Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision der Dr. B S in W, vertreten durch Dr. Johannes Stowasser, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 5/6.1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Februar 2021, Zl. W 254 2238957 1/2E, betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in einer Angelegenheit betreffend die Erfüllung der Schulpflicht (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bildungsdirektion für Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 9. Dezember 2020 wurde dem mj. Kind der Revisionswerberin die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht im Schuljahr 2020/21 gemäß § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) untersagt und die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid erhobenen rechtzeitigen und zulässigen Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.
2 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Verwaltungsgericht und bekämpfte darin auch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Februar 2021 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung ab und sprach gemäß § 25a VwGG aus, dass die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig ist.
4 Mit Erkenntnis vom 12. April 2021 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich der Untersagung gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG als unbegründet ab und bestätigte die entsprechende Beschwerdevorentscheidung (vgl. zur diesbezüglichen Revision VwGH 29.7.2022, Ra 2021/10/0094).
5 Gegen das Teilerkenntnis vom 5. Februar 2021 über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erhob die Revisionswerberin vorerst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2021, Zl. E 515/2021 6, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 20. Juli 2021, Zl. E 515/2021 9, an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 In der Folge erhob die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 31. August 2021 die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.
8 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist, Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Aus § 33 Abs. 1 VwGG lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof als Prozessvoraussetzung versteht. Führt nämlich die Klaglosstellung einer revisionswerbenden Partei in jeder Lage des Verfahrens zu dessen Einstellung, so ist anzunehmen, dass eine Revision von vornherein als unzulässig betrachtet werden muss, wenn eine der Klaglosstellung vergleichbare Situation bereits bei Einbringung der Revision vorliegt. Eine derartige Revision ist mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 21.4.2015, Ro 2014/01/0034, mwN).
10 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. etwa VwGH 20.5.2015, Ro 2015/10/0021; 20.12.2017, Ra 2017/10/0139).
11 Mit hg. Verfügung vom 18. Juli 2022 wurde der Revisionswerberin Gelegenheit zur Äußerung zur Frage des Vorliegens eines rechtlichen Interesses an der Entscheidung über die eingebrachte Revision trotz bereits erfolgter Entscheidung in der Hauptsache eingeräumt.
12 Die Revisionswerberin teilte dazu fristgerecht mit, sie wolle sich die Möglichkeit offenhalten, ihren Sohn auch für das kommende Schuljahr 2022/23 zum häuslichen Unterricht anzumelden und hierbei die Unterstützung der Privatschule in Anspruch zu nehmen. Es bestehe daher nach wie vor der Bedarf nach rechtlicher Klärung der Rechtmäßigkeit der unter Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfolgten Untersagung des häuslichen Unterrichts. Wenn die belangte Behörde nach wie vor in einem vergleichbaren Sachverhalt in gleicher Weise über Rechte der Revisionswerberin entscheiden könne, bestehe nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis, derartiges Verwaltungshandeln zu unterbinden.
13 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass ungeachtet der Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache ein rechtliches Interesse an der Entscheidung betreffend die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegeben sei:
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits wiederholt festgehalten, dass das Rechtsschutzinteresse eines Revisionswerbers, dessen Revision sich gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts betreffend die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde richtet, nicht mehr gegeben ist, sobald das Verwaltungsgericht über die Beschwerde selbst erkannt hat (vgl. etwa VwGH 28.4.2015, Ra 2014/02/0023; 9.9.2015, Ro 2015/03/0028; 10.10.2018, Ra 2018/11/0189).
15 Daran ändert weder die allfällige Erhebung einer Revision gegen die Entscheidung in der Hauptsache etwas (vgl. etwa VwGH 5.1.2022, Ra 2021/03/0313; 29.6.2021, Ra 2020/08/0007; 10.9.2018, Ra 2018/11/0109), noch das Interesse an der grundsätzlichen Klärung der Rechtsfrage, die auch für künftige Fälle von Bedeutung sein kann (vgl. VwGH 17.11.2015, 2015/03/0003; 24.6.2015, Ra 2015/10/0027, mwN).
16 Da fallbezogen zum Zeitpunkt der Erhebung der Revision gegen die Bestätigung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung über die Beschwerde in der Hauptsache bereits entschieden worden war, lag schon im Einbringungszeitpunkt kein rechtliches Interesse an der Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vor, weshalb die Revision mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen war.
Wien, am 12. September 2022