JudikaturVwGH

Ra 2023/05/0260 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak und die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision der E H in W, vertreten durch die Neulinger Mitrofanova Čeović Rechtsanwälte OG in 1020 Wien, Taborstraße 11B, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 10. Juli 2023, VGW 111/097/1936/2023 13, betreffend Untersagung einer Bauführung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 9. Jänner 2023 untersagte die belangte Behörde nach § 62 Abs. 4 Bauordnung für Wien (BO) die von der Revisionswerberin zuvor mit Bauansuchen vom 21. Dezember 2022 und unter Übermittlung von Planunterlagen angezeigte „Fassadensanierung“ auf einer näher genannten Liegenschaft der KG F. Die belangte Behörde begründete dies damit, dass die zur Anzeige gebrachten Baumaßnahmen nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprächen. Da die Fassadensanierung mehr als 7 cm über die Baulinie rage, sei die Zustimmung der Magistratsabteilung (MA) 28 notwendig. Dies sei im Rahmen einer Bauanzeige nicht möglich. Das Ansuchen sei nach § 70 BO unter Darstellung aller Fensterornamente einzureichen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Die Erhebung einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für unzulässig (Spruchpunkt II.).

3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, die Bauanzeige betreffe die Anbringung einer 10 cm starken Wärmedämmung an der Außenfassade einer näher genannten Liegenschaft der KG F. Der Eingang befinde sich auf der P Gasse und der konsentierte Altbestand reiche jedenfalls 20 cm über die Baulinie.

4 Die mit 23. Oktober „1986“ (gemeint: 1886) genehmigten Planunterlagen wiesen für das gegenständliche Gebäude gegliederte Fassaden mit (unter anderem) Bossen bzw. Bossenquadern im Erdgeschoss, Gesimsen auf der S Gasse bzw. auf der P Gasse parallel und vertikal in einer Linie angeordneten Fensterreihen und diversen Dekorationselementen bei den Fenstern auf allen Stockwerken auf. Die Fenster im ersten Stock verfügten über viereckige, im zweiten Stock über dreieckige und im vierten Stück über schlichtere, nahe der Fensteröffnung verlaufende Fensterverdachungen bzw. gesimse.

5 Nach einem in den Feststellungen abgebildeten Foto des gegenständlichen Gebäudes hätte dieses in der P Gasse jedenfalls von August 2017 und in der S Gasse ab September 2018 bis zum Abklopfen der Fassade inklusive der Zierelemente im Sommer 2022 jeweils eine vom 1. Stock bis inklusive dem 3. Stock gegliederte Fassade mit Fries aufgewiesen. Die Fassade der P Gasse weise Gesimse, 10 parallel und vertikal angeordnete Fensterreihen mit diversen Dekorationselementen bei den Fenstern auf allen Stockwerken auf, jene der S Gasse Gesimse und 8 parallel und vertikal in einer Linie angeordnete Fensterreihen und diverse Dekorationselemente bei den Fenstern auf allen Stockwerken.

6 Die jedenfalls in den Jahren 2017/2018 bis 2022 vorhandene tatsächliche Gliederung der Fassade weiche hinsichtlich der Ausgestaltung der Fensterornamente vom Bauplan aus 1886 ab. So seien im 1. Stock runde statt eckige Fenstergesimse und im 3. Stock imposantere Dekorelemente als in den Planunterlagen dargestellt, ausgeführt worden. Fensterdekor bzw. Fenstergesimse unterschieden sich auch in Details von den Planunterlagen. Das Kordongesims unter der Dachhaut sei abweichend von der Plandarstellung augenscheinlich als zusätzlicher Zinnenfries ausgeführt. Bossen bzw. Bossenquader habe es jedenfalls ab 2018 nicht mehr gegeben. Im Frühjahr und Sommer 2022 seien von Eigentümerseite Sicherungsmaßnahmen durch Abschlagen des Putzes beauftragt worden. Nach Juni 2022 seien der Verputz inklusive weitgehend sämtlicher Dekoelemente abgeschlagen und in der Folge mit der Anbringung der Wärmedämmung außen an der Fassade begonnen worden. Diese Arbeiten seien von der belangten Behörde untersagt worden. Eine Zustimmung der MA 28 als Eigentümerin der Verkehrsfläche liege nicht vor.

7 Beweiswürdigend erwog das Verwaltungsgericht zum Vorliegen einer gegliederten Fassade, dass es sich dabei auf die genehmigten Baupläne aus 1886 stütze, denen die Fassadengliederungselemente in den verschiedenen Stockwerken zu entnehmen seien. Das unter Verweis auf diese Pläne erbrachte Vorbringen der Revisionswerberin, die Fassade sei nicht gegliedert, sei nicht nachvollziehbar und entbehre jeglicher Grundlage.

8 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, dass das Beschwerdevorbrigen zu den Schwierigkeiten der Feststellung des Baukonsenses anhand der Hauseinlage ins Leere gehe. Die Baupläne entsprächen § 18 Z 1 bis 3 der Bauordnung für Wien 1883 und im Verfahren sei keine Unvollständigkeit der Hauseinlage oder Bedenken an deren Richtigkeit hevorgekommen. Diese genehmigten Baupläne enthielten zwar nur eine Ansicht einer Fassade; aufgrund der Ausgestaltung mit unter anderem dem Eingangstor mit Rundtor handle es sich dabei um die Ansicht der Fassade auf der P Gasse. Aus der Tatsache nur einer Darstellung sei vor dem Hintergrund der Bauordnung für Wien 1883 abzuleiten, dass auch die nicht enthaltene Fassade der S Gasse eine gleichartige Gliederung aufweise und Inhalt des Baukonsenses auch eine gegliederte Fassade auf der S Gasse sei. Die unterschiedliche Anzahl der Fensterachsen ändere nichts am Vorliegen von gegliederten Fassaden.

9 Art. V Abs. 5 iVm § 62a Abs. 1 Z 31 BO stelle auf das Vorliegen einer nicht gegliederten Fassade ab; dies sei hier nicht der Fall. Deshalb könne diese Ausnahme auf die nachträgliche Anbringung einer Wärmedämmung auf den Außenseiten von gegliederten Fassaden, welche mindestens 20 cm über die Baulinie ragten, nicht angewendet werden. Es handle sich somit nicht um eine bewilligungsfreie Baumaßnahme gemäß § 62a Abs. 1 Z 31 BO. Diese Norm stelle auf den „bewilligten, nicht gegliederten“ Baukonsens ab. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er es der Disposition einer Partei überlassen wollte, durch eine Bauführung abweichend vom Baukonsens eigenmächtig eine Bewilligungsfreiheit nach § 62a BO herbeiführen zu können.

10 Auch führe das Vorbringen, die Anbringung der Wärmedämmung an den Außenfassaden führe mangels Änderung der äußeren Gestaltung allenfalls nur zur Anzeigepflicht gemäß § 62 Abs. 1 Z 4 BO, nicht zum Erfolg. Da die geplante Wärmedämmung von außen an die gesamte Fassade des Gebäudes mit Ausnahme des Erdgeschosses angebracht werden solle und beide Fassaden Gesimse, Fensterornamente bzw. Fenstergiebel und eine parallele Anordnung von Fensterachsen aufwiesen, handle es sich offensichtlich um eine wesentliche Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerks. Die 10 cm starke Wärmedämmung überrage oder verdecke sämtliche Fassadenelemente. Auch das Abschlagen aller Dekorelemente ändere die äußere Gestaltung des Gebäudes wesentlich. Das Vorhaben sei somit auch nicht einer Anzeige gemäß § 62 Abs. 1 Z 4 BO zugänglich.

11 Das Vorbringen der Überschreitung des konsentierten Altbestands durch das Kordongesims im Ausmaß von 20 cm, mit der die Erlaubnis der Baulinienüberschreitung durch die Wärmedämmung einhergehe, entbehre jeglicher gesetzlicher Grundlage und führe weder zur Bewilligungsfreiheit noch zur Anzeigepflicht des Bauvorhabens.

12 Der belangten Behörde könne nicht entgegengetreten werden, wenn sie die angezeigte Bauführung nach § 62 Abs. 4 BO untersagt habe. Auch sei die Revisionswerberin mangels Übertragung ihrer Anteile nach wie vor Eigentümerin und damit zu Recht Adressatin der Untersagung. Die Eigentümerin habe in weiterer Folge um die Erteilung einer Baubewilligung für das Bauvorhaben anzusuchen.

13 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

16Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit die Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 2013, 2012/05/0016, vor. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die eingereichte Wärmedämmung das äußere Erscheinungsbild verändere. Wärmedämmung an im Zeitpunkt der Einreichung weder tatsächlich noch rechtlich vorhandenen Fassaden sei nicht bewilligungspflichtig und bilde keinen Anlass für eine Untersagung nach § 62 Abs. 4 BO. Ebenso sei das Verwaltungsgericht zu Unrecht vom Vorliegen einer gegliederten Fassade ausgegangen und es fehle Rechtsprechung dazu, was eine gegliederte Fassade sei und wie die Wortfolge „nachträgliche Anbringung einer Wärmedämmung an nicht gegliederten Fassaden“ auszulegen sei. Eine gegliederte Fassade liege nur vor, wenn diese rechtlich existent geworden sei, dem bewilligten Einreichplan und damit dem baubehördlichen Konsens entspreche. Weiters habe das Verwaltungsgericht übersehen, dass nicht jede gegliederte Fassade die Nichtanwendung von § 62a Abs. 1 Z 31 BO rechtfertige, sondern bloß erhaltungswürdige Fassaden. Auch bestehe ein Wertungswiderspruch zwischen § 118 Abs. 4 Z 1 BO und § 62a Abs. 1 Z 31 BO. Es fehlten Feststellungen zur Erhaltungswürdigkeit der Fassade. Angesichts des bestehenden Widerspruchs zwischen Bauplan und Realität und des nahezu vollständigen Fehlens der Fassade seit dem Sommer 2022 sei von einer fehlenden Erhaltungswürdigkeit auszugehen und die Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 BO nicht gegeben. Dazu habe es das Verwaltungsgericht verabsäumt, ein Amtsgutachten zur Frage, ob die Fassade gegliedert sei, einzuholen. Unter der gegliederten Fassade sei nur eine erhaltungswürdige gegliederte Fassade zu verstehen. Vorliegend sei weder rechtlich noch tatsächlich eine erhaltungswürdige Fassade gegeben und die Wärmedämmung damit bewilligungsfrei im Sinne des § 62a Abs. 1 Z 31 BO.

18 Die Revision erweist sich als unzulässig:

19Die Frage, ob ein Bauvorhaben bewilligungspflichtig, anzeigepflichtig oder auch bewilligungsfrei ist, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in einem solchen Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 12.10.2023, Ra 2023/06/0185, mwN).

20 Eine solche Unvertretbarkeit zeigt die Revision jedoch nicht auf.

21 Die Bewilligung eines Zu , Umbaues oder einer baulichen Änderung setzt voraus, dass der Altbestand einen Konsens hat (vgl. VwGH 31.1.2012, 2010/05/0146, mwN).

22 Bei der Änderung der äußeren Gestaltung eines Bauwerkes im Sinne des § 62 Abs. 1 Z 4 bzw. § 60 Abs. 1 lit. c BO kommt es auf das Erscheinungsbild des Gebäudes an (vgl. VwGH 23.6.2015, 2013/05/0136, mwN).

23 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Bewilligungspflicht nach § 60 Abs. 1 lit. c BO allein darauf an, dass das äußere Ansehen des Gebäudes verändert wird; diese Beurteilung ist unabhängig davon zu treffen, ob der geänderte Gebäudeteil von außen einsehbar ist oder nicht bzw. welchem Zweck die getroffenen Maßnahmen dienen (vgl. VwGH 23.7.2013, 2010/05/0089, mwN).

24 Die Außenhaut des Gebäudes wird vor allem durch die Außenwände gebildet. Zur äußeren Gestaltung zählt ebenso, wo sich welche Öffnungen in den Außenwänden befinden. Dort allerdings sind regelmäßig Bauteile wie Fenster oder Türen, die damit die äußere Gestaltung bilden (vgl. VwGH 26.6.2013, 2012/05/0115, mwN).

25 Die Revision wirft in ihrer Zulässigkeitsbegründungdie sich in mehreren Punkten erkennbar auch gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgericht zum Vorliegen einer gegliederten Fassade wendet (vgl. zum diesbezüglichen Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 8.8.2023, Ra 2023/05/0190, mwN) weder über den Einzelfall hinausreichende Fragen auf, noch liegen aufgrund ihres Vorbringens Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Verwaltungsgericht eine krasse oder unvertretbare Fehlbeurteilung des vorliegenden Sachverhaltes unterlaufen wäre. Insbesondere zeigt die Revision eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen einer gegliederten Fassade nicht auf.

26 Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Beantwortung der von der Revision zu § 62a Abs. 1 Z 31 BO aufgeworfenen Fragen im vorliegenden Verfahren nicht an, sodass auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen ist.

27Auch zeigt die Revision die behauptete Abweichung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Hinweis auf die Entscheidung vom 28. Mai 2013, 2012/05/0016, nicht auf, ist doch im Fall der Behauptung einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkret darzulegen, dass der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt einer der ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. aus vielen etwa VwGH 14.12.2023, Ra 2023/05/0229, mwN). Diesen Anforderungen entspricht die Revision mit ihrem dazu erstatteten Vorbringen, das keinerlei Ausführungen zur Vergleichbarkeit der beiden Rechtssachen in Sachverhalt und Rechtsfrage enthält, nicht.

28 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 5. Dezember 2024