten und in Kopie zum Akt genommenen Lichtbilder seien Screenshots aus dem syrischen Strafregistersystem, die der Beschwerdeführer etwa einen Monat vor der Einvernahme am 28.12.2023 von einem ehemaligen Arbeitskollegen bei der syrischen Polizei erhalten habe (AS 35, AS 37, AS 39).

Den Inhalt der Auszüge aus dem Strafregistersystem erklärte der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde dahingehend, dass aus einem Auszug ersichtlich sei, dass gegen ihn ein Ausreiseverbot vorgelegen habe; der Eintrag stamme aus dem Jahr 2010. Ein Auszug dokumentiere eine Anordnung zur Anhaltung, da er als Polizist geflüchtet sei; dieser Eintrag sei 2012 vorgenommen worden. Der dritte Auszug, der nach seiner Ausreise in die Türkei vorgenommen worden sei, halte fest, dass er anzuhalten und zur nächsten Polizeidienststelle vorzuführen wäre (BFA-NS, S.5).

Mangels Vorlage originaler Dokumente sind die zum Akt genommenen Lichtbilder einer Echtheitsüberprüfung durch die österreichischen Sicherheitsbehörden nicht zugänglich. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente, mit welchen er sein Vorbringen im früheren Asylverfahren untermauern will, können von vornherein zu keiner anderen Entscheidung in Bezug auf die Frage der Zuerkennung eines Schutzstatus führen, da diese einer behördlichen Echtheitsüberprüfung nicht zugänglich sind. Vor diesem Hintergrund kann bei den vorgelegten Beweismitteln nicht gesehen werden, dass diese neue relevante Elemente darstellen würden.

Weiters haben sich die Kontroll- und Machtverhältnisse im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers durch den Umsturz des Assad Regimes nicht geändert, sein Herkunftsort steht nach wie vor unter kurdischer Kontrolle. Das syrische Regime unter Bashar al-Assad hatte bereits vor dem Machtwechsel im Dezember 2024 keine Zugriffsmöglichkeiten auf den Beschwerdeführer und ist nunmehr nicht mehr in dieser Form existent, bzw. verfügt nicht über die notwendigen organisatorischen und personellen Ressourcen Einzelpersonen gezielt zu verfolgen. Wie auch im Erkenntnis vom 31.03.2023 festgehalten wurde, wäre selbst bei einer Rückkehr in ein Gebiet, das vom syrischen Regime kontrolliert wird, von keiner Verfolgung auszugehen, da der Beschwerdeführer individuelle Verfolgung aufgrund einer Desertion vom Polizeidienst nicht glaubhaft machen konnte.

Daraus ergibt sich, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Verfolgungsgefahr durch das syrische Regime aufgrund einer Desertion vom Polizeidienst oder einer ihm vom Regime zugeschriebenen politischen Gesinnung schon aufgrund der fehlenden Zugriffs- bzw. Kontrollmöglichkeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht droht.

Ad II.2.2.

Dass dem Beschwerdeführer asylrelevante Verfolgung aufgrund einer allfälligen Desertion vom Polizeidienst durch die aktuellen Machthaber unter Ahmad Al-Sharaa droht, hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. So wurde der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 08.01.2025 von der erkennenden Richterin explizit dazu befragt, ob die Veränderungen der letzten Wochen bei ihm neue asylrelevante Befürchtungen aufkommen haben lassen (VH-Schrift, S. 4). Dazu führte der Beschwerdeführer lediglich pauschal aus, dass Syrien momentan nicht sicher sei, weil die HTS die Kontrolle in Syrien übernommen habe und dass es unmöglich sei, seine in der Türkei lebenden Kinder nach Syrien zurückzuschicken. Konkrete Befürchtungen seitens der HTS, die ihn bzw. seine Familie betreffen, oder generell eine politische oder moralische Einstellung zu dieser Gruppierung und deren Anführer Ahmad Al-Sharaa, der die nunmehrige Übergangsregierung in Syrien einsetzte, blieben vom Beschwerdeführer gänzlich unerwähnt. Aus den aktuellen Länderinformationen ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die syrische Regierung gegen (allfällig) desertierte Polizisten oder Soldaten mit asylrelevanter Intensität vorgeht. Es erschließt sich unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen mangels jeglicher Hinweise nicht, dass dem Beschwerdeführer, der in Syrien als Polizist tätig war und das Land bereits 2015 verlassen hat, bei einer Rückkehr allein aufgrund seines vormals ausgeübten Berufes und dem sukzessiven Verlassen Syriens nunmehr aktuell asylrelevante Repressalien durch die neuen syrischen Machthaber drohen würden. Auch eine allfällige Desertion, die der Beschwerdeführer bereits im rechtskräftig entschiedenen Vorverfahren nicht glaubhaft machen konnte, würde ihn nicht maßgeblich wahrscheinlich in asylrelevante Verfolgungsgefahr bringen.

Der Beschwerdeführer hat aufgrund des Polizeidienstes die syrische Wehrpflicht bisher nicht abgeleistet. Eine zwangsweise Rekrutierung in syrische Sicherheitskräfte unter der Übergangsregierung ist nicht maßgeblich wahrscheinlich. Der bisherige verpflichtende syrische Wehr- und Reservedienst ist aktuellen Länderinformationen zufolge ausgesetzt und es wird an einer Reform des Wehrdienstes mit einer Eingliederung und Zusammenlegung der in Syrien bestehenden Sicherheitskräfte, Rebellengruppen und Milizen gearbeitet. Die Wehrpflicht soll auf freiwilliger Basis funktionieren. Mit März 2025 haben auch die kurdisch geführten SDF eine Vereinbarung mit der neuen syrischen Regierung zur Eingliederung der kurdischen Streitkräfte in das neue syrische Militär geschlossen.

Es ist darüber hinaus nicht wahrscheinlich, dass die neue syrische Armee besonderes Interesse an dem nunmehr XXXX -jährigen Beschwerdeführer hat, der in seiner Tätigkeit als Polizist nur teils im Grenzschutz eingesetzt war, keinen Grundwehrdienst abgeleistet hat und auch nicht über eine besondere militärische Ausbildung oder Kampferfahrung verfügt.

Ad II.2.3. und 2.4.

Im Gebiet der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ (kurdische Selbstverwaltungsregion) besteht für Männer, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben, ein verpflichtender Wehrdienst bei den kurdischen Streitkräften („Selbstverteidigungspflicht“). Mit Dekret Nr. 3 vom 04.09.2021 wurde die Wehrpflicht auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) beschränkt. Die Jahrgänge 1990 bis 1997 sind von der Selbstverteidigungspflicht befreit. Der XXXX -geborene Beschwerdeführer liegt daher aufgrund seines Alters außerhalb der Altersgrenzen für die kurdische „Selbstverteidigungspflicht“. Der Beschwerdeführer brachte keine vorangegangenen Rekrutierungshandlungen oder sonstiges Herantreten der kurdischen Streitkräfte an ihn während seiner Zeit in Syrien vor und ist dies in Zusammenschau mit dem Umstand, dass er bereits 2015 Syrien in die Türkei verlassen hat und die kurdischen Streitkräfte zu diesem Zeitpunkt noch keine Kontrolle über seinen Herkunftsort hatten, plausibel.

Eine allfällige Verweigerung einer Einziehung zur „Selbstverteidigung“ wird nicht als Ausdruck einer bestimmten, insbesondere gegnerischen, Gesinnung angesehen. Der Wehrdienst ist mit ca. einem Jahr beschränkt; im Falle einer Entziehung kann als Strafe eine Verlängerung des Wehrdienstes um einen Monat ausgesprochen werden, wobei es nach Berichten auch häufig zu keiner Strafe in diesem Fall kommt. Teilweise wird von einer ein- bis zweiwöchigen Inhaftierung für Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, berichtet, um in dieser Zeit die Einziehung und den Ort der Dienstversehung zu planen; es kommt zu keinen Misshandlungen während der Haftzeit. Die Konsequenzen des Fernbleibens sind für Araber und Kurden gleich streng, wobei gegenüber Arabern, um einen Aufstand zu vermeiden, mehr Flexibilität bei der Anwendung der „Selbstverteidigungspflicht“ gezeigt wird. In Bezug auf Araber lässt sich zudem entnehmen, dass diesen von den Kurden sowieso nicht vertraut wird; ein Araber, der den Dienst verweigert, wird als Feigling und Gegner der AANES angesehen, wobei die Kurden dazu eine pragmatische Haltung einnehmen würden: Es ist ihnen lieber, die Araber verweigern den Dienst, als dass sie sich im Ernstfall als Verräter herausstellen (vgl. dazu Pkt. II.3.2. oben).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass jüngst von zwangsweisen Rekrutierungen durch die kurdischen Streitkräfte, auch in Deir ez-Zor berichtet wird. Jedoch ist auch hierbei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer weit außerhalb der Altersgrenzen für eine Rekrutierung in die Streitkräfte liegt und es nicht maßgeblich wahrscheinlich ist, dass von kurdischer Seite besonderes Interesse am Beschwerdeführer als Rekrut besteht, insbesondere da er über keine militärische Ausbildung, Kampferfahrung oder sonstige Spezialkenntnisse verfügt.

Eine politisch oppositionelle Einstellung gegenüber der kurdischen Selbstverwaltung brachte der Beschwerdeführer nicht vor und es haben sich auch keine Hinweise darauf ergeben, weshalb der Beschwerdeführer als politischer Gegner der Kurden angesehen würde. Mangels Hinweisen oder Andeutungen des Beschwerdeführers ist es insgesamt nicht wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer, der sich seit 2015 außerhalb Syriens befindet, persönlich jemals in das Blickfeld der kurdischen Streitkräfte gelangt ist. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien droht ihm maßgeblich wahrscheinlich nicht eine Rekrutierung oder Verfolgung aufgrund einer allfälligen Weigerung durch die kurdischen Streitkräfte.

Ad II.2.5. Der Beschwerdeführer stützte seinen Folgeantrag überwiegend auf neue Entwicklungen in seiner Heimatregion aus denen eine Verfolgung durch die „kurdische Arbeiterpartei“ oder PKK aufgrund seiner Familienzugehörigkeit hervorgehen solle.

In der Erstbefragung zum Folgeantrag führte er an, dass seine Großfamilie derzeit große Probleme mit der „PKK“ in Syrien habe. In der niederschriftlichen Einvernahme konkretisierte er sein Vorbringen dahingehend, dass die kurdische Arbeiterpartei in seinem Heimatdorf die Kontrolle innehabe und Ende August, Anfang September 2023 Vertreter der PKK an seinen Vater herangetreten seien, damit dieser junge arabische Männer seines Stammes für die Kurden rekrutiere. Im Falle der Weigerung des Vaters würden dessen Söhne und so auch der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr rekrutiert werden. Der Vater und weitere Familienmitglieder seien daraufhin nach Damaskus gegangen und folgend wäre das Familienhaus von der Arbeiterpartei eingenommen worden. Auf Vorhalt der belangten Behörde, die kurdische „Selbstverteidigungspflicht“ gelte nur für Männer zwischen 18 und 24 Jahren, änderte der zu diesem Zeitpunkt XXXX -jährige Beschwerdeführer sein Vorbringen, dass er im Falle der Rückkehr sofort eingesperrt würde. Die Schilderungen, wie Angehörige der PKK an den Vater des Beschwerdeführers herangetreten seien, sind ebenso nicht schlüssig. So erklärte der Beschwerdeführer zunächst, dass vom Vater verlangt worden sei Angehörige des Stammes zu rekrutieren und der Vater unter Druck gesetzt worden sei, da auch seine Söhne rekrutiert werden würden. Der Beschwerdeführer revidierte dies in derselben Einvernahme, indem er ausführte, dass der Vater angerufen und zu Gesprächen eingeladen worden sei und er gegen Geldzahlung Jugendliche rekrutieren habe sollen. Im Gegenzug seien den Stammesältesten für die Zeit nach Beendigung der Unruhen Posten versprochen worden. Die widersprüchlichen Angaben und zunehmende Steigerung zu den Rückkehrbefürchtungen, von Rekrutierung bis hin zur sofortigen Inhaftierung im Verlauf in der Einvernahme lassen ernste Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers aufkommen.

Der Beschwerdeführer führte vor der belangten Behörde auch an, dass es allein in seinem Dorf sechs oder sieben „Stämme“ gäbe und an sämtliche „Stammesführer“ durch die „PKK“ herangetreten worden sei. Die Vertreter der kurdischen Arbeiterpartei seien laut dem Beschwerdeführer auch an die anderen Stammesältesten im Dorf herangetreten. Auf Nachfrage der belangten Behörde, ob sich andere auch geweigert hätten den Forderungen Folge zu leisten, bejahte der Beschwerdeführer dies; alle Stämme im Dorf hätten abgelehnt gegen arabische Stämme zu kämpfen, jedoch hätten nicht alle das Dorf verlassen. Einige seien neutral gewesen und im Ort verblieben, einige in den Norden und einige ins Regimegebiet gegangen (BFA-NS, S. 7). Repressalien wie Verhaftungen oder zwangsweise Rekrutierungen nannte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht.

Diese Ungereimtheiten, die der Beschwerdeführer im weiteren Verfahren nicht aufzuklären vermochte, lassen sich nicht mit den dramatisierten Schilderungen zu seiner eigenen Familie vereinbaren. In diesem Kontext ist auch anzumerken, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zum Status seines Vaters angab, dass es sich um den „Familienältesten“ handle und er aufgefordert worden sei die jungen Männer der „Familie“ zu rekrutieren, demgegenüber vor der belangten Behörde von „Stammesführer“ und „Stamm“ sprach. Auch bezeichnet der Beschwerdeführer konsequent die „PKK“ oder „kurdische Arbeiterpartei“ als Machthaber in seinem Heimatdorf und eine Verfolgung gehe von dieser Gruppierung aus. Nicht jedoch erwähnt er die kurdischen Streitkräfte oder kurdischen Autonomiebehörden. Laut Karten und Länderinformationen ist der Herkunftsort, wie bereits ausgeführt, unter Kontrolle der kurdischen Selbstverwaltung. Hierbei wird nicht verkannt, dass die kurdischen Streitkräfte aus unterschiedlichen Milizen und Gruppierungen zusammengestellt sind, von denen einigen eine Affiliation zur PKK zugesprochen wird. Dass die kurdische Arbeiterpartei die Kontrolle im Herkunftsort ausübt, erschließt sich daraus jedoch nicht.

Dass der Vater und Bruder erst etwa einen Monat nach der Aufforderung den Heimatort nach Damaskus verlassen hätten, spricht auch nicht für die Dringlichkeit des Verlassens und Aktualität einer Gefährdung der Familie des Beschwerdeführers aufgrund der Weigerung des Vaters der Aufforderung Folge zu leisten. Auf Nachfrage der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer diesbezüglich lediglich aus, dem Vater sei zweimal gedroht worden, dass seine Söhne inhaftiert werden würden, wenn er nicht kooperiere. Der Beschwerdeführer nannte weiters keine Repressionen, die sein Vater oder männliche Familienangehörige vor oder seit dem Verlassen durch die kurdischen Streitkräfte erlebt hätten, oder dass ihnen konkret eine Gefahrensituation gedroht hätte. Zusätzlich entkräftete er vor dem Bundesverwaltungsgericht sein Vorbringen erneut dahingehend, dass dem Vater ein Geldbetrag für die Rekrutierung geboten worden sei, der Vater abgelehnt habe und mitsamt Familie nach Damaskus gegangen sei, was auf eine gewisse Freiwilligkeit des Handelns des Vaters deutet. Diese Diskrepanzen in den Äußerungen des Beschwerdeführers tragen zum Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens bei.

Den Länderinformationen ist dem Vorbringen inhaltlich entsprechend zu entnehmen, dass im Zuge der Unruhen und Kämpfe in diesem Zeitraum, im Herbst 2023, vermehrt arabische Männer von den kurdischen Streitkräften rekrutiert wurden und auch die arabischen Stämme aufgefordert wurden sich den Streitkräften anzuschließen. In der weiteren Herkunftsregion des Beschwerdeführers, im östlich des Euphrats gelegenen, kurdisch kontrollierten Teil Deir ez-Zors, kam es ab August 2023 zu gewaltsame Konflikten zwischen den kurdisch geführten SDF und arabischen Stämmen in Deir ez-Zor. Nicht alle Stämme beteiligten sich an den Kampfhandlungen, einige stellten sich auf die Seite der SDF. Berichte über willkürliche Gewalt der SDF und steigende zivile Opferzahlen führten zur erhöhten Mobilisierung von Stammeskämpfern.

Erneut festzuhalten ist, dass im Gebiet der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ (kurdische Selbstverwaltungsregion) für Männer, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben, ein verpflichtender Wehrdienst bei den kurdischen Streitkräften („Selbstverteidigungspflicht“) besteht. Der im Jahr XXXX geborene Beschwerdeführer befindet sich jedoch nicht im wehrfähigen Alter, ihm droht im Zusammenhang mit der bestehenden „Selbstverteidigungspflicht“ nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung von Seiten der kurdischen Autonomiebehörden. Der Vollständigkeit halber ist erneut darauf hinzuweisen, dass laut den Länderberichten eine Verweigerung des Wehrdienstes seitens der kurdischen Autonomiebehörden auch nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung angesehen wird.

In Zusammenschau mit den Länderinformationen ergibt sich aus dem Vorbringen ein glaubhafter Kern, dass im Zuge der Unruhen in der Heimatregion des Beschwerdeführers zwischen den kurdischen Streitkräften und den arabischen Stämmen auch der Vater und Bruder sowie weitere Familienmitglieder des Beschwerdeführers ihren Heimatort verlassen haben. Insgesamt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers jedoch gesteigert und weder schlüssig noch glaubhaft. Insbesondere auch, da er sich zur Rolle und den Handlungen seines Vaters und den Rückkehrbefürchtungen in Widersprüche verstrickte, die der Glaubhaftigkeit des Vorbringens insgesamt absprechen. Auch konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft darlegen, dass seine Familie – wie bereits erörtert - fluchtartig den Ort verlassen musste. Dass spezifisch seine Familie nunmehr von der PKK/kurdischen Arbeiterpartei oder anderen kurdischen Streitkräften verfolgt werde, konnte er nicht substantiiert darlegen.

Unter Berücksichtigung der zunehmenden Unstimmigkeiten und Diskrepanzen im Vorbringen des Beschwerdeführers konnte er nicht plausibel machen, dass er im Falle einer Rückkehr, selbst wenn es sich bei seinem Vater um einen Stammesältesten handelt, der Rekrutierungen seiner Stammesangehörigen verweigert habe, aktuell einer Verfolgung aufgrund seiner Familienzugehörigkeit durch kurdische Streitkräfte oder Vertreter der PKK ausgesetzt wäre.

Dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, als männliches Mitglied der Familie seines Vaters, asylrelevante Verfolgung von Seiten der kurdischen Autonomiebehörden oder der PKK bzw. kurdischen Arbeiterpartei oder kurdischen Milizen droht, ist daher insgesamt nicht maßgeblich wahrscheinlich.

Ad II.2.6. Erstmals in der Erstbefragung zum Folgeantrag wurde vom Beschwerdeführer zum Fluchtgrund vorgebracht, dass er sich in Österreich einer Organisation gegen das syrische Regime angeschlossen habe. Vor der belangten Behörde legte er im Zuge der Einvernahme eine Vereinsbestätigung vor und führte zusammengefasst aus, dass er seit April 2023 Mitglied beim Verein XXXX sei. Er beteilige sich in diesem Zusammenhang aktiv bei der Organisation von Demonstrationen und habe selbst und an sechs bis sieben Demonstrationen teilgenommen. Er legte eine Bestätigung der Mitgliedschaft vor (AS 41). Der Verein fordere den Fall des syrischen Regimes und Freiheit für Syrien (BFA-NS, S. 4, 7S. f.). Wie bereits erörtert, hätte das syrische Regime unter Assad auch vor dem Umsturz im kurdisch kontrollierten Herkunftsort keine Zugriffsmöglichkeiten auf den Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr dorthin gehabt. Aus der Demonstrationsteilnahme und Vereinsmitgliedschaft allein kann auch noch nicht auf eine verinnerlichte politische Überzeugung des Beschwerdeführers geschlossen werden. In der Beschwerdeverhandlung führte er aus, dass er durch einen Kollegen bei seiner Arbeit in der Bäckerei auf den Verein aufmerksam geworden sei und sich so, über den Kollegen, am Verein beteiligt hätte. Seine persönliche politische Überzeugung konnte er auch im persönlichen Eindruck, den sich die Richterin in der Verhandlung machen konnte, nicht überzeugend vermitteln. Vor dem Bundesverwaltungsgericht konkretisierte er weder seine Tätigkeiten im Verein noch Demonstrationsteilnahmen näher. Es ist schlicht wahrscheinlich, dass die moralische Einstellung des Beschwerdeführers gegen die Menschrechtsverletzungen und Gräueltaten des Assad-Regimes gerichtet ist, daraus allein lässt sich noch nicht auf eine verinnerlichte politische Gesinnung schließen. In diesem Zusammenhang ist überdies erneut darauf hinzuweisen, dass das Assad Regime im Herkunftsort bzw. insgesamt in Syrien über keine maßgeblichen Einfluss- und Zugriffsmöglichkeiten mehr verfügt und daher im Falle einer (hypothetischen) Rückkehr eine Verfolgungsgefahr durch das Regime nicht maßgeblich wahrscheinlich ist.

Der Beschwerdeführer hat eine Verfolgungsgefahr aufgrund einer politischen Betätigung und Demonstrationsteilnahme in Österreich durch die kurdischen Autonomiebehörden oder die syrischen Behörden unter der Übergangsregierung nicht geltend gemacht. Er wurde von der erkennenden Richterin in der mündlichen Verhandlung am 08.01.2025 – wie bereits ausgeführt – explizit befragt, ob er nach den Entwicklungen nach der Vorwochen neue Rückkehrbefürchtungen habe. Aus der pauschalen und nicht substantiierten Angabe des Beschwerdeführers dazu, dass Syrien nicht sicher sei, weil die HTS die Kontrolle habe, lassen sich keine Hinweise auf konkrete Befürchtungen einer Verfolgung durch die aktuelle syrische Regierung aufgrund seiner politischen Einstellung und exilpolitischen Betätigung ableiten.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von der HTS als politischer Gegner wahrgenommen wird. Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass seine Teilnahme an Demonstrationen im Herkunftsland des Beschwerdeführers in irgendeiner Weise den syrischen Behörden bekannt geworden ist. Selbst wenn man dies bejahen würde, richtete sich die exilpolitische Tätigkeit des Beschwerdeführers, seinen eigenen Angaben zufolge, hauptsächlich gegen das Assad-Regime und nicht gegen die HTS oder andere Gruppierungen in Syrien (VH-Schrift, S.5). Hinweise, dass der Beschwerdeführer jemals mit anderen Gruppierungen, Milzen oder insbesondere der HTS Probleme hatte, sind im Laufe des Verfahrens aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der der aktuellen Lageberichte nicht zu Tage getreten.

Ad II.2.7. Die Beschwerdeschrift deutet an, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr einer Gefährdung durch das syrische Regime wegen seiner illegalen Ausreise aus Syrien und der Asylantragstellung in Europa ausgesetzt sein könnte. Abgesehen davon, dass sich die Ausführungen zu diesen Fluchtvorbringen auf allgemein und kurz gehaltene Behauptungen ohne konkreten Bezug zum Beschwerdeführer beschränkten, äußerte der Beschwerdeführer derartige Befürchtungen zuvor und auch danach in keiner seiner Einvernahmen.

Zur Asylantragstellung im Ausland ist festzuhalten, dass diese nur dann maßgebliche Bedeutung entfalten kann, wenn davon auszugehen ist, dass diese zu einer unverhältnismäßigen Verfolgung durch die syrische Regierung führen könnte, was nur der Fall sein kann, wenn die syrische Regierung von dieser Antragstellung im Ausland erfährt. Dies ist im gegenständlichen Fall nicht anzunehmen, weil den syrischen Behörden die Asylantragstellung des BF in Österreich nicht bekannt ist und es den österreichischen Behörden verboten ist, entsprechende Daten an die syrischen Behörden weiterzugeben. Aus diesem Grund ist nicht ersichtlich, wie die syrischen Behörden von dieser Asylantragstellung – außer durch den BF selbst – erfahren sollten. Wie schon mehrmals ausgeführt, tritt das syrische Regime auch nicht mehr als Akteur auf und würde mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keinen Zugriff auf den BF haben.

Für eine Verfolgung durch die aktuelle syrische Regierung wegen seiner illegalen Ausreise aus Syrien und der Asylantragstellung haben sich keine Anhaltspunkte ergeben und wurde auch nicht vorgebracht.

Ad II.2.8. Andere Fluchtgründe wurden im Zusammenhang mit der Lage des Beschwerdeführers nicht dargelegt und konnten keine weiteren Feststellungen tragen.

Ein systematisches Vorgehen und flächendeckende Repressionen der HTS gegen die sunnitisch-arabische Bevölkerung in Syrien lässt sich aus den Angaben der Länderinformation nicht schlussfolgern, zumal Mitglieder von HTS in überwiegender Mehrheit selbst sunnitische Araber sind. Demnach ist auch für den Beschwerdeführer keine erhöhte und maßgebliche wahrscheinliche Verfolgungslage anzunehmen.

Mangels konkreter Hinweise konnte demnach festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Syrien keiner Gefahr einer Verfolgung aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt war oder ist.

Ad II.2.9. Dem Beschwerdeführer stehen für eine Rückreise sämtliche offene Grenzübergänge des Landes zur Verfügung. Insbesondere ist auch der Flughafen Damaskus wieder für den internationalen Flugverkehr geöffnet. Dem Beschwerdeführer steht bei der Einreise nach Syrien auch der Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur zur Verfügung, der auf beiden Seiten von kurdischen Kräften betrieben wird und direkt in das kurdische Selbstverwaltungsgebiet führt.

III.3. Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat

Ad II.3.1. und II.3.2. Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien beruhen auf den angeführten Quellen. Die Feststellungen waren im Lichte der jüngsten Ereignisse in Syrien zu treffen. Diese Ereignisse bzw. Tatsachen sind aufgrund öffentlich zugänglicher, weit verbreiteter medialer Berichterstattung allgemein bekannt („notorisch“; vgl. die bei den Feststellungen exemplarisch angegebenen Quellen).

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass die jüngst veröffentlichte Position des UNHCR, der vorliegenden Entscheidung nicht entgegensteht: UNHCR-Position on Returns to the Syrian Arab Republic, Dezember 2024, https://www.refworld.org/policy/countrypos/ unhcr/2024/en/149254. Die von UNHCR thematisierten Fragen der freiwilligen Rückkehr („Voluntary Returns“) sowie des Moratoriums zwangsweiser Rückführungen („Moratorium on Forced Returns“) sind mit Blick auf den Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht relevant, da der Beschwerdeführer ohnedies bereits den Status des subsidiär Schutzberechtigten innehat.

IV. Rechtliche Beurteilung:

IV.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

IV.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge dieser Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Die Bestimmung der Herkunftsregion ist Grundlage für die Prüfung, ob dem Asylwerber dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht (VwGH 09.03.2023, Ra 2022/19/0317).

IV.1.2. Fallbezogen sind die Voraussetzungen, nämlich eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, in Bezug auf die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ( XXXX , auch XXXX und dessen Umgebung) – wie oben beweiswürdigend ausführlich dargelegt –, nicht gegeben.

(i) Herkunftsregion des Beschwerdeführers wird vollständig von den kurdischen Milizen beherrscht. Das syrische Regime unter Assad verfügt nach dem Umsturz durch die HTS im Dezember 2024 in Syrien über keine maßgeblichen Kontroll- und Herrschaftsbefugnisse mehr. Dem Beschwerdeführer drohen in seiner Heimatregion daher mangels Zugriffsmöglichkeiten nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen durch das syrische Regime aufgrund seines Polizeidienstes oder seiner politischen Einstellung. Der Beschwerdeführer konnte eine Desertion vom Polizeidienst nicht glaubhaft machen.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK stellt auf das Herkunftsland des Asylwerbers ab und prüft die Asylberechtigung hinsichtlich dieses Landes. Der Verwaltungsgerichtshof stellte dementsprechend in seiner Entscheidung vom 04.07.2023, Ra 2023/18/0108, klar, dass das Bundesverwaltungsgericht eine asylrelevante Verfolgung – im Anlassfall wegen einer Wehrdienstverweigerung – auch schon bei der Rückkehr in den Herkunftsstaat (allenfalls schon beim Grenzübertritt) hätte prüfen müssen (s. dazu auch die späteren Entscheidungen VwGH 18.08.2023, Ra 2023/18/0046; 11.12.2023, Ra 2023/18/0157). Auch der Verfassungsgerichtshof stellte fest, dass eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Herkunftsregion für den Beschwerdeführer ohne Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung erreichbar ist, stattzufinden hat, schließlich könnte sich die festgestellte Verfolgungsgefahr auch auf dem Weg in die Herkunftsregion realisieren. Es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in seine Herkunftsregion gelangen kann, ohne dabei der festgestellten asylrelevanten Verfolgung – im konkreten Fall durch den syrischen Staat – ausgesetzt zu sein (VfGH 04.10.2023, E 1085/2023; 05.10.2023, E 1178/2023; 05.10.2023, E 872/2023; 29.06.2023, E 3450/2022).

Es ist dem Beschwerdeführer im Fall der (hypothetischen) Rückkehr möglich, ohne Risiko einer asylrelevanten Verfolgung in Syrien ein- und zu seiner Herkunftsregion weiterzureisen:

Dem Beschwerdeführer stehen zur Einreise sämtliche offene Grenzübergänge zur Verfügung. So auch der Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur, der auf beiden Seiten von kurdischen Kräften betrieben wird und direkt in das kurdische Selbstverwaltungsgebiet führt. Auch eine Einreise über das vormals regimekontrollierte, nunmehr unter Kontrolle der syrischen Übergangsregierung stehende, Gebiet steht dem Beschwerdeführer offen. Der Beschwerdeführer kann sohin in seine Herkunftsregion zurückkehren, ohne auf dem Weg dorthin Verfolgungshandlungen erfahren zu müssen.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass – so wie die asylrelevante Verfolgungsgefahr im Hinblick auf den Herkunftsstaat festzustellen ist – auch für die Beurteilung der Rückkehr ausschließlich die Situation im Herkunftsstaat maßgeblich ist. Die Anreise bis zum Grenzübergang bzw. die Situation vor dem Grenzübertritt vermag daher keine asylrelevante Verfolgung zu begründen und kann bei der Prüfung außer Betracht bleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 03.01.2023, Ra 2022/01/0328, eine Revision zurück, in der eine Abweichung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu Ermittlungs- und Feststellungspflichten geltend gemacht wurde, weil die legale und sichere Einreise (über den Nachbarstaat) und die damit verbundenen Visumsvoraussetzungen vom Bundesverwaltungsgericht nicht geprüft worden seien. Dieser Entscheidungen folgend wird auf die Einreise- und Grenzübertrittsmodalitäten vor dem syrischen Grenzübertritt nicht eingegangen. Auch die Frage, ob die Einreise legal möglich ist, ist nur dann relevant, wenn mit der Illegalität der Einreise eine maßgebliche Verfolgungsgefahr verbunden wäre. Allfällige administrative Hürden für den Aufenthalt im Territorium wie Aufenthaltsberechtigungen oder dergleichen können ebenfalls außer Betracht bleiben, sofern damit keine relevante Verfolgungsgefahr verbunden ist (z.B. kein notwendiger Kontakt mit einem Akteur und diskriminierender Vorschriften).

In der Entscheidung vom 29.02.2024, Ra 2004/18/0043, sprach der Verwaltungsgerichtshof jüngst aus, dass es aus asylrechtlicher Sicht nicht darauf ankommt, ob die Einreise in einem verfolgungssicheren Landesteil aus der Sicht des potentiellen Verfolgers legal stattfindet, sondern nur, ob die den Grenzübergang beherrschenden Autoritäten eine Einreise in das sichere Gebiet zulassen.

(ii) Wie festgestellt und beweisgewürdigt ist eine asylrelevante Verfolgung aufgrund der exilpolitischen Tätigkeit beim Verein XXXX und Teilnahme an Demonstrationen durch eine der Konfliktparteien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht gegeben.

(iii) Der Beschwerdeführer konnte des Weiteren nicht aufzeigen, dass bei einer Heimkehr in seine Herkunftsregion aufgrund dessen, dass er Syrien illegal verließ und in Österreich einen Asylantrag stellte, gegen ihn Handlungen oder Maßnahmen, die mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer gefährlichen oder bedrohlichen Situation führen würden.

Selbst bei Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens sind schon mangels Zugriffsmöglichkeiten in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers bzw. mangels In-Kontakt-Treten beim Grenzübertritt oder bei der Weiterreise in die Herkunftsregion des Beschwerdeführers Verfolgungshandlungen durch das syrische Regime ausgeschlossen.

(iv) Der Beschwerdeführer befindet sich nicht im wehrpflichtigen Alter für die Heranziehung zur kurdischen „Selbstverteidigungspflicht“, eine Rekrutierung ist nicht maßgeblich wahrscheinlich.

(v) Eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der männlichen Angehörigen seiner Familie und Verwandtschaft zu seinem Vater durch die kurdische Arbeiterpartei oder PKK oder kurdischen Milizen konnte er nicht glaubhaft machen.

An dieser Gesamteinschätzung der Lage in den kurdischen Regionen hat sich auch nach dem Machtwechsel kein Änderungsbedarf ergeben.

Wenn des Weiteren das UNHCR dafür plädiert, dass vorerst keine negativen Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, erlassen werden, bezieht es sich auf Zwangsrückführungen, denen der Beschwerdeführer aufgrund seines bestehenden subsidiären Schutzes ohnehin nicht ausgesetzt ist. Zudem ist auszuführen, dass das UNHCR zunächst zutreffend darauf hinweist, dass das Risiko einer Verfolgung durch die einstige Regierung, also das Assad-Regime, geendet hat. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit den – in zahlreichen Medien veröffentlichten – Informationen, auf die sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung stützt. Soweit das UNHCR allerdings vermeint, dass andere Risiken fortbestehen oder zunehmen könnten, bezieht es sich auf Umstände, die aus den rasch veränderten Dynamiken entstehen könnten. Die Umstände, auf die der Beschwerdeführer seinen aus Oktober 2023 stammenden Folgeantrag stützt, wurden jedoch als unzutreffend festgestellt, weshalb ihm daraus auch bei veränderten Umständen keine Gefahr erwachsen kann. Zudem wurde der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich befragt, ob im Zusammenhang mit dem Umsturz neue Rückkehrbefürchtungen bei ihm aufgekommen seien, worauf dieser lediglich mit allgemeinen Sicherheitsbefürchtungen hinsichtlich der Machtübernahme durch die HTS replizierte.

Im Übrigen ist beachtlich, dass auch das UNHCR keine konkreten neuen Verfolgungsrisiken ins Treffen führt, sondern sich bloß allgemein auf die in Syrien vorherrschende Unsicherheit und Instabilität bezieht. Vor diesem Hintergrund sei abschließend noch einmal daran erinnert, dass der Beschwerdeführer ohnedies bereits den Status des subsidiär Schutzberechtigten innehat.

Es ergibt sich entgegen der Ansicht der Beschwerde auch aus keinen Länderberichten eine Verfolgung aller Rückkehrer, die um Asyl angesucht haben (VwGH 24.11.2022, Ra 2022/18/0222).

(vi) Aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Lage der Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist auch sonst nicht darauf zu schließen, dass fallbezogen sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen.

IV.1.3. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

IV.2. Unzulässigkeit der Revision

IV.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

IV.2.2. Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:

Die Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu insbesondere die unter Pkt. IV.1. zitierte Judikatur der Höchstgerichte), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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