Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des A P, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 2021, W105 2247647 1/4E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Nebenaussprüchen sowie eines Einreiseverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der im Jahr 1977 geborene Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, brachte seine ersten fünf Lebensjahre sowie die Zeiträume von 1989 bis 1992 und 2004 bis 2009 (damals mit seiner zwischenzeitlich verstorbenen Mutter) in Österreich zu. Ansonsten lebte er in Serbien.
2 Im März 2019 reiste er erneut in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, namentlich einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005.
3 Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21. September 2021 wurde dieser Antrag abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber erlassen, der Beschwerde gegen diese die aufschiebende Wirkung aberkannt, die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festgestellt, keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt und ein auf drei Jahre befristetes Einreiseverbot gegen den Revisionswerber erlassen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der dagegen gerichteten Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung insoweit Folge, als es dem Revisionswerber eine Frist für seine freiwillige Ausreise einräumte und die Befristung des Einreiseverbots auf zwölf Monate herabsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 31.3.2025, Ra 2022/17/0016, mwN).
9 In Bezug auf das Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG weist der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass diesem Gebot nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet, Genüge getan wird. Diesem Gebot wird daher insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. VwGH 30.9.2024, Ra 2024/17/0080, mwN).
10 Dem wird die Revision nicht gerecht, in deren Zulässigkeitsbegründung gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG und § 28 Abs. 3 VwGG weitaus überwiegend Angaben zum Sachverhalt gemacht und im Rahmen der Rechtsrüge zu treffende Ausführungen getätigt werden, ohne konkrete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu benennen, von der das Bundesverwaltungsgericht abgewichen sein könnte. Schon deshalb erweist sich die Revision als unzulässig.
11 Im Übrigen weist der Verwaltungsgerichtshof den offenbar von einer gegenteiligen Auffassung ausgehenden Revisionswerber darauf hin, dass sein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 in der Sache erledigt und nicht wie der Revisionswerber anzunehmen scheint wegen einer (ohnedies zulässigen) Antragstellung im Inland während rechtswidrigen Aufenthalts im Bundesgebiet oder einer Subsidiarität gegenüber vorranging zu beantragenden Aufenthaltstiteln nach dem Niederlassungs und Aufenthaltsgesetz (NAG) als unzulässig behandelt wurde (vgl. zum Erfordernis der persönlichen Antragstellung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach § 58 Abs. 5 AsylG 2005 VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; vgl. weiters VwGH 11.3.2021, Ra 2020/21/0389, und VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0009, Rn. 16, wonach humanitäre Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 gegenüber solchen nach dem NAG subsidiär sind).
12 Soweit der Revisionswerber auf seine Integrationsleistungen verweist und sich gegen die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot zu wenden scheint, ist er darauf hinzuweisen, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG ist (vgl. VwGH 31.3.2025, Ra 2022/17/0016, mwN). Das hat sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose bzw. für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots Geltung (vgl. VwGH 17.12.2020, Ra 2020/18/0279, mwN).
13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA VG zu prüfen. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Das gilt aber nicht nur für die Rückkehrentscheidung und für das in § 9 Abs. 1 BFA VG weiters ausdrücklich genannte Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, sondern auch für das nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässige Einreiseverbot im Sinne des § 53 FPG, in dessen Abs. 2 und 3 in Bezug auf die Bemessung der Dauer auch die Abwägung nach Art. 8 EMRK angesprochen wird (vgl. etwa VwGH 29.6.2023, Ra 2022/21/0139, mwN).
14 Das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 31.3.2025, Ra 2022/17/0016, mwN).
15 Der Revisionswerber verweist zur Begründung des Vorwurfs der Rechtswidrigkeit der durch das Bundesverwaltungsgericht angestellten Interessenabwägung pauschal auf seine Aufenthalte im Bundesgebiet in der Vergangenheit, damals ausgeübte Erwerbstätigkeiten sowie auf den Umstand, dass Verwandte im Bundesgebiet leben würden. Vor dem Hintergrund, dass gemäß der vorzitierten Rechtsprechung die Aufenthaltsdauer nicht alleine maßgeblich ist und das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen eine Reihe weiterer Aspekte wie den Umstand, dass der Revisionswerber in Österreich kein Familienleben unterhält, seine früheren Aufenthalte im Bundesgebiet schon lange zurückliegen, er in Österreich nicht erwerbstätig ist, sein gegenwärtiger Inlandsaufenthalt stets unsicher war und der Revisionswerber schon bei seiner erneuten Einreise vorhatte, fremdenrechtliche Restriktionen seines Aufenthalts in Österreich zu unterlaufen, sowie seine nach wie vor aufrechten Bindungen im Herkunftsstaat berücksichtigte, gelingt es dem Revisionswerber nicht, darzulegen, dass diese Interessenabwägung mit einem im Revisionsverfahren aufzugreifenden Fehler belastet wäre.
16 Werden Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung der Verfahrensmängel in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist fallbezogen in konkreter Weise darzulegen. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung der Verfahrensmängel als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 23.12.2024, Ra 2024/17/0163, mwN).
17 Dieser Anforderung wird die Darlegung der Zulässigkeitsgründe der Revision nicht gerecht. Soweit der Revisionswerber nämlich darauf verweist, es sei die Sicherheitslage im Herkunftsstaat anhand von Länderberichten nicht hinreichend geprüft und der Revisionswerber nicht hinreichend zu asylrelevanten Gründen befragt worden, fehlt jede Ausführung dazu, welche Tatsachen bei Vermeidung der behaupteten Mängel erwiesen worden wären und weshalb ein für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können.
18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 13. Juni 2025