JudikaturVwGH

Ra 2023/12/0154 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrätin Dr. Holzinger und Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des M H in W, vertreten durch MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das am 26. Juni 2023 mündlich verkündete und mit 18. September 2023 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW 002/011/14756/2022/E 12, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit die verhängte Geldstrafe von € 20.000, pro Spruchpunkt auf € 5.000,- pro Spruchpunkt und die Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen auf zwei Tage pro Spruchpunkt herabgesetzt wurden, sowie soweit ausgesprochen wurde, dass sich der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auf insgesamt € 1.000, reduziert, und, dass der Revisionswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten hat, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien (LPD Wien) vom 17. Dezember 2018 wurde der Revisionswerber als Hauptmieter eines näher bezeichneten Lokals der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und es wurden über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 20.000,- (bzw. jeweils 14 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde mit insgesamt € 4.000, bestimmt. Diesem Straferkenntnis lag zugrunde, der Revisionswerber habe es zu verantworten, dass er sich durch die entgeltliche Überlassung (Untervermietung) des näher bezeichneten Lokals an die F Kft. an der Zugänglichmachung verbotener Ausspielungen zur Teilnahme vom Inland aus im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG beteiligt habe.

2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

3 Das über diese Beschwerde ergangene, am 5. September 2019 mündlich verkündete und mit 23. September 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 4. Mai 2020, Ra 2019/16/0214, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Das im zweiten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 9. Dezember 2020 hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Februar 2022, Ra 2021/17/0045, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

4 Im dritten Rechtsgang stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. März 2022 gemäß § 31 iVm § 43 VwGVG den Ablauf der Entscheidungsfrist fest und stellte das Verfahren ein. Diesen Beschluss hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. November 2022, Ra 2022/12/0070, aufgrund einer Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen, am 26. Juni 2023 mündlich verkündeten und mit 18. September 2023 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der gegen das Straferkenntnis der LPD Wien vom 17. Dezember 2018 erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers in der Schuldfrage nicht statt. In der Straffrage gab es der Beschwerde jedoch insoweit Folge, als die Geldstrafe von € 20.000, pro Spruchpunkt auf € 5.000, pro Spruchpunkt und die Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen auf zwei Tage pro Spruchpunkt herabgesetzt wurde. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass sich der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf insgesamt € 1.000, reduziere und der Revisionswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen hat:

7 Zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision führt der Revisionswerber zunächst die Unionsrechtswidrigkeit der „nationalen Glücksspielbestimmungen“ ins Treffen.

8 In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch schon wiederholt festgehalten (vgl. etwa den Beschluss vom 3. Oktober 2023, Ra 2022/12/0128, auf den gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird), dass er mit seinen Erkenntnissen vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, und vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048 und 0049, vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) und den darin festgelegten Anforderungen an eine Kohärenzprüfung im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes eine entsprechende Gesamtwürdigung vorgenommen und die Bestimmungen des Glücksspielgesetzes für unionsrechtskonform erachtet hat.

9 Im Lichte der durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die Relevanzdarstellung in der Zulässigkeitsbegründung einer Revision gestellten Anforderungen hätte der Revisionswerber entsprechend dem genannten Beschluss auszuführen gehabt, aufgrund welcher gegenüber den diesen zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde gelegten geänderten Umstände das Verwaltungsgericht welche anderslautenden Feststellungen zu treffen gehabt hätte, die in der Folge zu einer anderen rechtlichen Beurteilung geführt hätten. Dies hat der Revisionswerber jedoch auch im Hinblick auf das von ihm angesprochene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2022, G 259/2022 unterlassen. Diesbezüglich wurde daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt.

10 Weiters macht der Revisionswerber geltend, das Verwaltungsgericht habe überhaupt keine Kohärenzprüfung durchgeführt und keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Monopolregelung des Glücksspielgesetzes den unionsrechtlichen Vorgaben entspreche. Dabei übersieht der Revisionswerber jedoch, dass sich das Verwaltungsgericht in der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses sehr wohl ausführlich mit der Thematik auseinandergesetzt und auch - wenngleich disloziert - die zur Beurteilung der Kohärenz des österreichischen Glücksspielmonopols notwendigen Feststellungen getroffen hat.

11 Soweit der Revisionswerber in der Folge behauptet, das Verwaltungsgericht habe sich bei einer - allenfalls doch - durchgeführten Kohärenzprüfung auf Dokumente gestützt, die nicht Eingang in das Verfahren gefunden hätten und bezüglich derer dem Revisionswerber kein Parteiengehör gewährt worden sei, wird insoweit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dahin, dass dargetan wird, welches andere Verfahrensergebnis erzielt worden wäre, wenn die betreffenden Dokumente in der mündlichen Verhandlung - an der er selbst gar nicht teilgenommen hat - verlesen worden wären, nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 10.12.2021, Ra 2020/17/0112, Rn. 13, mwN). Auch in dieser Hinsicht liegt daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B VG vor.

12 Auch soweit der Revisionswerber in der Folge behauptet, es liege ein Begründungsmangel vor, da sich das Verwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verkündung des angefochtenen Erkenntnisses überhaupt nicht mit der Frage der Unionsrechtskonformität der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes befasst habe, genügt das diesbezügliche Vorbringen nicht den bereits angesprochenen Anforderungen an die Relevanzdarstellung in der Zulässigkeitsbegründung einer Revision. Der Revisionswerber behauptet bloß pauschal, es könne nicht nachvollzogen werden, welche tragenden Überlegungen für die implizite Annahme der Unionsrechtskonformität der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes ausschlaggebend gewesen seien. Damit wird aber die notwendige Relevanz des Verfahrensmangels insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach in der Regel die Relevanz von Mängeln der Begründung der mündlich verkündeten Entscheidung wegfällt, wenn eine schriftliche Ausfertigung vorliegt, die diese Mängel behebt (vgl. wiederum VwGH 3.10.2023, Ra 2022/12/0128, Rn. 14, mwN), nicht dargetan. Auch insoweit wird daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt.

13 Weiters behauptet der Revisionswerber zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision, es liege ein Verfahrensmangel vor, da das Verwaltungsgericht nachdem ein vom Revisionswerber beantragter Zeuge nach ordnungsgemäßer Ladung an den beiden von diesem bekannt gegebenen Adressen zur mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen ist weitere Schritte hätte setzen müssen, um auf ein Erscheinen des Zeugen vor Gericht hinzuwirken oder zumindest eine schriftliche Stellungnahme des Zeugen hätte einholen müssen. Dazu genügt es darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht sehr wohl Schritte unternommen hat, um mit dem im Ausland aufhältigen Zeugen, dessen Erscheinen es ohnehin nicht hätte durchsetzen können, in Kontakt zu treten. Dass Anhaltspunkte dafür vorgelegen wären, dass fortgesetzte Bemühungen des Verwaltungsgerichtes um eine Kontaktaufnahme mit dem Zeugen hätten aussichtsreich sein können, wurde nicht dargetan, weshalb auch insoweit das Vorliegen eines die Zulässigkeit der Revision begründenden Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wird (vgl. zu ähnlichen Konstellationen bereits VwGH 14.12.2020, Ra 2020/08/0113, sowie VwGH 17.12.2013, 2012/09/0104).

14 Im Ergebnis wurde in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision, soweit mit dem angefochtenen Erkenntnis der Beschwerde des Revisionswerbers „in der Schuldfrage“ nicht Folge gegeben wurde, keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt, weshalb die Revision insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.

15 Im Hinblick auf den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes über die verhängte Strafe wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision geltend gemacht, dass im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses - in insoweit unveränderter Übernahme des Spruchs des Straferkenntnisses der LPD Wien vom 17. Dezember 2019 - eine falsche Strafsanktionsnorm angegeben worden sei. Mit diesem Vorbringen erweist sich die vorliegende Revision als zulässig; sie ist insofern auch begründet.

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt dem Beschuldigten ein Recht darauf zu, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt auch für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. VwGH 25.3.2020, Ra 2018/17/0203, Rn. 17, mwN). Das Verwaltungsgericht hat, falls der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides fehlerhaft ist, weil etwa die angewendeten Gesetzesstellen unrichtig oder unvollständig zitiert wurden, dies in seinem Abspruch zu ergänzen oder richtigzustellen (vgl. neuerlich VwGH 25.3.2020, Ra 2018/17/0203, nunmehr Rn. 18, mwN).

17 Fallbezogen war im Spruch des Straferkenntnisses der LPD Wien als Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG angegeben, wonach bei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit bis zu drei Eingriffsgegenständen im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung eine Strafe in der Höhe von € 3.000, bis € 30.000, zu verhängen ist. Ohne insoweit eine Korrektur der angewendeten Strafsanktionsnorm im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses vorzunehmen, ging das Verwaltungsgericht nachdem zwischenzeitig einschlägige Vormerkungen hinsichtlich des Revisionswerbers nicht mehr vorlagen in der Entscheidungsbegründung davon aus, es sei „jener Strafsatz des § 52 GSpG anzuwenden, bei erstmaliger Tatbegehung mit bis zu 3 Eingriffsgegenständen mit einem Strafrahmen von € 1.000 bis € 10.000“. Diese Ausführungen beziehen sich aber auf § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG, der für erstmalige Übertretungen mit bis zu drei Eingriffsgegenständen eine Strafdrohung von € 1.000, bis € 10.000, vorsieht. Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass wie die vorliegende Revision zutreffend geltend macht im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses durch insoweit unveränderte Übernahme des Spruchs des Straferkenntnisses der LPD Wien vom 17. Dezember 2019 eine andere, und im Hinblick auf den zwischenzeitigen „Entfall“ von Vormerkungen unrichtige Strafsanktionsnorm angegeben ist, als nach der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses angewendet wurde.

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit damit über die Beschwerde des Revisionswerbers gegen das Straferkenntnis der LPD Wien vom 17. Dezember 2019 „in der Straffrage“ sowie über die damit zusammenhängenden Kosten des Beschwerdeverfahrens und über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

19 Für das fortzusetzende Verfahren wird das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass es - auch vor dem Hintergrund, dass die Revision des Revisionswerbers im ersten Rechtsgang des gegenständlichen Verfahrens, die dem Verwaltungsgerichtshof mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes vom 5. Dezember 2019 vorgelegt worden ist, beim Verwaltungsgerichtshof bereits am 12. Dezember 2019 eingelangt ist - zu prüfen haben wird, ob allenfalls bereits Strafbarkeitsverjährung eingetreten ist. In diesem Zusammenhang wird das Verwaltungsgericht auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 2023, Ra 2022/16/0034, hingewiesen.

Wien, am 8. Juli 2024

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