Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Dr. Mayr sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der A GmbH in W, vertreten durch die Huber | Berchtold Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Getreidemarkt 14/13, gegen das am 9. September 2021 mündlich verkündete und am 19. Oktober 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW 123/061/10474/2021 21, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien, Magistratsabteilung 31 Wiener Wasser in Wien, vertreten durch die Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2. OG), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Aus dem angefochtenen Erkenntnis ergibt sich zusammengefasst folgender unbestritten gebliebener Sachverhalt:
2 Die mitbeteiligte Partei führt als Auftraggeberin (öffentliche Sektorenauftraggeberin gemäß § 167 Bundesvergabegesetz 2018 BVergG 2018) ein offenes Verfahren zur Beschaffung einer Bauleistung (Bauauftrag) durch. Der geschätzte Auftragswert des gegenständlichen Auftrags betreffend „Wasserrohrlegungen und Wasserrohrauswechslungen“ in einem näher genannten Bereich öffentlicher Straßen in Wien liegt im Unterschwellenbereich. Der Zuschlag sollte nach dem Billigstbieterprinzip erfolgen. Das Vergabeverfahren wurde unionsweit mit 31. März 2021 im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht. Die revisionswerbende Partei hat rechtzeitig innerhalb der am 29. April 2021 endenden Angebotsfrist ein Angebot abgegeben.
3 Dieses Angebot wurde mit Schreiben der mitbeteiligten Partei vom 2. Juli 2021, zugestellt am selben Tag, ausgeschieden. Die Ausscheidensentscheidung stützt sich auf Gründe iSd § 302 Abs. 1 Z 2 und 5 iVm § 249 Abs. 2 Z 3 und 4 BVergG 2018 und zwar einerseits auf die wegen schwerer beruflicher Verfehlungen und nicht ausreichender Selbstreinigungsmaßnahmen fehlende Eignung der revisionswerbenden Partei und andererseits auf das Vorliegen einer Ausschreibungswidrigkeit, zumal nach dem objektiven Erklärungswert des Angebots anstelle der für vier Arbeitspartien erforderlichen Arbeitskräfte, lediglich sechs Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt würden.
4 Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2021 beantragte die revisionswerbende Partei die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) diesen Nachprüfungsantrag gemäß § 3 und § 8 Abs. 1 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2020 (WVRG 2020) iVm §§ 248 Abs. 1 und 2, 250 Z 1 BVergG 2018 ab (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass die revisionswerbende Partei die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (Spruchpunkt II.) und die Revision unzulässig sei (Spruchpunkt III.).
6 Sofern für das Revisionsverfahren von Relevanz traf das Verwaltungsgericht in seiner Begründung zusammengefasst folgende Feststellungen:
Der Bauauftrag sei in vier Bauabschnitte aufgeteilt, wobei sich die näher beschriebenen Abschnitte 1 und 2 in zeitlicher Hinsicht mit Baubeginn jeweils Mitte Juni 2021 und Bauende jeweils Oktober 2021 völlig überschneiden würden. Der näher beschriebene 3. Abschnitt überschneide sich teilweise mit den Arbeiten im 1. und 2. Abschnitt, zumal der Baubeginn mit Anfang September 2021 und das Bauende mit Dezember 2021 festgelegt sei.
Zum 1. und 2. Abschnitt sei in der Baubeschreibung jeweils folgende Festlegung getroffen worden:
„Um die vorgegebene Bauzeit in diesem Bauabschnitt einhalten zu können, ist mit einer eventuell notwendigen Baudurchführung mit mehreren Arbeitspartien gleichzeitig zu rechnen (nach Anordnung bzw. Rücksprache mit dem AG).“
Zum 3. Abschnitt sei in der Baubeschreibung folgende Festlegung getroffen worden:
„Um die vorgegebene Bauzeit in diesem Bereich einhalten zu können, ist eine zwingende Arbeitsdurchführung mit zwei Arbeitspartien gleichzeitig notwendig!“
Die revisionswerbende Partei habe in ihrem Angebot „dem im Akt aufliegenden K 3 Blatt zufolge eine Arbeitspartie mit einer Besetzung von fünf Personen, nämlich 1 Vorarbeiter (IIa), 1 Facharbeiter (IIb), 2 angelernte Bauarbeiter (IIla) und 1 Bauhilfsarbeiter (IV) kalkuliert“.
Zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung habe die revisionswerbende Partei über sechs Arbeitnehmer verfügt. Subunternehmer seien von der revisionswerbenden Partei nicht namhaft gemacht worden.
7 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die mitbeteiligte Partei habe in der einen Bestandteil der Ausschreibungsbestimmungen bildenden Baubeschreibung zu den Abschnitten 1, 2 und 3 Festlegungen getroffen, „die (zwingend) zu einem Einsatz von mindestens vier Arbeitspartien gleichzeitig führen“ könnten. Dem Wortlaut der Festlegungen zu den Abschnitten 1 und 2 zufolge unterliege es unter anderem der Ingerenz der mitbeteiligten Partei, den Einsatz von zwei Arbeitspartien gleichzeitig anzuordnen. Nachdem sich die Abschnitte 1 und 2 zeitlich völlig überschneiden würden und es zu Abschnitt 3 ab Anfang September 2021 eine zeitliche Überschneidung gebe, sei ein zwingender Einsatz von zwei Arbeitspartien gleichzeitig festgelegt. Ein Auftragnehmer habe sohin Vorsorge zu treffen, dass das Personal für die sich daraus ergebenden mindestens vier Arbeitspartien zur Verfügung stehe.
Die Ausschreibungsbestimmungen würden „zwar keine abschließende bzw. ausdrückliche, numerisch angegebene Anzahl von Arbeitspartien festlegen“, es ergebe sich jedoch aus einer zusammenschauenden Auslegung der Festlegungen in den Abschnitten 1 bis 3 klar, dass für vier Arbeitspartien Vorsorge zu treffen sei. Unter anderem habe die mitbeteiligte Partei nachvollziehbar auf das festgelegte Erfordernis von Arbeiten auch während der Nacht und auf den damit zwingend verbundenen Wechsel von Arbeitspartien bzw. deren Arbeitskräften verwiesen, der aufgrund der Einhaltung von Ruhezeiten erforderlich sei.
Der Begriff „Arbeitspartie“ sei bereits dessen Wortsinn nach so auszulegen, dass es sich um mindestens zwei Arbeiter handeln müsse. Aufgrund der langjährigen Erfahrung der mitbeteiligten Partei mit der Ausführung von Bauaufträgen gleicher Art habe jedoch eine Arbeitspartie in Zusammenhang mit dem Aushub von Künetten für Wasserrohre zunächst aus einem angelernten Arbeiter als Baggerfahrer, zwei weiteren angelernten Arbeitern für Pölzungsarbeiten und einem Hilfsarbeiter zu bestehen. Darüber hinaus sei ein Polier Teil der Arbeitspartie, dessen durchgehende Anwesenheit jedoch nicht erforderlich sei und dem die Aufsicht über mehrere Arbeitspartien zukomme. Eine Arbeitspartie müsse daher aus zumindest vier ständig auf der Baustelle arbeitenden Personen bestehen. Von diesem Verständnis sei auch die fachkundige revisionswerbende Partei angesichts des von ihr vorgelegten K3 Blattes ausgegangen. Damit sei anhand der bestandfesten Festlegungen der Baubeschreibung für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt klar erkennbar gewesen, dass mit einem Einsatz von mindestens 16 Arbeitskräften bei dem geforderten gleichzeitigen Einsatz von vier Arbeitspartien zu rechnen sei.
Demgegenüber habe die revisionswerbende Partei zum relevanten Zeitpunkt der Angebotseröffnung jedoch lediglich über sechs Arbeiter und mangels Namhaftmachung einer Subunternehmerin nicht über das erforderliche Personal verfügt, weshalb gemäß § 250 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018 deren technische Leistungsfähigkeit nicht vorgelegen sei. Der Nachprüfungsantrag sei daher bereits mangels Vorliegen der technischen Leistungsfähigkeit abzuweisen gewesen.
8 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, aus näher beschriebenen Festlegungen in den Ausschreibungsbestimmungen zur Erbringung der Bauleistung ergäbe sich keine bestimmte Anzahl an Arbeitskräften, keine Definition des Begriffs „Arbeitspartie“ und keine Mindestanzahl an „Arbeitspartien“ oder eine Mindestanzahl an Fach- oder Hilfskräften. Nach ständiger näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein nachträgliches Abändern der Ausschreibungsbestimmungen, wie vorliegend durch die nachträgliche Annahme einer Mindestanzahl von 16 Arbeitskräften, unzulässig.
Überdies sei in den bestandfesten Ausschreibungsbestimmungen als Eignungskriterium zum Personal ausdrücklich unter Verweis auf § 85 BVergG 2018 nur die Vorgabe getroffen worden, dass ein Bauleiter im Betrieb als „Mindestanforderung“ nachzuweisen sei. Es würde dem Transparenzgebot widersprechen, wenn „zusätzliche“ Mindestvorgaben über die Auslegung des Leistungsinhaltes kreiert würden. Die bestandfeste Ausschreibungsbestimmung zum Mindestpersonal könne nicht mittels Interpretation der „Leistungsbeschreibung/Baubeschreibung“ verändert werden. Wenn neben der ausdrücklichen Bezeichnung „Mindestanforderungen an die technische Leistungsfähigkeit“ ein Bauleiter im Betrieb aber keine weiteren Arbeitnehmerzahlen vorgesehen seien, obliege es den Bietern ihren sonstigen Personalaufwand selbst festzulegen. Nach dem objektiven Erklärungswert der Ausschreibungsbestimmungen sei somit lediglich ein Bauleiter nachzuweisen, jedoch kein weiterer „Mindest“ Personalstand. Wäre dies gefordert worden, hätte die revisionswerbende Partei dies etwa durch Subunternehmer oder eigene Arbeitsverträge nachweisen können. Im Übrigen stelle der Ausschreibungsgegenstand einer Bauleistung einen Werkvertrag dar. Dabei handle es sich um ein Zielschuldverhältnis. Die Festlegung des Verwaltungsgerichts, es seien zumindest 16 Arbeitskräfte einzusetzen, würde eine Einschränkung der revisionswerbenden Partei in der Disposition ihrer Arbeitskräfte bei Annahme eines solchen Auftrags bedeuten. Dies sei mit dem anzuwendenden Billigstbieterprinzip nicht vereinbar. Zusammengefasst sei das Verwaltungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert abgewichen.
Im Übrigen verweist die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 8. Juli 2021, Sanresa , C 295/20. Demnach sei daraus, dass ein Wirtschaftsteilnehmer bereits einschlägige Erfahrungen gesammelt habe, darauf zu schließen, dass er in der Lage sei, den Auftrag auszuführen. Zum Schutz einer dennoch möglichen Nichtausführung des Auftrags hätte die mitbeteiligte Partei neben dem geforderten Bauleiter weitere Mindestmaße für Arbeitspartien, deren Zusammensetzung und Qualifikationen im Zuge der Eignungskriterien festlegen können und müssen. Dies sei nicht erfolgt. Die nachträgliche Herleitung einer Mindestzahl von 16 Arbeitskräften sei willkürlich und widerspreche den Grundsätzen des BVergG 2018. Selbst wenn im Zuge der Auftragserfüllung mehr Arbeitskräfte benötigt werden sollten, würde es den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Transparenz widersprechen, alle Bieter zum Vorhalten unproduktiven Personals im Zeitpunkt der Angebotslegung zu verpflichten. Dies stelle nach Ansicht des EuGH eine übertriebene Anforderung dar, die geeignet sei, Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere kleinere Unternehmen, von einer Verfahrensbeteiligung abzuhalten. Im Ergebnis sei es der revisionswerbenden Partei überlassen, ob sie mit den vorhandenen Arbeitskräften, die Bauausführung auftragskonform erbringen könne oder weitere Arbeitskräfte anstelle. Ein Ausscheiden könne nicht mit einem Ausführungsrisiko trotz Erfüllung der selbst festgelegten Mindestkriterien begründet werden. Schließlich habe die mitbeteiligte Partei bloß allgemein gehaltene Rahmenbedingungen als Teil der Ausschreibungsunterlagen mit der Bezeichnung „Aktenvermerk über die Vorverhandlung vom 17.02.2021“ den Bietern vorgegeben. Demnach würde sich die MA 46 aus Gründen der Leichtigkeit, Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs sowie aus Koordinierungsgründen eine Abänderung der vorläufigen Bedingungen vorbehalten; die Festlegung der effektiven Bedingungen und Auflagen für die Arbeitsdurchführung gesondert erfolgen und sei rechtzeitig vor Baubeginn (mindestens 4 Wochen) neuerlich ein Antrag an die MA 46 für die effektive Bewilligung der Arbeiten zu stellen. Der revisionswerbenden Partei sei es daher zwangsläufig unmöglich, einen bestimmten Personalstand vorherzusehen, wenn die konkreten Arbeitsabläufe erst nach einer späteren Bewilligung festgelegt werden könnten. Der tatsächliche Personalaufwand werde sich erst nach einer neuen „verkehrstechnischen“ Bewilligung der Arbeiten feststellen lassen. Die im Aktenvermerk genannten später ergehenden „Bedingungen und Auflagen für die Arbeitsdurchführung“ würden keine Bedingungen im Zuge der Angebotsprüfung darstellen. All dies sei Teil der Leistungserbringung. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die interpretative Herleitung von „zumindest 16 Arbeitskräften“ als Festlegung von Eignungskriterien angesehen.
13 Gemäß § 193 Abs. 1 zweiter Satz BVergG 2018 hat die Vergabe an geeignete Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.
14 Gemäß § 248 Abs. 1 BVergG 2018 hat der Sektorenauftraggeber für die Durchführung eines Vergabeverfahrens objektive Eignungskriterien festzulegen, die allen interessierten Unternehmern zugänglich sein müssen. Ein Unternehmer, der die gemäß Abs. 1 festgelegten Eignungskriterien nicht erfüllt, ist vom Vergabeverfahren auszuscheiden (Abs. 2).
15 Gemäß § 302 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 hat der Sektorenauftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung aufgrund des Ergebnisses der Prüfung Angebote von Bietern auszuscheiden, deren Eignung nicht gegeben ist. Die Eignung muss beim offenen Verfahren spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen (§ 250 Z 1 BVergG 2018). Die Eignung umfasst unter anderem die technische Leistungsfähigkeit eines Bieters (§ 251 Abs. 1 Z 4 BVergG 2018).
16 Der Umstand, dass die mitbeteiligte Partei in der Ausschreibung keine erforderliche Mindestanzahl an Arbeitnehmern genannt hat, macht es nicht von vornherein unzulässig, die von der revisionswerbenden Partei bekannt gegebene Anzahl von lediglich sechs Arbeitnehmern zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung als für den Auftrag zu gering zu bewerten. Es ist vielmehr auch in solchen Fällen möglich, die personelle Ausstattung eines Bieters als objektiv zu gering zu bewerten und diesen Bieter daher gemäß § 302 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 auszuscheiden (vgl. noch zu § 98 Abs. 1 BVergG 2002 VwGH 18.5.2005, 2004/04/0094).
17 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem zum Ausdruck gebracht, dass einer in vertretbarer Weise vorgenommenen einzelfallbezogenen Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. zu alldem etwa VwGH 27.2.2019, Ra 2019/04/0019, Rn. 17 und 18, mwN).
18 Eine derart krasse Fehlbeurteilung zeigt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf. Aus dem Hinweis, wonach laut den Ausschreibungsbestimmungen betreffend die „Nachweise der technischen Leistungsfähigkeit (§ 85 BVergG 2018)“ als „Mindestanforderungen an die technische Leistungsfähigkeit“ lediglich auf den Nachweis mindestens eines Bauleiters im Betrieb verwiesen wird, ist nicht darauf zu schließen, dass die technische Leistungsfähigkeit eines Bieters in Bezug auf die erforderliche personelle Ausstattung für die vollständige und zeitgerechte Erbringung der ausgeschriebenen Bauleistungen jedenfalls bereits gegeben ist, wenn die Beschäftigung mindestens eines Bauleiters im Betrieb nachgewiesen wird. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht die Ausschreibungsbestimmungen, insbesondere die Baubeschreibung zu den einzelnen Bauabschnitten, in vertretbarer Weise dahin ausgelegt, dass es zur termingerechten Leistungserbringung des Einsatzes mehrerer Arbeitspartien bedarf und eine Arbeitspartie mindestens aus vier ständig auf der Baustelle arbeitenden Personen zu bestehen hat. In der Baubeschreibung wird zwar lediglich zu Abschnitt 3 die Mindestanzahl der notwendigen gleichzeitig einzusetzenden Arbeitspartien mit 2 Arbeitspartien zahlenmäßig bestimmt, während zu den Abschnitten 1 und 2 das Erfordernis unbestimmt mit „mehreren Arbeitspartien“ angegeben ist. Im Hinblick auf die sich aus der Baubeschreibung ergebende zwingende zeitliche Überschneidung der Bautätigkeiten in den einzelnen Abschnitten samt dem Erfordernis der Durchführung von Arbeiten auch während der Nacht ist die Auslegung des Verwaltungsgerichts, wonach ein Bieter wenn er, wie vorliegend die revisionswerbende Partei, keinen Subunternehmer namhaft gemacht hat zumindest über vier Arbeitspartien zu je vier Arbeitnehmern zwecks Gewährleistung der technischen Leistungsfähigkeit verfügen müsse, jedenfalls nicht unvertretbar.
19 Dem steht der Hinweis der Revision auf den notwendigen Antrag des Zuschlagsempfängers bei der MA 46 mindestens 4 Wochen vor Baubeginn um verkehrsbehördliche Genehmigung der ausgeschriebenen Bauleistungen und eine sich daraus ergebende mögliche Änderung der Arbeitsdurchführung nicht entgegen, weil grundsätzlich von den bestandfesten Festlegungen in der Baubeschreibung der Ausschreibung zu den einzelnen Abschnitten und den darin enthaltenen zeitlichen Vorgaben auszugehen ist.
20 Ebenso wenig vermag die Revision mit ihrem Verweis auf das Urteil des EuGH vom 8. Juli 2021, Sanresa , C 295/20, ein Abgehen von der Rechtsprechung des EuGH bzw. des Verwaltungsgerichtshofs und somit eine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B VG aufzuzeigen. In dieser Entscheidung hat der EuGH dargelegt, dass es sich in einem Vergabeverfahren über Abfallbewirtschaftungsdienstleistungen, bei der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Pflicht eines Wirtschaftsteilnehmers, der Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen Staat verbringen will, über die Zustimmung der zuständigen Behörden der von der Verbringung betroffenen Mitgliedstaaten zu verfügen, um eine Bedingung für die Ausführung dieses Auftrags handelt und nicht um eine Bedingung in Bezug auf die Befähigung zur Berufsausübung bzw. um ein qualitatives Eignungskriterium, wie etwa die technische Leistungsfähigkeit (Rn. 41ff). Im Gegensatz dazu betrifft die personelle Ausstattung eines Bieters dessen technische Leistungsfähigkeit (vgl. wiederum VwGH 18.5.2005, 2004/04/0094; bzw. Art. 58 Abs. 4 erster Satz der Richtlinie 2014/24/EU, wonach im Hinblick auf die technische Leistungsfähigkeit die öffentlichen Auftraggeber Anforderungen stellen können, die die personellen Ressourcen der Wirtschaftsteilnehmer sicherstellen, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können). Insofern ist das Urteil des EuGH vom 8. Juli 2021, C 295/20, vorliegend nicht einschlägig.
21 Die Revision vermag die Vertretbarkeit der Auslegung der Ausschreibungsbestimmungen und die Bewertung der personellen Ausstattung der revisionswerbenden Partei mit lediglich sechs Arbeitnehmern als zu gering für die vollständige und zeitgerechte Erbringung der ausgeschriebenen Bauleistungen im konkreten Einzelfall, somit das Vorliegen des Ausscheidungsgrunds gemäß § 302 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 wegen mangelnder technischer Leistungsfähigkeit nicht in Zweifel zu ziehen. Schließlich hat die Revision auch nicht dargelegt, dass sie ihre technische Leistungsfähigkeit betreffend die erforderliche personelle Ausstattung gegenüber der mitbeteiligten Partei auf sonstige Weise (Nennung eines Subunternehmers) nachgewiesen habe.
22 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. November 2023