Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger, Mag. Liebhart Mutzl, Dr.in Sembacher und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision 1. des Dr. S S und 2. der Dr. K S, beide in L, beide vertreten durch die Onz Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 3. März 2022, LVwG 153236/4/WP/LHi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Landeshauptstadt Linz; mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. G H, 2. G H, beide in L; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Linz hat der erstrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Die mitbeteiligten Parteien (Bauwerber) beantragten am 21. Oktober 2020 die Baubewilligung für die Errichtung eines im südlichen Bereich eines näher bezeichneten Grundstückes der KG W in Linz situierten, als „Carport“ bezeichneten Bauwerks, welches zwei KFZ Stellplätze enthält und in den Hang des Geländes reichen soll. Die Revisionswerber sind Eigentümer des südlich durch den H.-Weg vom Baugrundstück getrennten Grundstücks.
2 In der Bauverhandlung erhoben die Revisionswerber unter anderem die Einwendung, dass das Bauvorhaben in einem Bereich errichtet werden solle, in dem laut Bebauungsplan S 11 09 01 00 der Stadt Linz die Errichtung von Einstellplätzen und Garagen unzulässig sei und es sich bei dem Bauvorhaben um einen Einstellplatz handle. Dieses Verbot sei eine Bestimmung über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes bzw. die Lage des Bauvorhabens und diene dem Schutz und dem Interesse der Nachbarschaft. Ebenso werde die festgelegte Mindeststärke der Dachflächenbegrünung für Tiefgaragen nicht erreicht, selbst wenn laut Bebauungsplan eine Tiefgarage zulässig sei. Daraufhin reichten die Bauwerber Austauschpläne für ein Bauvorhaben „Carport (Tiefgarage)“ samt Dachflächenbegrünung ein. Dagegen machten die Revisionswerber zusätzlich geltend, dass es sich nach der technischen Ausführung um keine Tiefgarage handle und das Bauwerk über den Bereich hinausrage, in dem die Errichtung einer Tiefgarage zulässig wäre. Den Bauwerbern wurde schließlich mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Juni 2021 die Baubewilligung für die „Errichtung einer Tiefgarage“ erteilt.
3 In der dagegen erhobenen Beschwerde brachten die Revisionswerber soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz vor, das Bauvorhaben stimme mit dem Bebauungsplan nicht überein, sei unrichtig als Tiefgarage qualifiziert worden und komme außerhalb des zulässigen Bereichs zu liegen; außerdem werde das Ausmaß der zulässigen Bebauung von zehn Prozent des Baugrundstücks überschritten.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18. August 2021 wies die belangte Behörde die Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung ab, die gegenständliche Regelung im Bebauungsplan sei in Umsetzung des Linzer Grünflächenplans 1985 erfolgt und diene dem Umweltschutz; es werde kein subjektiv öffentliches Nachbarrecht berührt. Das Ausmaß der zulässigen Bebauung werde darüber hinaus nicht überschritten, weil die dem Garagenkörper vorgelagerten Bauteile mangels Überdachung keine Gebäudeeigenschaft aufwiesen und daher nicht Teil des Nebengebäudes sein könnten.
5 Nach Einbringung eines Vorlageantrags wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) die Beschwerde der Revisionswerber mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig.
6 Das Verwaltungsgericht ging im Wesentlichen davon aus, das Dach des Bauvorhabens für zwei KFZ-Stellplätze werde als 50 cm starke Intensivbegrünung mit Holzunterkonstruktion ausgeführt. Der höchste Punkt des Pultdachs liege 3,85 m über Straßenniveau; das Bauvorhaben reiche in seinem Verlauf in den Hang und komme an keiner Stelle gänzlich unter Gelände zu liegen. Der Fußboden des Bauvorhabens befinde sich auf der südlichen Einfahrtsseite 0,25 m über dem Straßenniveau und steige im weiteren Verlauf um fünf Prozent an. Ausgehend vom aufgehenden Außenmauerwerk ergebe sich eine Fläche des Bauvorhabens von 54,275 m2. Die Grundstücksfläche des Baugrundstücks betrage 572 m2. Das Bauvorhaben reiche über die Zone, in der Tiefgaragen (gemäß Bebauungsplan) erlaubt seien, hinaus.
7 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht zusammengefasst, dass es eine Nachbarbeschwerde im Baubewilligungsverfahren nur insoweit prüfen dürfe, als die Frage der Verletzung von (rechtzeitig geltend gemachten) subjektiv öffentlichen Rechten Gegenstand sei. Eine allfällige objektive Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens könne nur dann vom Nachbarn geltend gemacht werden, wenn ihm hinsichtlich der Einhaltung dieser Bestimmungen ein subjektiv öffentliches Nachbarrecht zustehe. Die Unzulässigkeit der Errichtung von Einstellplätzen und Garagen im ausgepfeilten Bereich und die Zulässigkeit von Tiefgaragen nur in den eingezeichneten Zonen des Bebauungsplans gründe auf der Umsetzung des Grünflächenplans 1985 und solle der Erhaltung und Verbesserung der ausreichenden Durchgrünung von Baugebieten dienen sowie eine Verringerung der Grünflächenanteile vermeiden (Hinweis auf den Motivenbericht zum Bebauungsplan S 11-09-01-00, Amtsbericht vom 17. Juni 1991). Ein über das öffentliche Interesse der Erhaltung und Verbesserung der ausreichenden Durchgrünung hinausgehendes subjektives Interesse der Nachbarn sei nicht erkennbar. Die Revisionswerber könnten die Situierung des Bauvorhabens in dem als unzulässig ausgepfeilten Bereich nicht als subjektiv öffentliches Nachbarrecht geltend machen.
8 Es sei auch nicht das Ausmaß der zulässigen Bebauung überschritten. Die Garage sei als Nebengebäude zu qualifizieren; die Außentreppe sei nicht Teil der mit dem Nebengebäude bebauten Fläche, sodass diese Fläche 54,275 m2 betrage und unter zehn Prozent der Grundstücksgröße von 572 m2 liege.
9 Die ordentliche Revision sei zulässig zur Frage, ob die Regelung des Bebauungsplans S 11-09-01-00 der Stadt Linz, insbesondere die Unzulässigkeit von Garagen und Einstellplätzen und die Zulässigkeit von Tiefgaragen bloß in ausgewählten Zonen eine solche Regelung darstelle, die nicht nur der Wahrung des öffentlichen Interesses, sondern auch dem Schutz des Interesses der Nachbarschaft diene.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die zu ihrer Zulässigkeit ergänzend ausführt, dass derartige Regelungen in vielen Bebauungsplänen der Stadt Linz und anderer Gemeinden zu finden seien, was die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage unterstreiche. Darüber hinaus hänge die Revision auch von der Lösung der Rechtsfrage ab, ob bestimmte Gebäudeteile in die Berechnung der „mit Nebengebäuden bebauten Fläche“ im Sinn des § 42 Oö. Bautechnikgesetz 2013 Oö. BauTG 2013 nicht einzubeziehen seien.
11 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, die Revision unter Zuspruch von Kostenersatz als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision ist im Hinblick auf die Frage zulässig, ob die in einem Bebauungsplan festgelegte Unzulässigkeit von Garagen und Einstellplätzen sowie die Zulässigkeit von Tiefgaragen bloß in ausgewählten Zonen eine Regelung darstellt, die nicht nur der Wahrung des öffentlichen Interesses, sondern auch dem Schutz des Interesses der Nachbarschaft dient.
13 Die maßgebliche Bestimmung des § 31 Abs. 4 der Oö. Bauordnung 1994 Oö. BauO 1994, LGBl. Nr. 66/1994 idF LGBl. Nr. 55/2021, lautet:
„ § 31
Einwendungen der Nachbarn
[...]
(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauwerke nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauwerke auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.
[...]“
14 Für das Bauvorhaben ist der Bebauungsplan S 11 09 01 00 der Landeshauptstadt Linz relevant, der am 23.1.1992 vom Gemeinderat beschlossen wurde und unter dem Punkt „Sonstige Festlegungen (§ 20 Abs. 2 O.ö. ROG) in Teilbereichen“ unter anderem Folgendes vorsieht:
„[...]
2) Einstellplätze und Garagen unzulässig.
[...]
5) Tiefgarage zulässig
6) Die Dachfläche der Tiefgarage in Hanglage ist zu begrünen. [...]
7) Die begrünte Dachfläche der Tiefgarage in Hanglage ist niveaugleich mit den nördlich angrenzenden Grundstücksteilen auszuführen. [...]
[...]
9) Die Anlage einer durchgehenden Grünfläche mit Baum- und Strauchpflanzungen ist verbindlich.
[...]“
15 Der Motivenbericht zum Bebauungsplan S 11 09 01 00 (vgl. Amtsbericht vom 17. Juni 1991) führt zum Verbot von Einstellplätzen und Garagen aus wie folgt:
„Im Sinne der Aussagen des GFP 1985 ist die ausreichende Durchgrünung von Baugebieten zu erhalten bzw. zu verbessern und die gute Durchgrünung von Baugebieten zu erhalten und eine Erhöhung der Dichte bzw. Verringerung der Grünflächenanteile zu vermeiden.
[...]
Die Dachflächenbegrünung ist bei einem Absinken des Grünflächenanteils unter 0,6 als erforderlich anzusehen, da zumindest ein Ersatz für fehlende Grünflächen über gewachsenen Boden geschaffen wird, und sie ähnlich diesen eine ausgleichende Wirkung auf das lokale Stadtklima ausübt, die Stadtentwässerung entlastet und gegebenenfalls den Ausblick auf begrünte Flächen ermöglicht.
[...]
Das Verbot der Anlage von Einstellplätzen und Errichtung von Garagen wird regelmäßig für größere, zusammenhängende Grünflächen festgelegt, auch wenn sie sich aus einzelnen Gärten zusammensetzen und nur im Siedlungsbild als größere Grünfläche in Erscheinung treten. Diese Maßnahme ist vor allem auch für der Wohnbebauung zugeordnete Freiflächen vorzusehen, um die mit der Wohnnutzung verbundene Grünflächennutzung sicherzustellen und eine Beeinträchtigung der Grünflächennutzbarkeit hintanzuhalten. Das Verbot der Errichtung von Einstellplätzen und Garagen stellt zudem auch die Erhaltung der gegebenen Grünflächenanteile und somit auch des gegebenen Durchgrünungsgrades sicher, langfristig kann dadurch auch eine Flächenentsiegelung und Verbesserung der Grünflächenanteile bewirkt werden.
[...]“
16 Die hier relevante Anordnung des Bebauungsplans S 11 09 01 00 erging auf Grundlage des § 20 Abs. 2 Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz 1972, LGBl. Nr. 18/1972, wonach in einem Bebauungsplan insbesondere festgelegt oder ausgewiesen werden konnten:
„[...]
7. die Flächen, die im öffentlichen Interesse (Umgebung von Denkmalen, bauliche und landschaftlich wertvolle Ausblicke usw.) von jeder oder voneinerbestimmtenBebauungfreizuhalten sind;
[...]
11. Abstellplätze für Kraftfahrzeuge;
[...]“
17 Die Revisionswerber sind unstrittig Nachbarn im Sinn des § 31 Abs. 1 Z 2 Oö. BauO 1994.
18 Das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. für viele etwa VwGH 27.2.2019, Ra 2018/05/0001, mwN).
19 Die in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften sind jene des oberösterreichischen Baurechts und jene der für das Baugrundstück relevanten Flächenwidmungs- und Bebauungspläne, sofern diese nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen (vgl. wiederum VwGH 27.2.2019, Ra 2018/05/0001, mit Verweis auf § 31 Abs. 4 erster Satz Oö. BauO 1994 und mwN).
20 Die Revisionswerber bringen vor, dass ihnen aus der oben dargestellten Anordnung im Bebauungsplan S 11 09 01 00 ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht erwachse. Dazu ist festzuhalten, dass sich ihre Einwendungen im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan (Errichtung der Garage an sich, Qualifikation des Bauvorhabens als Tiefgarage und Überschreitung des für Tiefgaragen festgelegten Bereichs) unter die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes subsumieren lassen, weil die relevante Anordnung im Bebauungsplan die zulässig bebaubare Fläche der von ihm erfassten Grundstücke festlegt bzw. beschränkt.
21 Die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes kann auf verschiedene Weise beschränkt werden, wie etwa durch Vorschriften über eine bestimmte Bebauungsdichte, die zulässig bebaubare Fläche sowie die Festlegung von Flucht- und Baulinien. Im Einzelnen muss nach den jeweils in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften geprüft werden, welche Regelungen über die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes ein Nachbarrecht begründen (vgl. VwGH 1.4.2021, Ra 2019/05/0334, mwN, und grundlegend VwGH 21.9.2007, 2007/05/0183).
22 Zu prüfen ist daher, ob das Verbot der Anlage von Einstellplätzen und der Errichtung von Garagen bzw. die Zulässigkeit (nur) von Tiefgaragen im konkreten Bebauungsplan eine Maßnahme der baulichen Nutzung darstellt, die auch dem Interesse der Nachbarschaft dient, sodass den Revisionswerbern als Nachbarn daraus ein subjektiv öffentliches Recht erwächst.
23 Der Verwaltungsgerichtshof hatte noch keine unmittelbar vergleichbare Konstellation zu entscheiden, jedoch hat er sich bereits zum Teil zur insoweit vergleichbaren Rechtslage vor der Oö. BauO 1994 mit dem Bestehen eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechts im Zusammenhang mit Grünflächen und Bebauungsplänen beschäftigt.
24 So hat sich das Verwaltungsgericht etwa auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. März 1983, 81/05/0126, gestützt, wonach die Verpflichtung zur Schaffung von Grün- und Erholungsflächen gemäß dem damals zur Anwendung gelangenden § 42 O.ö. Bauverordnung, LGBl. Nr. 63/1976, nicht in spezifischer Weise den Interessen der Nachbarschaft diene, sodass die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechts nicht in Betracht komme.
25 Der Verwaltungsgerichtshof hatte im Erkenntnis vom 30. Juni 1998, 97/05/0338, die Frage zu beantworten, ob die Regelung in einem Bebauungsplan der Stadt Linz betreffend den Niveauunterschied einer begrünten Tiergaragendachfläche und der umgebenden Freiflächen eine Regelung darstellt, die dem Interesse der Nachbarschaft dient. Voranstellend, dass die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf nicht bewilligungspflichtige Veränderungen der Höhenlage eines Grundstücks (bis zu einem Meter) kein Nachbarrecht einräumen, verneinte er in einer systematischen Betrachtung der näher beschriebenen gesetzlichen Grundlagen im Zusammenhalt mit der Regelung im Bebauungsplan ein daraus erfließendes Nachbarrecht. Auch die bei Verordnungserlassung verfolgte Intention spreche ausschließlich öffentliche Interessen an. Nach dem Motivenbericht zu dem betreffenden Bebauungsplan solle die Beschränkung des Niveauunterschiedes zwischen den begrünten Tiefgaragendachflächen und den umgebenden Freiflächen sowie die durchgehende und begrünte Abböschung die Einbindung der Tiefgaragendachflächen in die umgebenden Grünflächen sicherstellen und eine durchgehende Nutzbarkeit der gesamten Freiflächen gewährleisten. Die bauliche Abdeckung von Tiefgaragenzufahrten und -rampen diene neben Umweltschutzgründen auch der Vergrößerung des Grünflächenanteils und der Verbesserung des Siedlungsbildes.
26 Zur mit einem Bauvorhaben verbundenen Rodung von Bäumen und Sträuchern sprach der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. Juni 2010, 2009/05/0212, aus, dass aus der Anordnung im anzuwendenden Bebauungsplan, „bestehender Gehölzbestand“ sei „grundsätzlich zu erhalten“ kein Nachbarrecht ableitbar sei: Die Baugrundstücke lägen im Bauland Wohngebiet und seien für die Bebauung vorgesehen, weshalb die mit der Ausführung eines den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Bauvorhabens verbundene Rodung von Bäumen und Sträuchern aus baurechtlicher Sicht jedenfalls zulässig sei.
27 An der soeben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zeigt sich, dass bei der Prüfung, ob eine in einem Bebauungsplan festgelegte Maßnahme der baulichen Nutzung ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht begründet, jedenfalls die Intention des Verordnungsgebers und die gesetzlichen Grundlagen der Verordnung zu beachten sind. Aus der oben wiedergegebenen Begründung des Bebauungsplans im Amtsbericht (Motivenbericht) ist ersichtlich, dass das Verbot der Anlage von Einstellplätzen und der Errichtung von Garagen vor allem auch für der Wohnbebauung zugeordnete Freiflächen vorgesehen werden sollte, um die mit der Wohnnutzung verbundene Grünflächennutzung sicherzustellen und eine Beeinträchtigung der Grünflächennutzbarkeit hintanzuhalten. Das Verbot sollte nach der Intention des Verordnungsgebers somit den Erhalt der gegebenen Grünflächenanteile und des Durchgrünungsgrades sicherstellen und langfristig auch eine Flächenentsiegelung und Verbesserung der Grünflächenanteile bewirken.
28 Die Motive des Verordnungsgebers insbesondere im Zusammenhalt mit der oben zitierten gesetzlichen Grundlage („im öffentlichen Interesse“) machen deutlich, dass Zweck der relevanten Anordnung im gegenständlichen Bebauungsplan der Erhalt der Grünflächen in ihrer Gesamtheit ist und dass dieser Erhalt dem öffentlichen Interesse dienen soll. Dafür spricht auch die Erwähnung der langfristigen Flächenentsiegelung und Verbesserung der Grünflächenanteile; diesen langfristigen Zwecken ist das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit immanent. Dem steht die Erwähnung der „mit der Wohnnutzung verbundene[n] Grünflächennutzung“ im Motivenbericht nicht entgegen. Denn wie die Revisionsbeantwortung zutreffend ins Treffen führt, räumt die Oö. BauO 1994 den Nachbarn kein Recht auf Beibehaltung der Lebens- und Wohnqualität ein (vgl. VwGH 12.6.2012, 2009/05/0105, mwN, und etwa VwGH 21.5.1996, 96/05/0086).
29 Die Revision verweist zur Unterstützung ihrer Argumentation auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bauordnung für Wien, wonach die verpflichtende gärtnerische Ausgestaltung dem Schutz der Nachbarn diene und daher im Rahmen ihrer flächenmäßigen Ausnutzbarkeit ein subjektiv-öffentliches Recht der Nachbarn bestehe. Die Rechtsprechung zur Bauordnung für Wien ist fallbezogen aber nicht übertragbar, weil gemäß der hg. Judikatur zu § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994 nach den jeweils in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften geprüft werden muss, welche Maßnahmen der baulichen Nutzung ein Nachbarrecht begründen (s. oben Rn. 21 und die dort angeführte Judikatur).
30 Aus all dem folgt: Das Verbot von Einstellplätzen und Garagen auf bestimmten Flächen sowie die Zulässigkeit von Tiefgaragen bloß in ausgewählten Zonen im Bebauungsplan S 11 09 01 00 der Stadt Linz ist ausschließlich im öffentlichen Interesse gelegen; einem Nachbarn kann daraus kein subjektiv öffentliches Recht erwachsen.
31 Der Revision kommt jedoch insoweit Berechtigung zu, als sie eine Überschreitung des Ausmaßes der zulässigen Bebauung gemäß § 42 Oö. BauTG 2013 geltend macht.
32 Die maßgeblichen Bestimmungen des Oö. Bautechnikgesetzes 2013 - Oö. BauTG 2013, LGBl. Nr. 35/2013 idF LGBl. Nr. 56/2021, lauten:
„§ 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:
[..]
6. Bebaute Fläche: jener Grundstücksteil, welcher von den äußersten Begrenzungen des Grundrisses einer über das Gelände hinausragenden baulichen Anlage bedeckt wird;
[...]
12. Gebäude: überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene Bauwerke, die von Personen betreten werden können;
18. Nebengebäude: ein Gebäude mit höchstens einem Geschoß über dem Erdboden und einer Traufenhöhe bis zu 3 m über dem Erdgeschoßfußboden, das im Vergleich zur gegebenen oder voraussehbaren Hauptbebauung nur untergeordnete Bedeutung hat und nicht Wohnzwecken dient; [...]
[...]
§ 42
Haupt- und Nebengebäude
Nebengebäude dürfen die Bebauung des Bauplatzes oder des zu bebauenden Grundstücks mit dem Hauptgebäude nicht hindern. Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, darf das Ausmaß der mit Nebengebäuden bebauten Fläche des Bauplatzes oder des zu bebauenden Grundstücks 10 % dessen Gesamtfläche nicht übersteigen und wenn die Hauptbebauung Wohnzwecken dient insgesamt höchstens 100 m² betragen; dies gilt nicht für Garagen für Stellplätze gemäß § 43.“
33 Gemäß § 42 Oö. BauTG 2013 darf, soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, das Ausmaß der mit Nebengebäuden bebauten Fläche des Bauplatzes oder des zu bebauenden Grundstücks 10 Prozent dessen Gesamtfläche nicht übersteigen und wenn die Hauptbebauung Wohnzwecken dient insgesamt höchstens 100 m² betragen.
34 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass hinsichtlich der Bebauungsbeschränkung betreffend maximal 10 Prozent der Gesamtfläche des Bauplatzes durch Nebengebäude ein Nachbarrecht besteht (vgl. VwGH 15.2.2011, 2009/05/0003, zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 7 O.ö. Bautechnikgesetz O.ö. BauTG, LGBl. Nr. 67/1994).
35 Im angefochtenen Erkenntnis hat sich das Verwaltungsgericht mit den diesbezüglichen Einwendungen inhaltlich auseinandergesetzt und die beantragte Garage als Nebengebäude im Sinn des § 2 Z 18 Oö. BauTG 2013 qualifiziert. Zur Ermittlung der bebauten Fläche zog es die äußersten Begrenzungen des Grundrisses der Garage heran (aufgehendes Außenmauerwerk). Die Außenstiege und allfällige weitere Elemente außerhalb des Mauerwerks erachtete es ohne nähere Begründung nicht als Teil der mit dem Nebengebäude bebauten Fläche und bezog sie nicht in die Berechnung ein.
36 Gemäß § 2 Z 6 Oö. BauTG 2013 ist die „bebaute Fläche“ jener Grundstücksteil, welcher von den äußersten Begrenzungen des Grundrisses einer über das Gelände hinausragenden baulichen Anlage bedeckt wird.
37 Zur vergleichbaren Rechtslage nach § 2 Z 9 O.ö. BauTG, dessen Wortlaut § 2 Z 6 Oö. BauTG 2013 entsprach, hat der Verwaltungsgerichtshof - im Zusammenhang mit der Geschoßflächenzahlberechnung - bereits festgehalten, dass es somit um eine Fläche geht, die das Baugrundstück „bedeckt“. In Bezug auf das Nachbarrecht auf bauliche Ausnutzung mache es keinen Unterschied, ob die Bebauung einer Fläche durch aufgehende Wände oder Fußböden ohne derartige Wände erfolge. Der Verwaltungsgerichtshof erkannte in diesem Fall, dass ein offenes Stiegenhaus wegen seiner optischen Einbeziehung in das Gesamtgebäude und deshalb, weil es baulich die Oberfläche des Baugrundstückes in Anspruch nahm („bedeckt“), bei der Geschoßflächenzahl relevant wäre (vgl. VwGH 15.2.2011, 2009/05/0343).
Zu einer Tiefgarage hatte der Verwaltungsgerichtshof ebenso zu § 2 Z 9 O.ö. BauTG zuvor bereits ausgesprochen, dass ein Schacht zur Belichtung des Kellergeschoßes, bei dem das Niveau des Schachtbodens um 2,95 m über dem angrenzenden Fußboden des Kellergeschosses liege, aufgrund seiner Dimensionen (2,22 m v 9,16 m) in die bebaute Fläche einzubeziehen sei. Nicht in die bebaute Fläche einzurechnen waren in diesem Fall aber die Außenstiege und die Garage, weil sie unterirdisch angelegt waren, und auch der Vorplatz (bzw. die Zufahrt) zur Garage, weil dieser Bereich nicht „das Gelände überragt“ hat (vgl. VwGH 24.2.2004, 2001/05/1155).
38 Das Verwaltungsgericht stellte im hier zu beurteilenden Fall nur auf den Gebäudebegriff ab. Es ließ die Außenstiege sowie weitere allfällig relevante Elemente als Teile des Nebengebäudes in Verkennung der Rechtslage von vornherein außer Betracht, ohne Feststellungen etwa zur genauen Situierung, optischen Einbeziehung und Lage der Außenstiege über oder unter dem Gelände zu treffen. Es liegt daher zur Frage der bebauten Fläche des beantragten Bauvorhabens ein die abschließende rechtliche Beurteilung hindernder sekundärer Feststellungsmangel vor, der das Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
39 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
40 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. Februar 2024