Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision des A S in A, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 3. August 2023, Zl. LVwG 2023/15/0253-5, betreffend Übertretung des Forstgesetzes 1975 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abgeändert, dass in Stattgebung der Beschwerde des Revisionswerbers das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 6. Dezember 2022, Zl. IL/309220009516, aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3VStG eingestellt wird.
2. Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 6. Dezember 2022 wurde der Revisionswerber folgender Verwaltungsübertretung schuldig erkannt:
„Bei der Bezirkshauptmannschaft wurde eine Anzeige am 14.01.2022 vom Waldaufseher in der Gemeinde A[...] eingereicht. Dabei handelte es sich um das Grundstück [...], welches sich im Eigentum des Herrn Mag. R[...] befindet und zu dieser Zeit von Herrn [Name des Revisionswerbers] gepachtet wird. Aufgrund von Ermittlungen wurde festgestellt, dass bereits ein Verfahren (aufgrund einer Anzeige im Juli 2020) bezüglich einer illegalen Rodung auf demselben Grundstück bei der ha. Behörde anhängig ist. [...] Der nunmehrige Verfahrensgegenstand betrifft die anschließende nördliche Fläche im Ausmaß von ca. 450 m 2 auf Gst. [...]. Bei dem Lokalaugenschein am 25.08.2022 hat der frostfachliche Sachverständige folgende Verwaltungsübertretung festgestellt:
Sie, Herr [Name des Revisionswerbers] haben am 14.01.2022 eine forstrechtliche Übertretung gemäß § 80 Forstgesetz 1975 BGBl. Nr. 440/1975, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 56/2016 (kurz: ForstG 1975) begangen. Dabei handelt es sich um eine Vorschrift die den Schutz hiebsunreife Bestände regelt. Als hiebsunreif gelten Hochwaldbestände von nicht raschwüchsigen Baumarten in gleichartigen Beständen mit einem Alter von noch nicht 60 Jahren und bei ungleichaltrigen Beständen, wenn mehr als die Hälfte der Anzahl der Stämme des Bestandes ein Alter von 60 Jahren noch nicht erreicht hat. Der betroffene Waldbestand wies abgeleitet von den verbliebenden Wurzelstöcken diese Altersgrenze jedenfalls nicht auf.“
Der Revisionswerber habe somit eine Verwaltungsübertretung nach § 80 Abs. 1 Forstgesetz 1975 (im Folgenden: ForstG) begangen, weshalb über ihn gemäß § 174 Abs. 1 lit. a Z 28 ForstG eine Geldstrafe von € 400, (Ersatzfreiheitsstrafe 19 Stunden) verhängt und ein Kostenbeitrag vorgeschrieben werde.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. März 2023 mit einer Ergänzung des Spruchs des angefochtenen Straferkenntnisses dahingehend ab, dass der Revisionswerber die Tat dadurch begangen habe, dass in seinem Auftrag auf dem näher bezeichneten Grundstück ein hiebsunreifer Hochwaldbestand im Umfang von ca 450 m 2 zur Gänze gefällt worden sei. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber einen Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren zu leisten habe sowie dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte in der Begründung soweit hier maßgeblich fest, auf einem näher bezeichneten Grundstück sei im Auftrag des Revisionswerbers auf einer Fläche von ca. 450 m 2 der forstliche Bewuchs mit einem Traktor mit einem Mähaufsatz flächig entfernt worden. Bei dieser Fläche habe es sich um einen hiebsunreifen Hochwaldbestand gehandelt. Das durchschnittliche Alter der darauf stockenden Eschen sowie des restlichen stockenden Bestandes habe ca. 23,8 Jahre betragen. Im vorliegenden Fall seien nicht nur einzelne Stämme entnommen worden, sondern es sei der Bewuchs auf einer zusammenhängenden Fläche entfernt worden. Der Bewuchs sei in einem Ausmaß von bis zu 18 m Entfernung zur Straßengrenze entfernt worden.
4 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, da der Bewuchs jedenfalls unter 30 Jahre alt gewesen sei, sei jedenfalls von einer Hiebsunreife iSd § 80 ForstG auszugehen. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits ausgesprochen, dass die Bewilligung einer Ausnahme vom Verbot des § 80 Abs. 1 ForstG nach § 81 Abs. 1 ForstG für hiebsunreife Hochwaldbestände unabhängig von der Hiebsflächengröße erforderlich sei. Eine solche Bewilligung sei unstrittig nicht vorgelegen. Da der Bewuchs flächig entfernt worden sei, liege auch keine Einzelstammentnahme vor. Es sei daher nicht zu überprüfen gewesen, inwiefern das pflegliche Ausmaß iSd § 80 Abs. 1 und 2 ForstG eingehalten werde oder nicht. Der Revisionswerber habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst zugegeben, dass die Entfernung der Baumstämme in seinem Auftrag erfolgt sei, weshalb er die Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten habe. Auch habe er nichts vorgebracht, was Zweifel an seinem Verschulden aufkommen ließe. Er habe die Entfernung der Baumstämme in Auftrag gegeben, insofern sei ihm die Übertretung auch subjektiv zur Last zu legen, wobei beim Ausmaß des Verschuldens von Fahrlässigkeit auszugehen sei. Die Geldstrafe sah das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung als schuld- und tatangemessen an.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revision erweist sich hinsichtlich der behaupteten Abweichung des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur „tauglichen Verfolgungshandlung“ (Hinweis auf VwGH 7.1.2021, Ra 2020/17/0021) als zulässig; sie ist auch begründet.
8 Die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 104/2013, lauten:
„ VI. ABSCHNITT
NUTZUNG DER WÄLDER
A. Generelle Nutzungsbeschränkungen
Schutz hiebsunreifer Bestände
§ 80. (1) In hiebsunreifen Hochwaldbeständen sind Kahlhiebe sowie über das pflegliche Ausmaß hinausgehende Einzelstammentnahmen (Abs. 2) verboten.
(2) Das pflegliche Ausmaß im Sinne des Abs. 1 wird überschritten, wenn nach der Einzelstammentnahme weniger als sechs Zehntel der vollen Überschirmung zurückbleiben würden. Dieser Wert kann bei Pflegeeingriffen unterschritten werden, wenn
a) das Alter der solcherart behandelten Bestände die Hälfte des in den Abs. 3 und 4 angegebenen Alters nicht überschreitet und
b) zu erwarten ist, daß spätestens fünf Jahre nach dem Pflegeeingriff wieder eine Überschirmung von mehr als sechs Zehnteln erreicht sein wird.
(3) Hiebsunreif sind Hochwaldbestände von nicht raschwüchsigen Baumarten
a) in gleichaltrigen Beständen mit einem Alter von noch nicht 60 Jahren,
b) in ungleichaltrigen Beständen mit einem Durchschnittsalter von noch nicht 60 Jahren, wenn mehr als die Hälfte der Anzahl der Stämme des Bestandes ein Alter von 60 Jahren noch nicht erreicht hat.
[...]
Strafbestimmungen
§ 174. (1) Wer
a) [...]
28. dem gemäß § 80 Abs. 1 vorgesehenen Fällungsverbot zuwiderhandelt;
[...]
begeht sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist eine Verwaltungsübertretung. Diese Übertretungen sind in den Fällen
1. der lit. a mit einer Geldstrafe bis zu 7 270 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen,
[...]
zu ahnden.
[...]
Verjährung
§ 175. Die Verfolgung einer Person wegen Übertretung dieses Bundesgesetzes oder der hiezu gemäß Art. 10 Abs. 2 B VG erlassenen Landesausführungsgesetze ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einem Jahr von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.“
9 Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, „die als erwiesen angenommene Tat“ zu enthalten. Nach der ständigen hg. Judikatur zu § 44a Z 1 VStG hat die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werden. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (vgl. VwGH 8.2.2024, Ra 2023/02/0097, mwN).
10 Die objektive Tatseite einer Verwaltungsübertretung ist das vom Tatbestand erfasste, äußere menschliche Verhalten. Dieses Verhalten kann in einem Tun oder einem Unterlassen bestehen. Dem zitierten Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde (Rn. 1) ist nicht zu entnehmen, dass dem Revisionswerber eine Handlung oder eine Unterlassung als erwiesen angenommene Tat angelastet wird. Das Straferkenntnis bringt nur zum Ausdruck, dass am 25. August 2022 anlässlich eines Lokalaugenscheins auf einer vom Revisionswerber gepachteten Grundstücksfläche eine vom Revisionswerber begangene Übertretung einer den Schutz hiebsunreifer Bestände regelnden Vorschrift (§ 80 ForstG) festgestellt worden sei, weil der betroffene Waldbestand die Altersgrenze von 60 Jahren jedenfalls nicht erreicht habe. Mit keinem Wort wird in der Tatschilderung erwähnt, durch welche Handlung des Revisionswerbers es zur Übertretung des § 80 ForstG gekommen sei oder was er als Pächter unterlassen habe, um eine solche Übertretung zu verhindern (vgl. VwGH 17.3.1981, 2795/80; 26.2.1979, 1778/78, VwSlg. 9776 A/1979).
11 Nach ständiger Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. VwGH 26.4.2022, Ra 2021/02/0250; 20.8.2021, Ra 2020/10/0068, jeweils mwN).
12 Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat (vgl. zur einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist ebenso § 175 ForstG).
13 Die Nichtbefolgung des Fällungsverbotes des § 80 Abs. 1 ForstG stellt ein Begehungsdelikt dar (vgl. zu einem vergleichbaren Tatbestand des Fällens von unter Schutz gestellten Bäumen ohne Anzeige an die Behörde nach dem Stmk. BaumschutzG 1989 VwGH 24.4.2018, Ra 2017/10/0203). Die Verfolgungsverjährungsfrist begann daher mit Abschluss des angelasteten Kahlhiebes zu laufen.
14 Eine Verfolgungshandlung im Sinn der §§ 31 und 32 VStG muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (vgl. etwa VwGH 25.3.2020, Ra 2020/02/0033, mwN).
15 Das Verwaltungsgericht ergänzte das keine tatbildliche Handlung oder Unterlassung des Revisionswerbers beinhaltende Straferkenntnis der belangten Behörde in dessen Spruch dahingehend, dass der Revisionswerber die Tat dadurch begangen habe, dass in seinem Auftrag auf dem näher bezeichneten Grundstück ein hiebsunreifer Hochwaldbestand im Umfang von ca. 450 m 2 zur Gänze gefällt worden sei. Das Verwaltungsgericht begründet die Zulässigkeit der Spruchergänzung damit, dass der Tatvorhalt bereits aus dem Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde hinreichend klar sei und der Revisionswerber im Übrigen im Wege der Akteneinsicht die Stellungnahme des forstfachlichen Amtssachverständigen vom 25. August 2022 zur Kenntnis genommen habe. Allerdings lässt sich weder dem Straferkenntnis noch der genannten gutachterlichen Stellungnahme noch sonstigen Aktenteilen auch nicht der Strafverfügung eine dem Revisionswerber vorgeworfene konkrete Tathandlung entnehmen. Auch die vom Revisionswerber vorgenommene Akteneinsicht stellte schon von daher keine taugliche Verfolgungshandlung dar.
16 Erstmalig in der mündlichen Verhandlung am 14. März 2023 wurde ein konkreter Tatvorwurf gegen den Revisionswerber ermittelt und dieser daraufhin im angefochtenen Erkenntnis dahingehend formuliert, dass im Auftrag des Revisionswerbers auf einem näher bezeichneten Grundstück ein hiebsunreifer Hochwaldbestand im Umfang von ca. 450 m 2 zur Gänze gefällt worden sei. Ausgehend von der einzig festgestellten Tatzeit 14. Jänner 2022 wurde sohin innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist dem Revisionswerber gegenüber keine Verfolgungshandlung in Bezug auf das ihm vorgeworfene konkrete Verhalten gesetzt.
17 Das Verwaltungsgericht war somit mangels einer rechtzeitig innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgenommenen, alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltenden Verfolgungshandlung nicht zu einer Ergänzung des gemäß § 44a Z 1 VStG unzureichenden Spruchs des behördlichen Straferkenntnisses berechtigt.
18 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich insofern als inhaltlich rechtswidrig.
19 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie wie im vorliegenden Fall entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Nach dem oben Gesagten ist mangels innerhalb der Frist gemäß § 31 Abs. 1 VStG gesetzter tauglicher Verfolgungshandlung Verfolgungsverjährung eingetreten. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 4 VwGG insoweit abzuändern, als das bekämpfte Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen war.
20 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 28. März 2025