Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des T A in S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert Sattler Gasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2021, L512 1430851 3/22E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsangehöriger, hielt sich seit dem Jahr 2012 mit Unterbrechungen, in denen sich der Revisionswerber teilweise in Deutschland und in Italien (dort mit einem Aufenthaltstitel) befand in Österreich auf. Er ist seit dem 3. Juli 2017 wieder im Bundesgebiet gemeldet.
2 Im Laufe seines Aufenthaltes im Bundesgebiet wurde der Revisionswerber mit Urteil des Bezirksgerichts W vom 15. Mai 2014 wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen à 4 Euro, im Nichteinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 35 Tagen verurteilt.
Nachdem sein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen worden war, stellte der Revisionswerber am 1. Juni 2015 einen weiteren Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15. Jänner 2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Weiters wurde dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei.
3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 18. März 2019 den Antrag des Revisionswerbers vom 7. Februar 2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus den Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück (Spruchpunkt I.), erließ gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 3 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte unter einem gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), und legte gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen fest (Spruchpunkt IV.).
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (Spruchpunkt A.) und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.). Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt seit der (rechtskräftigen) Rückkehrentscheidung vom 15. Jänner 2019 liege nicht vor, sondern sei vielmehr keine Sachverhaltsänderung eingetreten.
5 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 15. Dezember 2021, E 4312/2021-5, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 ist ein Antrag nach § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen unter Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.
11 Die Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 ist jener wegen entschiedener Sache nachgebildet, sodass die diesbezüglichen zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze herangezogen werden können. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie den Schluss zulässt, dass nunmehr unter Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die den Grund für die seinerzeitige rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheids muss zumindest möglich sein (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 23.2.2024, Ra 2024/17/0018 bis 0022, mwN).
12 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wendet sich die Revision ausschließlich gegen die Interessenabwägung nach § 9 Abs. 2 BFA-VG und verweist in diesem Zusammenhang (v.a.) darauf, dass der Revisionswerber mit seiner Ehefrau im gemeinsamen Haushalt lebe und vor allem von seiner Schwiegermutter finanziell unterstützt werde. Dass mit diesem Zulässigkeitsvorbringen (und bereits zuvor in der Beschwerde) ein maßgeblich geänderter Sachverhalt behauptet worden wäre, wird damit allerdings nicht aufgezeigt.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht erfolgreich mit Revision bekämpft werden (vgl. VwGH 25.4.2023, Ra 2023/17/0005, mwN).
14 Entgegen dem Revisionsvorbringen berücksichtigte das Verwaltungsgericht den langjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich ausreichend sowie, dass er mit seiner Ehefrau in einer Mietwohnung in S lebt, und es führte eine auf die im Revisionsfall maßgeblichen Umstände Bezug nehmende Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien durch.
15 Der Revision gelingt es nicht, eine Unvertretbarkeit der - unter Verwertung des in der mündlichen Verhandlung vom Revisionswerber gewonnenen persönlichen Eindrucks erfolgten - Interessenabwägung aufzuzeigen.
16 Ob die einzelfallbezogene Abwägung [zur Rückkehrentscheidung], die zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt ist, in jeder Hinsicht zutrifft, stellt keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (vgl. VwGH 14.12.2023, Ra 2021/17/0159, mwN).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 14. August 2024