JudikaturVwGH

Ro 2021/13/0016 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. Oktober 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr.Reinbacher und Dr. in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46 in 1121 Wien, Niederhofstraße 21 23, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 23. Februar 2021, Zl. RV/7400142/2020, betreffend Gebrauchsabgabe März bis August 2018 (mitbeteiligte Partei: B GmbH in W, vertreten durch Dr. Helmut Krenn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stephansplatz 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Stadt Wien hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Der Magistrat der Stadt Wien erteilte mit Bescheid vom 29. Juni 2016 der B GmbH für das Bauvorhaben der F GmbH eine Gebrauchserlaubnis für die Aufstellung eines Gerüstes und die Ablagerung von Schutt auf näher bezeichneten Verkehrsflächen in der Zeit vom 7. Juli 2016 bis 30. Juli 2017. Die Mitbeteiligte stellte im Auftrag der F GmbH ein Gerüst für dieses Bauvorhaben auf, das sie an die F GmbH vermietete. Es erfolgte eine weitere Festsetzung der Gebrauchsabgabe für den Gebrauch ohne Gebrauchserlaubnis für Juli bis Dezember 2017, sowie für Jänner und Februar 2018 gegenüber der B GmbH. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

2 Am 4. Dezember 2017 beantragte die B GmbH die Verlängerung der Gebrauchserlaubnis für das Gerüst und die Baustellenlagerung. Dieser Antrag wurde vom Magistrat der Stadt Wien wegen Zweifel an der Zahlungsbereitschaft zurückgewiesen. In der Zeit von März bis August 2018 blieb das Gerüst stehen.

3 Der Magistrat der Stadt Wien setzte mit Bescheid vom 16. November 2018 eine Gebrauchsabgabe für den Gebrauch ohne Gebrauchserlaubnis von März bis August 2018 gegenüber der B GmbH, der F GmbH und der Mitbeteiligten zur ungeteilten Hand fest. In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Mitbeteiligte vor, dass das gegenständliche Bauprojekt von der F GmbH durchgeführt worden sei und sie lediglich als Auftragnehmer dieses Unternehmen tätig geworden sei. Es sei vereinbart gewesen, dass alle Bewilligungen durch die Auftraggeber einzuholen seien.

4 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge und hob ihr gegenüber die Abgabenvorschreibung ersatzlos auf. Die Beschwerden der B GmbH und der F GmbH wurden als unbegründet abgewiesen. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte das Bundesfinanzgericht aus, die B GmbH und die F GmbH hätten bei dem Bauvorhaben zusammengewirkt, die F GmbH sei als bauausführende Firma anzusehen, während die B GmbH die Gebrauchserlaubnis erwirkt habe. Die B GmbH habe unter Bekanntgabe der F GmbH als Bauführerin um eine Bewilligung nach dem Gebrauchsabgabegesetz angesucht und damit zu erkennen gegeben, dass sie gemeinsam mit der F GmbH den Gebrauch gegenständlicher Verkehrsflächen anstrebe und ausüben werde. Nach Ablauf der erteilten Bewilligung sei zunächst nicht um deren Verlängerung angesucht worden, jedoch hätten sich auf der Baustelle auch nach Bewilligungsende Baumaterial und Teile der Baustelleneinrichtung befunden. Sowohl die B GmbH, die um die Gebrauchserlaubnis angesucht habe, als auch die bauausführende F GmbH kämen als Gebraucher bzw. Nutzer für den bewilligungslosen Gebrauch der Verkehrsflächen in Betracht. Die Mitbeteiligte habe weder beim Magistrat der Stadt Wien um die Erlaubnis zum Gebrauch von öffentlichem Grund angesucht, noch sei sie für die Lagerung von Baustoffen, Baugeräten, Schutt und dergleichen verantwortlich gewesen. Dass das im Eigentum der Mitbeteiligten stehende Gerüst von deren Arbeitern auf öffentlichem Grund errichtet worden sei, reiche allein noch nicht aus, um den bewilligungslosen Gebrauch der angeführten Verkehrsflächen der Mitbeteiligten zuzurechnen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 16 Gebrauchsabgabegesetz (GAG), komme als Gebraucher derjenige in Betracht, in dessen Auftrag der Gebrauch durchgeführt werde. Feststellungen in diese Richtung seien entbehrlich, wenn jemand sich selbst der Behörde gegenüber als Gebraucher bezeichne bzw. für sich um die Gebrauchserlaubnis ansuche. Diese Rechtsprechung sei auch auf den neu eingeführten § 9 Abs. 1a GAG anzuwenden. Der Mitbeteiligten sei daher keine Abgabe vorzuschreiben gewesen. Die Revision wurde zugelassen, weil es noch keine Rechtsprechung zur Auslegung des § 9 Abs. 1a GAG gibt.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die sich gegen die Stattgabe der Beschwerde der Mitbeteiligten richtet und zu ihrer Begründung ausführt, über die Person des für die Sondernutzung im Sinne des GAG Verantwortlichen, den Gebraucher, enthalte das GAG keine besonderen Bestimmungen. Der Begriff müsse daher im Wege der Interpretation des GAG ermittelt werden. Dazu seien auch § 6 GAG sowie § 8 Abs. 2 GAG miteinzubeziehen. Der Kreis der Gebraucher mit oder ohne Gebrauchserlaubnis sei nur in § 3 Abs. 1 GAG auf Eigentümer eingeschränkt und abgesehen von dieser Bestimmung nicht losgelöst, sondern nur im Zusammenhalt mit den Tarifen des GAG bestimmbar. Die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei zu einer Verwaltungsstrafrechtsbestimmung und nicht zum Abgabentatbestand ergangen. Das Bundesfinanzgericht verkenne, dass § 9 Abs. 1a GAG gerade Fälle des bewilligungslosen Gebrauches regle, in denen die Verantwortung gerade nicht durch eine Antragstellung bei der Behörde offen zutage trete. Es könne auch nicht sein, dass sich Sondernutzer im Ergebnis aussuchen könnten, wen die abgabenrechtliche Verantwortung treffe. Eine weite Sicht der Sondernutzung lasse sich auch aus dem FAG ableiten. Das Wesen der Gebrauchsabgabe liege darin, dass die Abgabe demjenigen auferlegt werde, der öffentlichen Grund in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse in besonderem Maße auf besondere Art in Anspruch nehme. Auch eine Gerüstfirma könne zur Einreichung um eine Gebrauchserlaubnis legitimiert sein. Eine Abgabenpflicht bestehe daher auch für den Eigentümer des Gerüsts. Dies ergebe sich aus der systematischen Interpretation des GAG.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 § 9 Abs. 1 und 1a GAG in der Fassung LGBl. Nr. 61/2016 lauten:

Abgabepflicht, Anzeigepflicht und Haftung

(1) Der Träger einer Gebrauchserlaubnis für öffentlichen Grund in der Gemeinde gemäß § 1, der Träger einer Erlaubnis zum Gebrauch von Bundesstraßengrund und derjenige, der Bundesstraßengrund auf eine im angeschlossenen Tarif angegebene Art gebraucht, für die nach der Straßenverkehrsordnung ausdrücklich keine Bewilligung erforderlich ist, haben eine Gebrauchsabgabe zu entrichten.

(1a) Derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes gemäß angeschlossenem Tarif benutzt ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, hat unbeschadet der §§ 6 und 16 die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten. Die Abgabe ist durch Bescheid festzusetzen. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten sinngemäß. Wird die Gebrauchserlaubnis nachträglich erteilt, so ist die vom Abgabepflichtigen nach diesem Absatz bereits entrichtete Abgabe anzurechnen.“

8 Die Erläuterungen (Beilage Nr. 45/2012, LG 03021/2012/0001 LGBl. 11/2013) zu § 9 Abs. 1a lauten:

„In Zukunft soll die Abgabepflicht auch an den bloßen Gebrauch von öffentlichem Grund der Gemeinde anknüpfen. Wie in anderen Bereichen üblich (z.B. Parkometerabgabe) soll die Abgabe auch für den Zeitraum, in welchem öffentlicher Grund ohne Gebrauchserlaubnis benützt wird, vorgeschrieben werden. Festgestellt wird auch, dass wenn für ein und denselben Gebrauch in ein und demselben Zeitraum ein Antrag auf Gebrauchserlaubnis gestellt und bewilligt wird, die vom Antragsteller bereits nach diesem Absatz entrichtete Gebrauchsabgabe anzurechnen ist.“

9 Das Bundesfinanzgericht ist auf Grundlage der zu § 16 GAG einer verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmung ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Beurteilung gelangt, dass die Mitbeteiligte keine Abgabenpflicht trifft, weil sie weder um die Erlaubnis zum Gebrauch von öffentlichem Grund angesucht habe, noch für die Lagerung von Baustoffen, Baugeräten, Schutt und dergleichen verantwortlich gewesen sei.

10 Die Amtsrevision weist zutreffend darauf hin, dass die vom Verwaltungsgerichtshof ergangene Judikatur zu § 16 GAG, (VwGH 1.5.2004, 2003/17/0133), die eine verwaltungsstrafrechtliche Norm betraf, auf die später eingeführte abgabenrechtliche Bestimmung des § 9 Abs. 1a GAG nicht ohne weiteres anwendbar ist. Die Frage, wer Abgabepflichtiger im Sinne des § 9 Abs. 1a GAG ist, ist vielmehr aus dieser Bestimmung und der Gesetzessystematik abzuleiten.

11 § 9 GAG sieht eine Abgabepflicht für die Nutzung des öffentlichen Grundes in der Gemeinde Wien sowohl aufgrund einer Gebrauchserlaubnis als auch ohne Gebrauchserlaubnis vor. Eine abgabenpflichtige Nutzung des öffentlichen Grundes liegt dann vor, wenn öffentlicher Grund auf eine im angeschlossenen Tarif angegebene Art gebraucht bzw. gemäß angeschlossenen Tarif benutzt wird.

12 Tarif D Post 1 nennt die Lagerung von Baustoffen, Schutt, Baugeräten, Baucontainern, Lademulden oder von sonstigen Gegenständen sowie die Aufstellung von Baugeräten, Baucontainern, Gerüsten oder Bauhütten. Die Aufstellung eines Gerüsts unterliegt somit Tarif D und stellt eine Nutzung des öffentlichen Grundes im Sinne des § 9 GAG dar.

13 Die Amtsrevision verweist auf § 6 und § 8 Abs. 2 GAG, die bei der Auslegung des Begriffes des Nutzers zu berücksichtigen seien. Gemäß § 6 ist der Magistrat berechtigt, Sachen, durch die ein Gebrauch ohne Vorliegen einer Gebrauchserlaubnis ausgeübt wird, ohne vorausgegangenes Verfahren gegen nachträglichen Kostenersatz durch den Verpflichteten das ist derjenige, der den Grund gemäß § 1 ohne Vorliegen einer Gebrauchserlaubnis genutzt hat und der Eigentümer zu entfernen und zu lagern. § 8 Abs. 2 GAG sieht vor, dass Personen, die einen in § 1 umschriebenen Gebrauch ausüben, verpflichtet sind, den amtlich legitimierten Organen des Magistrates auf Verlangen nachzuweisen, dass ihnen hiefür eine Gebrauchserlaubnis erteilt wurde.

14 Wenn in § 8 Abs. 2 GAG vorgesehen ist, dass Personen nachzuweisen haben, dass „ihnen“ eine Gebrauchserlaubnis erteilt wurde, ist zu bemerken, dass gemäß § 3 Abs. 2 GAG die Wirksamkeit einer Gebrauchserlaubnis abgesehen von den in § 3 Abs. 1 GAG angeführten, hier nicht vorliegenden Fällen auf denjenigen Erlaubnisträger beschränkt ist, dem die Gebrauchserlaubnis erteilt wurde. Es kann aber nicht angenommen werden, dass Personen, die nicht Erlaubnisträger sind, aber als deren „Auftragnehmer“ (etwa Werkunternehmer im Rahmen eines Werkvertrags mit dem Erlaubnisträger als Besteller) tätig werden, zusätzlich eine eigene Gebrauchserlaubnis erwirken müssten, um nicht den Tatbestand des § 9 Abs. 1a GAG oder § 16 Abs. 2 GAG zu verwirklichen. Wie auch aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 9 Abs. 1a GAG abzuleiten ist, ist eine Gebrauchsabgabe für „ein und denselben Gebrauch in ein und demselben Zeitraum“ nur einmal zu entrichten. Derartige Personen sind als Erfüllungsgehilfen des Erlaubnisträgers von der Wirksamkeit der Gebrauchserlaubnis erfasst. Daraus ergibt sich, dass derartige Erfüllungsgehilfen einen „im § 1 umschriebenen Gebrauch“ (iSd § 8 Abs. 2 GAG) nicht (selbst) ausüben.

15 Die weiters in der Revision genannte Bestimmung des § 6 GAG wurde gleichzeitig mit der Einfügung der Bestimmung des § 9 Abs. 1a GAG (LGBl. Nr. 11/2013) neu gefasst. Diese Bestimmung unterscheidet zwischen (einerseits) jenem, der den Grund ohne Vorliegen einer Gebrauchserlaubnis genutzt hat, und (anderseits) dem Eigentümer (der zu entfernenden Sache); diese Personen werden mit dem Begriff „Verpflichtete“ zusammengefasst. Nach § 9 Abs. 1a GAG (in der hier noch anwendbaren Fassung) ist aber nur derjenige abgabepflichtig, der den öffentlichen Grund benutzt. Der Eigentümer der Sache (also hier: die Mitbeteiligte als Eigentümerin des Gerüsts) ist hingegen (als solcher) nach dieser Bestimmung nicht abgabepflichtig. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage hier entgegen der Behauptung in der Revision von jener etwa zum Wiener Glückspielautomatenabgabegesetz.

16 § 6 GAG erwähnt neben dem Verpflichteten weiters dessen „Erfüllungsgehilfen (Beauftragten)“. Der Erfüllungsgehilfe ist demnach nicht als eine Person anzusehen, die den Grund (selbst) benutzt (vgl. auch die im hier vorliegenden Verfahren noch nicht anwendbare, mit LGBl. Nr. 57/2019 eingefügte Bestimmung des § 6a Abs. 1 GAG, die zwischen dem „Sondernutzer“ und seinem „Erfüllungsgehilfen (Beauftragten)“ unterscheidet).

17 In der Revision wird nicht bestritten, dass die Mitbeteiligte ihre Leistungen im „Auftrag“ der (ehemaligen) Erlaubnisträger erbrachte und diesen gegenüber verrechnete. Damit erfolgte der Gebrauch (oder die Benutzung) des öffentlichen Grundes auf Rechnung und Gefahr dieser ehemaligen Erlaubnisträger. Die Mitbeteiligte als deren Erfüllungsgehilfe ist nicht als „Benutzer“ iSd § 9 Abs. 1a GAG anzusehen, sodass sie nicht abgabepflichtig ist.

18 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

19 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Oktober 2023

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