Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des H F in N, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 1. April 2021, 1. LVwG S 2843/001 2019, und 2. LVwG S 2844/001 2019, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mistelbach), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es die Beschwerde gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 29. Oktober 2019, MIS2 V 18 61724/5, erledigt (einschließlich der diesbezüglichen Kostenaussprüche), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Am 26. November 2018 führten Organe der Finanzpolizei in den Räumlichkeiten der F GmbH eine glücksspielrechtliche Kontrolle durch.
2 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (belangte Behörde) vom 29. Oktober 2019, MIS2 V 18 61724/5, wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, während der genannten Kontrolle gegen die Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz GSpG verstoßen zu haben. Er habe in seiner Eigenschaft als das zur Vertretung nach außen hin berufene Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der F GmbH, der Inhaberin von Glücksspieleinrichtungen (zwei Spielautomaten), den Organen der Abgabenbehörde die Durchführung von Testspielen nicht ermöglicht, weil er die Stromzufuhr zu diesen Glücksspielgeräten unterbrochen und die Datenleitung mit einem Seitenschneider durchtrennt habe. Dadurch habe er eine umfassende Überprüfung nicht ermöglicht. Gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG verhängte die belangte Behörde über den Mitbeteiligten eine Geldstrafe (samt Ersatzfreiheitsstrafe) und schrieb ihm einen Beitrag zu den Verfahrenskosten vor.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich soweit für dieses Revisionsverfahren wesentlich die dagegen gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab, wobei es den Spruch des Straferkenntnisses dahingehend änderte, dass es dem Revisionswerber anlastete, eine umfassende Überprüfung nicht ermöglicht zu haben, da er die Stromzufuhr zu den zu kontrollierenden Geräten nicht hergestellt und die beiden Geräte nicht in Betrieb genommen habe. Das Verwaltungsgericht setzte die Geldstrafe (sowie die Ersatzfreiheitsstrafe) und den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens herab, präzisierte die herangezogene Sanktionsnorm und schrieb dem Revisionswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht dazu unter anderem aus, der Revisionswerber habe angegeben, sich mit den zu kontrollierenden Glücksspielgeräten nicht ausgekannt zu haben und deswegen nicht in der Lage gewesen zu sein, diese in Betrieb zu nehmen, weil diese durch ein anderes Unternehmen aufgestellt worden seien. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass der Revisionswerber dieses andere Unternehmen hätte kontaktieren müssen, damit dieses die Glücksspielgeräte in Betrieb nehme, um eine umfassende Kontrolle zu ermöglichen und seiner Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG zu entsprechen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, soweit damit der Beschwerde gegen das Straferkenntnis der belangen Behörde vom 29. Oktober 2019, MIS2 V 18 61724/5, nicht Folge gegeben wurde.
6 Zur Zulässigkeit der Revision wird ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten habe. Dem Revisionswerber sei im Verfahren vor der belangten Behörde wie in deren Straferkenntnis als Tatvorwurf angelastet worden, die Stromzufuhr zu den zu kontrollierenden Geräten unterbrochen zu haben. Hingegen werde ihm durch das Verwaltungsgericht als Tathandlung vorgeworfen, dass er die Stromzufuhr zu diesen Geräten nicht hergestellt und die beiden Geräte nicht in Betrieb genommen habe. Das Verwaltungsgericht habe daher den maßgeblichen Sachverhalt „ausgetauscht“ und dadurch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten.
7 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie beantragt, die Revision kostenpflichtig zurück , in eventu abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revision erweist sich hinsichtlich der in der Zulässigkeitsbegründung vorgebrachten Überschreitung des Prüfungsumfangs des Verwaltungsgerichts nach § 27 VwGVG durch Austausch der angelasteten Tat als zulässig und berechtigt.
9 „Sache“ des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. VwGH 29.8.2018, Ra 2017/17/0591, mwN).
10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verwaltungsgericht in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (vgl. § 42 VwGVG) gezogenen Grenzen einer anderen rechtlichen Subsumtion als die belangte Behörde, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen (vgl. etwa VwGH 21.11.2018, Ra 2017/17/0110, mwN).
11 Eine Unterstellung des vorgeworfenen Verhaltens unter eine andere Strafbestimmung durch das Verwaltungsgericht ist zulässig (bzw. geboten), wenn es sich dabei lediglich um eine Konkretisierung des Tatvorwurfs bzw. die rechtlich richtige Subsumtion des der Bestrafung zu Grunde gelegten Verhaltens handelt und somit keine Auswechslung der vorgeworfenen Tat vorliegt. Eine (unzulässige) Auswechslung der Tat liegt dann nicht vor, wenn lediglich die rechtliche Beurteilung des vorgeworfenen Verhaltens geändert wird (vgl. bereits zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits Novelle 2012 etwa VwGH 10.12.2008, 2004/17/0228, mwN; vgl. weiters VwGH 17.2.2022, Ra 2021/07/0089, mwN).
12 Im vorliegenden Fall wurde dem Revisionswerber durch die belangte Behörde in deren Straferkenntnis als Tathandlung angelastet, die Stromzufuhr zu den zu kontrollierenden Geräten unterbrochen und mithin durch aktive Tatbegehung gegen seine Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG verstoßen zu haben. Hingegen wird ihm im angefochtenen Erkenntnis durch das Verwaltungsgericht angelastet, die Stromzufuhr zu den zu kontrollierenden Geräten nicht hergestellt und die beiden Geräte nicht in Betrieb genommen zu haben, worin die Anlastung einer Tatbegehung durch Unterlassung liegt. Für den (lediglich) in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses konkretisierten Tatvorwurf, der Revisionswerber hätte Kontakt zu jenem Unternehmen, das die zu kontrollierenden Glücksspielgeräte aufgestellt habe, aufnehmen müssen, damit dieses die Geräte in Betrieb nehme, um seiner Mitwirkungspflicht zu entsprechen, finden sich im erstinstanzlichen Straferkenntnis keinerlei Ausführungen. Angesichts dessen hat das Verwaltungsgericht die Sache des Beschwerdeverfahrens, wie sie durch die im Straferkenntnis der belangten Behörde angelastete Tat umschrieben ist, überschritten.
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher insoweit mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet und somit in dem im Spruch genannten Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. Mai 2024