JudikaturVwGH

Ra 2022/22/0104 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
08. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeitfogel, über die Revision des Bundesministers für Inneres gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 25. Mai 2022, 405 11/303/1/4 2022, betreffend Aufenthaltskarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg; mitbeteiligte Partei: S T vertreten durch U G), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1Die Mitbeteiligte, eine mongolische Staatsangehörige, beantragte am 7. Februar 2022 beim Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg (belangte Behörde) die Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Sie sei die Mutter einer mongolischen Staatsangehörigen, die mit einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR Bürger verheiratet sei.

2Mit Bescheid vom 3. März 2022 wies die belangte Behörde diesen Antrag der Mitbeteiligten gemäß § 52 Abs. 1 Z 3 NAG mit der Begründung ab, dass keine Unterhaltszahlungen an die Mitbeteiligte nachgewiesen worden seien.

3 Der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg mit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG Folge und behob den angefochtenen Bescheid. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4In seiner Begründung ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass Erstanträge gemäß § 21 Abs. 1 NAG grundsätzlich vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen seien. Über die in § 21 Abs. 3 NAG vorgesehene Möglichkeit zur ausnahmsweisen Zulassung der Inlandsantragstellung auf Grundlage eines begründeten Antrages sei ein Fremder durch die Behörde zu belehren. Die belangte Behörde sei zu Unrecht von einer zulässigen Inlandsantragstellung ausgegangen und habe die gebotene Belehrung der Mitbeteiligten unterlassen. Das Nachholen der Belehrung sei dem Verwaltungsgericht nicht gestattet, weshalb das Unterbleiben der gebotenen Belehrung den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belaste. Der angefochtene Bescheid sei somit spruchgemäß zu beheben gewesen und es habe die belangte Behörde über den Antrag neuerlich zu entscheiden.

5Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit - unter dem Aspekt einer Abweichung von näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - u.a. geltend macht, das Verwaltungsgericht verkenne, dass sich bereits aus dem Wortlaut des § 54 Abs. 1 NAG die Zulässigkeit einer Inlandsantragstellung in Bezug auf die in Rede stehende Dokumentation ergebe.

6 Die Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

7Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Die Revision erweist sich aus dem von ihr dargelegten Grund als zulässig. Sie ist auch begründet.

9Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen.

10Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Bestimmung des § 21 Abs. 1 NAG, wonach Erstanträge (iSd § 2 Abs. 1 Z 13 NAG) vor Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen sind und die Entscheidung im Ausland abzuwarten ist, istschon im Hinblick darauf, dass Anträge gemäß § 54 Abs. 1 dritter Satz NAG innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen sind im vorliegenden Verfahren über den Antrag auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nicht anzuwenden (vgl. dazu auch Eder/Holl/Pichler/Schweda/Senft, NAG Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz [2025], § 21 K3, mit Verweis auf VwGH 3.4.2009, 2008/22/0439; vgl. zudem VwGH 14.5.2009, 2008/22/0201).

11 Es bestand demnach entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtskeine rechtliche Grundlage dafür, den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. März 2022 zur Nachholung der in § 21 Abs. 3 NAG vorgesehenen Belehrung aufzuheben.

12Da das Verwaltungsgericht somit das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete, war die angefochtene Entscheidung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 8. Oktober 2025