JudikaturVwGH

Ra 2025/04/0165 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision 1. der F Privatstiftung, 2. des Arch. DI. M M und 3. der J S, alle vertreten durch die Emberger Molzbichler Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 15. Mai 2025, Zlen. 1. VGW 122/043/15137/2024 12, 2. VGW 122/V/043/15140/2024 und 3. VGW 122/V/043/15143/2024, betreffend ein gewerberechtliches Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: M GmbH in W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2024 genehmigte der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) die Änderung einer näher bezeichneten Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei (Spruchpunkt I.) und wies die (ua.) von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Einwendungen hinsichtlich der Wahl der Verfahrensart gemäß § 359b GewO 1994 ab (Spruchpunkt II.).

2 In Bezug auf die Einwendungen der revisionswerbenden Parteien hielt die belangte Behörde fest, den Einreichunterlagen könne entnommen werden, dass das Ausmaß der gegenständlichen Betriebsanlage 370 m 2 umfasse und die elektronische Anschlussleistung 120 kW betrage. Es sei daher das vereinfachte Verfahren nach § 359b Abs. 1 Z 2 GewO 1994 durchzuführen.

3 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachten die revisionswerbenden Parteien (ua.) vor, die Betriebsanlage weise im 1. Kellergeschoß eine Fläche von zumindest 300 m 2 und im Erdgeschoß sowie im 2. Kellergeschoß jeweils eine Fläche von zumindest 150 m 2 , insgesamt somit 600 m 2 , auf. Zudem lägen die Flächen der Lüftungsanlage sowie des Stiegenhauses deutlich über 200 m 2 . Der Schwellenwert von 800 m 2 gemäß § 359b Abs. 1 Z 2 GewO 1994 sei daher überschritten.

4 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien diese Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung soweit sie sich gegen die in Spruchpunkt I. erteilte Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage richtete als unzulässig zurück und soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. richtete als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

5 2.1. Das Verwaltungsgericht stellte zusammengefasst fest, die Gesamtfläche der gegenständlichen Betriebsanlage umfasse ca. 419 m 2 , die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte übersteige 300 kW nicht. Der Fluchtweg ins Freie sei planlich nicht dargestellt, er sei jedoch mit höchstens 80 m 2 zu bemessen. Der Querschnitt der Lüftungsanlage, welche die Abluft über das Dach ausblase, habe maximal 1 m 2 /pro Geschoß. Das Haus, in welchem die Betriebsanlage situiert sei, verfüge über zwei Kellergeschoße und sechs Geschoße. Diese Feststellungen gründeten sich so das Verwaltungsgericht auf die Einreichunterlagen und insbesondere die Betriebsbeschreibung in Verbindung mit dem Akteninhalt. Die Flächenangaben seien durch Nachschau in den Betriebsanlagenkataster und in den einen Bescheidbestandteil bildenden Einreichplan der Grundgenehmigung ermittelt worden.

6 2.2. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Verwaltungsgericht auf die Regelung des § 359b Abs. 1 Z 2 GewO 1994, der zufolge ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren dann durchzuführen sei, wenn das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 800 m 2 betrage und die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 300 kW nicht übersteige. Die revisionswerbenden Parteien seien vorliegend als Nachbarn zu qualifizieren. Nachbarn komme aber lediglich zur Frage, ob die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gegeben seien, eine insoweit eingeschränkte Parteistellung zu.

7 Aufgrund der auf den Einreichunterlagen im Zusammenhalt mit dem Konsens basierenden Feststellungen ergebe sich unzweifelhaft, dass die gegenständliche Betriebsanlage die in § 359b Abs. 1 Z 2 GewO 1994 genannten Parameter bei weitem nicht überschreite (Ausmaß der Betriebsanlage 419 m 2 , elektronische Anschlussleistung deutlich unter 300 kW). Ausgangspunkt des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens sei der Antrag der mitbeteiligten Partei, der den Prozessgegenstand konstituiere. Wie die schlussendlich allesamt positiven Stellungnahmen der beigezogenen Sachverständigen zeigten, bestünden keine Zweifel an der Schlüssigkeit der diesbezüglichen Projektunterlagen. Die Rüge der revisionswerbenden Parteien in Bezug auf die Projektunterlagen sei nicht nachvollziehbar, fänden sich doch im vorgelegten Akt exakte Beschreibungen des Projekts samt planlicher Darstellung. Die von den revisionswerbenden Parteien angegebenen (vermuteten) Flächenangaben, die sie anhand des beim Grundbuch aufliegenden Liegenschaftsplanes herausgefunden hätten, fänden in den (hier allein maßgeblichen) Einreichunterlagen keine Deckung.

8 Wenn die revisionswerbenden Parteien zudem vermeinten, die im allgemeinen Stiegenhaus befindlichen Fluchtwege sowie die Flächen der Lüftungsanlage seien hinzuzurechnen, sei dem zu entgegen, dass die Notwendigkeit eines Fluchtweges der Arbeitsstättenverordnung und nicht der GewO 1994 entstamme. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass der bloß im Gefahrenfall der Flucht dienende Weg ins Freie dem Zweck des Betriebes gewidmet sei; dies umso mehr, als dieser durch das allgemeine Stiegenhaus führe und dort keine gewerbliche Tätigkeit regelmäßig ausgeübt werde. Gleiches gelte für die durch die Lüftungsrohre in Anspruch genommene Fläche der Lüftungsanlage. Auch der Querschnitt der Lüftungsrohre in den übrigen Geschoßen des Hauses (außerhalb der Betriebsanlage in fremden Privaträumlichkeiten) zähle nicht zur Fläche der Betriebsanlage.

9 Doch selbst bei gegenteiliger Rechtsansicht hätte dies im vorliegenden Fall keine Auswirkungen auf die Wahl der Verfahrensart, zumal für den Fluchtweg durch das allgemeine Stiegenhaus ins Freie maximal eine Fläche von 80 m 2 und für die Lüftungsquerschnitte maximal 6 m 2 zu veranschlagen seien. In Summe würden die Schwellenwerte des § 359b Abs. 1 Z 2 GewO 1994 nicht überschritten werden.

10 Zum Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, dass die Teile des allgemeinen Stiegenhauses, die dem Zugang der Lüftungsöffnung zwecks vorgeschriebener Wartungsarbeiten dienten, auch zur sonstigen Betriebsfläche zählten, sei auf die vergleichbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu (auch von Kundinnen genutzten) Zugangsstraßen des öffentlichen Verkehrs zu verweisen. Demnach sei die Grenze zwischen einer projektierten Betriebsanlage und ihrer Umwelt dort zu ziehen, wo die Betriebsanlage entsprechend dem Projekt in ihrem räumlichen Umfang ende und dementsprechend das Umfeld der Betriebsanlage beginne. Nach den Projektunterlagen sei der räumliche Umfang der Betriebsanlage eindeutig dargestellt. Zudem sei die einmal im Jahr vorgesehene Wartung der Ausblasöffnung und die damit in Anspruch genommene Benutzung des allgemeinen Stiegenhauses wohl kaum als Vorgang zu qualifizieren, der wesentlich zum Betriebsgeschehen in der beantragten Betriebsanlage gehöre.

11 Es sei daher zu Recht ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994 durchgeführt worden. Ein über die Verfahrensart hinausgehendes inhaltliches Mitspracherecht komme den revisionswerbenden Parteien als Nachbarn nicht zu.

12 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 5.1. Die revisionswerbenden Parteien halten in ihrem Zulässigkeitsvorbringen fest, die Begründung des Verwaltungsgerichtes zum Ausspruch, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, sei aus näher dargelegten Gründen verfehlt.

17 Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG zwar „kurz zu begründen“ hat. Allerdings ist der Verwaltungsgerichtshof an diese Begründung nicht gebunden, sondern beurteilt die Zulässigkeit anhand der in der Revision vorgebrachten Gründe im Sinn des § 28 Abs. 3 VwGG. Die revisionswerbenden Parteien waren durch die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes nicht daran gehindert, entsprechende Gründe für die Zulässigkeit der Revision geltend zu machen. Auch das Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG führt für sich betrachtet nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG gegeben wären (vgl. etwa VwGH 24.10.2024, Ra 2023/04/0120 bis 0217, Rn. 16, mwN). Eine zur Zulässigkeit der Revision führende Rechtsfrage wird mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt.

18 5.2. Primär bringen die revisionswerbenden Parteien vor, zur Bestimmung des § 359b Abs. 1 Z 2 GewO 1994 bzw. zur darin verwendeten Wortfolge „der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen“ gebe es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb die gegenständliche Revision zulässig sei. Zudem sei die vorliegende Rechtsfrage auch in zahlreichen anderen Verfahren relevant.

19 Das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision. Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert vielmehr die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 16.1.2025, Ra 2024/04/0424, Rn. 16, mwN).

20 Diesen Anforderungen wird die vorliegende Zulässigkeitsbegründung, in der kein Fallbezug zu den konkreten Flächen der gegenständlichen Betriebsanlage herstellt wird, nicht gerecht. Insbesondere wird darin der Feststellung des Verwaltungsgerichtes, das Ausmaß der Betriebsanlage betrage (nur) 419 m 2 , sowie den weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichtes, die von den revisionswerbenden Parteien vermuteten Flächenangaben, die sie anhand des beim Grundbuch aufliegenden Liegenschaftsplanes herausgefunden hätten (vgl. dazu das oben dargestellte Beschwerdevorbringen in Rn. 3), fänden in den Einreichunterlagen der mitbeteiligten Partei keine Deckung, nichts Stichhaltiges entgegengesetzt.

21 Ausgehend davon legen die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung aber nicht dar, inwiefern es darauf ankommt, ob Flächen des Stiegenhauses bzw. der Lüftungsanlage zur Ermittlung des in § 359b Abs. 1 Z 2 GewO 1994 normierten Schwellenwerts in Höhe von 800 m 2 heranzuziehen sind. Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als das Verwaltungsgericht in einer Alternativbegründung festgehalten hat, dass auch bei einem Hinzuzählen des Fluchtweges und der Lüftungsquerschnitte (im Umfang von insgesamt 86 m 2 ) zum Ausmaß der Betriebsanlage der Schwellenwert von 800 m 2 nicht überschritten werde. Es wird daher nicht aufgezeigt, inwiefern das rechtliche Schicksal der Revision von der von den revisionswerben Parteien vermissten Rechtsprechung zur Auslegung des § 359b Abs. 1 Z 2 GewO 1994 abhängt (vgl. zu diesem Erfordernis etwa VwGH 29.4.2025, Ra 2025/11/0017, Rn. 16, mwN). Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht zuständig (vgl. etwa VwGH 27.1.2020, Ro 2020/04/0001 bis 0006, Rn. 11, mwN).

22 Schließlich bewirkt auch der von den revisionswerbenden Parteien ins Treffen geführte Umstand, dass die zu lösende Frage in einer Vielzahl von Fällen relevant sein könne, für sich genommen nicht ihre Grundsätzlichkeit im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. etwa VwGH 9.8.2021, Ra 2021/09/0179, Rn. 8, mwN).

23 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

24 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 28. Juli 2025

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