Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Graz Stadt in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorfstraße 14 18, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. Mai 2023, Zl. RV/2100240/2023, betreffend Ablauf einer Aussetzung der Einhebung von Stundungszinsen (mitbeteiligte Partei: H G in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid vom 9. August 2016 setzte das Finanzamt gegenüber der mitbeteiligten Partei Stundungszinsen fest.
2 Die mitbeteiligte Partei brachte gegen den Bescheid vom 9. August 2016 Beschwerde ein und beantragte die Aussetzung der Einhebung der Stundungszinsen.
3 Vom Finanzamt wurde die Aussetzung der Einhebung mit Bescheid vom 18. Oktober 2017 bewilligt.
4 Das Bundesfinanzgericht (BFG) hob mit Erkenntnis vom 20. Februar 2018 den Stundungszinsenbescheid auf.
5 Mit Bescheid vom 1. Februar 2023 verfügte das Finanzamt den Ablauf der Aussetzung der Einhebung der Stundungszinsen und ersuchte trotz Aufhebung des Stundungszinsenbescheides durch das BFG um deren Entrichtung.
6 Die mitbeteiligte Partei erhob gegen den Bescheid vom 1. Februar 2023 Beschwerde.
7 Das Finanzamt legte die Beschwerde dem BFG ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vor und führte im Vorlagebericht u.a. aus, mit dem angefochtenen Bescheid sei der Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt worden. Nach Ablauf der Aussetzung der Einhebung seien die Stundungszinsen wieder storniert worden, weil das BFG der Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung der Stundungszinsen stattgegeben habe.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde gegen den Bescheid vom 1. Februar 2023 statt und führte zur Begründung aus, der Zwecke der Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung sei die Beendigung des Zahlungsaufschubs für die strittige Abgabe. Die Beendigung des Zahlungsaufschubs setze voraus, dass die mit dem Abgabenbescheid ausgesprochene Leistungsverpflichtung durch die Rechtsmittelentscheidung bestätigt worden sei. Werde hingegen der Abgabenschuldtitel durch die Rechtsmittelentscheidung aufgehoben, falle die Leistungsverpflichtung für die Abgabe weg. Die Einhebung der Abgabe sei damit hinfällig und ein Ablauf der Aussetzung der Einhebung der Abgabe nicht zu verfügen.
9 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision des Finanzamts macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung eines durch das Finanzamt gesetzten Rechtsaktes bedarf.
10 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision ist zulässig und begründet.
13 § 212a Abs. 5 BAO lautet auszugsweise:
„(5) Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden
a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder
b) Erkenntnisses (§ 279) oder
c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung
zu verfügen.“
14 Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut bedarf der Ablauf der Aussetzung eines konstitutiven Aktes. Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich des Ergehens einer der im § 212a Abs. 5 BAO angeführten Beschwerdeerledigungen zwingend zu verfügen; die Verfügung hat mittels Bescheid durch die Abgabenbehörde zu erfolgen (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz , BAO; § 212a BAO Anm. 51; Ritz/Koran , BAO 7 , § 212a Tz 28; Stoll , BAO Kommentar, 2280, jeweils mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
15 Die mitbeteiligte Partei hat gegen einen Stundungszinsenbescheid vom 9. August 2016 Beschwerde erhoben und die Aussetzung der Einhebung der Stundungszinsen beantragt. Mit Erkenntnis vom 20. Februar 2018 hob das BFG den Stundungszinsenbescheid auf. Das Erkenntnis vom 20. Februar 2018 stellt gemäß § 212a Abs. 5 lit. b BAO den Anlass dafür dar, den Ablauf der Aussetzung der Einhebung zu verfügen. Die Verfügung selbst hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwingend mittels Bescheid durch das Finanzamt zu erfolgen (vgl. z.B. VwGH 24.10.2016, Ro 2014/17/0064; 22.1.2001, 2000/17/0266; 11.9.1997, 96/15/0173, mwN). Andererseits obliegt auch die Verbuchung von aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes sich ergebenden Gutschrift (an Stundungszinsen) der Abgabenbehörde (vgl. Ritz/Koran , BAO7, § 280 Tz 17). Ein allfälliger Streit über die Richtigkeit der Gebarung ist im Verfahren nach § 216 BAO auszutragen.
16 Dass ein Ablauf der Aussetzung der Einhebung der Abgabe nicht zu verfügen ist, wenn deren Einhebung durch das die Beschwerde erledigende Erkenntnis hinfällig wird, trifft nach dem Gesagten nicht zu. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 27. August 2024