Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Stoisser, über die Revision der A P in L, vertreten durch Mag. Sarina Baldinger, Rechtsanwältin in 4020 Linz, Museumstraße 15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 10. Juni 2022, Zl. LVwG 351196/2/KLi/MG, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Linz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 26. April 2022 wurde der Antrag der Revisionswerberin, einer italienischen Staatsangehörigen, vom 7. Februar 2022 auf Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe nach dem Oö. Sozialhilfe Ausführungsgesetz (Oö. SOHAG) abgewiesen.
2 Zur Begründung wurde fallbezogen Folgendes ausgeführt:
„Sie haben seit dem 14.05.2021 einen Hauptwohnsitz in Österreich. Da Sie sich nicht seit mindestens fünf Jahren dauerhaft im Bundegebiet aufhalten, erfüllen sie daher nicht gem. § 5 Abs. 1 Oö. SOHAG die persönlichen Voraussetzungen für die Leistung der Sozialhilfe.“
3 In der dagegen von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und zusammengefasst vorgebracht, die Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass auch für EU Bürger ein fünfjähriger dauerhafter Aufenthalt Voraussetzung für den Bezug von Sozialhilfe sei. Aus § 5 Abs. 4 Oö. SOHAG ergebe sich jedoch anderes, zumal diese Bestimmung vorsehe, dass vor Ablauf der in § 5 Abs. 1 Oö. SOHAG genannten Frist u.a. aufenthaltsberechtigte EU Bürger österreichischen Staatsbürgern insoweit gleichgestellt seien, als eine Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe auf Grund u.a. unionsrechtlicher Vorschriften zwingend geboten und dies im Einzelfall nach Anhörung der zuständigen Fremdenbehörde festgestellt worden sei. Nach den Materialien zu dieser Bestimmung obliege die „Prüfungszuständigkeit für Leistungen der Sozialhilfe“ ungeachtet der Anhörung der zuständigen Fremdenbehörde der Sozialhilfebehörde. Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG gebiete zwingend die Gleichstellung von EU Bürgern mit österreichischen Staatsbürgern, zumal jedenfalls Arbeitnehmer und Personen, bei denen die Arbeitnehmereigenschaft auch bei Arbeitslosigkeit aufrecht bleibe, von der Bestimmung des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ausgenommen seien. Die Revisionswerberin habe zuletzt bis Jänner 2022 gearbeitet, ihre Arbeitnehmereigenschaft sei erhalten geblieben, zumal sie unfreiwillig arbeitslos geworden sei und sich beim Arbeitsmarktservice gemeldet habe. Sie habe daher Anspruch auf Sozialhilfe.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 10. Juni 2022 wurde die Beschwerde ohne Durchführung einer Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe von Rechtsvorschriften und Judikatur im Kern aus, die Revisionswerberin weise seit 14. Mai 2021 einen dauernden Aufenthalt mit Hauptwohnsitz in Österreich auf. Bis zum 15. Jänner 2022 sei sie berufstätig gewesen und einer Beschäftigung als Arbeitnehmerin nachgegangen; sie gehe „derzeit keiner Beschäftigung nach“. Als Unionsbürgerin sei die Revisionswerberin gemäß § 51 Niederlassungs und Aufenthaltsgesetz (NAG) dazu berechtigt, sich länger als drei Monate in Österreich aufzuhalten, soweit sie die gesetzlich geforderten Voraussetzungen erfülle. Dazu gehöre so das Verwaltungsgericht wörtlich weiter „gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG, dass sie in Österreich Arbeitnehmerin oder Selbständige ist und dass sie gemäß § 51 Abs. 1 Z 2 NAG für sich über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt, sodass sie während ihres Aufenthaltes weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen“ müsse. Bei der Revisionswerberin lägen nur wenige Monate als Arbeitnehmerin mit entsprechendem Einkommen vor. Auch hätte sie nach eigenen Angaben keine ausreichenden Existenzmittel und keinen umfassenden Krankenversicherungsschutz, insbesondere habe sie in Italien keinen Anspruch auf eine Rente. § 51 Abs. 1 Z 2 NAG stelle gerade darauf ab, dass während des Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch genommen werden müssten. Gerade dies sei hier aber der Fall. Es liege klar auf der Hand, dass der Lebensunterhalt der Revisionswerberin im genannten Sinn nicht hinreichend gesichert sei. Es könne daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie zu einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten in Österreich berechtigt sei. Somit zähle sie nicht zu jenem Personenkreis, der einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen geltend machen könne.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Das Verwaltungsgericht hat die Verfahrensakten vorgelegt.
8 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 § 5 des Oberösterreichischen Sozialhilfe-Ausführungsgesetzes (Oö. SOHAG), LGBl. Nr. 107/2019, lautet auszugsweise:
„§ 5
Persönliche Voraussetzungen für die Leistung der Sozialhilfe
(1) Leistungen der Sozialhilfe sind unbeschadet zwingender völkerrechtlicher oder unionsrechtlicher Verpflichtungen ausschließlich österreichischen Staatsbürgerinnen bzw. Staatsbürgern und Asylberechtigten, im Übrigen nur dauerhaft niedergelassenen Fremden zu gewähren, die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft, tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
(2) Sozialhilfe kann, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die ihren Hauptwohnsitz und ihren tatsächlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben.
...
(4) Vor Ablauf der im Abs. 1 genannten Frist sind aufenthaltsberechtigte EU /EWR Bürgerinnen bzw. -Bürger, Schweizer Bürgerinnen bzw. Bürger und Drittstaatsangehörige österreichischen Staatsbürgerinnen bzw. Staatsbürgern nur insoweit gleichgestellt, als eine Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe auf Grund völkerrechtlicher oder unionsrechtlicher Vorschriften zwingend geboten ist und dies im Einzelfall nach Anhörung der zuständigen Fremdenbehörde festgestellt wurde.
...“
10 § 51 des Niederlassungs und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lautet auszugsweise:
„Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate
(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1.in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2.für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3....
(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1.wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2.sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;
3.sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
...“
11 Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Richtlinie 2004/38/EG; Freizügigkeitsrichtlinie) lautet auszugsweise:
„Artikel 7
Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate
(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er
a)Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder
b)für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder
...
(3) Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a) bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten:
a) Er ist wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig;
b) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung;
c)er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten;
...“
12 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird (unter anderem) geltend gemacht, es liege aus „dem Grund der Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ... eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung“ im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG vor. Es werde ein tragender Verfahrensgrundsatz verletzt, wenn es das Gericht in der unrichtigen Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen für den Entfall einer mündlichen Verhandlung unterlassen habe, eine solche anzuberaumen sowie die Tatsachenrüge zu behandeln (Verweis auf VwGH 20.11.2014, Ra 2014/07/0052, VwSlg. 18973 A).
13 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet:
14 Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
15 Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher grundsätzlich durchzuführen, wenn es um „civil rights“ oder „strafrechtliche Anklagen“ im Sinn des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Wie der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG bereits wiederholt festgehalten hat, hatte der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung dabei die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen. Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC stehen dem Absehen von einer Verhandlung nach dem VwGVG insbesondere dann nicht entgegen, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht und auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten können, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist. Nach der Judikatur des EGMR kann zudem das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ein Absehen von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung rechtfertigen. Demnach kann der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung im Anwendungsbereich des VwGVG etwa in Fällen gerechtfertigt sein, in welchen lediglich Rechtsfragen beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität aufgeworfen werden. Bei Missachtung der Verhandlungspflicht im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK und des Art. 47 GRC ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. VwGH 21.12.2021, Ra 2020/10/0077, mit Verweis auf VwGH 1.6.2021, Ro 2020/10/0002, mwN). Streitigkeiten über Sozialhilfeleistungen betreffen nach der Judikatur des EGMR zivile Rechte im Sinn von Art. 6 EMRK (vgl. nochmals VwGH 21.12.2021, Ra 2020/10/0077, mit Verweis auf VwGH 30.1.2014, 2012/10/0193; 27.3.2012, 2009/10/0084; 12.8.2010, 2008/10/0315).
16 Ausführungen dazu, aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 24 Abs. 4 VwGVG ausgegangen ist, finden sich im angefochtenen Erkenntnis nicht. Für die Unterlassung der Durchführung der mündlichen Verhandlung fehlt es daher an einer nachvollziehbaren Begründung. Dass die Voraussetzungen für ein Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedenfalls gegeben gewesen wären, ist fallbezogen auch nicht ersichtlich. Es kann nämlich keine Rede davon sein, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt in Ansehung der Frage, ob die Revisionswerberin als Unionsbürgerin im Grunde des § 5 Abs. 4 Öo. SOHAG österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt ist, festgestanden wäre, hat die belangte Behörde die Abweisung des Antrags doch tragend darauf gestützt, dass sich die Revisionswerberin nicht seit mindestens fünf Jahren dauerhaft im Bundesgebiet aufgehalten habe, und eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Oö. SOHAG unterlassen.
17 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
18 Abgesehen davon ist auf Folgendes hinzuweisen:
19 Nach Ausweis der oben wiedergegebenen Begründung hat das Verwaltungsgericht seine Annahme, die Revisionswerberin verfüge über kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate, darauf gestützt, dass dafür die Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 und Z 2 NAG erforderlich sei. Im Weiteren geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 Z 2 NAG nicht vorlägen, ohne sich mit der in der Beschwerde angesprochenen Frage des Erhalts der Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmerin im Sinne des § 51 Abs. 2 NAG auseinanderzusetzen.
20 Dabei wird allerdings verkannt, dass nach dem eindeutigen Wortlaut sowohl des § 51 Abs. 1 NAG als auch des Art. 7 Abs. 1 lit. a und b der Richtlinie 2004/38/EG (arg.: „oder“) für die Erfüllung des Tatbestandes des § 51 Abs. 1 NAG nicht erforderlich ist, dass kumulativ die Voraussetzungen der Z 1 und der Z 2 dieser Bestimmung erfüllt sein müssen. Die Richtlinie 2004/38/EG unterscheidet hinsichtlich der Voraussetzung, über ausreichende Existenzmittel zu verfügen, zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Personen. Der erstgenannten Gruppe von Unionsbürgern, die sich im Aufnahmemitgliedstaat befinden, steht nach Art. 7 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2004/38/EG das Aufenthaltsrecht zu, ohne dass sie weitere Voraussetzungen erfüllen muss. Dagegen wird in Art. 7 Abs. 1 lit. b dieser Richtlinie von nicht erwerbstätigen Personen verlangt, dass sie über ausreichende eigene Existenzmittel verfügen (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0130, mit Verweis auf EuGH 11.11.2014, C 333/13, Dano; siehe auch zu § 5 Wiener Mindestsicherungsgesetz VwGH 16.3.2016, Ra 2015/10/0022, VwSlg. 19331 A). Das Verwaltungsgericht hätte sich daher mit Blick auf § 5 Abs. 4 Oö. SOHAG mit der Frage des Erhalts der Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmerin im Sinne des § 51 Abs. 2 NAG auseinandersetzen müssen.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Die gesondert angesprochene Umsatzsteuer ist in den dort genannten Pauschalbeträgen bereits enthalten, sodass das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen war (vgl. VwGH 14.2.2022, Ra 2020/10/0118, 0119).
22 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 23. März 2023