Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. in Sembacher, als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, in der Revisionssache der Z A, vertreten durch Mag. Carolin Seifriedsberger, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Spiegelgasse 19/23, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. September 2022, W215 2258902 1/3E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die minderjährige Revisionswerberin, eine Staatsangehörige des Jemen, stellte am 11. Oktober 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Der gemäß § 10 Abs. 3 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) zuständige Kinder und Jugendhilfeträger des Landes Salzburg übernahm zunächst die gesetzliche Vertretung der minderjährigen Revisionswerberin für das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Am 6. Dezember 2021 erteilte der Kinder und Jugendhilfeträger der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH eine Vollmacht für das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht.
3 Mit Beschluss vom 4. März 2022 übertrug das Bezirksgericht Salzburg die Obsorge für die Revisionswerberin ihrer volljährigen in Österreich asylberechtigten Schwester.
4 Mit Bescheid vom 1. Juni 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Revisionswerberin hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab, erkannte ihr den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Dieser Bescheid wurde der Kinder- und Jugendhilfe des Landes Salzburg, per Adresse der Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, am 5. Juli 2022 zugestellt.
5 Am 3. August 2022 brachte die Rechtsvertreterin der mit Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 4. März 2022 mit der Obsorge betrauten Schwester der Revisionswerberin Beschwerde gegen den Bescheid vom 1. Juni 2022, soweit er sich gegen die Versagung der Zuerkennung von Asyl richtete, ein.
6 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß „§ 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG“ als verspätet zurück und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
7 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der angefochtene Bescheid sei dem gesetzlichen Vertreter der Revisionswerberin nachweislich am 5. Juli 2022 zugestellt worden. Die vierwöchige Beschwerdefrist habe daher mit Ablauf des 2. August 2022 geendet, weshalb die am 3. August 2022 eingebrachte Beschwerde als verspätet zurückzuweisen gewesen sei.
8 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision und macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend, das Bundesverwaltungsgericht hätte bei aufmerksamer Auseinandersetzung mit der Beschwerde erkennen müssen, dass die gesetzliche Vertreterin nunmehr die Schwester der Revisionswerberin sei, zumal im Rubrum der Beschwerde diese samt der nun einschreitenden Rechtsvertreterin ausgewiesen sei. Wäre das Bundesverwaltungsgericht seiner amtswegigen Ermittlungspflicht nachgekommen, hätte es festgestellt, dass die Zustellung des Bescheides durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die (nunmehrige) gesetzliche Vertreterin der Revisionswerberin nicht erfolgt sei. Die Beschwerde hätte in weiterer Folge nicht als verspätet zurückgewiesen werden dürfen.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 24.4.2023, Ra 2023/14/0119 bis 0122, mwN).
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 29.3.2023, Ra 2021/14/0293, mwN). Eine solche grob fehlerhafte Beurteilung vermag die Revision nicht aufzuzeigen und ist im gegenständlichen Fall auch nicht ersichtlich.
14 Wenn die Revision die fehlende Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichtes mit der Beschwerde rügt, ist folgendes festzuhalten:
15 Die Beschwerde führt zu ihrer Rechtzeitigkeit lediglich aus:
„Der angefochtene Bescheid wurde der damaligen Rechtsvertreterin der Bf am 6.7.2022 zugestellt und erfolgt die Erhebung der Beschwerde somit binnen offener Frist.“
16 Im weiteren Vorbringen der Beschwerde wird auf die nunmehr in der Revision abgestellte Thematik der behaupteten rechtswidrigen Zustellung des Bescheides vom 1. Juni 2022 nicht eingegangen, obwohl die Zustellung an „die damalige Rechtsvertreterin“ bei Darlegung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde ausdrücklich erwähnt und damit dem Beschwerdevorbringen eine rechtmäßige Zustellung des Bescheides zugrunde gelegt wird. Insbesondere enthielt die Beschwerde weder Vorbringen zum Übergang der gesetzlichen Vertretung der Revisionswerberin auf ihre Schwester noch wurde dem Bundesverwaltungsgericht der diesbezügliche Obsorgebeschluss vorgelegt.
17 Die Revision lässt im Dunkeln, aufgrund welcher Umstände das Bundesverwaltungsgericht sich hätte veranlasst sehen müssen, Ermittlungsschritte zur Frage des rechtmäßigen Zustellvorganges des Bescheides im Hinblick auf allfällige Wechsel der gesetzlichen Vertreter der Revisionswerberin vorzunehmen. Die im Rubrum der Beschwerde dargestellten Vertretungsverhältnisse zeigen den Stand im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde an, der auch den Tatsachen entspricht. Diese Angaben lassen keinen zwingenden Rückschluss darauf zu, dass die gesetzliche Vertretung der Revisionswerberin jedenfalls vor Zustellung des Bescheides gewechselt hat und der Zustellvorgang des Bescheides am 1. Juni 2022 mit Rechtswidrigkeit behaftet hätte sein können. Abgesehen davon, dass es sich bei der Bezeichnung der Verfahrensbeteiligten im Rubrum des Schriftsatzes um kein Parteienvorbringen handelt, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht nachvollziehbar dargetan, inwieweit das Verwaltungsgericht bloß aufgrund der Angaben im Rubrum Zweifel an der rechtmäßigen Zustellung des Bescheides hätte haben müssen.
18 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage zudem nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. jüngst VwGH 24.11.2022, Ra 2022/20/0145, mwN). Soweit die Revisionswerberin nunmehr erstmals im Revisionsvorbringen Ausführungen zum Wechsel der gesetzlichen Vertretung der Revisionswerberin vor Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides tätigt, verstößt sie damit gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbotes.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 9. August 2023