Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der V M in V, vertreten durch Mag. Dr. Stephan Medwed, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Sterneckstraße 43, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 21. Dezember 2021, Zl. KLVwG 1892/4/2021, betreffend Taschengeld nach dem Kärntner Chancengleichheitsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 21. Dezember 2021 wurde im Beschwerdeverfahren der Antrag der Revisionswerberin auf Gewährung eines Taschengeldes nach § 13 Abs. 2 Kärntner Chancengleichheitsgesetz (K-ChG) gemäß § 13 Abs. 2 iVm § 6 Abs. 4a und Abs. 6 K-ChG abgewiesen und ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
2 Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass im Jahr 2021 das Taschengeld nach § 13 Abs. 2 K-ChG monatlich € 170,90 betrage (18 % des Netto Ausgleichszulagenrichtsatzes von € 949,46), die Revisionswerberin aber unter anderem einen als Einkommen zu wertenden Betrag (beinhaltend den Grundbetrag der Familienbeihilfe) von monatlich € 223,50 beziehe. Da somit schon dadurch ein höherer Betrag als jener nach § 13 Abs. 2 K ChG bezogen werde, sei nicht weiter darauf einzugehen, ob es „auch gerechtfertigt ist, den Erhöhungsbetrag [der Familienbeihilfe] bei der Berechnung des Taschengeldes zu berücksichtigen“.
3 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 28. November 2022, E 368/2022-5, deren Behandlung ablehnte und diese mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG zur Entscheidung abtrat.
4 Im genannten Beschluss vom 28. November 2022 führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem Folgendes aus:
„Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit des § 6 Abs. 4 lit. a letzter Halbsatz des Kärntner Chancengleichheitsgesetz behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 19.913/2014; zum rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers vgl. auch VfSlg. 15.980/2000, 16.176/2001, 16.407/2001, 16.504/2002, 16.814/2003) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Eine zu VfSlg. 19.660/2012 vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor.“
5 Die vorliegende, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 13.9.2023, Ra 2023/10/0063; 3.3.2023, Ra 2022/10/0094; 28.10.2022, Ra 2022/10/0135). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 14.10.2022, Ra 2022/10/0122; 29.9.2022, Ra 2022/10/0095; 31.7.2020, Ra 2020/10/0073).
10 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, die Frage, ob § 13 Abs. 2 iVm § 6 Abs. 4 lit. a und Abs. 6 K-ChG derart auszulegen sei, dass „die Familienbeihilfe für die Bemessung des Taschengeldes jedenfalls zur Gänze als Einkommen zählt“ und dadurch Bezieherinnen von Familienbeilhilfe ungeachtet ihres konkreten Lebensbedarfes keinen Anspruch auf Taschengeld nach § 13 Abs. 2 K ChG hätten, sei bisher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beantwortet worden. Es fehle an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob „bei der Bemessung einer zustehenden Hilfe auch eine Bedarfsprüfung zu erfolgen hat oder Bestimmungen über die Einbeziehung der Familienbeihilfe wie jene des K-ChG derart ausgelegt werden können, dass die (erhöhte) Familienbeihilfe jedenfalls und ungeachtet des konkreten Bedarfs zur Gänze zum Einkommen hinzugerechnet wird“. Die Rechtslage könne nach den in Betracht kommenden Normen auch nicht als klar und eindeutig angesehen werden, da aus den Formulierungen und Verweisen der genannten Bestimmungen des K-ChG „nicht eindeutig hervorgeht, ob hilfsbedürftigen Personen, die (erhöhte) Familienbeihilfe beziehen und damit bereits Einkünfte in Höhe von 18 % des Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes erzielen, jedenfalls kein Taschengeld“ nach § 13 Abs. 2 K-ChG zustehe.
11 Das Kärntner Chancengleichheitsgesetz - K-ChG, LGBl. Nr. 8/2010 in der Fassung LGBl. Nr. 23/2021, lautet auszugsweise:
„ § 6
Subsidiarität, Leistungen Dritter, Eigene Mittel
(1) Leistungen nach diesem Gesetz dürfen, soweit nicht anderes bestimmt ist, nur so weit gewährt werden, als der jeweilige Bedarf nicht oder nicht ausreichend durch den Einsatz eigener Mittel und Kräfte gedeckt werden kann und auch nicht oder nicht ausreichend durch Leistungen Dritter gedeckt ist.
...
(3) Die eigenen Mittel umfassen das gesamte Einkommen und das verwertbare Vermögen des Menschen mit Behinderung.
(4) Als Einkommen gelten, soweit dieses Gesetz nicht anderes bestimmt, alle Einkünfte, die dem Menschen mit Behinderung zufließen. Nicht zum Einkommen zählen
a) Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, mit Ausnahme der Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich, ausgenommen bei der Bemessung der Leistung nach § 13 Abs. 2,
...
(6) Wird der Lebensunterhalt bei stationärer Unterbringung weitgehend gesichert, so sind 20 vH des Einkommens des Menschen mit Behinderung nicht als Einkommen zu berücksichtigen (Taschengeld). Bei teilstationärer Unterbringung darf das Einkommen insoweit berücksichtigt werden, als durch die Unterbringung der Bedarf nach § 8 Abs. 1 gedeckt und der Lebensunterhalt des Menschen mit Behinderung nicht gefährdet ist.
...
§ 13
Unterbringung in Einrichtungen
(1) Wird einem Menschen mit Behinderung Unterbringung, Verpflegung sowie Betreuung und Hilfe in einer stationären oder teilstationären Einrichtung gewährt, ist § 5 Abs. 1 und 2 des Kärntner Pflege- und Betreuungsgesetzes anzuwenden. § 5 Abs. 3 des Kärntner Pflege- und Betreuungsgesetzes ist anzuwenden, wenn die Unterbringung in einer stationären Einrichtung erfolgt.
(2) Menschen mit Behinderung, welche eine Leistung nach Abs. 1 in einer stationären Einrichtung erhalten, haben Anspruch auf ein Taschengeld in Höhe von 18 vH des Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes für Alleinstehende pro Monat, soweit ihnen nicht nach § 6 Abs. 6 ein Betrag ihres Einkommens verbleibt und wenn es sich nicht um die Unterbringung von Pflegekindern im Sinne des 2. Abschnittes des Kärntner Kinder- und Jugendhilfegesetzes handelt.“
12 Mit den oben wiedergegebenen Zulässigkeitsausführungen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG allerdings nicht aufgezeigt:
13 In der vorliegenden Revision wird ausgeführt, dass der Revisionswerberin mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Februar 2020 gemäß § 13 Abs. 1 K ChG die Unterbringung in einer stationären Einrichtung gewährt worden sei, sodass ein Anspruch auf ein Taschengeld nach § 13 Abs. 2 K ChG grundsätzlich in Betracht kommt.
14 Soweit in den oben wiedergegebenen Zulässigkeitsausführungen - durch Verwendung des Klammerausdruckes „(erhöhte)“ - auf den Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe Bezug genommen wird, wird nicht aufgezeigt, warum das rechtliche Schicksal der Revision von den behaupteten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte, hat das Verwaltungsgericht diesen Erhöhungsbetrag doch weil auch ohne diesen ein höherer Betrag als jener nach § 13 Abs. 2 K-ChG bezogen werde gerade nicht berücksichtigt.
15 Soweit in den oben wiedergegebenen Zulässigkeitsausführungen aber auf den vom Verwaltungsgericht berücksichtigten Grundbetrag der Familienbeihilfe Bezug genommen wird, ergibt sich aus § 6 Abs. 4 lit. a K ChG, dass Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (mit Ausnahme der Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich) um eine solche Leistung handelt es sich beim Grundbetrag der Familienbeilhilfe nicht zum Einkommen zählen, ausgenommen bei der Bemessung der Leistung nach § 13 Abs. 2 K ChG. Demnach ergibt sich - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - schon aus dem Wortlaut der Bestimmung klar und unmissverständlich, dass bei der Bemessung der Leistung nach § 13 Abs. 2 K ChG der Grundbetrag der Familienbeihilfe zum Einkommen zählt.
16 Zudem sieht weder § 13 Abs. 2 K-ChG noch § 6 Abs. 4 lit. a bzw. Abs. 6 K ChG eine (in der Diktion der Revision) „Bedarfsprüfung“ in dem Sinn vor, dass je nach konkretem (gemeint: trotz der stationären Unterbringung ungedecktem) Bedarf des Menschen mit Behinderung, dem Unterbringung, Verpflegung sowie Betreuung und Hilfe in einer stationären Einrichtung gewährt wurde, (Teile der) Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bei der Bemessung der Leistung nach § 13 Abs. 2 K ChG nicht zum Einkommen zählten.
17 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen aber klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 6.10.2023, Ra 2023/10/0393; 21.5.2021, Ra 2021/10/0061; 5.11.2020, Ra 2020/10/0105).
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 15. März 2024