JudikaturVwGH

Ra 2023/04/0279 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Datenschutzrecht
25. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der H D, vertreten durch Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwalt in Graz Seiersberg, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. November 2023, Zl. W252 2255024 1/6E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz; mitbeteiligte Partei: Bezirkshauptmannschaft Graz Umgebung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Mit Schreiben vom 11. Jänner 2021 erhob die Revisionswerberin eine gegen die mitbeteiligte Partei als Beschwerdegegnerin gerichtete Datenschutzbeschwerde, weil sie von dieser durch die Abfrage ihres Wohnsitzes im Zentralen Melderegister in ihrem Grundrecht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt worden sei.

2 Mit Bescheid vom 1. April 2022 wies die belangte Behörde diese Datenschutzbeschwerde als unbegründet ab.

3 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin ab. Unter einem erklärte es die Revision für nicht zulässig.

4 2.1.Das BVwG stellte fest, die Revisionswerberin habe der mitbeteiligten Partei mit einem (näher bezeichneten) Schreiben mitgeteilt, dass sie beabsichtige, im Bedarfsfall Hunde und Katzen im Sinn des § 31a Abs. 1 Tierschutzgesetz (TSchG) bei sich aufzunehmen. Im Kopf dieses Schreibens habe die Revisionswerberin eine Adresse genannt. Aufgrund eines Schreibens einer dritten Person habe die mitbeteiligte Partei beabsichtigt, bei der Revisionswerberin eine Kontrolle der Tierhaltung durchzuführen und ein entsprechendes Verfahren eingeleitet. Der mitbeteiligten Partei seien aus vorangegangenen Verfahren im Zusammenhang mit der Revisionswerberin weitere Adressen bzw. Liegenschaften der Revisionswerberin bekannt gewesen. Am 3. März 2020 habe die mitbeteiligte Partei einen ZMR Auszug zur Revisionswerberin gemacht.

5 2.2.Rechtlich folgerte das BVwG (zusammengefasst), die mitbeteiligte Partei sei als Behörde gemäß § 33 in Verbindung mit § 35 TSchG grundsätzlich für die Überwachung und Einhaltung der Vorschriften zum Tierschutz zuständig. Gemäß § 35 Abs. 4 TSchG sei die Behörde berechtigt, Tierhaltungen sowie die Einhaltung von Tierhaltungsverboten unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit jederzeit zu kontrollieren. In § 31a Abs. 1 TSchG sei die Durchführung von Kontrollen bei Personen geregelt, die wiederholt Tiere aufnehmen und weitergeben. Diese Bestimmungen dienten einem öffentlichen Interesse, nämlich der Einhaltung des Tierschutzes. Die Führung von entsprechenden Verwaltungsverfahren sowie die Vornahme von Kontrollen sei jedenfalls angemessen, um dieses Ziel (Förderung des Tierschutzes) effektiv zu erreichen. § 33 in Verbindung mit § 35 TSchG stelle somit eine Norm im Sinn des Art. 6 Abs. 3 DSGVO dar, mit welcher der mitbeteiligten Partei eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe übertragen werde, und könne daher in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO als Rechtfertigungsgrund für eine Datenverarbeitung dienen.

6 Vorliegend habe die mitbeteiligte Partei beabsichtigt, bei der Revisionswerberin eine Kontrolle nach dem Tierschutzgesetz durchzuführen. Erst durch die Ermittlung der Meldeadresse der Revisionswerberin habe sich die mitbeteiligte Partei einen Überblick verschaffen können, welche Adressen für Kontrollen nach dem Tierschutzgesetz überhaupt in Frage kämen. Zur Vorbereitung behördlicher Kontrollmaßnahmen gehöre notwendigerweise neben der Ermittlung möglicher Kontrollorte auch die Ermittlung der Meldeadresse der Halterin, um diese gegebenenfalls kontaktieren zu können. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in welchem mehrere Adressen zu einer Verfahrenspartei (hier der Revisionswerberin) vorlägen, sei eine ZMR Abfrage zur Ermittlung der Abgabestelle sowohl geeignet als auch erforderlich.

7 Dem Argument der Revisionswerberin, die mitbeteiligte Partei hätte zuerst die ihr bereits bekannten Adressen überprüfen müssen, bevor sie weitere Adressen (durch eine ZMRAbfrage) ermitteln dürfe, sei schon wegen dem Grundsatz der Verfahrensökonomie nicht zu folgen. Zudem sei den (hier einschlägigen) §§ 35 f TSchG nicht zu entnehmen, dass die Behörde bei einem Verdacht der Übertretung auf ihr bereits bekannte Örtlichkeiten beschränkt wäre. Schließlich treffe die mitbeteiligte Partei die amtswegige Ermittlungspflicht. Im Ergebnis werde durch die ZMR Abfrage das Ermittlungsverfahren beschleunigt und es würden die Orte einer möglichen Kontrolle bestimmt sowie eine Zustelladresse der Revisionswerberin ermittelt. Die Datenverarbeitung sei geeignet und erforderlich, um die Aufgabe der mitbeteiligten Partei (Überwachung der Einhaltung des Tierschutzgesetzes) zu erfüllen.

8 Die ZMR Abfrage zur Revisionswerberin sei daher im Sinn des Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO rechtmäßig gewesen. Eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung liege somit nicht vor.

9 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

10 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 5.Die Revisionswerberin bringt zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision vor, das BVwG habe es unterlassen, den Sachverhalt einer Prüfung nach den Kriterien des § 1 DSG zu unterziehen. Zudem ergebe sich aus einer Zusammenschau des § 16a Abs. 4 und des § 20 Abs. 3 Meldegesetz (MeldeG), dass eine ZMR Abfrage einer Behörde nur durchgeführt werden dürfe, wenn 1. eine von ihr gesetzlich an sie übertragene Aufgabe wahrgenommen werde, 2. die Daten eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung dieser gesetzlich übertragenen Aufgabe bilden und 3. die Abfrage im Zentralen Melderegister zur Besorgung der gesetzlich übertragenen Aufgabe erforderlich sei. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob und inwieweit diese Regelungen neben den Bestimmungen der DSGVO zu berücksichtigen seien, liege nicht vor. Auch der Frage, ob die Berechtigung zur Durchführung einer ZMR Abfrage im Meldegesetz stärker beschränkt sei als bei Anwendung der DSGVO, komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

14 5.1.Das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision. Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert vielmehr die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 28.7.2025, Ra 2025/04/0165 bis 0167, Rn. 19, mwN).

15 Die Zulässigkeit einer Revision setzt gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG weiters voraus, dass ihr Schicksal, also der Erfolg der Revision, von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung „abhängt“. Es muss daher zumindest die Möglichkeit bestehen, dass die aufgeworfene, im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Rechtsfrage für die Lösung des Falles von ausschlaggebender Bedeutung ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Lösung theoretischer Rechtsfragen befugt, sondern nur solcher, von deren Lösung der Erfolg der Revision tatsächlich abhängt. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. etwa VwGH 21.10.2024, Ra 2023/03/0156, Rn. 16, mwN).

16 5.2.Das (oben dargestellte) Vorbringen der Revisionswerberin zur fehlenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhältnis der Vorschriften der DSGVO zu § 20 Abs. 3 MeldeG baut auf der Prämisse auf, dass eine unberechtigte ZMR Abfrage (und damit nach Ansicht der Revisionswerberin eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten) dann vorliegt, wenn eines der dreivon der Revisionswerberin aus einer „Zusammenschau“ der §§ 16a Abs. 4 und 20 Abs. 3 MeldeG abgeleiteten (in Rn. 13 wiedergegebenen) - Kriterien nicht erfüllt sei.

17Mit § 16a Abs. 4 MeldeG wird der Bundesminister für Inneres ermächtigt, Organen von Gebietskörperschaften (sowie weiteren Rechtsträgern und Personen) auf deren Verlangen eine Abfrage im Zentralen Melderegister in der Weise zu eröffnen, dass sie, soweit dies zur Besorgung einer gesetzlich übertragenen Aufgabe erforderlich ist, den Gesamtdatensatz bestimmter Menschen im Datenfernverkehr ermitteln können. Nach § 20 Abs. 3 MeldeG sind wiederum Organen der Gebietskörperschaften auf Verlangen die im Melderegister oder im Zentralen Melderegister enthaltenen Meldedaten (von den Meldebehörden) zu übermitteln, sofern diese für den Empfänger zur Wahrnehmung der ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung bilden.

18 Welcher dieser Bestimmungen des Meldegesetzes vorliegend nicht entsprochen worden sei, wird von der Revisionswerberin, die in diesem Zusammenhang keinen Fallbezug zur gegenständlichen ZMRAbfrage bzw. zum vorliegenden Sachverhalt herstellt, in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargelegt. Insbesondere wird in der Zulässigkeitsbegründung auch nicht behauptet, dass eine Voraussetzung des § 16a Abs. 4 bzw. des § 20 Abs. 3 MeldeG nicht eingehalten worden sei, stellt die Revisionswerberin doch nur allgemein in den Raum, dass eine unberechtigte Abfrage vorliege, sollte „auch nur eines dieser drei Kriterien nicht zutreffen.“

19 Zudem hat das BVwG im Rahmen seiner Prüfung des Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO darauf verwiesen, dass die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des Tierschutzgesetzes eine der mitbeteiligten Partei übertragene, im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe darstelle, und auch näher begründet, warum die gegenständliche Datenverarbeitung zur Erfüllung dieser Aufgabe geeignet und erforderlich gewesen sei (vgl. oben Pkt. 2.2.). Diesen Ausführungen des BVwG setzt die Revisionswerberin in ihrer Zulässigkeitsbegründung nichts Stichhaltiges entgegen. Aus welchem Grund sich aus den von ihr ins Treffen geführten Bestimmungen des Meldegesetzes, die ebenso auf die Wahrnehmung einer übertragenen Aufgabe bzw. das Merkmal der Erforderlichkeit abstellen, eine abweichende Beurteilung für die hier erfolgte ZMR Abfrage ergeben sollte, lässt sich der Revision nicht entnehmen.

20Ausgehend davon wird von der Revisionswerberin nicht konkret aufgezeigt, inwiefern das rechtliche Schicksal der Revision von der von ihr vermissten Rechtsprechung abhängt. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. erneut VwGH 28.7.2025, Ra 2025/04/0165 bis 0167, Rn. 21, mwN).

21Gleiches gilt im Ergebnis für den der Sache nach geltend gemachten Begründungsmangel im Zusammenhang mit der (behauptetermaßen unterlassenen) Prüfung der Kriterien des § 1 DSG, weil die Revisionswerberin insoweit nicht die Relevanz dieses von ihr behaupteten Verfahrensmangels aufzeigt (vgl. zu diesem Erfordernis etwa VwGH 20.7.2021, Ra 2020/04/0171, Rn. 6 f, mwN).

22 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

23Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. September 2025