JudikaturVwGH

Ra 2023/03/0095 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. Mai 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des U Y in W, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. Februar 2023, Zl. VGW 121/082/4992/2022 6, betreffend Entziehung eines Taxilenkerausweises (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dem Revisionswerber in Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde gemäß § 13 Abs. 2 iVm § 6 Abs. 1 Z 3 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1994) der Taxilenkerausweis für die Dauer von fünf Jahren (beginnend mit 18. November 2020) entzogen; die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht zugelassen.

2 Dem legte das Verwaltungsgericht auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes zu Grunde:

3 Der Revisionswerber sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. März 2021wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und Z 2 FPG mit Tatbegehung am 13. November 2020, am 14. November 2020, und am Vormittag sowie in den Abendstunden des 18. November 2020 zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt worden. Der Revisionswerber und eine weitere, ebenfalls verurteilte Person hätten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mittätern die rechtswidrige Ein- oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einen Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einem Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Taten ab der dritten Tat gewerbsmäßig iSd § 70 StGB und jeweils in Bezug auf mindestens drei Fremde begangen worden seien, indem sie jeweils im Auftrag eines Dritten im Zuge der vier Schlepperfahrten mit dem Zielort Wien, wo die Fremden bis zu ihrer Weiterreise nach Deutschland untergebracht wurden, die Fahrzeuge zur Verfügung stellten, Fahrer anwarben und insgesamt arbeitsteilig tätig wurden.

Hinzu kämen, nach Tatzeitraum und angelastetem Verhalten näher umschriebene Verwaltungsübertretungen nach der StVO, dem KFG und der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen Betriebsordnung.

4 Die genannte, ein Jahr und zehneinhalb Monate vor der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erfolgte strafgerichtliche Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Schlepperei mit zuletzt mehreren Tathandlungen an einem einzigen Tag (wegen vor zwei Jahren und zweieinhalb Monaten begangener Taten, hinsichtlich derer noch dazu ein Bezug zum Fahrdienst unzweifelhaft vorliege) sei bereits für sich genommen als sehr schwerwiegend zu beurteilen. Der Revisionswerber habe nach Ausstellung des Taxilenkerausweises im Jahr 2014 über mehr als sechs Jahre hindurch über eine rechtmäßige Einkunftsmöglichkeit im Bereich der Personenbeförderung verfügt und sei dennoch nicht davor zurückgeschreckt, seine berufliche Tätigkeit in organisierter Weise auf den Bereich krimineller Machenschaften auszuweiten, um sich daraus einen höheren Verdienst auf Kosten der von ihm beförderten Personen zu verschaffen. Zudem sei der Revisionswerber auch in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht völlig unbescholten, wenngleich das Gewicht der jeweiligen Delikte durch die seither verstrichene Zeit abgemildert erscheine. Der Revisionswerber sei daher als nicht vertrauenswürdig iSd § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 zu beurteilen.

5 Ausgehend vom Gewicht des der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens sei die von der belangten Behörde festgesetzte Dauer der Entziehungszeit erforderlich, um in der vorzunehmenden Prognosebeurteilung von einer Wiedererlangung der Vertrauenswürdigkeit ausgehen zu können (was näher, insbesondere unter Hinweis auf die Zeitpunkte der Tatbegehung, der Haftentlassung und des Ablaufs von Probezeit und Tilgungsfrist begründet wurde).

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden können, weil ausgehend von den rechtskräftigen Verurteilungen und nach Einsicht in den Strafakt der entscheidende Sachverhalt feststehe, sodass die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zusammengefasst (erkennbar) geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von (näher genannter) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ab: Es lasse nämlich nicht erkennen, aufgrund welcher Umstände der Fortbestand der Vertrauenswürdigkeit iSd § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 zu verneinen sei; zudem seien durch das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Verfahrensvorschriften verletzt worden.

11 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.

12 Gemäß § 13 Abs. 2 BO 1994 ist der Taxilenkerausweis von der Behörde für einen angemessenen, die Geltungsdauer des Ausweises jedoch nicht überschreitenden Zeitraum zu entziehen, wenn eine der in § 6 bezeichneten Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist, jedoch angenommen werden kann, dass sie in absehbarer Zeit wieder vorliegen wird.

13 § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 fordert für die Ausstellung des Taxilenkerausweises die Vertrauenswürdigkeit des Bewerbers; diese muss zumindest in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein.

14 In Verfahren über einen Antrag auf Ausstellung eines Taxilenkerausweises wie auch in Verfahren über Entziehung eines solchen ist eine Wertung des Verhaltens des Betroffenen innerhalb des Fünf Jahres Zeitraums dahin vorzunehmen, ob die Vertrauenswürdigkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung gegeben ist. Bei dieser Beurteilung ist die Behörde an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgt, feststeht. Ob die erforderliche Vertrauenswürdigkeit vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Falls die Annahme der Vertrauensunwürdigkeit als begründet erachtet wird, ist die Prognose erforderlich, in welchem Zeitraum der Betreffende die Vertrauenswürdigkeit wiedererlangen wird, für welche Zeitspanne also der Ausweis zu entziehen ist. Der Schutzzweck der BO 1994 ist nicht auf den Straßenverkehr allein beschränkt, sondern darauf gerichtet, Personen vor der Verletzung jedes durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsguts zu bewahren (ständige Judikatur, vgl. etwa VwGH 5.5.2014, Ro 2014/03/0001, VwGH 19.8.2019, Ra 2019/03/0079, VwGH 7.11.2022, Ra 2022/03/0241, VwGH 15.3.2023, Ra 2023/03/0045, VwGH 31.3.2023, Ra 2023/03/0012, je mwN).

15 Der Revision gelingt es nicht, aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Einschätzung der Vertrauensunwürdigkeit des Revisionswerbers von den durch diese Judikatur gezogenen Leitlinien abgewichen wäre: Der Revision zuwider enthält die angefochtene Entscheidung nicht nur die nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs erforderlichen Begründungsteile (vgl. nur etwa VwGH 14.12.2020, Ra 2020/03/0111, mwN), sondern legt auch klar schlüssig begründet fest, warum der Fortbestand der Vertrauenswürdigkeit des Revisionswerbers iSd § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 zu verneinen ist (soweit die Zulässigkeitsbegründung der Revision wiederholt darauf Bezug nimmt, dass das Tatbild der Schlepperei nach § 114 FPG im Deliktskatalog des § 7 Abs. 3 FSG nicht enthalten ist, genügt der Hinweis, dass im Revisionsfall nicht die Verkehrszuverlässigkeit nach § 7 FSG zu beurteilen ist).

16 Auch mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit des Revisionswerbers die gebotene Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung unterlassen, wird keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt:

17 Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht nur dann ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Die Akten lassen dann im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann, wenn also die Voraussetzungen hinsichtlich der Klärung des Sachverhaltes gegeben sind und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, für die eine Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre. Bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem Verwaltungsgericht ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Hingegen liegen die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung vor, wenn in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet wurde und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre. Ein bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhalts kann außer Betracht bleiben (vgl. jüngst VwGH 8.5.2023, Ra 2023/03/0040, mwN).

18 Mit dem Vorbringen der Revision, angesichts der „einzig strafgerichtlichen Verurteilung“ des Revisionswerbers wäre eine mündliche Erörterung zur Klärung der Interessenlage, insbesondere über die Persönlichkeit des Revisionswerbers, geboten gewesen, wird nicht dargelegt, dass ein für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes relevanter, noch strittiger Sachverhalt oder erörterungsbedürftige Rechtsfragen vorgelegen wären. Es ist auch sonst nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht mit dem Absehen von der Durchführung der mündlichen Verhandlung die Bestimmung des § 24 Abs. 4 VwGVG verletzt hätte.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Mai 2023

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